Anna Louisa Karsch (1722-1791)  - Liebesgedichte

Anna Louisa Karsch

 

Anna Louisa Karsch
(1722-1791)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:




Lieder der Liebe

Wegen Milon

Beim Geräusch des Schauspieltanzes
Wurden neulich durch die Hand
Unsres Tänzebilders Lanzes
Hundert Kerzen angebrannt.
Alle Götter blickten nieder;
Denn es war olympisch Licht,
Morgen (sagt ich) seh ichs wieder;
Aber Milon, der so lieblich spricht,
Milon sprach: "Verbrenne du nur nicht
"Wenn die Flamme jener Kerzen
"Diesen Vorhang hier ergreift,
"Und urplötzlich weiter läuft."
Würd es wohl dem Manne schmerzen,
Der noch nie daran gedacht,
Daß die Glut in meinem Herzen,
Die sein Lächeln angefacht,
Die er ungekühlt läßt brennen,
Mich zum Aschenhäufchen macht?
(S. 287-288)
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Der Liebhaberhut
Eine wirkliche Begebenheit

In einer weltbekannten Stadt,
Die rare Kaufmannswaaren
Und wunderschöne Weiber hat,
Kam schnell ein Mann gefahren,
Eh sich’s sein Weibchen vorgestellt,
Und voller Furcht und Schrecken
Entwich ihr junger Liebesheld;
Ach aber zum Entdecken
Der Heimlichkeit gab’s viel Gefahr,
Weil er, zu sehr getrieben,
Rasch aus dem Fenster sprang, so war
Sein Hut noch da geblieben,
Lag auf dem Tischchen unverhüllt,
Viel Argwohn zu erregen,
Doch sie, mit Weiberlist erfüllt,
Springt schlau dem Mann entgegen,
Und ruft: Willkommen, süßer Mann!
Du sollst den Hut probieren,
Ein Trödelweib bot mir ihn an:
Er ist mit goldnen Schnüren
Reich eingefaßt und noch ganz neu,
Und ward aus Noth vergeudet. -
Dem Mann gefällt die Schmeichelei,
Er küßt das Weib und leidet
Daß sie an sein Tuppe den Hut
Im Puderhaare drücket,
Ruft selber aus: er laßt mir gut!
Und dankt ihr halb entzücket,
Indem sein Aug im Spiegel gafft,
Den Zierrath seines Kopfes,
Den sie ihm heimlich angeschafft. -
Sie lacht des armen Tropfes
Sehr oft auf ihres Lieblings Schooß,
Und spricht mit losem Muthe:
Mein Schatz! wir kamen wohlfeil los
Mit dem vergeßnen Hute.
(S. 193-194)
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An Denselben

Milon, gestern war ich selig,
Wie ein Sonnenbürger ist:
Ach mein Auge hat unzählig
Diese Stirne sanft geküßt,
Die der Mahler kaum so göttlich
Mahlen wird, als du sie hast.
Mache mir doch künftig spöttlich
Nicht die Tage mehr zur Last -
O was hab ich ausgestanden,
Als Zemire ward gespielt,
Und mich deine Blicke fanden,
Und ich nicht den Trost erhielt,
Daß du in der Nähe bliebest.
Sage mir, warum du so
Meiner Seele Kummer liebest?
Sprich, warum dein Fuß entfloh,
Daß ich deiner vollen Schläfe
Feine Locken nicht mehr sah?
Denke nur, wie mir geschah,
Fast als ob ein Blitz mich träfe,
Weinen wollt ich eine Fluth,
Durfte nicht und musts ersticken.
Schmerz durchflammete mein Blut,
Wehmuth saß in meinen Blicken,
Bis Zemirens Rose kam,
Und ich meine Rosen dachte,
Und der gar zu schwere Gram
Sich durch Thränen leichter machte.
(S. 290-291)
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Elegie auf die Geduld

Nein länger kann ichs nicht ertragen,
Das ist zu viel, ist gar zu schwer,
Das müßte mich zu Boden schlagen,
Wenn ich die Stärke selber wär.

Ich habe die Geduld verloren,
Die große Leidenträgerin,
Die bei mir war, als ich gebohren,
Und auferzogen worden bin;

Die nimmer noch von mir gewichen
In mancher jämmerlichen Noth:
Ach die Geduld ist nun verblichen,
Der falsche Milon schlug sie todt.

Mit einem Herzverachtungsstreiche
Ward sie getroffen, und mein Herz
Weint Thränen über ihrer Leiche
Erstarret unter seinem Schmerz.

Der stolze, spröde Milon sagte
Mir Veilchen zu, und täuschte mich
Viel Tage lang, so oft ich fragte,
Mit Aug und Munde kümmerlich.

Zuletzt kam er in meine Hütte,
Trug Veilchen bei sich, schenkte sie,
Ohn Ihren Wink, ohn ihre Bitte,
Der kleinen jungen Corally. -

O du Verräther meiner Treue,
Verächter meiner Zärtlichkeit,
Ich übergebe dich der Reue,
Und mich der Leidvergessenheit.

Ich werde dich noch immer denken,
Ob du die Seele gleich verwarffst,
Von der du nie mit Goldgeschenken
Ein sanftes Lächeln kaufen darffst;

Auch werd ich stets dich sehen wollen,
Ob meine Lieder gleich hinfort
Von meiner Liebe schweigen sollen,
Von ihr hörst du das letzte Wort.
(S. 296-297)
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Aus: Anna Louisa Karsch. Gedichte. Nach der Dichterin Tode herausgegeben von ihrer Tochter Caroline Luise von Klencke. Berlin 1792


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Anna_Louisa_Karsch

 

 


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