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      Angelika von Hörmann  
      (1843-1921) 
       
      Inhaltsverzeichnis der 
      Gedichte: 
  
        
      
      Aufs Neu' beginnt, wenn ich 
      allein     
        
      
      Das ist das längst vertraute Thal
      
         
        
      
      Dein Liebeshimmel ist ein Wahn
      
         
        
      
      Der Schönste bist du, 
      Liebster, unter Allen     
        
      
      Du gehst, nun löschen aus die Farben
      
         
        
      
      Du schönes Bild, das tausend Reize schmücken
      
         
        
      
      Du weißt, wie ich an meiner Heimat hange
      
         
        
      
      Ein Mägdlein geht entlang den Hag
      
         
        
      
      Einst stand um meine Wiege
        
          
        
      
      Es schläft in meiner Brust ein finstrer Geist
      
         
        
      
      Es sprach der Mond mir Tröstung zu
      
         
        
      
      Es war ein sonniger Tag im 
      März     
        
      
      Freundlich Arm in Arm geschlossen
      
         
        
      
      Gestern Schnee und Winterschauer
      
         
        
      
      Gewitterschwer und dunkel (Gehst du mit?)
      
         
        
      
      Halt' unter Schloß und Riegel
      
         
        
      
      Heimlich in verschloss'ner Kammer
      
         
        
      
      Herz, lerne dich bescheiden (Genügsam)
      
         
        
      
      Heute zärtlich süße Worte
        
          
        
      
      Ich möchte dir ein Lied ersinnen
      
         
        
      
      Ich saß dir nah, doch sprach ich nicht
      
         
        
      
      Im Erker sitz' ich früh und spät
      
         
        
      
      In dem kerzenhellen Saale
        
          
        
      
      In der Sommernacht da stand ich oft
      
         
        
      
      In dunkler Nacht
        
          
        
      
      Kennst du das Heimweh? jenen heißen Schmerz
      
         
        
      
      Kennst du im dunkeln Waldesschoß
      
         
        
      
      Laß den Strauß bedeutsam theilen
      
         
        
      
      Laß es schwanken unser Schifflein! (Auf dem See)  
        
      
      Mein Liebster hat sich aufgemacht
      
         
        
      
      Nun sind sie da die blauen Tage
      
         
        
      
      Nun steht die Welt in Rosen
      
         
        
      
      O sag' mir nur ein Wort! Es gibt
      
         
        
      
      Ob schüchtern auch dein Mund 
      verhehle     
        
      
      Oft muß ich still mich fragen
      
         
        
      
      Poetensinn, beweglich wie die Flut!
      
         
        
      
      Seit du mein Liebster worden
      
         
        
      
      So schneckenlangsam kriecht der Tag
      
         
        
      
      So willst du heut schon wieder scheiden?
      
         
        
      
      Soll ich fröhlich scherzend lieben
      
         
        
      
      Spät war's, wohl mitternächt'ge 
      Stunde     
        
      
      Sprecht mir von Blumen, 
      Sommertagen (Verschiedene Wege)     
        
      
      Um meine Lieder ist mir bang
      
         
        
      
      Üppig blühendes Gefilde
        
          
        
      
      Verborgne Saiten hat die Menschenbrust
      
         
        
      
      Verzeih mir, wenn ich kalt 
      und herb erscheine  
        
      
      Vielleicht – und dieses ist die bitt're 
      Neige     
        
      
      Von weitem kenn' ich deinen Gang
      
         
        
      
      Wär ich ein Röslein thauig frisch
      
         
        
      
      Wärst du ein Krösus reich an 
      Gold   (Herzensräthsel)  
        
      
      Was deiner milden Schönheit 
      ich verdanke?     
        
      
      Was ihm an mir gefallen mag?
      
         
        
      
      Was in dem Herzen löst die 
      Frage     
        
      
      Was mein Aug' mich heißt bezwingen
      
         
        
      
      Was soll in meinem Angesicht
      
         
        
      
      Welch' ein Funkeln an den Wänden!
      
         
        
      
      Wenn's morgens an das Tagwerk geht
      
         
        
      
      Wie hast du selig mich 
      gemacht     
        
      
      Wie liebt' ich sonst mit freiem Gang
      
         
        
      
      Wir sind einander fremd geworden
      
         
        
      
      Wir wandeln Seit' an Seite stumm und kühl
      
         
        
      
      Woher der Frühling mir gekommen?
      
         
        
      
      Womit soll ich vergleichen
      
         
        
      
      Zwei, sich so fremd im Herzensgrund (Seltsame Welt)
      
         
        
      
      Grüsse aus Tirol (Jugendgedichte)
      
         
       
      
        
        
       
      Aufs Neu' beginnt, wenn ich 
      allein, 
      Das alte Spiel, die alte Pein: 
      Des Zweifels finstere Gewalten 
      Mit ihren wechselnden Spukgestalten 
      Versuchen mit allen Ränken und Listen 
      Ins bange Herz sich einzunisten 
      Und steigen empor so drohend und schwer, 
      Wie vor den Mond ein Nebelmeer, 
      Bis deines Bildes lichte Pracht 
      Versinkt im dunklen Schoß der Nacht. 
       
      Doch wenn dein Blick mich wieder trifft, 
      Und les' ich seine klare Schrift, 
      So ist's, als brächen Morgenstrahlen 
      Allsiegend durch die Hülle der Qualen. 
      Was heimlich wob in des Herzens Gründen, 
      Erscheint mir als die ärgste der Sünden 
      Und brennende Scham färbt mein Gesicht; - 
      Du aber fühlst und ahnst es nicht, 
      Daß meine Seele in Reueglut 
      Stumm vor dir kniet und Buße thut. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 53-54) 
      
      
      _____ 
        
      Das ist das längst vertraute 
      Thal, 
      Die Berge tiefzerspalten 
      Mit ihrem dunkeln Waldgewand, 
      Das sind die Tannen, die alten; 
       
      Das grüne Gezelt und das weiche Moos, 
      Darauf ich geruht und gedichtet, 
      Den Blick aufs weitentrollte Bild 
      Stillträumend hinausgerichtet. 
       
      Waldblumen und Beeren winken mir zu, 
      Wie einst aus lauschigem Dunkel, 
      So fröhlich lacht hindurch das Blau 
      Und glitzert das Sonnengefunkel. 
       
      Und doch ist Alles verwandelt mir, 
      Als stünd' ich in fremden Landen 
      Und hätte diese blühende Pracht 
      Noch nie gekannt und verstanden; 
       
      Als wäre mein Herz gelegen im Schlaf 
      Und wäre nun selig erschlossen, 
      Und hätt' seine Lieb' als Sonnenschein 
      Rings über die Welt ergossen. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 73-74) 
      
      
      _____ 
        
      Dein Liebeshimmel ist ein 
      Wahn, 
      Mein Herz, und glaubst du heute dran, 
      Bist morgen du betrogen; 
      Leicht wie die Ranke an der Kluft, 
      Wie Spinnengewebe in der Luft 
      Ist er im Wind verflogen. 
       
      Ein feurig Aug', ein lockig Haar 
      Sind meiner Feinde schlimmstes Paar, 
      Die drohen mir Verderben; 
      Urewig ist der Schönheit Macht; - 
      Zeigt sie dem Liebsten ihre Pracht, 
      So bricht mein Glück in Scherben. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 24) 
      
      _____ 
       
       
      Der Schönste bist du, 
      Liebster, unter Allen, 
      Mag auch dein Aug' kein Adlerauge sein, 
      So stolz und blitzend, auch nicht marmorfein 
      Die Züge, und dein Mund nicht wie Korallen. 
       
      Wem wäre nie der Zauber aufgefallen, 
      Den oftmals webt der Abendsonnenschein 
      Um ein Stück Heide oder Felsgestein. 
      Dran achtlos wir am Tag vorüberwallen? 
       
      Das ist dein Bild. Gleichgültig scheinst du, arm 
      An Worten, bis ein Fühlen, tief und warm, 
      Die sonst verschloss'ne Brust begeisternd schwellt: 
       
      Dann leuchtet auf dein stilles Angesicht, 
      Als fiel' darauf mit wunderbarem Licht 
      Ein Strahl aus deiner reichen innern Welt. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 41) 
      
      _____ 
       
       
      Du gehst, nun löschen aus 
      die Farben, 
      Nun gibt's für mich kein Himmelsblau, 
      Kein Wiesengrün, die Blumen starben, 
      Wohin ich seh', ist Aschengrau. 
       
      Doch meine Geister werd' ich zwingen, 
      Die sonst zu Diensten mir bereit, 
      Damit sie nah'n auf schnellen Schwingen 
      Und mir entrücken Welt und Zeit. 
       
      Daß süße Lieder mich umgaukeln, 
      Bis ich für andres taub und blind, 
      Daß sie umfingen mich und schaukeln 
      Und trösten gleich dem Wiegenkind. 
       
      Noch nie gelang's mir zu besiegen, 
      Was so viel Not mir schuf und Pein, 
      Den heißen Drang, mich anzuschmiegen 
      Wann werd' ich lernen einsam sein? 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 20) 
      
      _____ 
       
       
      Du schönes Bild, das tausend 
      Reize schmücken, 
      Wie hängt mein staunend Auge voll Entzücken, 
      Berauscht an deinem stolzen Jugendglanz! 
      Doch niemals soll mein Fuß dir näher rücken, 
      Nie, um zu öffnen, will ich meine Hand 
      Je auf den Schlüssel deiner Seele drücken. 
      Mir ist so bang, ein Wort aus deinem Mund 
      Vermöchte all den Zauber zu zerstücken, 
      Der Götterliebling würd' ein schlichter Mensch 
      Und nimmer könnt' ich huldigend mich bücken. 
      Was unerreichbar, das allein bleibt hold, 
      Die Frucht verliert den zarten Flaum beim Pflücken, 
      Der Schmetterling im Netz den Schimmerstaub. 
      Jedwede Schönheit krankt an kleinen Lücken; 
      Beschaut der Blick sie allzunah und scharf, 
      So stechen uns der Mängel schlimme Mücken. 
      D'rum bleib mir fern, du wundersames Bild, 
      Als Ideal nur still mich zu beglücken. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 143) 
      
      _____ 
       
       
      Du weißt, wie ich an meiner 
      Heimat hange, 
      Am Schnee der Firne, an der Kuppen Grün, 
      Am frischen Bergquell, dran die Rosen blüh'n, 
      Am Almenglück mit seinem Herdenklange; 
       
      Am Haus, wo ich gelauscht dem Wiegensange 
      Der Mutter, wo des Mädchens kindisch Müh'n 
      Der Puppe galt, am Stübchen, das erglüh'n 
      In Liebe sah der Jungfrau scheue Wange. 
       
