Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Je

18.

Sei, o Herz, auch nicht ein Weilchen
Leer von Lieb' und Trunkenheit;

Zieh' dann freudig hin, vom Leben
Bist du und vom Tod befreit!

Sah'st du einen Kuttenträger,
Wolle dann dir selbst misstrau'n.

Ist doch jeder Kibla besser
Als sich selbst Altäre bau'n!

Trägheit auf dem Ordenspfade
Deutet auf Ungläubigkeit:

Ja, gar flink und gar behende
Wandelt die Betrunkenheit.

Wähnst du dich gelehrt und weise,
Bist du jedes Wissens baar:

Selbstverläugnung - lass dir's sagen -
Macht dich frei für immerdar.

Was mich traf an Missgeschicken
Das erhob am Tage sich

Wo aus Starrsinn nicht ein Weilchen
Du gesetzt dich neben mich.

Mein Monarch! Bei Gott, in Trümmer
Schlug mich nur dein Lockenhaar;

Droht mir länger noch ein Neger
Mit so langer Hand Gefahr?1

Wie so schön sprach jener Götze
Abends in der Maghen2 Kreis:

»Was bekümmern dich die Ketzer,
Dich, der nichts von Götzen weiss?«

Seit Hafis das Niedersinken
Deiner Haare ward gewahr,

Trat ihn Niedrigkeit mit Füssen,
So erhöht sein Haupt auch war.3
 

1 Der Neger mit der so langen Hand ist das Haar.

2 D.i. Der Wirthe. Dieselben werden Maghen genannt, weil sie das Verbot des Weintrinkens nicht achten.

3 D.h. Seit Hafis sah, dass sein langes Haar sich so weit erniedrigte, dass es auf den Boden fiel (d.i. so lang ist, dass es bis auf den Boden herab reicht), legte er sein sonst so hohes, stolzes Haupt seinem niederwallenden Haare zu Füssen, das ihn gleichsam damit zu treten schien.

 

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