Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Mim

41.

Wird das Haar dir zu berühren
Nochmals meiner Hand erlaubt,

Schlage ich mit deinem Schlägel
Manches ballengleiche Haupt.1

Als mein langes Leben hab' ich
Stets dein Lockenhaar erkannt:

Doch von diesem langen Leben
Liegt kein Haar in meiner Hand.

Gibt den Machtbefehl der Ruhe
Heute Nacht, o Kerze, mir,2

Denn im Herzensfeuer schmilz' ich,
Einer Kerze gleich, vor dir!

Übergeb' ich einst, gleich Flaschen,
Laut auflachend, meinen Geist,3

Sollen Jene für mich beten
Die man deine Trunknen4 heisst.

 Ein Gebet von mir, Beflecktem,
Kann kein wahrhaft frommes sein;

Darum schmelze ich und brenne
Tret' ich in die Schenke ein.

Lässt in Tempeln und in Schenken
Sich dein Wahngebilde schau'n,

Mach' ich zu Altar und Zither
Deine beiden Augenbrau'n.5

Wenn einst Nachts mir deine Wange
Meine Einsamkeit erhellt,

Hebt mein Haupt sich, wie der Morgen,
Hoch empor in alle Welt.

Löblich wird auf diesem Wege
Meinem Thun ein End' gemacht,

Wenn die Liebe zu Ajasen
Mich um meinen Kopf gebracht.6

Wem, Hafis, soll ich des Herzens
Gram vertrau'n, da heut zu Tag

 Mir als innigster Vertrauter
Nur der Becher taugen mag?
 

1 D.h. Durch das Glück, deine schlägelförmige Locke zu berühren, bringe ich so manchen Nebenbuhler in Verzweiflung, schlage sie wie der Schlägel den Ballen.

2 D.h. Befiehl, o Geliebter, dass ich von den Leiden der Liebe ausruhen möge, d.h. gewähre mir deine Liebe, damit ich wieder ruhig werde. - Dass Perwane, Befehl, Handschreiben, Diplom und zugleich den in das Kerzenlicht verliebten Falter bedeute, ist bereits bemerkt worden.

3 Die Flasche lacht auf, d.i. sie macht ein lautes Gegurgel, wenn ihre Seele, der Wein, ausgegossen wird, d.i. wenn sie gleichsam ihren Geist aufgibt.

4 D.h. Die in dich Verliebten.

5 D.h. Stelle ich mir im Tempel deine Augenbrauen als Altar, und in der Schenke als (bogenförmige) Zither oder Geige vor, die im Persischen kiemantsche, d.i. kleiner Bogen heisst, wodurch der Dichter auf die Augenbrauen des Geliebten anspricht.

6 D.h. Ich werde löblich auf dem Wege der Liebe enden, wenn die Liebe zu meinem Freunde mich um meinen Kopf bringt. - Das Wort Mahmud, löblich oder gelobt, ist zugleich der Name des berühmten Schah Mahmud, des Ghasnewiden, dessen Liebling der Sclave Ajas gewesen.
 

 

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