Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Elif

5.

Auf, o Schenke, gib mir den Pocal,

Streue Staub auf's Haupt der Erdenqual!1

Setz' das Glas mir auf die Hand; - mit Lust

Reiss' das blaue Kleid2 ich von der Brust.

Klugen scheint das gegen Ehr' und Pflicht,

Doch ich will ja Ruhm und Ehre nicht.

Gib mir Wein! Wie manches Thorenhaupt

Hat der Wind des Stolzes schon bestaubt!

Meines heissen Busens Seufzerrauch

Sengte diese kalten Rohen3 auch.

Keiner, seh' ich, will mein Herz versteh'n,

Möge hoch er oder niedrig steh'n;

Nur bei jenem Holden find' ich Ruh',

Der die Ruhe mir geraubt im Nu.

Niemand blicket auf den Baum der Flur,

Sah er jenen Silberbaum erst nur.

Sei geduldig Tag und Nacht, Hafis,

Du erreichst des Wunsches Ziel gewiss.
 

1 D.h. Begrabe die Erdenqual im Staube, d.i. vergiss sie.

2 Die blaue Kutte, welche die Jünger des von Hafis für einen Gleissner gehaltenen Scheich Hassan Asrakpusch, d.i. des Blaugekleideten, und dadurch gleichsam anzeigen wollten, dass sie ihre Seele von irdischen Gelüsten rein hielten und zu Gott und dem Himmel erhöben. Sie waren erklärte Feinde des Scheich Muhammed oder Mahmud Atthar, des Lehrers Hafisens in den Geheimnissen der Ascetik. Hafis hatte von jenem Scheiche oft Vorwürfe über seine allzufreie Lebensweise zu ertragen.

3 Die gedachten blaugekleideten Jünger des Scheich Hassan Asrakpusch.

 

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