Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Mim

44.

Komm, Ssofi, lass vom Leib uns ziehen
Das Mönchsgewand der Gleissnerei;

Lass, als unbrauchbar, uns durchstreichen
Dies schnöde Bild der Heuchelei!

Wir geben das Gelübd' des Klosters
Und seine Spenden hin für Wein,

Und tauchen in der Schenke Wasser
Den Mantel des Betruges ein.

Berauscht geh'n wir hinaus und tragen
Von uns'res Gegners Tafelschmaus

Den Wein als Beute fort, und schleppen
Den Liebling an das Thor hinaus;

Und dem Geheimniss des Geschickes,
Das nie aus seiner Hülle bricht,

Dem ziehen wir in uns'rem Rausche
Den Schleier von dem Angesicht.

Lass uns ein edles Werk vollbringen,
Weil sonst uns Schande überfällt

Wenn wir, mit dem Gepäck der Seele,
Einst wandern in die and're Welt;

Und räumet morgen man nicht willig
Die Gartenflur Riswan's uns ein,

Zieh'n wir die Knaben aus den Sälen,1
Die Huris aus dem Himmelshain.

Wo winkt uns freundlich Seine Braue?
Dem Neumond ähnlich, wollen wir

Den Ball des Firmaments berühren
Mit eines Schlägels gold'ner Zier.2

Hafis! Auf solche Art zu prahlen
Steht uns fürwahr gar übel an:

Was strecken wir die Füsse weiter
Als uns're Decke reichen kann?
 

1 Die Knaben des Paradieses nämlich, die die Bewohner desselben in ihren himmlischen Sälen zu bedienen bestimmt sind.

2 D.h. Wenn uns des Geliebten Braue winkt (die einem Schlägel gleicht), so wollen wir uns so glücklich fühlen, dass wir den Himmelsball mit einem goldenen Schlägel zu schlagen im Stande wären, wie es gleichsam der Neumond thut (der ebenfalls dem mit einem krummen Häkchen versehenen Schlägel gleicht).

 

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