Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Mim

25.

Geht dein Traumgebild vorüber
An der Augen Rosenau'n,

Tritt das Herz an's Augenfenster
In der Absicht es zu schaun'n.

Komm, denn Perlen und Rubine1
Streu' ich dir zu Füssen hin,

Schaffe aus des Herzens Schatze
Sie in's Augenmagazin.

Keinen Wohnort, deiner würdig,
Schau' ich rings in der Natur:

Ich nur bin's und dieses Auges
Heller Winkel ist es nur.

Als ich dich zuerst erblickte,
Sprach das Herz: »Wenn allenfalls

Unglück d'raus entsteht, so büsse
Für mein Blut des Auges Hals!«2

Mich zerstören wollte Morgens
Meiner Thränen wilder Lauf:

Doch es hielt am Saum des Auges
Meines Herzens Blut ihn auf.

Weil ich deine Ankunft hoffte
Legt' ich, bis der Tag erschien,

Gestern Nachts des Auges Fackel
Auf die Bahn des Windes hin.3

Habe Mitleid mit dem Harren
Jenes, der die ganze Nacht

Herzensblut durch's Augenfenster
Auf die Wange strömen macht!

Wenn du menschlich bist, so schiesse
Auf Hafis den Pfeil nicht ab;

Jenes Aug's das, herzdurchbohrend,
Manchem Mann den Tod schon gab!
 

1 D.i. Klare und blutige Thränen.

2 D.h. So komme die Schuld meines vergossenen Blutes auf das Auge.

3 Erwartend, dass mir der Wind Nachricht von deinem baldigen Erscheinen zuwehe.

 

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