Hedwig Kiesekamp (1844-1919) - Liebesgedichte

Hedwig Kiesekamp (Ps. L. Rafael)



Hedwig Kiesekamp (Ps. L. Rafael)
(1844-1919)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 




Ich wollte dich nicht lieben!

Ich wollte dich nicht lieben.

Mich labend, wie ein frohes Kind,
An Winterschnee, an Frühlingswind,
Ward ich umher getrieben.
Da sah ich dir in's Auge tief:
Du wecktest, was im Herzen schlief: -
Ich muß dich ewig lieben!

Ich wollte dich nicht lieben!

Ich rang mit mir, ich kämpfte schwer,
Ich floh vor dir bis über's Meer: -
War ach, in dir verblieben, -
Denn dich nur sah ich Tag und Nacht
Im Sonnenstrahl, in Mondespracht: -
Ich muß dich ewig lieben!

Ich wollte dich nicht lieben!

Tief taucht' ich in den Strom der Welt,
Sah betend auf zum Sternenzelt: -
Dein Name stand geschrieben
Mit Flammenschrift im Herzen mein:
Nun stell' ich alles Ringen ein:
Ich muß dich ewig lieben!
(S. 3-4)
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Fragst du, warum die Blume blüht!

Fragst du, warum die Blume blüht,
Die dir den duft'gen Kelch erschließt?
Warum das Lied der Nachtigall
Mit holdem Zauber dich umfließt?

Warum des Mondes milder Strahl
Die dunkle Nacht dir licht erhellt?
Der sonnenwarme Frühlingstag
Dein Herz in sanfter Wonne schwellt?

Du fragest nicht, empfindest froh:
Weil Gott es gab, so ist es dein!
Und sollte heil'ge Liebe denn
Nicht eine Gottesgabe sein?
(S. 5)
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Völlige Armuth

Wohl kann dir Alles Lieb' erzeigen!
Die holde Rose schmücket dich!
Die Nachtigall singt in den Zweigen,
Die Frühlingslust entzücket dich.

Licht strahlt die Sonne dir in's Leben!
Mild leuchtet dir der Sterne Schein!
Mein Lieb, was soll nun ich dir geben? -
Mein Herz? Ach, längst ja ist es dein!
(S. 6)
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Geisternähe

In der Waldeswipfel Rauschen
Hör' ich deiner Stimme Klang,
In dem Riesellaut der Quelle
Deinen lieblichen Gesang.

Stille Nacht haucht deinen Namen!
Erd' und Himmel, Luft und Meer
Zaubern deiner Schönheit Fülle,
All dein Wesen um mich her.
(S. 8)
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Bitte

O laß mich ruhn in deiner Liebe,
Wie eine Thräne, die die Nacht geweint,
Hinsterbend ruht im Kelch der Rose,
Wann licht die Morgensonne scheint.

O nimm mit deinen glüh'nden Strahlen
Mich aus dir selber ewig dir dahin,
Daß ich, in Glanz und Duft vergehend,
Dir lebend, dir gestorben bin.
(S. 10)
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Der Seligkeit ist Menschenherz zu klein!

O Herz, gieb endlich dich dem tiefen Frieden
Da du in dir die tiefe Liebe trägst.
Wie magst in bangem Schmerz du dich verzehren
Da du im Schatten ew'ger Ruhe schlägst!? -

Die ewige Liebe, Quell der ewigen Ruhe,
Mag wohl dem weiten All Allruhe sein!
Jedoch mich ringt ihr starker Strom danieder.
Der Seligkeit ist Menschenherz zu klein!
(S. 11)
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In der Sommernacht

Sommernacht lag ausgebreitet
Über Fluren, Wald und Hain.
Sinnend saßen wir zusammen,
Tiefe Stille wob uns ein!

Sehnend trank ich deine Blicke,
Bis mein Sinn in dir ertrank,
Und mein Herz zum tiefen Grunde
Deines Herzens niedersank.
(S. 13)
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Gefesselt

Du hast mich angekettet,
An dich, für alle Zeit!
Nichts hab ich mir gerettet:
Bin dein in Ewigkeit.

