Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Mim

16.

Wesshalb sollt' ich mich nicht sehnen
Bald das eig'ne Land zu schauen,

Wesshalb nicht zum Staube werden
In des eig'nen Freundes Gauen?

Unvermögend zu ertragen
Fremdlingsleiden und Beschwerden,

Will, die eig'ne Stadt betretend,
Ich mein eig'ner Kaiser werden.1

In's Geheimniss des Genusses
Und der Liebe will ich dringen,

Und mich als ein treuer Diener
Nur dem eig'nen Herrn verdingen.

Ungewiss ist unser Leben:
Darum kann nur Ein's mir frommen:

Vor dem eig'nen Bild2 zu weilen
Wenn mein Todestag gekommen.

Weil von Liebe und vom Zechen
Ich bisher nicht konnte lassen,

Will ich künftighin mit meinen
Eig'nen Thaten mich befassen.3

Heisst des Glückes fester Schlummer
Und ein tolles Thun mich klagen,

Will ich, was ich heimlich leide,
Meinem eig'nen Ich nur sagen.

Wirst, Hafis, die ew'ge Gnade
Du zur Führerin nicht nehmen,

Will ich bis in ew'ge Zeiten
Vor dem eig'nen Ich mich schämen.
 

1 Dies Ghasel dichtete Hafis zu Jesd, von wo er sich nach seiner Vaterstadt Schiras zurücksehnte.

2 D.i. Vor meinem Geliebten.

3 Nämlich wieder lieben und zechen.

 

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