Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Waw

1.

Du, dessen hohem, schlankem Wuchse
Gar trefflich passt das Kaiserkleid!

Die Hoheit deines Wesens ist es
Die Schmuck dem Thron und Ring1 verleiht.

Es lockt in jedem Augenblicke
Dein vollmondgleiches Angesicht

Aus deiner königlichen Krone
Des Sieges helles Sonnenlicht.

Heisst gleich das Sonnenlicht am Himmel
Die Fackel und das Aug' der Welt,

Ist's doch der Staub nur deiner Füsse
Der strahlend ihr das Aug' erhellt.

Voll Glanz erscheint des Glückes Vogel
An jedem Orte den zuvor

Der Huma deines Zelt's beschattet,
Das bis zum Himmel reicht empor.

Es gibt; bei tausend Widersprüchen
In Weisheit und Gesetz, kein Ding,

Und wär' es noch so fein gesponnen,
Das deiner Einsicht je entging'.

Auch strömt aus dem beredten Schnabel
Ein wahrer Lebensquell hervor

Dem Psittich mit der süssen Zunge,
Ich meine: deinem Zuckerrohr.2

Wonach einst Alexander strebte,
Und was das Loos ihm nicht gewährt,3

War Hefe nur aus deinem Glase,
Dess' süsse Fluth das Leben mehrt.

In deiner Hoheit heil'gen Räumen
Bedarf's der Bittgesuche nicht,

Da keines Sterblichen Geheimniss
Sich birgt vor deiner Weisheit Licht.

O Fürst! Das alte Haupt Hafisens
 Erfüllt ein jugendlicher Geist,

Wenn du, beseelend und voll Milde,
So wie er hoffet, ihm verzeih'st.
 

1 Dem Ringe, als Symbol der Herrschaft nämlich. - Dies Ghasel sang Hafis bei Gelegenheit der zweiten Thronbesteigung des von den Turkomanen vertriebenen Königs Manssur.

2 Deinem Schreibrohr nämlich.

3 Nämlich den Trank der Unsterblichkeit.

 

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