Heilige Liebesspur

Worte von Heiligen, Mystikern und anderen Hellhörigen
(vom 25. April 2010)

(c) Günter Havlena - Pixelio.de




Nikolaus von Kues
(1401-1464)



Über die Liebe zu Gott und dem Nächsten
 

Die erste und größte und wahre Liebe ist die Liebe zu Gott; die andere ist ihr Abbild und heißt Liebe des Nächsten. Wenn die Liebe des Nächsten nicht Abbild der Liebe Gottes ist, so ist sie nicht vollkommen; denn nichts ist durch Theilnahme an dem Abbilde vollkommen, außer sofern es Abbild der absoluten Vollkommenheit ist; daher erfüllt die Nächstenliebe, sofern sie ähnlich ist der Liebe Gottes, den göttlichen Befehl, denn in ihr ist das, was erscheint, Ähnlichkeit, aber der darunter verborgene Geist ist die Liebe, den jene Liebe im Abbilde darstellt. Den Nächsten lieben heißt Gott in seinem Abbilde lieben. Liebe ich einen Menschen, der wie ich Gott zum Vater hat, so liebe ich in ihm den Vater. In der That sind daher die wahren Werke der Barmherzigkeit heilige Werke, weil sie aus reiner Nächstenliebe hervorgehen, bei welchen Gott der Beweggrund ist. Wer daher den Nächsten nicht um Gottes, sondern um eines zeitlichen Vortheils willen liebt, der erfüllt das Gebot nicht, der ist nicht in der Liebe Gottes, sondern seiner selbst, weil er nur sich im Nächsten liebt. Durch Liebe gelangen wir zur Erkenntniß Gottes. Wir wissen aber, daß Gott die Liebe ist, und die Liebe des Nächsten ihr Abbild. Durch die Liebe des Nächsten gelangen wir wie durch Abbild und Gleichniß zur Erkenntniß Gottes.
 

 

Text aus: Des Cardinals und Bischofs Nicolaus von Cusa
wichtigste Schriften in deutscher Übersetzung
von Franz Anton Scharpff [1809-1879]
Freiburg in Breisgau
Herder'sche Verlagsbuchhandlung 1862 (S. 499)

 

Bild: (c) Günter Havlena - Pixelio.de




 


 

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