Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Mim

2.

Auf dem Heerweg nach der Schenke
Lass mich wandeln für und für:

Eines Schlückchens wegen brauchen
Wir ja alle diese Thür.

Als des Zechens und der Liebe
Ich am ersten Tag gedacht,

Ward nur diese Bahn zu wandeln
Zur Bedingung mir gemacht.1

Dort wo Dschem sammt seinem Throne
Winden muss zur Beute sein,

Hätt' ich Unrecht Gram zu trinken:2
Klüger ist's, ich trinke Wein.

Hoffend meine Hand berühre
Seines Gürtels theures Gut,

Sitze ich, wie rother Onix,
Mitten in des Herzens Blut.

Prediger, gib uns Verwirrten
Keine Lehre, denn wir schau'n,

Froh des Staub's im Freundesgaue,
Nicht auf Paradiesesau'n!

Geh'n im Tanze doch die Ssofis
Mir mit gutem Beispiel vor:

D'rum zum Gaukelspiele hebe
Ich auch eine Hand empor.3

Erdenstaub hat deine Hefe
Kostbar in Rubin verkehrt,

Und vor dir bin ich, der Arme,
Weniger als Stäubchen werth.

Lass, noch eh' vorüber gehe
Dieses Leben, es gescheh'n.

Dass an dir ich freudig möge
Einmal nur vorüber geh'n!

Weil, Hafis, kein Weg mich führet
Nach dem Köschk genannt »Verein«,

 Lass' mich mit dem Schwellenstaube
Dieser Thür zufrieden sein!
 

1 Das Schicksal bestimmte mich nämlich schon am ersten Schöpfungstage, d.i. von allem Urbeginn, zur Liebe und zum Weingenuss.

2 Die Perser sagen: Gram trinken, statt: sich grämen.

3 Anspielung auf den bekannten religiösen Tanz der Derwische, die vorzugsweise zu den Ssofis gehören. Dieser Tanz besteht in einem fortschreitenden Drehen um sich selbst, und beginnt mit Emporhebung der Hände. - Da das Wort desti, eine Hand, auch einen Krug bedeutet, so kann diese Stelle auch heissen: Ich hebe den Krug empor, d.i. ich trinke, wenn die Ssofis tanzen.

 

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