Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Fe

1.

Sind mir die Gestirne günstig,
Halt' ich Ihn am Saum zurück;

Zieh' ich Ihn an mich, o Wonne!
Tödtet er mich dann, o Glück!

Meinem hoffnungsvollen Herzen
Brachte Niemand noch Gewinn,

Trägt mein Lied auch allenthalben
Das was mir begegnet, hin.

Nähr' ich marmorherz'ge Götzen
Länger noch mit Schmeichelei'n?

Diesen ungerath'nen Söhnen
Fällt wohl nie ihr Vater ein.

Deine holdgekrümmte Braue
Öffnete mir nie ein Thor:1

Weh, dass ich das theure Leben
In so schiefem Wahn verlor!

 Nimmt des Freundes Brauenbogen
Je mich Schwachen bei der Hand?2

Hat er Keinem doch die Pfeile
An des Wunsches Ziel gesandt!

In dem Wahne fromm zu werden
Sitze still im Winkel ich,

Doch verfolgt mit Harf' und Pauke
Wunderbar ein Wirthskind mich.

Dumm sind Frömmler, schweig'3 und falle
In die Tonart Naksch4 nun ein!

Trunken ist der Vogt, der Heuchler:
Fürchte nichts und bringe Wein!

Sieh doch nur: am Zweifelsbissen
Kaut der städt'sche Ssofi hier:

Einen langen Schwanzesriemen
Habe dies genährte Thier!5

Schlägst du einst, Hafis, die Strasse
Nach dem Haus der Liebe ein,

 Wird der Vogt Nedschef's6 dir gütig
Ein getreuer Führer sein.
 

1 D.h. Deine Stirne entrunzelte sich mir niemals.

2 D.h. Wird sich seine Braue jemals zu mir neigen?

3 Schweige, La takul, kann auch heissen: Spiele nicht die erlaubte Tonweise kul.

4 Naksch heisst die freieste und ausgelassenste, daher verbotene Tonweise.

5 D.h. nach dem Commentator Sudi, er möge noch verthierter werden als er ohnehin ist.

6 Der Vogt Nedschef's ist Ali, der Schwiegersohn des Propheten, so genannt, weil er, zu Nedschef bei Kufa begraben, noch immer das moralische Richteramt über seine Anhänger übt.

 

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