Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Lam

4.

Wanderern genügt die Liebe
Auf dem Pfad' als Führerin;

Nur das Wasser meines Auges
Leitete mich zu Ihm hin.

Kömmt die Welle meiner Thränen
Wohl bei Jenem in Betracht,

Der auf der Erschlag'nen Blute
Seine Schiffe segeln macht?

Nicht aus freier Wahl geschah es
Wenn mein guter Name litt:

Es verlockte mich zur Liebe
Wer als Führer vor mir schritt.

Wirf der Götzen Wangenfeuer
Doch nicht selber auf dich hin,

Oder schreite durch die Gluthen
Wie Chalil1, mit frohem Sinn.

Bau' entweder auf dich selber,
- Doch das Ziel verfehl'st du dann -

Oder wage ohne Führer
Keinen Schritt auf dieser Bahn.

Durch den Zeitraum vieler Jahre
Sinn ich jenem Verse nach

Den ein Elephantenwärter
Einst am Nilesufer sprach:

»Nimm des Elephantenwärters
Sitten und Gebräuche an,

Oder hole Elephanten
Nimmermehr aus Hindostan.«

Male dir das Blau der Liebe
Nimmer auf die Wange hin,

Oder lass das Kleid der Tugend
Mit dem Nile weiter zieh'n.2

Lade ohne Wein und Sänger
In das Paradies mich nicht:

 Nur im Wein find' ich die Wonne
Die dem Selsebil gebricht.

Wenn du Sinniges besitzest,
Schaff' es, o Hafis, herbei:

Was du sonst noch magst behaupten,
Ist nur eitle Schwätzerei.
 

1 Chalil, d.i. Abraham, siehe die 2. Anmerkung zum vorstehenden Ghasel.

[2 Gott hatte das Feuer, in welches Nimrod Abraham, der Chalil-üllah, d.i. Freund Gottes heisst, werfen liess, für ihn in eine kühle Rosenlaube verwandelt.]

2 D.h. Wolle dich der Liebe nicht erwehren oder entsage aller Tugend. - Nil, das Blau und der Nilstrom heisst, ist zugleich der Name der gebrannten Raute, die man zur Abwendung des sogenannten Cattiv occhio, den Kindern in die Ohrläpplein einreibt und die blau färbt.

 

zurück