Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe He

6.

Der Wirthe Hausthor ward gescheuert
Und ward gewaschen rein;

Es sitzt der Greis davor und ladet
So Alt als Jung hinein.

Zu seinem Dienst gegürtet, prangen
Die Trinker aufgestellt;

Er aber, der der Kron' entsagte,
Hat im Gewölk sein Zelt.1

Der Gläser Glanz und der Pocale
Bedeckt des Mondes Licht,

Und selbst den Lauf der Sonne hemmet
Der Knaben Angesicht;

Der holde Trotz der süssen Schenken
Und ihre Zänkerei

Zerbricht den Zucker, knickt Jasmine
Und schlägt die Laut' entzwei;2

 Die Glück'sbraut, trotz der tausend Reize,
Holt dort im Kämmerlein

Die Brauenschminke sich, und reibet
In's Moschushaar sie ein;3

Ein holder Engel der Erbarmung
Ergreift der Wonne Glas,

Und giesst auf Huris und auf Peris
Der Hefe Rosennass.4

Ich grüsste ihn, da sprach er also
Mit lächelndem Gesicht:

»Der du des Rausches Folgen fühltest,
Betrunk'ner, armer Wicht!

Wer handelt je wie du gehandelt,
Dem Muth und Einsicht fehlt?

Du floh'st des Hauses Schatz, und bautest
In Wüsten dir ein Zelt.

Die Gunst des wahren Glückes - fürcht' ich -
Wird stets verwehrt dir sein,

 Denn, von dem eingeschlaff'nen Glücke
Umarmet, schliefst du ein.« -

Der Himmel selber lenkt den Zelter
Des Schah Nussreteddin:5

Komm, sieh, es heben Engelshände
Zart in den Bügel ihn.

Sich selbst zu adeln, hat die Weisheit,
Der Nichts verborgen ist,

Vom Himmelsthore seine Schwelle
Schon hundertmal geküsst. -

Komm nun, Hafis, mit in die Schenke,
Dort zeig' ich ungestört

Dir tausend Reihen frommer Wünsche,
Die Gott gewiss erhört.
 

1 D.h. So hoch steht die moralische Würde des Wirthes, dass sein Haupt bis an die Wolken reicht, die ihn, statt der Krone, deren er nicht bedarf, überschatten.

2 D.h. Übertrifft den Zucker an Süsse, die Jasmine an Anmuth und die Laute an Wohlklang der Töne.

3 D.h. Das Glück selbst, reizend ohnedies wie eine Braut, reibt sich noch das Moschushaar ein, und bedient sich dazu der kostbaren Brauenschminke, um nur mit allen Erfordernissen der Schönheit geschmückt bei diesem Feste des alten Wirthes zu erscheinen.

4 Der Engel der Erbarmung ist der Schenke, der auf die Huris- und Peris-gleichen Theinehmer des Festes hefe giesst. die dem Rosenwasser an Wohlduft gleicht. - Bekanntlich ist das Besprengen mit Rosenwasser eine morgenländische Ehrenbezeigung.

5 Der mystische Commentator Hafisens, Schemii, meint unter Schah Nussreteddin sei der Prophet zu verstehen; es ist aber der schon erwähnte Schah Jahja, mit dem Beinamen Nussreteddin, d.i. Hilfe des Glaubens.

 

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