Heilige Liebesspur

Worte von Heiligen, Mystikern und anderen Hellhörigen
(vom 19. September 2010)

(c) Günter Havlena - Pixelio.de



Sajib
(Ende des 16. Jahrhunderts)


Gebet am Anfang seines Diwans

Herr aus Deiner Quelle schenk mir einen vollen Becher ein,
Sehend laß mein Aug' beständig und mein Herze wachsam seyn!
Jedes Härchen meines Geistes seine eigne Straße zieht,
Bei dem Mahl der Einheit sammle mein zerstreuetes Gemüth!
Wein vergießen wir, wenn zitternd unsre Hand den Becher hält,
Herr, stärk' mir des Arms Gelenke, wenn er Deinen Becher hält!
Düster ist des Herzens Kammer, daß ich Dich nicht sehen kann,
An der Liebe Gluthen zünde Herr! mir eine Leuchte an!
Ungelenk der Liebe Gang wird durch des Leibes schweres Kleid,
Gieb dem Geiste ein Gewand Herr! das ihm passe, leicht und weit!
Zwingt zu Windungen mich Sehnsucht, läßt mich Liebe nimmer ruhn,
Solche Windungen sind Faden, dran Demanten hängen thun.
Drum o Herr! nimm andre Schätze, aufgehäuften Reichthum hin,
Nach den Krümmungen der Schlange steht alleine mir der Sinn.
Eng und düster die vier Wände der vier Elemente sind,
Hier kein Tanzsaal ist der Liebe, größern Tanzsaal gieb geschwind!
Eine Zeit hast du ertragen mein Geschwätze, sonder Werk,
Jetzt nun laß mein Schwatzen ruhen, gieb mir nun zu Werken Stärk!
Ach, so lange war ich Umkreis, jede Stund' an andrem Ort,
Laß mit ehrnem Fuß mich stehen jetzt als Centrum immerfort!
Heldenblick beständig schauen, nicht beständig Segen schafft,
Hast Dein Schauen Du verstattet, gieb mir auch zum Schauen Kraft!
 


 

Text aus: Blüthensammlung aus der Morgenländischen Mystik
nebst einer Einleitung über Mystik überhaupt
und Morgenländische insbesondere
von F. A. G. Tholuck [Friedrich August Gottreu Tholuck 1799-1877]
Berlin bei Ferdinand Dümmler 1825 (S. 289-290)

 

Bild: (c) Günter Havlena - Pixelio.de






 


 

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