      Doch seit du ferne, Liebster, ist verblichen 
      Der ganze Reiz, ein Friedhof scheint das Land 
      Voll Pracht doch todt: die Seele ist entwichen. 
       
      Was gilt dem Weib die Heimat? Wo es liebt, 
      Und wär's im Meer auf ödem Inselstrand, 
      Lacht ihm ein Himmel ewig ungetrübt. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 59) 
      
      _____ 
       
       
      Ein Mägdlein geht entlang 
      den Hag, 
      Schaut sinnend in den Sommertag: 
      "O Feld und Wald, du grünes Thal, 
      Dich seh ich täglich hundertmal, 
      Im Herbstesschmuck, im Winterkleid, 
      In voller Blütenherrlichkeit. 
      Welch neuer Glanz auf Flur und Hain! 
      Ist's nur mein Glück? Ist's Sonnenschein? 
      Der Eine, der in Waldesgrund 
      Mir heiß geküßt den roten Mund, 
      War wohl ein seltner Wundersmann 
      Und nahm vom blöden Aug' den Bann. 
      Froh bin ich, wie das junge Reh, 
      Wie dort der stolze Schwan im See; 
      Ein Vogel, der sein enges Nest 
      Zum erstenmal ausfliegend läßt, 
      Möcht' ich es singen von den Höh'n: 
      O Welt, wie bist du wunderschön!" 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 15) 
      
      _____ 
       
       
      Einst stand um meine Wiege 
      Der Kreis der Schicksalsfrau'n, 
      Die steinern harten Züge 
      Gar seltsam anzuschau'n; 
      Mit finsteren Gebärden 
      Verriet mein Los die Rund': 
      "Das Kind soll Dichter werden!" 
      Erscholl's von Mund zu Mund. 
       
      Drauf folgt' ein Gunstbezeigen 
      Mit Gaben Stück für Stück, 
      Wie sie dem Sänger eigen: 
      Die Sehnsucht nach dem Glück, 
      Das niemals zu besitzen, 
      Die Träume märchengleich, 
      Und in der Welt voll Spitzen 
      Das Herz wie Wachs so weich. 
       
      Den Blick, der sternenschauend 
      Versäumt das nächste Ziel, 
      Den Kindersinn, vertrauend, 
      Betrogen stets vom Spiel; 
      Erst der Begeist'rung Gluten, 
      Dann Täuschung, Bolz um Bolz, 
      Wie Sankt Sebastian bluten 
      Einst mußt' am Marterholz. 
       
      Zuletzt, ihr Teil zu spenden, 
      Naht auch die gute Fee, 
      Sie klagt: "Ich kann's nicht wenden 
      Dies Los voll Leid und Weh; 
      Doch wenn an tausend Wunden 
      Dein weich Gemüt erkrankt, 
      Hab' ich das Kraut gefunden, 
      Dem Heilung es verdankt. 
       
      Ich geb' dir eine Minne, 
      Wie Mondlicht mild und klar, 
      Tief ruhend dir im Sinne, 
      Wunschlos, unwandelbar. 
      Ihr Segen soll dich leiten 
      Durch deines Lebens Frist, 
      So daß zu allen Zeiten 
      Du dennoch glücklich bist." 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 52-53) 
      
      _____ 
       
       
      Es schläft in meiner Brust 
      ein finstrer Geist, 
      Der mitten in das vollste Frühlingsweben 
      Einbricht lawinengleich und niederreißt 
      Mit einem Schlag das frischerblühte Leben. 
       
      Ein Sproß von jenem Wort: "Ich bin wie du!" 
      Das einstmals fiel zu Anfang der Geschichte, 
      Ein Schatten aus der alten Grabesruh, 
      Die ewig streitet mit dem Sonnenlichte. 
       
      O leg' erlösend deine Hand auf mich 
      Als güt'ger Heiland, der mit sanftem Munde 
      In Segen kehrt der Schlange gift'gen Stich 
      Durch deiner Liebe milde Himmelskunde. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 15) 
      
      _____ 
       
       
      Es sprach der Mond mir 
      Tröstung zu 
      Am Tage seiner Wende: 
      Ein Weilchen noch halt' aus in Ruh', 
      Bald ist dein Leid zu Ende. 
       
      Noch einmal muß am Himmelsraum 
      Die helle Scheibe schwinden, 
      Schmal, wie ein winzig Strichlein kaum, 
      Wirst du mich wiederfinden. 
       
      Dann aber wachs' ich Tag für Tag, 
      Aufleuchtend wie dein Hoffen, 
      Bis, was dein Herz ersehnen mag, 
      Ist endlich eingetroffen. 
       
      Ich strahl' in voller Herrlichkeit 
      Ins Dunkel deiner Schmerzen, 
      Und finde eine selige Maid 
      An des Geliebten Herzen. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 12) 
      
      _____ 
       
      Es war ein sonniger Tag im 
      März 
      Und taute und rieselte allerwärts; 
      Ich saß am Fenster, das offen stand, 
      Den Kopf geneigt in meine Hand. 
      Der war mir so voll und gedankenschwer, 
      Viel Schriften lagen um mich her. 
      In hohen Reimen wollt' ich singen 
      Von böser Zeit und ernsten Dingen; 
      Ich wollte zeigen: die Welt ist schlecht 
      Und mahnen die Menschen zu Pflicht und Recht, 
      Doch konnt' ich den Fluß der Worte nicht finden, 
      Die Bilder nicht fassen und formen und binden. 
      Da strich der würzige Erdgeruch 
      Um meine Wange, um Schrift und Buch, 
      Das Sonnenlicht fiel aufs weiße Papier, 
      Bis meine Augen geblendet schier. 
      Verstohlen schlüpfte der warme Schein 
      Zum tiefsten Herzenswinkel hinein 
      Und fegte rasch mit dem Strahlenbesen 
      Heraus, was drinnen begraben gewesen. 
      Mir ward so wohl, sehnsüchtig weit, 
      Wie einst in verklungener Jugendzeit, 
      Und ich sang, was ich nimmer singen gewollt, 
      Von Frühling und Liebe und Sonnengold, 
      Von törichten Dingen ohne Frag' 
      Und doch das Rechte an solchem Tag. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 43-44) 
      
      _____ 
       
       
      Freundlich Arm in Arm 
      geschlossen 
      Schritt ich hin an deiner Seite, 
      Leichten Scherz als Spielgenossen 
      Und den Frühling zum Geleite; 
       
      Der aus tausend Blütenglocken 
      Ringsum seine Grüße sendet, 
      All sein wundersüßes Locken 
      Doch umsonst an mir verschwendet. 
       
      Durch den Frohsinn überschäumend 
      Merkst du nicht ein leises Beben? 
      Siehst du meinen Blick nicht träumend 
      Plötzlich in die Weite streben? 
       
      Geister einer sel'gen Ferne 
      Hat dein dunkles Aug' beschworen, 
      Leuchtend ach wie jene Sterne, 
      Die ich scheidend längst verloren. 
       
      Und ich fühl's: dem Frauenminnen 
      Strahlt nur eine Mittagssonne, 
      Was am Abend malt die Zinnen, 
      Abglanz ist's versunkner Wonne. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 69-70) 
      
      _____ 
       
       
      Gestern Schnee und 
      Winterschauer, 
      Grau der trostlos lange Tag, 
      Wie nach herbem Schicksalsschlag 
      Tiefe stummgetrag'ne Trauer. 
       
      Heut' ein Himmel sonndurchflossen, 
      Warme Frühlingsmittagsstund', 
      Feuchtes Glitzern rings im Grund 
      Und die ersten grünen Sprossen. 
       
      Zitternd geht ein leises Bangen 
      Durch so schnell erwachte Lust: 
      Klopfend Herz in meiner Brust, 
      Ist es dir nicht gleich ergangen? 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 65) 
      
      _____ 
       
       
      Gehst du mit? 
      
       
      Gewitterschwer und dunkel 
      Lag es am Bergesrand 
      Und blendend Blitzgefunkel 
      Zuckt' nieder auf das Land. 
      Schon dröhnte der himmlische Donnerritt - 
      Da frugst du mich mit Necken: 
      "Durch die Gewitterschrecken: 
      Gehst du mit?" 
       
      Gewiß! Ich will nicht weichen, 
      Gieng's über Berg und Fluß, 
      Wär's unter Schicksalsstreichen, 
      Wär's unter Thränenguß. 
      Nicht scheute schwankend zurück mein Schritt 
      Vor Wagen und Entsagen - 
      Wie nun, wenn ich wollt' fragen: 
      "Gehst du mit?" 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 8) 
      
      _____ 
       
       
      Halt' unter Schloß und 
      Riegel, 
      Für was erglüht dein Sinn, 
      Trag' nicht mit off'nem Siegel 
      Dein Herz zum Markte hin. 
       
      Das Gold der Liebe bette, 
      Vergrabe tief im Grund, 
      Und gib die heil'ge Stätte 
      Nicht fremden Menschen kund. 
       
      Halt' Wache! such' zu scherzen 
      Mit Lippen, schmerzumzückt, 
      Und wenn dem sel'gen Herzen 
      Das Schweigen nimmer glückt: 
       
      Ausjuble deine Minne, 
      Doch weit von Menschen fort, 
      Um deren Auge spinne 
      Zum Schleier Wort um Wort. 
       
      Leicht ist der reine Spiegel 
      Vom gift'gen Hauch befleckt, 
      Halt' unter Schloß und Riegel 
      All, was du fühlst, versteckt. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 66) 
      
      _____ 
       
       
      Heimlich in verschloss'ner 
      Kammer, 
      Wo kein Blick' mich lauernd trifft, 
      Schau' dein Bild ich oft und lange 
      Forschend in der Züge Schrift. 
       
      Dunkle stille Flut der Augen! 
      Zaghaft in den tiefen Grund 
      Werf ich Anker nach der Seele, 
      Worte leg' ich in den Mund. 
       