Die Liebe, die viel heiße,
O nimm sie weg von mir!
Ach, selbst den Bann zerreiße: -
Errette mich: von mir.
(S. 14)
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Du

Du bist der Frühling meines Lebens,
Das Mondlicht meiner öden Nacht:
Du, - was das Leben werth des Lebens,
Und dieses Leben selig macht.
(S. 15)
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Antwort

Fragst du mich, warum ich liebe?
Trauter Freund, - o glaube mir:
"Meine Liebe kommt vom Himmel,
Und der Himmel kommt von dir!"

Ohne dich - verlass'ne Wüste
Wäre mir das Himmelreich!
Aber dir am Herzen rastend
Fühl' ich mich den Engeln gleich.

Du allein bist sel'ges Ewig
Aller Himmelswonne mir!
Und vom Himmel kommt die Liebe!
Sieh', - die Liebe kommt von dir.
(S. 17)
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An den Mond

Silbermond, mit mildem Scheine
Wandelst du am Himmelszelt,
Sanfter Tröster aller Zeiten,
Bote du der Liebeswelt!

Schauest sie, die einsam trauernd,
Sehnend blickt zu dir empor.
Schauest ihn in weiter Ferne,
Der auf ewig sie verlor!

Sag' von Allem, was du schautest,
Weise, schonend, nur Ein Wort:
Sage nicht von ihren Thränen:
Sag' ihm: "Friedlich lebt sie dort!"
(S. 20)
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Seliges Verwirren

Jubelnd wollt' ich dich besingen,
Doch mir ist das Herz zu voll.
Tausend Weisen mich umklingen,
Keine, die ich singen soll!

Einsam ruh' ich, traumverloren,
Wo wir selig oft geweilt,
Wo die Wonne, kaum geboren,
Ach, zu flüchtig uns enteilt!

Deiner Nähe warmes Weben
Füllt mir traut den engen Raum;
Deines Herzens heilig' Leben
Hüllt mich ein in Himmelstraum.

Ach die Sinne sich verwirren:
Seele lebt in dir allein.
Tausend Weisen mich umschwirren
Keine, keine fang ich ein!
(S. 21)
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Nur Eines

Ruhte ich auf goldnem Throne,
In dem Haar die Königskrone,
Ständst, ein Bettler, du vor mir,
Sprächst du: "brich die goldnen Bande,
Arm durchstreifen wir die Lande": -
Selig zöge ich mit dir!

Schmückte mich in Reichthums Glanze
Friede mit dem höchsten Kranze,
Und du lägest siech vor mir, -
Sprächest: "Heilung mir zu geben,
Opfre hin dein reiches Leben": -
Liebster, selig stürb ich dir.

Doch nicht zu des Thrones Stufen,
Ach, zum Frieden nicht berufen,
Steh' ich - Bettlerin, - vor dir!
Allem Glück will ich entsagen,
Jedes Leiden freudig tragen,
Nur die Liebe - bleibe mir!
(S. 22)
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Abendlied des Liebenden

Wie sich die Zweige neigen
Im sanften Abendwind,
So beugt sich meine Seele
Vor dir, du fernes Kind!

Und wie die Berge flammen
Im letzten Abendschein! -
So glühet meine Seele
Nach dir, nach dir allein!
(S. 23)
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Mädchens Bitte an das Meer

Walle, Welle, wilde Welle,
Woge hin zum fernen Strand!
Eile, dich dem Strom zu einen,
Der da zieht in fremdes Land.

Siehst du dann im stillen Thale
Wandern einen Jüngling hold,
Seiner Augen Lächeln sonnig,
Sonnig seiner Locke Gold; -

O, so sag': "Aus weiter Ferne
Über's weite, wilde Meer
Schickt das Herz, das dich nur liebet,
Dieses Wogen zu dir her!"
(S. 26)
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Erlösung

Nach düstren Regentagen
Und ödem Wintergrau
Glänzt nun im Morgenschimmer
Der Himmel rein und blau.

So strahlt an meinem Himmel
Nach langer Schmerzen Nacht
Auf's Neu' die heil'ge Liebe
In ewig hehrer Pracht.

Du goldner Frühlingsmorgen,
Der siegend sie erweckt,
Gieb, daß mit duft'gen Blüthen
Sie deinen Tag bedeckt.
(S. 28)
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Ein hartes Wort!

Und sprichst du auch ein hartes Wort,
Tönt's hold, wie Harfen klingen,
Tönt's holder, als das liebste Lied,
Das alle Sänger singen!

