Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Mukathaat

20.

Meine Dichtkraft ist des Morgens,
Von Betrübniss übermannt

Und mit Abscheu auf mich blickend,
Schmählich mir davon gerannt.

Chowaresm und Oxusufer
Waren Bilder ihres Wahn's,1

Und sie floh mit tausend Klagen
Aus dem Reiche Suleiman's.2

Fort ist sie, die, wie noch Niemand,
Hat des Wortes Geist erkannt,

Und ich sah's, indess dem Leibe
Schmerzlich sich mein Geist entwand;

Und als ich ihr nachgerufen:
»Meine alte Freundin du!«

Sprach sie hart, ward ungehalten,
Floh und weinte laut dazu.

 Und ich sprach: »Wer führt nun wieder
Freundlich ein Gespräch mit mir,

Denn der süsse, der beredte
Zuckermund entfloh von hier?«

Wie so oft hab' ich gebeten:
»Fliehe nicht!« Es nützte nichts:

Sie erfreut sich ja vom Herrscher
Keines freundlichen Gesicht's.

Rufe sie zurück, o Kaiser,
Durch ein hulderfülltes Wort!

Was beginnt nun die Verbrannte?3
Trieb sie doch der Mangel fort.
 

1 D.h. Meine Dichtkraft bildete sich ein, ihr Glück in Chowaresm und am Ufer des Oxus zu finden.

2 D.i. Aus dem Reiche des Herrschers von Schiras, der hier dem weisen Salomon (Suleiman) verglichen wird.

3 D.h. Die Arme, Unglückliche.

 

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