Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Nun

24.

Bring', o Herr, doch jenen Moschushirschen
Wieder auf Choten's Gebiet,

Bringe jene wandelnde Zipresse
Wieder auf das Wiesenrieth!1

Schmeichle sanft mit einem Abendlüftchen
Meinem welkgeword'nen Glück,

Bringe - sag' ich - die entfloh'ne Seele
Wieder in den Leib zurück!

Mond und Sonne kommen an am Ziele
Auf ein Machtgebot von dir!

Bringe meinen vollmondgleichen Liebling
Wieder gütig her zu mir!

Meine Augen, schon ganz blutig, suchen
Den Rubin aus Jemen nur:

Bringe, Herr, den glänzendsten der Sterne
Wieder heim auf Jemen's2 Flur!

Ohne dich - dies Wort bleibt ausgesprochen -
Wünsch' ich nicht zu leben mehr:

Bringe - hör' es, du o kund'ger Bote -
Wieder eine Nachricht her!

Eile, sel'ger Vogel, dessen Spuren
Deuten auf der Herrschaft Glück?

Bring' das Wort der Krähe und des Raben
Wieder dem Anca zurück!

Jenen, Herr, der in Hafisens Auge
Seine stete Heimath fand,3

Bring' nach seinem Wunsche aus der Fremde
Wieder in der Heimath Land!
 

1 Hafis dichtete dies Ghasel bei Gelegenheit der Abreise seines Freundes, den er einen Moschushirschen, eine wandelnde Zipresse, eine entflohene Seele, einen Vollmond, einen Rubin aus Jemen, einen Stern und zuletzt, den Herrschaft und Glück bringenden Vogel (Huma) ansprechend, einen Anca (oder Simurgh) nennt; sich selbst einer Krähe und einem Raben vergleichend.

2 Unter Jemen ist hier Schiras gemeint.

3 D.h. Jenen Geliebten, der meinen Augen stets vorschwebt.

 

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