      Sprichst du Segen, Gnadenbildniß? 
      Sieh, ein Pilger kommt zu Gast, 
      Soll er trostlos weiter wandern 
      Mit der schweren Herzenslast? 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 39) 
      
      _____ 
       
       
      Genügsam 
      
       
      Herz, lerne dich bescheiden, 
      Du allbegehrlich Kind, 
      Der Liebe ward das Leiden 
      Zum Wiegenangebind'. 
       
      Herz, lerne dich vertragen 
      Mit deinem kargen Los, 
      Es trägt auch das Entsagen 
      Ein Glück in seinem Schoß. 
       
      Und ist dir auch zerronnen, 
      Was dich entzückt einmal, 
      Herz, lern' dich neidlos sonnen 
      An fremden Glückes Strahl. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 116) 
      
      _____ 
       
       
      Heute zärtlich süße Worte, 
      Morgen in gemess'ner Ruh', 
      Schließest du die goldne Pforte 
      Meines Himmels wieder zu. 
       
      Heut' ein Tag, ein frühlingslauer, 
      Blütenduft und Sonnenglanz, 
      Morgen Frost, Dezemberschauer, 
      Wintersturm und Flockentanz. 
       
      Wie dein Wille mir begegne, 
      Wehrlos halt' ich Allem Stand, 
      Ob sie strafe oder segne, 
      Küß' ich deine liebe Hand. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 52) 
      
      _____ 
       
      Ich möchte dir ein Lied 
      ersinnen: 
      Doch was wie Sonnenfäden zart 
      Sich will um unser Wesen spinnen, 
      Das spottet jedes Wortes Art. 
       
      Es klingt in mir wie Märchenglocken 
      Aus der Gefühle Wellenreich, 
      Doch kann ich keinen Ton entlocken 
      Dem Saitenspiel, der ihnen gleich. 
       
      Ich kann nur scheu entzückt empfinden, 
      Wie eines Abgrunds Rand, 
      Den keine Brücke kann verbinden, 
      Zwei Seelen reichen sich die Hand. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 7) 
      
      _____ 
       
      Ich saß dir nah, doch sprach 
      ich nicht; 
      In deines Auges Nacht versunken 
      War mir's, als läg' ich schlummertrunken 
      Und hätt' ein seltsam Traumgesicht. 
       
      Als Bettelmaid sah ich die Lieb', 
      So irrte sie spottübergossen 
      Von Haus zu Haus. Umsonst, verschlossen 
      Der Ärmsten jede Thüre blieb. 
       
      Sie kam zu dir. Ein schützend Dach 
      Gabst du der Fürstin schönem Haupte 
      Und führtest sie, die Thronberaubte, 
      In deines Herzens Prunkgemach. 
       
      Dort ruht auf weichem Pfühl sie aus, 
      Umblüht von wunderbaren Rosen, 
      Und blickt aus deinem Aug', dem großen, 
      Sehnsüchtig in die Welt hinaus. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 38) 
      
      _____ 
        
      Im Erker sitz' ich früh und 
      spät 
      Und führe die Nadel durchs Linnen, 
      Kaum hab' ich ein paar Stiche genäht, 
      So lug' ich über die Zinnen. 
       
      Erschallt vom Thurm des Wächters Ruf, 
      So spring' ich schnell vom Sitze, 
      Dröhnt auf der Brück' ein Pferdehuf', 
      Durchzucken mich Freudenblitze. 
       
      Wie lausch' ich, ob die Trepp' empor 
      Ein rascher Tritt nicht klimme, 
      Wie selig trinkt mein durstig Ohr 
      Die tiefe geliebte Stimme! 
       
      Wenn einen Tag mir's nicht gelang 
      Mich in Geduld zu fassen, 
      Wie schlepp' ich dann der Jahre Gang, 
      Wenn er mich ganz verlassen? 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 23) 
      
      _____ 
       
       
      In dem kerzenhellen Saale, 
      Durch das bunte Festgedränge 
      Irrt mein Blick wohl hundertmale 
      Auf und ab die Menschenmenge. 
       
      Im lebend'gen Bilderbuche 
      Seh' ich stolze glatte Mienen, 
      Doch das Antlitz, das ich suche, 
      Find' ich nirgends unter ihnen. 
       
      Da ich müde und mit Schmerzen 
      Stumm den Blick zu Boden schlage, 
      Taucht in dem getäuschten Herzen 
      Plötzlich auf die bange Frage: 
       
      Werd' ich einst, wie jetzt, vergebens 
      Mit dem Aug', dem thränenblinden, 
      Starren ins Gewühl des Lebens 
      Und den Liebsten nimmer finden? 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 56) 
      
      _____ 
       
       
       
      In der Sommernacht da stand 
      ich oft 
      Am offenen Fenster allein, 
      Und märchenhaft durch die Bäume sah 
      Der lichte Mondenschein. 
       
      Ich träumte, ich wär' ein Fräulein schön 
      Auf einsam hohem Schloß; 
      Die Linden standen drunten im Thal 
      Als Kämpen hoch zu Roß. 
       
      Und fuhr der Wind durchs Land und bog 
      Die Zweige auf und ab, 
      So wär's ein süßer Minnegruß, 
      Den mir ein Ritter gab. 
       
      Vorbei der Traum. – Das Leben liegt 
      Ach nur zu klar vor mir; 
      O goldne Zeit, da ich geschwärmt, 
      Wie sehn' ich mich nach dir! 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 75) 
      
      _____ 
       
       
       
      In dunkler Nacht 
      Da zähl' ich die Schätze, die mir eigen, 
      Wie möcht' ich all' ihre Pracht 
      So gern dir zeigen! 
      Da hol' ich aus des Herzens Grund 
      Ohn' alle Scheue 
      Die Liebe und Treue 
      Und werfe mit selig lachendem Mund 
      Die ganze bunte funkelnde Zier 
      Zu Füßen dir. 
       
      Doch nahst du am Tag, 
      Wenn hell und nüchtern alle Räume, - 
      Verwandelt mit einem Schlag 
      Ist, was ich träume. 
      So werthlos scheint mein Heiligthum, 
      Die Farbe verblichen, 
      Der Glanz entwichen ….. 
      Mit zagem Finger wend' ich es um 
      Und schließ' es seufzend wieder ein 
      In den Herzensschrein. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 50-51) 
      
      _____ 
       
       
      Kennst du das Heimweh? jenen 
      heißen Schmerz, 
      Von dem das Alpenkind nie kann gesunden 
      Im fremden Land: - so krankt nach dir mein Herz, 
      Seit ich der Heimat Bild in dir gefunden. 
       
      Der ganze Zauber meiner Berge liegt 
      Auf dir; so frei und stolz ist deine Stirne, 
      Brunellenbraun dein Aug', oft überfliegt 
      Es rosig dich, wie Alpenglüh'n die Firne. 
       
      Und wenn du sprichst! – Wie süßer Vogelsang 
      In's Waldesdunkel lockt, daß selbstvergessen 
      Der Wand'rer lauscht und folgt, bis endlich bang 
      Er nimmer weiß den Ausgang zu ermessen: 
       
      So folg' ich dir, stilltrunken, ohne Wahl 
      Und wie berückt von lieblichen Accorden 
      In deines Herzens tiefgeheimstes Thal, 
      Bis rings die Welt zur Fremde mir geworden. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 40) 
      
      _____ 
       
       
      Kennst du im dunkeln 
      Waldesschoß 
      Das stille Plätzchen noch? Es scheiden 
      Zwei Wege sich und zwischen beiden 
      Liegt wettergrau ein Fels im Moos. 
       
      Frühsommer war's; ein blauer Tag 
      Hielt sonnenwarm das Thal umschlossen, 
      Daß man zu sehen meint' das Sprossen 
      Von Blatt und Blüt' in Wies' und Hag. 
       
      Rings schmückten sich, verlockt vom Blüh'n 
      Des Waldes Nonnen selbst, die Fichten, 
      Als ob die Zweige sie, die dichten, 
      Getaucht ins helle Birkengrün. 
       
      So strich ich durch das Waldrevier 
      In Schau'n versunken und in Sinnen, 
      Da – Schrittehall im Dickicht drinnen - 
      Mit scheuem Gruß standt du vor mir. 
       
      Was ich gesagt, was du sofort, 
      Vergaß ich längst wie Traumgestalten, 
      Wenn Aug' und Seele Zwiesprach halten, 
      Wer denkt noch an der Lippe Wort? 
       
      Und weiter ging ich; nicht mit Hast, 
      Nicht frei und leicht, wie ich gekommen, 
      Mir schlug das Herz so tief beklommen, 
      Als drückt' es eine Zentnerlast. 
       
      Mir ahnte, daß ein Tag vorbei, 
      An dem das Schicksal mir die Lose 
      Geworfen, und der Stein im Moose 
      Ein Markstein meines Lebens sei. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 35-36) 
      
      _____ 
       
       
      Laß den Strauß bedeutsam 
      theilen, 
      Wie's dem Weibe ziemt und Manne, 
      Mir die schlichte Frühlingsblume, 
      Dir das Reis der Edeltanne. 
       
      Wie der schlanke Schaft des Baumes 
      Strebt dein Sinn nach hohem Ziele, 
      Einst als stolzer Mast zu prangen 
      Auf des Schiffes schwankem Kiele. 
       
      Weit hinaus in blaue Fernen 
      Steuert es mit kühnem Wagen, 
      Um, wer weiß, an welcher Küste 
      Einst den Anker einzuschlagen. 
       
      Festgeheftet an die Scholle, 
      Schützend von Gebüsch umgeben, 
      Lebt die kleine nied're Blume 
      Ihr bescheid'nes Frauenleben. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 72) 
      
      _____ 
       
       
      Auf dem See 
      
       
      1. 
      Laß es schwanken unser Schifflein! 
      Wie dem Kind ist mir zu Mut, 
      Das von Mutterhand geschaukelt 
      Sorglos in der Wiege ruht. 
       
      Sieh, die Sonne wirft mir Spielzeug 
      Funkelnd auf das Wellenblau, 
      Strahlenblitze, gold'ne Stunden, 
      Leuchtend aus des Lebens Grau. 
       
      Schläft ein Sturm in jenen Wolken? 
      Geht ob dunklem Grund die Fahrt? 
      Steure zu! Nichts will ich wissen, 
      Als die holde Gegenwart. 
       
       
      2. 
      Ein wellenkräuselnd Lüftchen nur, 
      Kaum sah im Wasser man die Spur, 
      So kam es angeflogen; 
      Süß wars, auf der Gefühle See 
      Zu schaukeln sich in Lust und Weh 
      Auf immer stärkern Wogen. 
       
