Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Je

42.

Wolkenschatten1 sind, o Schenke,
Lenz und Bachesufer hier:

Was du thun sollst, sag' ich nimmer,
Sag', Beherzter2, selbst es dir!

Auf! denn dies Gemälde duftet
Nimmer nach Einfärbigkeit:3

Wasche denn in reinem Weine
Das befleckte Ssofikleid!

Niedrig ist die Welt: misstraue
Dieser Gnadenspenderin;

Welterfahrner, von der nieder'n
Ford're nicht beständ'gen Sinn!

Doch erschliess' dein Ohr und höre
Wenn der Sprosser klagend spricht:

»Rieche zu der Gnade Rose,4
Meister, und versäum' es nicht!«

 Horch'st du meinem Doppelrathe,
Nennst du hundert Schätze dein:

»Tritt herein zum Thor der Freude,
Schlag' der Schande Pfad nicht ein!«

Willst den Seelenfreund du schauen,
Halte ihm den Spiegel vor,5

Denn es keimt Narciss' und Rose
Nicht aus Stahl und Erz empor;

Und bevor an Weinhausthüren
Du zu Staub geworden bist,

Weile hinter'm Schenkenvorhang
Durch zwei kurzer Tage Frist;

Und, zum Danke dass du wieder,
Athmetest des Frühlings Luft,

Pflanz' des Wohlthuns Baum, dich labend
An der Gnadenrose Duft!

»Von Hafis« - so sprachst du - »wehet
Stets ein Gleissnerduft uns an.«

 Deine Sinne muss man loben:
Fein ist dein Geruchsorgan!
 

1 In der 24. Sitzung der berühmten Sitzungen Hariri's findet sich die Bemerkung, dass es angezeigt sei im Frühlinge Wein zu trinken, wenn der Himmel umwölkt ist.

2 D.h. Verständiger. Nach den Orientalen hat der Verstand seinen Sitz im Herzen. Wollte Gott, er hätte ihn überall darin!

3 D.h. Denn die Farben wechseln stets in dem Gemälde der Welt. Durch die Einfärbigkeit wird hier auch auf Scheich Mehmed oder Mahmud Atthar, genannt Jekrenk, d.i. der Einfärbige, angespielt.

4 D.h. Erwirb dir die Gnade Gottes.

5 Den hellen Spiegel deines Herzens.

 

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