Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Waw

8.

Das Auge blutet mir durch Jenen
Der einen Bogen hat zur Braue,

Und jene Brau' und jenes Auge,
Sie droh'n Gefahr dem Weltenbaue.

Das Auge lieb' ich jenes Türken:
Wenn Schlaf sich seinem Rausch gesellte,

Wird ihm zum Rosenbeet die Wange,
Die Braue ihm zum Moschuszelte.

Zum Neumond ward mein Leib aus Kummer
Dass sich der Himmelsmond getraue,

Sein duftendes Thugra1 nicht achtend,
Uns kühn zu zeigen seine Braue.

Du, Ketzerherz, willst dich nicht hüllen
In deine Locken, und ich zitt're,

Dass jene hochgewölbte Braue
Nicht meinen Hochaltar erschütt're.2

Sein Stirnblatt hat den frommen Klausnern
Ein zartes Rosenbeet geschienen,

An dessen Wiesenrand die Braue
Lustwandeln geht mit stolzen Mienen.

Den Schönheitsbogen halte immer
Dein trunk'nes Aug' straff angezogen:

Auf dass mit seinem Pfeil du treffest
Den Mond, der Brauen hat gleich Bogen.

Die Nebenbuhler merken nimmer,
Dass tausend Winke ich erschaue

Von jener Stirn' und jenem Auge,
Durch die Vermittlerin, die Braue.

Wer wär' es, der bei solchen Reizen
Noch Huris oder Peris priese?

Denn haben jene solche Augen,
Und eine solche Braue diese?

Stets war Hafis ein flinker Vogel
Wenn er der Liebe Luft durchflogen:

 Doch traf ihn jetzt ein Pfeil aus Augen,
Die Brauen haben, ähnlich Bogen.
 

1 Siehe die 4. Anmerkung zum 3. Ghasel aus dem Buchstaben Waw.
[4 D.h. Gott schuf nie ein schöneres Geschöpf als dich. - Gott wird hier dem Thugrakiesch, d.i. dem Staatssecretär für den Namenszug des Monarchen, und die Augenbrauen werden diesem verschlungenen Namenszuge, Thugra, verglichen, der obenan vor jeden kaiserlichen Befehl gesetzt wird; wobei noch zu bemerken, dass das Wort mathbu, hold, auch aufgedrückt, und das Wort missal, gleich, ähnlich, auch kaiserlicher Befehl bedeute.]

2 Dass ich nämlich nicht mehr am eigentlichen Altare, sondern am Altare deiner Brauen bete.

 

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