      Nun aber schäumt's im Wellenschoß, 
      Kein Steuer hilft, kein Ruderstoß 
      Errettet vom Ertrinken; 
      O weh dir Schifflein auf der Flut! 
      Wenn nicht der Himmel Wunder thut, 
      So mußt du untersinken. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 6-7) 
      
      _____ 
       
       
      Mein Liebster hat sich 
      aufgemacht 
      Und reist in fremde Gauen, 
      Nun schaut er rings der Erde Pracht, 
      Viel Berge, Ström' und Auen 
      Und Dorf und Stadt mit Thor und Thurm 
      Und hellem Fensterblinken, 
      Draus lacht – er ist ein schmucker Mann - 
      Ihn wohl manch' Mädchenantlitz an 
      Mit freundlich holdem Winken. 
       
      Und ich, ich muß so ganz allein 
      Zu Hause schalten und walten, 
      Da will mir Alles Bote sein 
      Von meinem Glück, dem alten: 
      Die Laube bei dem Gartenzaun, 
      Wo er gepflückt mir Rosen, 
      Der Tisch, wo sonst sein Platz gedeckt, 
      Die Wanduhr, die uns oft geschreckt 
      Aus heimlich trautem Kosen. 
       
      Oft steh' ich Nachts am Fenstersaum 
      Vertieft in heißes Sehnen, 
      Ich seh' die lieben Sterne kaum 
      Mit meinem Aug' voll Thränen. 
      So leer, so traurig ist die Welt, 
      Als sollt's ans Sterben gehen; 
      Erdrücken müßt' das Leid mich gar, 
      Wüßt' ich nicht, über Tah und Jahr 
      Darf ich ihn wiedersehen. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 25-26) 
      
      _____ 
      
       
       
      Nun sind sie da die blauen 
      Tage, 
      Die Tage voll von Glanz und Duft, 
      Kein Wölkchen schreibt als leise Frage 
      Ein Warnungszeichen in die Luft; 
      Kein Sturm droht mehr mit Hochgewittern, 
      Du brauchst im Traume nicht zu zittern, 
      Daß dich ein Schlag ins Wachen ruft. 
       
      Noch fällt kein gelbes Blatt vom Baume, 
      Doch fruchtschwer neigt sich Ast zu Ast 
      Und dorfwärts schwankt vom Feldessaume 
      Der Aehren hochgethürmte Last. 
      Rings sattes Grün und Farbenprangen, 
      Als ruhten Lenz und Herbst umfangen 
      In selig stummer Liebesrast. 
       
      Das webt den Zauber dieser Stunden: 
      Sie scheinen frei vom ird'schen Zoll, 
      Als hätt' das Pendel Halt gefunden, 
      Als wär' der Zeiten Kreislauf voll; 
      Kein Winter, wähnst du, könn' sie rauben - 
      Das Herz will ewig dauernd glauben, 
      Was völlig es beglücken soll. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 86-87) 
      
      _____ 
        
      Nun steht die Welt in Rosen 
      Nun blüht's in Laub und Gras, 
      Nicht eine Knospe trauert, 
      Daß sie der Mai vergaß; 
      Mit tausend Blumenlippen 
      Schmeichelt und lockt er lind: 
      Nimm dir die schönsten Kränze, 
      Du säumig Menschenkind! 
       
      Freu' dich an Glanz und Farben, 
      Wo hell die Sonne blinkt, 
      Lieg' unterm Blätterdache, 
      Wo kühler Schatten winkt; 
      Wo frisch die Quelle sprudelt, 
      Da lade dich zu Gast 
      Und heb' die trunkenen Blicke 
      Ins Blau zu seliger Rast. 
       
      Nun steht die Welt in Rosen, 
      O Herz, auch deine Welt, 
      Was kümmerts dich, ob morgen 
      Verblaßt die erste fällt! 
      Das Heut' ist dein, das holde, 
      Mit Duft und Sonnenstrahl, 
      Vergeude keine Krume 
      Vom reichen Segensmahl! 
       
      Dann mögen die Wetter drohen 
      Mit Tod, was liegt daran? 
      Du hast die Saat geborgen 
      In deines Hauses Bann. 
      Ein Thor, wer nicht entschlossen 
      Des Glückes Rechte faßt! 
      Nicht wieder kehrt die Stunde, 
      Die du verloren hast. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 76-77) 
      
      
      _____ 
        
      O sag' mir nur ein 
      Wort! Es gibt 
      Mir Seligkeit in reichster Fülle, 
      Sag' mir, daß du noch nie geliebt, 
      Daß noch kein Strahl durchbrach die Hülle. 
       
      Sag' mir, daß du der Liebe Lust 
      Und Sehnsucht kanntest nur vom Nennen, 
      Daß du um Qualen nie gewußt, 
      Die oft ein Herz zu Asche brennen. 
       
      Sag' mir, nur einen Ostertag 
      Hat jede Brust und eine Minne, 
      Was früher, später glühen mag, 
      Es ist nur Herbst und Trug der Sinne. 
       
      Zurück bringt keines Künstlers Müh'n 
      Den abgestreiften Duft der Pflaume, 
      Die Rose kann nur einmal blüh'n 
      Und wird nie mehr zum Knospentraume. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 14) 
      
      _____ 
        
      Ob schüchtern auch dein Mund 
      verhehle, 
      Was jeder Schlag des Herzens ruft, 
      In deinem Auge liegt die Seele 
      Wie auf dem Blumenkelch der Duft. 
       
      Sei wie du willst, sei ernst und schweigsam, 
      Sei kalt wie die Novembernacht, 
      Dämm' der Gefühle Flut unbeugsam 
      Zurück in deines Herzens Schacht - 
       
      Was frommt's, die Fenster zu verdunkeln 
      Des Saals, erhellt vom Lichterglanz, 
      Die kleinste Ritze sagt's mit Funkeln, 
      Daß drinnen wogt des Festes Glanz. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 43) 
      
      _____ 
        
      Oft muß ich still mich 
      fragen: 
      Wie kommt's, daß süß beengt 
      Mich aller Pulse Schlagen 
      In deine Nähe drängt? 
       
      Wenn nicht dein Aug' so sinnend, 
      Wenn deinem Mund nicht blieb' 
      Das Lächeln, herzgewinnend, 
      Wärst du mir dennoch lieb? 
       
      Ich weiß es nicht. – Wer stähle 
      Der Lieb' sich auf den Grund? 
      Ich weiß nur: Deine Seele 
      Wird in den Zügen kund, 
       
      Die aus dem Aug', dem schönen, 
      Tief in die meine dringt, 
      Daß in verwandten Tönen 
      Mein ganzes Ich erklingt. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 49) 
      
      _____ 
        
      "Poetensinn, beweglich wie 
      die Flut! 
      Gar leicht entflattert ist des Dichters Lieben 
      Ein Vogel, der in andrer Zweige Hut 
      Forttrillert, wenn aus diesen er vertrieben." 
       
      Wohl habt ihr recht. Des Dichters Herz beglückt 
      Manch' bunte Blume; er begrüßt das Funkeln 
      Jedweden Sterns; heut' schallt sein Gesang entzückt 
      Dem blauen Aug' und morgen schon dem dunkeln. 
       
      Und wie der Maler seinen Pinsel taucht 
      In die Natur, taucht er den Stift begeistert 
      Ins volle Leben, schönheitüberhaucht, 
      Indes sein Fühlen er zum Liede meistert. 
       
      Dann staunt ihr an, was er in Form gebannt, 
      Wie einst im hochgewölbten Tempelbogen 
      Das Volk am prächt'gen Vorhang stillestand -  
      Das Heiligste bleib seinem Blick entzogen. 
       
      So birgt ein Heiligtum des Dichters Brust: 
      Das Ideal der Schönheit, dem die Kehle 
      All ihre Lieder singt in Qual und Lust, 
      Und das er rastlos sucht mit ganzer Seele. 
       
      Doch weil kein sterblich Wesen jenem gleicht, 
      Und nichts von Makel frei, was erdentsprossen, 
      Trägt er die Sehnsucht, bis sein Haar gebleicht, 
      Und liebt und täuscht sich, bis sein Aug' geschlossen. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 63-64) 
      
      _____ 
        
      Seit du mein Liebster 
      worden, 
      Bin ich der Sorgen bar, 
      Ins Buch des Herzens schreib' ich 
      Ein seliges Neujahr. 
      In hoher Lust erglüht mein Sinn, 
      Stolz meine Blicke gleiten, 
      Mir ist, als sollt' ich schreiten 
      Gleich einer Königin. 
       
      Wie fröhlich kann ich schaffen, 
      So lang die Sonne blinkt! 
      Wie süß im Schatten ruhen, 
      Wenn spät sie niedersinkt! 
      Und schließt mein müdes Aug' sich sacht: 
      Das Kindlein in der Wiegen 
      Kann nicht so wohlig liegen, 
      Als ich die ganze Nacht. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 17) 
      
      _____ 
        
      So schneckenlangsam kriecht 
      der Tag, 
      Als wollt' er nimmer enden, 
      Was auch die Nadel schaffen mag, 
      Verdirbt in meinen Händen; 
      Der trübe Sinn hält mir nicht Stand, 
      Er fliegt hinaus ins ferne Land 
      Weit, weit zu meinem Liebsten. 
       
      Kein Wort, kein Gruß, seitdem er ging 
      Vor Monden, trostlos bangen, 
      Das Laub, das grün bei Blüten hing, 
      Spielt nun im Sturmwind Fangen; 
      Die wohlbekannten Plätzchen all' 
      Im Feld, im Busch, am Wasserfall 
      Hat längst der Herbst verwüstet. 
       
      Was mag er thun? Vielleicht er scherzt 
      In froher Zecher Runde, 
      Vielleicht sein Arm ein Mädchen herzt; 
      Das lacht mit süßem Munde 
      Und schwatzt und schmeichelt ihm voll List 
      Und lockt, bis er gefangen ist, 
      Indeß ich einsam weine. 
       
      O deckte mich der Schnee, wie bald 
      Er Wiese hüllt und Hecken! 
      O könnt' ich mich wie's Wild im Wald 
      Den Menschen fern verstecken! 
      Wenn er vergaß, wenn er mich trog, 
      Wenn seine Lieb' wie's Laub verflog, 
      Verflieg' auch du mein Leben! 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 28-29) 
      
      _____ 
        
      So willst du heut schon 
      wieder scheiden? 
      Und ist's nicht morgen früh genug? 
      Hilf nicht dem Schicksal karg beschneiden, 
      Was uns're Lieb' an Blüten trug. 
       
