Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Mukathaat

1.

Auf die Welt und ihre Güter
Lege nicht zu grossen Werth,

Weil noch keinem Menschensohne
Ihre Treue sie bewährt;

Keiner ass in dieser Bude
Stachellosen Honigseim,

Keiner trug aus diesem Garten
Dornenlose Datteln heim;

Und wo immer eine Fackel
Im Begriff zu leuchten stand,

Ward vom Wind sie ausgeblasen,
Wenn sie vollends erst gebrannt.

Wer mit unbedachtem Sinne
Seine Neigung ihr gewährt,

 Hat, wenn du's genau betrachtest,
Seinen eig'nen Feind ernährt.

Ein Monarch, der, welterobernd,
Sieg' auf Siege hat gehäuft,

Und von dessen Heldenschwerte
Häufig Menschenblut geträuft;

Der mit Eines Angriff's Sturme
Einen Reiterschwarm durchbrach,

Und mit Eines Wortes Spitze
Eines Heeres Herz durchstach;

Der die Oberhäupter alle
Grundlos in den Kerker stiess,

Und die Hälse1 ihrer Häupter
Schuldlos dann berauben liess;

Er, durch den erschreckt, die Löwin
Um die Frucht des Leibes kam,

Wenn sie in der weiten Wüste
Seinen Namen nur vernahm,

 Machte ganz Schiras und Tauris
Und Irak sich unterthan:

Doch, nachdem er sie erobert,
Brach auch seine Stunde an:

Jener nämlich, der im Glanze
Ihm die Welt erscheinen liess,2

War es, der mit einer Sonde
Ihm das helle Aug' durchstiess.3
 

1 Das kann auch heissen: Die Würdenträger.

2 D.i. Sein Sohn, durch den die Welt Glanz und Werth für ihn erhalten hatte.

3 Dem Könige Manssur, Sohn Mohammed's des Musafferiden, waren von seinem eigenen Sohne die Augen ausgestochen worden.

 

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