Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Sad

1.

Es hat dein holder Reiz die Welt,
So lang und breit sie ist, umfangen;

Die Himmelssonne schaut beschämt
Des Erdenmondes schöne Wangen.

Das Anschau'n deiner Reize ist
Der Völker nöthigste Verrichtung,

Der Anblick deines Angesicht's
Der Engel heiligste Verpflichtung.

Des vierten Himmels Sonne1 borgt
Ihr Licht von deiner Wangen Schimmer;

Der siebenten der Erden gleich,
Drückt eine Schuldenlast sie immer.2

Die Seele, die sich Ihm nicht weiht,
Bleibt ew'gem Tode Preis gegeben;

Der Leib der nicht Sein Sclave wird,
 Verdient verstümmelt nur zu leben.

Zu küssen Seines Fusses Staub,
Wird es wohl jemals dir gelingen?3

Der Wind nur mag Ihm, o Hafis,
Der Sehnsucht Kunde überbringen!
 

1 Nach der orientalischen Sphärologie gibt es neun Himmel, in deren viertem die Sonne.

2 Die Orientalen fabeln von sieben Erden, deren je eine unter der anderen.

3 Gelingen heisst im Persischen wörtlich: die Hand geben.

 

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