      Laß an des Glückes Quell mich trinken 
      Noch einen einz'gen kurzen Tag, 
      Dann soll die Hand zum Abschied winken, 
      Die dich zu halten nicht vermag. 
       
      Dann will ich ohne Thränenzeichen, 
      Im Angesicht der Ruhe Schein, 
      Den Wanderstab dir selber reichen, 
      Nur heute, heute sei noch mein! 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 57) 
      
      _____ 
        
      Soll ich fröhlich scherzend 
      lieben, 
      Knospengleich geschämig sein? 
      Soll ich Geistesfunken stieben 
      Wie die Flut im Sonnenschein? 
       
      Soll ich ernst gleich einer Nonne 
      Schweigsam in mein Inn'res seh'n? 
      Soll ich heiter gleich der Sonne 
      Lachend durch die Fluren geh'n? 
       
      Liebst du kühn entschloss'nes Handeln, 
      Ist es Scheu, die dir gefällt? 
      Sprich! Ein Wink kann mich verwandeln, 
      Schöpfer meiner Herzenswelt. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 42) 
      
      _____ 
        
      Spät war's, wohl 
      mitternächt'ge Stunde, 
      Und dunkel, rings kein Licht entfacht, 
      Im Scheidekuß hing Mund am Munde, 
      Vier Lippen flüsterten: "Gut' Nacht!" 
       
      Dann schlich ich still auf leisen Sohlen 
      Mit meinem Glück ins Schlafgemach, 
      Ich wagte kaum das Atemholen, 
      Als rief' ich arge Räuber wach, 
       
      Die meinen Schatz, den wundersamen, 
      Mir raubten aus des Herzens Schrein. 
      Kein Laut, kein Licht, nur deinen Namen 
      Als Nachtgebet – so schlief ich ein. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 13) 
      
      _____ 
        
      Verschiedene Wege 
      
       
      Sprecht mir von Blumen, Sommertagen, 
      Von Farben, Tönen, Modesport, 
      Vom Gold, nach dem die Menschen jagen, 
      Nur laßt die Liebe aus dem Wort. 
       
      Der Ruf heißt meine Lanzen fliegen, 
      Bewehrt den Arm mit eh'rnem Schild, 
      Sie schütz' ich, wie in Glaubenskriegen 
      Der fromme Christ sein Heil'genbild. 
       
      Ihr lacht, ich bete beim Altare, 
      Ihr pflückt die Lieb', wo's euch gefällt, 
      Zu Scherz und Spiel, als Schmuck der Jahre, 
      Mir aber ist sie meine Welt! 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 107) 
      
      _____ 
       
       
      Um meine Lieder ist mir 
      bang, 
      Daß sie verwelken ohne Liebe, 
      Wie ohne Licht im Klostergang 
      Die krankhaft bleichen Blumentriebe; 
       
      Daß sie voll Sehnsucht folgen dir, 
      Auswand'rer nach erträumtem Lande, 
      Bis nach der Fahrt, fruchtlos und irr, 
      Das lecke Fahrzeug liegt am Sande. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 60) 
      
      _____ 
        
      Üppig blühendes Gefilde 
      Hat mein Auge nie entzückt, 
      Nie an einem Menschenbilde 
      Heit're Schönheit mich berückt. 
       
      Züge lieb' ich, herb wie deine, 
      Einen Mund, der streng sich schließt, 
      Bis den Ernst mit hellem Scheine 
      Sonnig Lächeln übergießt. 
       
      Seit ich einmal halb verstohlen 
      Schaute solchen Wunders Pracht, 
      Möcht' ich Gold und Perlen holen 
      Aus des Fühlens tiefstem Schacht. 
       
      Möchte meine Seele geben, 
      Säh' ich drob dein Angesicht 
      Lächeln und dein dunkles Leben 
      Glückverklärt und sonnenlicht. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 8) 
      
      _____ 
        
      Verborgne Saiten hat die 
      Menschenbrust, 
      Zart wie die Sommerfäden, die im Blauen 
      Hinschweben über Wiesenhang und Auen 
      Und die zu fassen Keiner noch gewußt. 
       
      Manch' treue Rechte hab' ich warm gedrückt, 
      Mir lachte neben hohler Heuchlerlarve 
      Manch' holdes Auge zu, doch jener Harfe 
      Hat vor dir niemand einen Ton entrückt. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 37) 
      
      _____ 
        
      Verzeih mir, wenn ich kalt 
      und herb erscheine, 
      O glaub', daß ich im stillen drüber weine. 
       
      So oft ich meinen Blick von deinem wende, 
      Falt' ich, daß du vergibst, im Geist die Hände. 
       
      Und wenn ich mich zu kargen Worten zwinge, 
      Sag' ich dir heimlich tausend süße Dinge. 
       
      Je mehr ich vor den Menschen sie verhehle, 
      Je tiefer gräbt die Lieb' sich in die Seele. 
       
      Seit mir verwehrt, dir Leid und Lust zu zeigen, 
      Ward erst mein ganzes Wesen dir zu eigen. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 16) 
      
      _____ 
        
      Vielleicht – und dieses ist 
      die bitt're Neige, 
      Der herbste Tropfen in dem Schicksalstrank - 
      Vielleicht, erwäg' ich still, zollst du mir Dank, 
      Kehr' scheidend ich den Rücken dir und schweige. 
       
      Vielleicht, indes den Kampf ich keinem zeige, 
      Den heißen Schmerz, dran meine Seele krank, 
      Frohlockst du heimlich, weil du frei und frank, 
      Weil, was dir längst verdorrt, sich löst vom Zweige. 
       
      Mir aber ist es, soll ich dich vermissen, 
      Als würd' ich ausgesetzt im Weltenmeer 
      Allein auf einem Eiland, wüst und leer, 
       
      Und säh' das Schiff, mit allem Lebensgut 
      Befrachtet, weiter segeln auf der Flut, 
      Bis es für immer meinem Aug' entrissen. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 28) 
      
      _____ 
        
      Von weitem kenn' ich deinen 
      Gang, 
      Und hallt er rasch den Flur entlang, 
      Verkündet er wie Lerchenschlag 
      Mir einen heitern Frühlingstag. 
       
      Und ob es draußen friert und stürmt, 
      Ob auf dem Dach der Schnee sich thürmt, 
      In meinem stillen Kämmerlein 
      Lacht mir der hellste Sonnenschein 
       
      Du hast der Sonne milde Kraft, 
      Die weiß nicht, was sie Gutes schafft, 
      Und bringt sie sengend Tod statt Huld 
      Trägt sie am Unglück keine Schuld. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 18) 
      
      _____ 
        
      Wär ich ein Röslein thauig 
      frisch, 
      Ein Kind von sechzehn Jahren, 
      Hätt' meine knospenjunge Brust 
      Noch nie von Leid erfahren! 
       
      Wüßt' noch mein heit'res Leben nichts 
      Von Erdenlist und Lüge, 
      Daß mit dem ersten Perlenschaum 
      Ich dir's entgegen trüge! 
       
      Und doch – es wär' so reich und voll, 
      So tief nicht meine Liebe, 
      Wenn ihren lichten Farbenschmelz 
      Kein dunkler Grund umschriebe. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 55) 
      
      _____ 
        
      Herzensräthsel 
      
       
      Wärst du ein Krösus reich an 
      Gold 
      Und hättest Kronen zu erben, 
      Du kannst doch mit dem höchsten Sold 
      Kein Menschenherz erwerben. 
       
      Und sängst du mit süßem Schall 
      Wie Klang von Harfen und Glocken, 
      Die Lieb', die freie Nachtigall, 
      Sie läßt sich nicht erlocken. 
       
      Dem Sonntagskind dem naht sie sich, 
      Kaum braucht's ein holdes Neigen. 
      O Herz, wie bist du wunderlich, 
      O Lieb!, wie bist du eigen! 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 108) 
      
      _____ 
        
      Was deiner milden Schönheit 
      ich verdanke? 
      Denk' dir in dumpfer Stube eine Kranke, 
      Die matt an Leib und Geist viel Monde lang 
      Sich sehnt ins Freie aus der engen Schranke. 
      Nun gieb ihr plötzlich frische Alpenluft, 
      Zeig ihr das grüne Thal, die Bergesflanke, 
      Mit Hütten übersät und schneegekrönt, 
      Zeig' ihr den See, der Schifflein leicht Geschwanke, 
      Wölb' drüber Himmelsblau und Sonnenschein 
      Und laß sie, überdacht von Zweiggeranke, 
      Vor diesem Bilde schwelgen trunk'nen Blicks - 
      So ward dein Reiz mir zum Genesungstranke. 
      Noch holder ist als blühende Natur 
      Das Menschenantlitz, die Gestalt, die schlanke. 
      Seit du an meinem Aug' vorübergingst, 
      Lieg' nimmer mit der Schöpfung ich im Zanke; 
      Die Welt ist gut, das Leben lebenswert, 
      Weil solche Schönheit nicht blos ein Gedanke. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 144) 
      
      _____ 
        
      Was ihm an mir gefallen mag? 
      Zur Kammer schleich' ich oft im Tag, 
      Schieb' vor die Thür den Riegel 
      Und schau in meinen Spiegel. 
       
      Warum erwählt er nicht die Ros'? 
      Bin eine schlichte Blume blos 
      Und nimmer will's mir glücken, 
      Mich also hold zu schmücken. 
       
      Doch eine Zier ist mein fürwahr! 
      Die Schönste wär' ich aus der Schaar, 
      Stünd' all mein treues Lieben 
      Im Antlitz mir geschrieben. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 16) 
      
      _____ 
        
      Was in dem Herzen löst die 
      Frage, 
      Wenn es in Liebe zweifelnd ringt, 
      Es gleicht dem ersten Lerchenschlage, 
      Der uns des Frühlings Botschaft bringt. 
       
      Es braucht kein prunkend Gunstbezeigen, 
      Nicht Reden, die gewählt mit Schick', 
      Es spricht's ein Wort, es malt's ein Schweigen 
      Es klingt's ein Ton, es strahlt's ein Blick. 
       
