Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Elif

8.

Nähme der Schiraser Türke
Hold mein Herz in seine Hand,1

Schenkt' ich seinem Indermaale
Buchara und Samarkand.2

Gib den Weinrest her, o Schenke!
Wirst im Paradies nicht schau'n

Roknabad3 und seine Ufer
Und Mossella's4 Rosenau'n.

Weh, die schelmisch-süssen Lulis,5
Die der Stadt den Zwist gebracht,

Machen Jagd auf Herzensfrieden,
Wie auf's Mahl der Türke macht!6

Auf mein unvollkomm'nes Lieben
Thut der schöne Freund Verzicht:

Glanz und Maal und Flaum und Farbe
Braucht ein schönes Antlitz nicht.

 Sprich vom Sänger nur und Weine,
Doch dem Loos lass seinen Lauf:

Denn durch Weisheit löst und löste
Keiner noch dies Räthsel auf.

Ich ersah aus Joseph's Schönheit,
Die den Tag zu mehren schien,7

Liebe mache einst Suleïchen8
Aus der Keuschheit Vorhang flieh'n.

Böse war, was du mir sagtest,
Gott verzeih's, gut war's gethan:

Zuckersüsser Onixlippe
Steht ein bitt'res Wort wohl an.

Horch' auf meinen Rath, o Seele!
Mehr noch als die Seele werth

Ist dem wohlerzog'nen Jüngling,
Was der weise Greis ihn lehrt.

Lieder sangst du, bohrtest Perlen:9
Komm, Hafis, und gib sie kund,

 Dass auf dein Gedicht der Himmel
Streue der Plejaden Bund!10
 

1 D.h. Nehme der Schiraser Knabe meine Gefühle freundlich auf. - Die Perser pflegen schöne Knaben mit dem verhassten Namen: Türken zu belegen, weil sie wie diese grausam und treulos sind oder dafür gehalten werden.

2 Der Eroberer Timur soll sich darüber beleidigt gefunden haben, dass Hafis in diesen Zeilen für das Indermaal, d.i. das braune Maal eines Knaben, die Städte Samarkand und Bochara bieten und etwas verschenken könne, das ihm nicht gehörte; worauf Hafis sich die Bemerkung erlaubte, dass dies hergebrachte Dichterfreiheit sei

I regni di Bocara e Samarcanda.
Fu patria de filosofi Bocara,
L'altra e per Tamerlan superba e chiara.

Casti. poema tartaro, canto I.

3 Roknabad, eine Quelle unweit Schiras.

4 Mossella, ein öffentlicher Betort in der Rosenau von Schiras. Hier ist Hafisens Begräbnisstätte.

"Wodurch ist Schiras wohl die Stadt
Berühmt mit Ros' und Wein geworden?
Wodurch berühmt der Roknabad,
Berühmt Mossella's Hain geworden?
Nicht ihre Schönheit war der Grund,
Viel Schöneres auf Erden gibt es -
Sie sind's berühmt durch dein Gedicht,
Durch dich, Hafis, allein geworden!"

singt Mirsa Schaffy in seiner Herrn Professor Bodenstedt, dem geistreichen Verfasser des Werkes: Tausend und Ein Tag im Oriente überreichten Gedichtsammlung. Vergl. F. Bodenstedt, Die Lieder des Mirza Schaffy, S. 93, Strophe 1 u. 2, 3 Auflage.

5 Luli, der Name eines Stammes indischen Ursprungs, nämlich der Keredschi spottweise genannten Zigeuner, der sich zwischen Schiras und Ispahan herumtreibt und dessen Mädchen und Knaben sich durch Schönheit und musikalische Talente auszeichnen; sie haben ihren Namen von ihren lustigen Liedern, in welchen sie immer das Wort Luli wiederholen. Vergl. Zeitschr. d. Deutsch. M. G. XI. S. 689, und Burhan Kati unter dem Worte.

6 Wie nämlich früher die türkischen Soldaten am Tage der Auszahlung ihres Soldes über die auf den Boden gestellten Reisschüsseln herfielen, zur Erinnerung, dass die Beute der ursprüngliche Lebensunterhalt der Soldaten sei.

7 D.h. Welche die Helle des Tages noch vermehrte durch ihren Glanz. - Der ägyptische Joseph ist bekanntlich dem Morgenländer das Ideal männlicher Schönheit.

8 Suleicha, die Gemahlin Potifar's, die von der Schönheit Joseph's zu strafbaren Leidenschaft hingerissen ward.

9 Die Worte des morgenländischen Dichters sind ihm Perlen, die er durchbohrt, um sie an den Faden des Gesanges zu reihen.

10 "Bund der Plejaden"; die Worte des Originals, akdi surejja, können zugleich die rhytmisch und metrisch vollkommene Anordnung eines Gedichtes und die Zahnreihe eines geliebten Gegenstandes bedeuten.

 

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