Heilige Liebesspur

Worte von Heiligen, Mystikern und anderen Hellhörigen
(vom 28. April 2010)

(c) Günter Havlena - Pixelio.de




Nikolaus von Kues
(1401-1464)



Die Freude in Gott
 

Die Freude in Gott ist immer neu, weil sie sich immer wiederholt, wie das Sonnenlicht, das Licht der Kerze, die rieselnde Quelle immer neu ist, weil sie sich beständig erneuert. Die himmlische Freude ist daher immer neu, ohne Mangel, ohne nachzulassen oder zu altern. Das Immerwährende darf nicht als ein Altwerden gedacht werden; denn es geht nie in Vergangenheit oder Zukunft über, es ist ein beständiges Heute, denn es wird erzeugt, wie der Sohn Gottes, von dem der Prophet sagt: "Heute habe ich dich gezeugt". Das Heute geht nie in Vergangenheit oder Zukunft über, sondern ist immer neu. So ist es bei den Werken Gottes, von welchen es heißt: "Siehe, ich mache Alles neu". So ist das Leben immer neu im Körper, weil die Einwirkung der Seele eine continuirliche ist. Die Neuheit ist, reiflich erwogen, über der Zeit und vor ihr, da auch die Zeit durch die Neuheit eine neue genannt wird. Jeder Zeitmoment ist neu, weil er keine Vergangenheit und Zukunft ist. Und wie in der Zeit alles neu ist, so auch in allem Erschaffenen. Daher ist Alles neu, sofern es in Wirklichkeit tritt. Die Neuheit ist daher das Princip, welches in Allem das wirkliche Sein verleiht. Nur von Gott kommt diese Neuheit, weil er der Schöpfer ist; die Creatur ist die ins Sein aufgenommene Neuheit; indem Gott aus Nichts den Himmel neu schuf, ist die auf diese Weise ins Sein aufgenommene Neuheit - Himmel geworden; ebenso bei allen andern Geschöpfen. Die Neuheit ist aber nicht in beständigem Flusse, sondern sie ist die Erneuerung Eines und Desselben, über den Begriff der Zeit hinaus. Wenn z. B. etwas durch Feuer sein Sein hätte, wie das Gold, so würde dieses bei Abwesenheit des Feuers nicht sein, dagegen bei Anwesenheit desselben stets erneuert werden. Die Philosophen, welche sagen, das Sein müsse man bei der beständigen Strömung der Zeit nicht anders denken als ein Werden, denken sich das Sein nicht als etwas Beständiges, in irgend einem Zeitmomente. Ich aber fasse das Sein als etwas Beständiges, weil es nie altert, wie das Jetzt der Zeit nie altert, sondern es wird dasselbe Jetzt erneuert, weil es vom Schöpfer nicht mittelst des Nacheinander der Zeit, sondern unmittelbar herrührt, nach der Zeit, welche nur die Entfaltung desselben ist, wie die Zahl die Entfaltung der Einheit. Die Neuheit, absolut betrachtet, ist ewig; denn vor der Neuheit kann nichts sein als die Ewigkeit. Die Neuheit wird von der Ewigkeit erzeugt. Sie ist die stets neue Ewigkeit. Ist die Ewigkeit der Anfang ohne Anfang, oder der allmächtige Vater, so ist die Neuheit der Anfang vom Anfange oder der Sohn, der die ewige Neuheit ist, durch welche Alles erschaffen ist. ... Die ewige Liebe geht aus beiden hervor als heiliger Geist ... Durch ihn werden daher die Herzen erneuert. Reinigung, Läuterung und was zur Neuschaffung gehört, geht von ihm aus. Das Reich der Glückseligkeit ist daher die Freude im heiligen Geiste.
 

 

Text aus: Des Cardinals und Bischofs Nicolaus von Cusa
wichtigste Schriften in deutscher Übersetzung
von Franz Anton Scharpff [1809-1879]
Freiburg in Breisgau
Herder'sche Verlagsbuchhandlung 1862 (S. 538-539)


 

Bild: (c) Günter Havlena - Pixelio.de



 

 

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