      Es ist ein Hin- und Widerwalten, 
      Ein Wunder, unergründlich tief, 
      Wie wenn zwei Rosen sich entfalten, 
      Die Eine Stund' ins Leben rief. 
       
      Und wie das helle Glutentbrennen 
      Des Himmels, das den Tag uns giebt, 
      So flammt das selige Erkennen 
      Beglückend auf: Du bist geliebt! 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 44) 
      
      _____ 
        
      Was mein Aug' mich heißt 
      bezwingen, 
      Was die Zunge schlägt in Bann, 
      Sehnsucht ist's, mein Garn zu schlingen 
      Ganz um dich, geliebter Mann. 
       
      Was dir mählich im Gemüte 
      Sich aus Knospenhüllen schält, 
      Scheint mir eine blaue Blüte, 
      Wie das Märchen uns erzählt. 
       
      Weiß ich's, wenn ich liebewerbend 
      Öffne ihrer Blätter Hut, 
      Ob sie nicht, im Keim verderbend, 
      Welke in zu früher Glut? 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 10) 
      
      _____ 
        
      Was soll in meinem Angesicht 
      Die Falte, die die Stirn durchflicht, 
      Und was der Reif im Haare? 
      Mein Herz ist jung, so kinderjung, 
      Die Seele hat so leichten Schwung, 
      Als zählt' ich sechzehn Jahre. 
       
      Dornröschen schlief im Zauberwald, 
      War drum es hundert Jahre alt, 
      Als seine Fesseln sprangen? 
      Seit ich in deinem Arm geruht, 
      Da ist's wie eine Wasserflut 
      Mir übers Herz gegangen. 
       
      Es sank, was ich geliebt, gehaßt, 
      Ich staune wie ein fremder Gast, 
      Kaum weiß ich mich zu schicken; 
      In sel'gem Frieden alles schweigt, 
      Und eine neue Schöpfung steigt 
      Empor vor meinen Blicken. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 65) 
      
      _____ 
        
      Welch' ein Funkeln an den 
      Wänden! 
      Fürstin Sonne wirft ihr Gold 
      Mir herein mit vollen Händen 
      Als dem Günstling, dem sie hold. 
       
      Was der Unmuth schuf im Zimmer, 
      Was im Herzen sich bekriegt, 
      Hält nicht Stand vor all' dem Schimmer, 
      Der auf Wald und Fluren liegt. 
       
      Mein umflortes Aug' zu necken, 
      Prahlt sich rings mit grüner Schrift 
      Meister Lenz an allen Hecken, 
      Auf der schneebefreiten Trift. 
       
      Und auch mich hat es getroffen, 
      Herz erlieg' dem süßen Los: 
      Was du schufst, mein heimlich Hoffen, 
      Frühlingssonne zieh' es groß! 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 66) 
      
      _____ 
        
      Wenn's morgens an das 
      Tagwerk geht, 
      Vom Thurm die Glocken tönen, 
      So sprech' ich still mein Frühgebet 
      Nach kindlichem Gewöhnen; 
      Doch wann zu End' die alte Weis' 
      Dann sag' ich noch ein Sprüchlein leis': 
      "Ihm zu Liebe." 
       
      Da mein' ich nicht den lieben Gott, 
      Er zürnt wohl nicht deswegen, 
      Geht ja die Arbeit flink und flott 
      Auf solchen Morgensegen. 
      Der Spruch ist meiner Sitte Hut. 
      Macht mild und sanft mein heftig Blut 
      "Ihm zu Liebe." 
       
      Wohl drückt das Leben oftmals schwer 
      In grauumwölkten Tagen, 
      Dies Wort ist allen Kummers Wehr, 
      Läßt jede Bürde tragen. 
      Ritzt auch der Fuß sich blutig wund, 
      Der Klageruf erstirbt im Mund 
      "Ihm zu Liebe." 
       
      Und wenn die reichste Fürstin käm' 
      Mit Prunkgewänder-Rauschen, 
      So diesen Schatz dafür sie nähm', 
      Möcht' ich mit ihr nicht tauschen. 
      Des Weibes Sein ist leer und arm 
      Kann es nicht sagen leis und warm: 
      "Ihm zu Liebe." 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 21-22) 
      
      _____ 
        
      Wie hast du selig mich 
      gemacht 
      Du milde, dunkle Sommernacht! 
      Es war so still in weiter Rund', 
      Da lag verstummt auch Mund an Mund - 
      Mein Liebster hat mich geküßt! 
       
      Ich träum' es Nachts in süßer Ruh', 
      Im Traum ist's, was am Tag ich thu', 
      Weiß nicht, ob Sturm ob Sonnenschein, 
      Muß lächeln nur in mich hinein: 
      Mein Liebster hat mich geküßt! 
       
      O dürft' ich künden, was mich drängt, 
      Was pochend fast die Brust mir sprengt, 
      Auf daß die Welt, die nichts vergönnt, 
      Den ganzen Himmel fassen könnt': 
      Mein Liebster hat mich geküßt! 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 20) 
      
      _____ 
        
      Wie liebt' ich sonst mit 
      freiem Gang 
      Zu schweifen Wald und Feld entlang; 
      Wie pries ich stets aufs Neue 
      Den Mai mit Blüt' und Sonnenstrahl; 
      Nun hab' ich ihm mit einem Mal 
      Gekündigt meine Treue. 
       
      Käm' nur ein Sturm, der über Nacht 
      Verwehte all' die Farbenpracht 
      Und ließ' die Flocken stieben, 
      Ich gäb' den ganzen Frühlingstraum 
      Für eine Stund' im Dämmerraum, 
      Geschmiegt ans Herz des Lieben. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 19) 
      
      _____ 
        
      Wir sind einander fremd 
      geworden, 
      Es zuckt mir deiner Lippe Scherz 
      Gleich einer Reifnacht Blütenmorden 
      Umfrostend durch das dunkle Herz. 
       
      Ich späh' umsonst in deinen Zügen, 
      Aus deinem Sinn wer sagt mir wahr? 
      So sucht sein Nest nach weiten Flügen 
      Ein ängstlich flatternd Schwalbenpaar; 
       
      Dem statt des Dachs, des gastlich trauten, 
      Das jährlich als sein Heim ihm galt, 
      Entgegenstarren stolze Bauten, 
      So marmorglatt und marmorkalt. 
       
      Fort! flüchtig, ob nach Süd, nach Norden! 
      Nur fort! und ohne Wiederkehr! 
      Wir sind einander fremd geworden, 
      Mein Herz hat keine Heimat mehr. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 61) 
      
      _____ 
        
      Wir wandeln Seit' an Seite 
      stumm und kühl, 
      Als hätten nie wir innig uns umfaßt, 
      Nie Herz an Herz zu traulich süßer Rast 
      Geflüchtet aus dem schalen Weltgewühl. 
       
      Das trotz'ge Haupt verschmäht den Ruhepfühl, 
      Den Arm, der sonst ihm half die Last; 
      Gefesselt liegt wie unter Eisesglast 
      In dunkler Tiefe lautlos das Gefühl. 
       
      Geht das so fort, so fürcht' ich, daß die Schmerzen, 
      Die Freuden alle, die wir uns verhehlen, 
      Den Pfad zerstören zwischen unsern Seelen; 
       
      Und scheidet eine Kluft erst uns're Herzen, 
      So wird sie stetig auseinanderrücken, 
      Bis keine Kunst sie weiß zu überbrücken. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 27) 
      
      _____ 
        
      Woher der Frühling mir 
      gekommen? 
      Von Ost, von West sein Hauch so warm? 
      Und welchen Himmelsflug genommen 
      Der rückgekehrte Liederschwarm? 
       
      Warum, was schien verdorrt seit Jahren, 
      Nun fröhlich grünt im Gartenbeet? 
      Ich kann euch nimmer offenbaren, 
      Was der Poet selbst nicht versteht. 
       
      Ob in die frischbebaute Erde, 
      Ob in die Menschenbrust es dringt, 
      Ein Wunder bleibt das Wort: Es werde! 
      Fragt nicht! Genug, es blüht und singt. 
       
      
      Aus: Auf stillen 
      Wegen Neue Gedichte  
      von Angelika von Hörmann
      München 1907.  
      J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) München (S. 41) 
      
      _____ 
        
      Womit soll ich vergleichen, 
      Wie selig mir zu Muth? 
      Der Schiffer mag es wissen 
      Auf endlos weiter Flut; 
       
      Der schon seit langen Monden 
      Mit Segeln, kühn geschwellt, 
      Sucht, was er sah im Geiste, 
      Die neue Wunderwelt. 
       
      Von Tag zu Tag sinkt weiter 
      Sein Hoffen, einst so grün, 
      Von Tag zu Tag sieht finstrer 
      Er rings die Blicke glüh'n: 
       
      "Verlornes Müh'n!" Verzweifelnd 
      Faßt er des Schiffes Rand; 
      Da tönt vom hohen Maste 
      Das Jubelrufen: Land! 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 46) 
      
      _____ 
        
      Seltsame Welt 
      
       
      Zwei, sich so fremd im Herzensgrund, 
      Daß nichts die Kluft kann überbrücken, 
      Die müssen sich die Hände drücken 
      Und heuchelnd legen Mund an Mund, 
      Und wehe, wer sich frech entschlüge 
      Der strengen Satzung heil'ger Lüge! 
       
      Wo aber Seel' zu Seele spricht 
      Und drängt zu ruhen Herz an Herzen, 
      Die müssen meiden sich mit Schmerzen 
      Und senken selbst der Augen Licht, 
      Damit kein Strahl sie weiter künde 
      Der reinsten Liebe schöne Sünde. 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Neue Gedichte 
      Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 109-110) 
      
      _____ 
      
       
  
      (Aus: Grüsse aus Tirol 1869) 
      [Jugendgedichte] 
      
      
       
      Stille Liebe 
      
       
      Wenn du mir nah'st und schau'st mir stumm erröthend 
      In's Angesicht; 
      Warum ich zitternd immer dir entfliehe, 
      Das frag' mich nicht. 
       
      Wenn alles schläft, in meinem kleinen Zimmer 
      Siehst du noch Licht; 
      Um was ich da so lang, so innig bete, 
      Das frag' mich nicht. 
       
      Der Schlummer naht, und um die Seele spinnt sich 
      Ein süß Gesicht; 
      Warum ich Morgens feuchten Blick's dich grüße, 
      O frag' mich nicht.
      
