Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Mim

24.

Auf! Und lasst uns von der Schenke Pforte
Die Eröffnung uns'rer Lust verlangen;

Lasst uns sitzen auf des Freundes Strasse,
Und verlangen das wornach wir bangen!

Auf dem Weg zum Heiligthum der Liebe
Mangelt uns das Zehrgeld für die Reise!

Lasst ein Zehrgeld von der Thür der Schenke
Uns verlangen nach der Bettler Weise!

Zwar in stetem Laufe ist begriffen
Uns're ganz mit Blut befleckte Zähre:

Doch verlangen wir dass sich ein Bote,
Den an Ihn wir senden, rein bewähre.

Nach dem Wohlschmack deines Kummermaales
Mögen fruchtlos uns're Herzen bangen,

Wenn vom herben Kummer deiner Liebe
Jemals wir Gerechtigkeit verlangen!1

Deines Maales Pünktchen lässt sich nimmer
Auf des Blickes Zeichnerbrettchen malen,

Wenn dazu wir Tinte nicht verlangen
Von den Männchen die im Auge strahlen.2

Fleht mein Herz dass um den Preis der Seele
Ihm dein Mund ein Küsschen nicht verweig're,

Spricht dein Mund, so süss wie Zucker lächelnd:
»Wir verlangen dass den Preis man steig're.«

Dass ein duft'ges Exemplar besitze
Dieses Herz, von schwarzem Gram befangen,

Wollten wir die holde schwarze Farbe
Von dem Moschus deines Flaum's verlangen.

Weil der Gram, den wir um dich erdulden,
Nur im frohen Herzen ist zu finden,3

So verlangen Frohsinn wir, in Hoffnung
Gram um dich und Kummer zu empfinden.

Bis wie lang bist du, Hafis, gesonnen
Noch zu sitzen an der Schule Thüren?

 Auf! Verlangen wir dass nun der Schenken
Off'ne Thüren uns zur Freude führen!
 

1 D.h. Wenn wir uns je darüber beklagen.

2 D.h. Nur mit einer Tinte, schwarz und glänzend wie die Augensterne, die im Persischen die Männchen des Auges heissen, vermag man dein Maal auf das Zeichenbrett des Blickes zu malen, nämlich: nur helle Augensterne sind würdig oder im Stande, dein Maal (das diesem Augensterne gleicht) zu betrachten.

3 D.h. Weil nur derjenige froh und glücklich sein kann, der sich aus Liebe zu dir grämt.

 

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