Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Je

39.

Des Morgens sprach am Rain ein Wandersmann

In Räthselart den Nachbar also an:

»Es wird der Wein, o Ssofi, dann erst klar,

Wenn vierzig Tag' er in der Flasche war.«

Im Finger Salomon's nur liegt die Kraft:

Dem Ringe selbst fehlt jede Eigenschaft.

Schon hundertmal hat Gottes Zorn geweckt

Ein Mönchsgewand das hundert Götzen deckt.

Die Herzen dunkeln: doch vielleicht erhellt

Ein Klausner sie durch Licht aus jener Welt.

Die Grossmuth ist ein Wort zwar ohne Sinn;

Doch zu dem Zarten flehe immerhin!

Dein Lohn, o Herr der Garbe, findet sich,

Erbarm'st du eines Ährenlesers dich.

Bei Niemand kann ich Lust und Freude schau'n,

Auch Tröstung nicht und gläubiges Vertrau'n.

Auf hohe Würden hofft der Muth nicht mehr,

Vom Bild der Liebe ist das Stirnblatt leer.

Hafisen fehlt die Ruh' bei'm Unterricht,

Und Sich'res weiss selbst der Gelehrte nicht.

Zeig' mir der Schenke Thür, um mein Geschick

Dort zu erforschen durch des Sehers Blick.1

Zwar sind die Schönen hartgesinnt; allein

Kannst du nicht mild mit dem Betrübten sein?
 

1 Dieses Ghasel scheint, dem düsteren Tone nach zu urtheilen, den Hafis darin walten lässt, zur Zeit irgend eines öffentlichen Unglücks, vielleicht der turkomanischen Invasion, gedichtet.

 

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