      (S. 17) 
      ______ 
       
       
       
      Wunsch 
      
       
      Als ich geschaut dir in die Seele, 
      Da zog mich milde Zaubermacht, 
      Und schüchtern, halb noch traumumfangen, 
      Ist junge Liebe leis' erwacht. 
       
      Laß mich in deinem dunkeln Herzen 
      Als lichter Mond am Himmel steh'n, 
      All' deinen Wegen will ich leuchten 
      Und ewig nimmer untergeh'n.
      
      (S. 18) 
      _____ 
       
       
       
      Vorgefühl 
      
       
      Frühmorgens ist hellrothe Gluth 
      Dort über den Bergen gelegen; 
      Ich kenne das Zeichen, es ist nicht gut, 
      Es deutet auf Sturm und Regen. 
       
      Ich hab' an meine Liebe gedacht; 
      Es kam das Lieben und Sehnen 
      Wie helles Frühroth nach dunkler Nacht - 
      Und brachte mir Leid und Thränen.
      
      (S. 19) 
      ____ 
       
       
       
      Nachgefühl 
      
       
      Wehmüthig schweigt des Sees Tiefe, 
      Der Tag hat Frieden ihm gebracht; 
      Nur kleine leise Wellen mahnen 
      An den vergang'nen Sturm der Nacht. 
       
      Ringsum die frischen Blüten duften 
      Im Morgenlicht, das sie bescheint; 
      Ein Tröpfchen hängt an jeder Blume, 
      Als hätte heimlich sie geweint. 
       
      Sag' immerhin, ich soll vergessen 
      Vergang'ner Tage bitt're Schmach, 
      Selbst in den schönsten Stunden zittert 
      Erinnerung noch leise nach.
      
      (S. 20) 
      ___ 
       
       
      Freudvoll und Leidvoll 
      
       
      1. 
      Ein Sonnenstrahl fiel mir in's Herz; 
      Nun sproßt mit jedem Schlag 
      Die Lieb', wie draußen die Saat im März, 
      Und wächst wie der junge Tag, 
       
      Bringt trübe Zeit, bringt helle Lust, 
      Die jauchzen und singen mich läßt, 
      Als wäre meine volle Brust 
      Ein einzig Lerchennest. 
       
      2. 
      Er ging vorbei und sah mich nicht! 
      Du zarte Wolke dort, o hauche 
      Mir deinen Schnee auf's Angesicht, 
      Gib mir dein Gold, du Sonnenlicht, 
      Daß mein Gelock darein ich tauche; 
       
      Erdbeeren, glüht auf meinem Mund, 
      Leih' deinen Wuchs mir, schlanke Tanne, 
      Ihr Blumen, webt ein Kleid mir bunt 
      Und prächtig um der Schultern Rund - 
      Daß ich den Blick des Stolzen banne! 
       
      3. 
      Horch, Vögelein im Tannenwald, 
      Heut' hätt' ich eine Bitte, 
      Siehst du die vielen Häuser dort 
      In grüner Thalesmitte? 
       
      Da nimm das blaue Blümchen hier, 
      Das ich am Bach jetzt pflücke, 
      Halt's nur im kleinen Schnabel fest, 
      Daß dir die Botschaft glücke. 
       
      Flieg' zu dem großen alten Haus, 
      D'rin weiß ich etwas Liebes; 
      Wenn du dort einen Knaben schaust, 
      Dem, Vögelein, dem gib es. 
       
      Sag: Jemand schickt mich aus der Fern, 
      Der dich mit Schmerz muß missen, 
      Läßt dich an diesem Maientag 
      Die schönsten Grüße wissen. 
       
      Wenn er dich freundlich angeblickt 
      Und will, von wem, dich fragen, 
      O bitt' dich, flieg' gleich wieder fort, 
      Das darfst du ihm nicht sagen. 
       
      4. 
      Ob ich geliebt schon und geküßt 
      An unbelauschter Stelle? 
      Und wär' es so! – Vorfrühling ist 
      Ein flüchtiger Geselle. 
       
      Nun ist geschieden längst der März, 
      Der kühle halbverschneite, 
      Und Sommerhimmel liegt allerwärts 
      Vor dir in sonniger Weite; 
       
      Und täglich bringst du mir in's Haus 
      Glutrothe Rosen und Nelken; 
      Den frühen Anemonenstrauß 
      Laß bleichen, mein Liebster, laß welken! 
       
      5. 
      O hüte, was still wir wissen, 
      Wie duftender Blüten Pracht 
      Dem sengenden Tag entrissen 
      Behütet die dunkle Nacht. 
       
      Kein Aug' laß werden es inne, 
      Halt rauhe Hände fern; 
      Es brechen die Knospen der Minne 
      Die Menschen allzugern. 
       
      6. 
      Zum tiefsten Dickicht flücht' ich mich, 
      Zu sichtenverschanzter Laube 
      Und trage des Liebsten Bild mit mir, 
      Ein Dieb mit kostbarem Raube. 
       
      Hier spürt kein Spähertritt mich auf, 
      Kein Blick, der Furcht mir schüfe, 
      Wenn ich den sorglich verhehlten Schatz 
      Mit seligem Deuten prüfe; 
       
      Und zähle jedes liebe Wort 
      Und jedes traute Grüßen, 
      Und kichern auch die Elstern im Tann, 
      So soll's mich nicht verdrießen. 
       
      Hab's wie der Sonnenschein, der kost 
      Mit Erdbeerblüten hierinnen; 
      Er weiß es auch, daß nichts so süß 
      Als wie verschwiegenes Minnen. 
       
      7. 
      Ich hör' es gern, wenn leis' die Wipfel rauschen, 
      Dann ist es immer mir, als sprächest du; 
      Wir können heimlich süße Worte tauschen, 
      Es hört kein fremdes Ohr uns neidisch zu. 
       
      Das Bächlein nur auf seinem Plaudergange 
      Horcht manchmal auf – neugierig wie es ist; 
      O lausche nur, vergessen hast du's lange, 
      Bis du in's Thal hinabgekommen bist. 
       
      8. 
      Dein Herz ist wie der dunkle Wald, 
      Nicht jeder dringt in seine Tiefen; 
      Ich meine doch, daß d'rin versteckt 
      Viel wundervolle Blüten schliefen. 
       
      Es rauscht und braust darin der Sturm, 
      Doch kommen Sonnenstrahlen wieder, 
      Blüht manche rothe Rose dort, 
      Singt mancher Vogel seine Lieder. 
       
      9. 
      Warum so scheu, mein Liebster, sag'! 
      Was soll dies stumme Grüßen? 
      Was denkst du an die bitt're Stund', 
      Wo wir einst scheiden müssen? 
       
      Wer ist der Thor, bei dem der Mai 
      Verschloss'ne Thüren fände, 
      Weil all' seine holde Herrlichkeit 
      In Kurzem geht zu Ende? 
       
      Und küßt' ein einzigmal das Blau 
      Voll Duft und Gluth die Lande, 
      Und müßt' dann ewig Buße thun 
      In grauem Mönchgewande - 
       
      Mir wär' zu theuer nicht erkauft 
      Ein Stündlein stilles Kosen - 
      O laß uns Herz an Herz erglüh'n, 
      Zwei frische Junirosen; 
       
      Und käm' auch noch so schnell die Stund', 
      Die das Verwelken brächte, 
      So bleibt uns doch ein süßer Traum 
      Für lange Winternächte. 
       
      10. 
      Und gäb's einen Regen durch's ganze Jahr, 
      Wär' Wies' und Feld des Schmuckes baar, 
      Und fielen die grünen Blätter vom Baum, 
      Und wären die Rosen ein Kindertraum: 
       
      Viel lieber lebt' ich jahraus jahrein 
      So ohne den lieben Sonnenschein 
      Und ohne den Frühling draußen am Hag, 
      Als ohne dich einen einzigen Tag! 
       
      11. 
      O bleib bei mir in dieser schönen Nacht! 
      Ringsum ist's still, kein Laut im Wald zu hören, 
      Nur da und dort durchbricht des Mondes Pracht 
      Verstohlen das Gezweig der dunkeln Föhren. 
       
      Schon rauscht das dürre Laub bei jedem Tritt, 
      Eins von den Zeichen, die den Herbst bekunden, 
      Schon hab' ich heute, als ich suchend schritt, 
      Nicht wilde Rosen mehr zum Strauß gefunden. 
       
      Und täglich sinkt der Nebel mehr in's Thal, 
      Das Feld, der Wald wird langsam sich entkleiden, 
      O bleib bei mir, ach nur dies eine Mal, 
      Noch eh' der Sommer und die Blumen scheiden! 
       
      12. 
      O Frühlingssonne, bin nicht gesinnt 
      Wie du, die flüchtig lacht, 
      Dann wieder schmollt, ein launig Kind, 
      Das kaum vom Schlaf erwacht. 
       
      Es ist meine Lieb' wie Sommergluth, 
      Die Blüten niedergoß 
      In's Thal, auf dem ein Himmel ruht 
      Tiefblau und wolkenlos. 
       
      13. 
      Wie sollt' ich auch verwinden, 
      Was so viel Weh mir schafft, 
      Wenn Kerkermeister Regen 
      Mich hält in strenger Hast? 
       
      Mir graue Nebelmauern 
      Rings vor Himmel baut, 
      Daß wochenlang mein Auge 
      Nicht Sonn', noch Sterne schaut. 
       
      O Wald, du meine Zuflucht, 
      Wenn Sturm im Herzen tost, 
      Ach! Sprächen frischgrüne Wipfel 
      Mir flüsternd milden Trost; 
       
      Wie wollt' ich mein Leid abschütteln 
      Rasch, wie der Vogel im Hag 
      Die schweren Regentropfen 
      Mit lustigem Flügelschlag; 
       
      Wie wollt' ich all' die Klagen 
      Vergeblicher Liebespein 
      Aussingen in den blauen 
      Sonnenduftigen Himmel hinein! 
       
      14. 
      Ach, noch ein langer, langer Tag 
      Und ich kann nicht zu dir! 
      Ihr hohen Berge thut euch auf 
      Und laßt mich fort von hier. 
       
      Der Bach, wenn er zum Strome will, 
      Hält ihn kein Fels mehr auf, 
      Ueber Stock und Stein in's Thal hinab 
      Springt er im raschen Lauf. 
       
      Der Vogel schlägt die Flügel hoch, 
      Reist über Berge fort 
      Zum fernen Lieb im Waldesgrün 
      Und baut sein Nestlein dort. 
       
