Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Mim

18.

Vierzig Jahre und darüber
Prahle ich mit stolzem Sinn

Dass ich von des alten Wirthes
Dienern der Geringste bin.

Durch des alten Weinverkäufers
Segensvolle Huld geschah's,

Dass von glänzend reinem Weine
Niemals leer sich fand mein Glas.

Hoch in Würde durch die Liebe,
Glücklich durch der Zecher Schaar,

Sitz' ich auf dem Ehrenplatze
In den Schenken immerdar.

Gib doch, weil ich Hefe trinke,
Keiner üblen Meinung Raum!

Denn befleckt ist meine Kutte,
Aber rein bewahrt mein Saum.1

 Herr! Da ich ein edler Falke
Auf der Hand des Kaisers bin,

Wesshalb trieb man mir die Sehnsucht
Nach dem Neste aus dem Sinn?

Schade ist es, lebt ein Sprosser,
Ähnlich mir, auf dieser Flur:

Trotz der süssen Zunge muss ich,
Gleich der Lilie, schweigen nur.2

Persiens Luft und Wasser nähret
Wunderbar gar manchen Fant;

Wer begleitet mich? Ich schaffe
Mein Gezelt aus diesem Land.

Leerst du unter'm Mönchsgewande3
Länger noch das Glas, Hafis,

Lüft' ich deiner Thaten Schleier
Bei des Meisters Fest gewiss,

Turanschah's4, des Hochbeglückten,
Dessen Huld auf eine Art

 Sich gesteigert, dass zum Ringe
Sie an meinem Halse ward.5
 

1 Ein reiner Saum heisst so viel als ein tugendhafter Wandel.

2 Die Blätter der Lilie werden von den Dichtern eben so vielen Zungen verglichen.

3 D.i. Heimlich.

4 Turanschah, der Wesir des Ilchaniden Hassan Schah und dessen Sohnes Uweis. Er war selbst ein Ilchanide und den Königen nahe verwandt.

5 D.h. Dass ich zu seinem Sclaven wurde. - Das Bild ist von der auf dem Sclavenmarkte stattfindenden Versteigerung der ausgebotenen Sclaven hergenommen, deren Abzeichen ein Halsring oder ein Ring im Ohre ist.

 

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