      Wie einen Nachen durch die Luft 
      Trägt Sturm die Wolke weit; 
      Sie fliegt der andern an das Herz 
      Und weint vor Seligkeit. 
       
      Das arme Menschenherz allein, 
      Vom Liebsten fort gescheucht, 
      Muß leiden trostlos festgebannt, 
      Wird auch das Auge feucht. 
       
      15. 
      Du sagtest mir vom Scheiden - 
      Bei diesem herben Wort 
      War mir, als sei mit einmal 
      Mein ganzer Himmel fort. 
       
      Als deckten ihn schwarze Wolken, 
      Als würf' meiner Hoffnung Schiff, 
      Das stolze, ein wildes Stürmen 
      Gescheitert an das Riff. 
       
      Du aber lachtest sorglos, 
      Nicht ahnend meine Qual, 
      Wie auf die Trümmer lächelt 
      Ein lust'ger Sonnenstrahl. 
       
      16. 
      Hattest dir das Glas gefüllt 
      Mit dem klaren Trank der Reben, 
      "Angestoßen!" sprachst du kühl, 
      "Auch die Todten sollen leben." 
       
      D'rauf das Glas bis auf den Grund 
      Leertest du, und um zu nippen 
      Setzt' auch ich es zitternd stumm 
      An die schmerzerblaßten Lippen. 
       
      Heimlich eine Thräne fiel 
      In den Wein, den purpurrothen, 
      Ach! seit jenem Augenblick 
      Wein' auch ich um einen Todten.
      
      (S. 28-44) 
      ____ 
       
       
      Manch wundes oft getäuschtes Herz 
      
       
      Manch wundes oft getäuschtes Herz 
      Schließt schmerzvoll seine Pforte zu; 
      Um Gotteswillen klopfet an 
      Und stört die kalte Grabesruh. 
       
      Vielleicht, daß tief in seinem Grund 
      Noch still versteckt ein Funke glüht, 
      Vielleicht, daß noch am welken Strauch 
      Im Herbst ein spätes Röslein blüht.
      
      (S. 45) 
       
      Aus: Angelika von Hörmann Grüsse aus Tirol 
      Gedichte 1869 
      
      _____ 
        
      
       
        Biographie: 
       
        Zu Innsbruck in der schönen Maria Theresia-straße kam Angelika v. 
        Hörmann am 28. April des Jahres 1843 zur Welt. Ihr Taufname war Emilie; 
        den Namen Angelika führt die Dichterin erst seit ihrem Auftreten als 
        Schriftstellerin. Sie war die einzige Tochter des Universitätsprofessors 
        Dr. Matthias Geiger, eines echten Sohnes des tüchtigen, gesunden Tiroler 
        Bauernvolkes, eines Gelehrten, der noch als Knabe auf den Bergen des 
        Oberinntales die Ziegen seines Vaters hütete. Ihre Mutter war adeliger 
        Herkunft: Baronesse Henriette Benz, die Tochter des Hofrates und Tiroler 
        Landstandes Robert Benz Freiherr von Albkron. Schon mit dem sechsten 
        Lebensjahre verlor das Mädchen seine Mutter. Der Erziehung des Kindes 
        wandte der Vater größte Sorgfalt zu. Es wurde durch Privatlehrer in 
        verschiedenen Wissenszweigen, auch in Musik, Zeichnen und modernen 
        Sprachen unterrichtet. Aber die Jahre der Kindheit büßten von ihrem 
        Morgenzauber viel dadurch ein, daß das mutterlose Mädchen allein war und 
        fast nie mit Kindern zusammenkam, um die erste frische 
        Lebensfröhlichkeit in Wort und Spiel mit anderen Kleinen zu genießen. 
        Mit fünfzehn Jahren traf Angelika v. Hörmann das Unglück, auch des 
        Vaters beraubt zu werden. Nun war sie ganz verwaist. Bei Verwandten 
        untergebracht, war sie fast immer an das Zimmer gebannt. Ihre 
        Abgeschlossenheit empfand sie oft schwer. Bettelkinder beneidete sie 
        manchmal, die frei und froh über die Straße sprangen. Das eine Gute 
        mögen jedoch die engen Verhältnisse ihrer lichtarmen Jugendjahre mit 
        sich gebracht haben, daß Angelika v. Hörmann frühzeitig dazu veranlaßt 
        wurde, in stiller Betrachtung über Leben und Welt sich eigene Gedanken 
        zu bilden und sich in die Tiefe ihrer Seele zu versenken, auf deren 
        Grunde die reichsten Keime dem erweckenden Frühlingshauche 
        entgegenschlummerten. In ernster Einsamkeit blüht ja am schönsten und 
        reinsten die Götterblume Poesie. 
        Angelika v. Hörmann war noch ein Mädchen, als sich schon die 
        dichterischen Erstlinge einstellten. Jene poetischen Versuche schmückten 
        teils eine geschriebene Modezeitung, die sie mit einer ziemlich 
        gleichalterigen Kousine zusammensetzte und illustrierte, teils finden 
        sie sich in einem Tagebuche vor, das im Jahre 1858 begonnen wurde.  
        An die breitere Öffentlichkeit trat die junge Dichterin zum ersten Male 
        im Jahre 1863. Damals gab Dr. Ludwig v. Hörmann, der nunmehr 
        weitbekannte, hochverdiente Kulturhistoriker, eine Sammlung Gedichte 
        unter dem Titel "Frühblumen aus Tirol" heraus (Innsbruck 1863, Wagner). 
        Diese "Frühblumen" enthielten Beiträge von Dr. v. Hörmann selbst, Hans 
        v. Vintler, J.E. Waldfreund (Pseudonym für Peter Moser) und einer 
        Dichterin "Angelica". Es war das Pseudonym für die geliebte Freundin des 
        Herrn Dr. v. Hörmann, die er im Januar des Jahres 1865 glücklich als 
        seine Frau heimführen konnte. An seiner Seite lebte die Dichterin in 
        Innsbruck, Klagenfurt (1872-1873), Graz und seit 1877 wieder in der 
        geliebten Tiroler Landeshauptstadt, von schmerzlichen Lebensereignissen, 
        wie Verlust eines teuren Sohnes, nicht verschont. Trotz mancher 
        Trübnisse aber, die ihr Seele und Gemüt beschwerten, bleib sie der 
        Dichtkunst treu.  
        In den sechziger Jahren liefen in dem lebhaften dichterischen Schaffen 
        Angelikas v. Hörmann lyrische und novelistische Arbeiten nebeneinander 
        her. Von den Novellen erschien zuerst im Jahre 1865 die Erzählung "Das 
        Nähmädchen" in der von J.Gg. Obrist zu Bruneck herausgegebenen 
        "Dorflinde", einer Zeitschrift, zu der die besten Tiroler Schriftsteller 
        jener Zeit Beiträge lieferten. "Das Nähmädchen" kam später in Buchform 
        heraus. (2. Auflage, 1872, Glarus. J. Vogel). (…) Reicher entfaltete 
        sich die Lyrik der Dichterin. Hier im Blumengarten der Lyrik wie auch in 
        den späteren Versepen wurzelte ihre beste Kraft. Das weite, rauhere Feld 
        der Prosa entsprach nich so gut ihrem Wesen. 
        Im Jahre 1869 schickte Angelika v. Hörmann ihre "Grüße aus Tirol" in die 
        Welt (Gera 1869, Amthor; 2. Auflage 1898, Leipzig, G.H. Meyer). Es sind 
        Grüße, wie sie dem schönen Alpenlande wohl anstehen. Die Tiefe und Reife 
        späterer Gedichte birgt sich freilich noch nicht in dieser 
        Gedichtsammlung. (…) Neben den an Zahl geringeren, unechten und 
        halbechten Gedichten blühen aber doch schon reichlich Blumen 
        selbstwüchsiger Eigenzucht. Es sind diejenigen, die entweder in engster 
        Beziehung zur Natur des Tiroler Berglandes stehen oder ganz in der 
        reinen, unverfälschten weiblichen Seele gründen. (…) 
        Von gleichem Dufte natürlicher Anmut, Herzlichkeit und Empfindungswärme 
        sind ihre "Mädchenlieder" überhaucht, ein Zyklus in dem reichhaltigen 
        Gedichtbuche "Neue Gedichte" (Leipzig, 1893, A.G. Liebeskind). (…) 
        Alle Gedanken, denen wir in den Gedichten Angelikas von Hörmann 
        begegnen, wurzeln in einer Weltanschauung, die nur auf den Höhen reinen, 
        geklärten, erkenntnistiefen Menschentums reift. Aber nicht allein in dem 
        reichen Gedankengehalt, nicht nur in dem ethischen Edelmetalle beruht 
        der Wert der Hörmannschen Poesie. Es kommt hinzu, daß sich die Gedanken 
        nie in spruchartiger Nacktheit, spröder Aphoristik oder verstandeskalter 
        Nüchternheit darstellen. Alles, was Angelika von Hörmann uns an 
        erkenntnisentstammten Gedanken in ihren Gedichten darbietet, geht durch 
        das Medium ihres Gefühles, ihrer Empfindung, ihres "innigen Gemütes". 
        Das macht die poetische Kraft ihrer Verse aus. Und richten wir überdies 
        unser Augenmerk auf das künstlerische Äußere der Dichtungen, auf ihre 
        formale Gestaltung, so erleben wir gleiche Befriedigung. Auch der, der 
        bei lyrischen Gedichten nicht nach einer Weltanschauung, nicht nach 
        ethischem Werte fragt, der hauptsächlich auf das schöne Wie Gewicht 
        legt, muß Angelika von Hörmann seine Anerkennung zuteil werden lassen. 
        Die Dichterin ist eine ganz bedeutende Könnerin. Sie beherrscht Form und 
        Ton mit seltener Meisterschaft. Selbst das für die deutsche Sprache mit 
        ihrer verhältnismäßigen Armut an Reimworten gefährliche Ghasel erscheint 
        bei ihr aller mühevollen Künstlichkeit entkleidet. (…) 
         
        
        Aus: Angelika von Hörmann 
        Eine deutsche Dichterin in Tirol 
        von Dr. Arnulf Sonntag 
        München 1906 
        J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping) 
         
        
         
        
        siehe auch: 
        
        http://www.univie.ac.at/biografiA/daten/text/bio/hoermann_a.htm 
        
         
  
       
         
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