Wollt' mich die ganze Welt mir Ruhm
Und Schmeichellied bethören, -
Dein liebes, trautes, hartes Wort
Viel lieber würd' ich's hören!
(S. 29)
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Waldbrand

Es ist ein Funke gefallen
In des Urwald's dunkle Nacht,
Und hat sich zu brennenden Gluthen,
Zu lodernden Flammen entfacht.

Und hat den Athem des Waldes
Gesogen mit gierigem Mund!
Und hat mit glühenden Armen
Die Bäume gerissen zum Grund.

Und hat den Boden geebnet
Des Säemanns waltender Hand!
Der streuet nun goldenen Samen
In's feuerbefruchtete Land.

Es ist ein Funke gefallen
In der Seele dunkle Nacht
Und hat sich zu leuchtenden Flammen,
Zu strahlenden Gluthen entfacht.

Und hat die Nebel verscheuchet,
Die Schatten gehoben zum Licht!
Und hat ihren Blicken erschlossen
Der Wahrheit heilig' Gesicht.

Und hat all ihr Denken und Fühlen
Entfesselt aus engender Haft!
Nun reift es dem Himmel entgegen!
O Liebe! - Urewige Kraft!
(S. 51-52)
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In der Nacht

Wann ich auf dem weichen Pfühle
Ruhe sanft, in stiller Nacht,
Regt in mir sich eine heimlich
Wunderbare, süße Macht.

Webet aus dem tiefen Schweigen,
Aus des Mondes mildem Glüh'n,
Aus des Herzens heißem Sehnen
Eine Brücke, frei und kühn!

Wölbt sie über Flur und Anger
Bis in's Kämmerlein zu dir.
Führet auf dem luft'gen Pfade
Treu dich eilend her zu mir!

Breitet wundersame Wonnen
Um uns her, mit Göttermacht!
Und mit ihren dunkeln Schwingen
Decket unsern Kuß die Nacht.
(S. 53)
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Wandervögel

Zum zweiten Male kehrt der Frühling wieder,
Seit mir der Frühling jäh in dir entschwand.
Der Sehnsucht Ruf tönt nieder aus den Lüften,
Die Wandervögel zieh'n zum fernen Land!

Wo einst im Lenze sie glückselig waren, -
Ein starker Zug führt dorthin sie zurück.
Im jungen Grün das neue Nest zu bauen,
Im neuen Nest zu finden, - altes Glück!

Auch meine Seele breitet sehnsuchtbange,
Ein Wandervogel, weit die Schwingen aus.
Doch ach, das Glück, das einzig sie ersehnet,
Das trug der Sturm in's weite Meer hinaus.
(S. 54)
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Die Liebe ist ein Zaubergarten

Die Liebe ist ein Zaubergarten,
Darin ich irre immerfort;
Doch alle Blumen, die da blühten,
Die sind verwelket, sind verdorrt.

Die hellen Bronnen, die da sprangen,
Die sind verrieselt im Gestein;
Und alle Vögel, die da sangen,
Die müssen wohl gestorben sein.

Der Garten ist zur Wüste worden,
Darin begraben all' mein Glück! -
Ich habe längst den Pfad verloren
Und finde nimmermehr zurück!
(S. 56)
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Botschaft

Rausche, Sturmwind, rausche,
Lausche, du Welle, lausche!
Sturmwind, sollst ein Wörtchen sagen,
Welle soll es weiter tragen
In die weite Ferne.

In dem fernen Lande
Mägdlein lauscht am Strande!
Lauschet wohl viel' Tag und Nächte
Ob nicht Eines Kunde brächte
Von dem Heißgeliebten.

Fliege, Sturmwind, schnelle,
Eile, du Silberwelle!
Küsse, schmeichelnd ihr die Füße,
Bring' ihr meines Herzens Grüße,
Sag: - wie ich sie liebe!
(S. 58)
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Im Walde

Süße Abendstille, sinke nieder,
Hülle mit dem sanften Hauch mich ein.
Bringe Frieden! Dann entschwebe wieder:
Gieb dich ganz dem Herzgeliebten mein.

Sag' ihm, wie du sinnend mich gefunden
Auf der Bank im frühlingstrunknen Wald,
Und wie Nachklang lenzessel'ger Stunden,
Mir melodisch noch im Busen hallt.
(S. 71)
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Mädchenwünsche

O wärest du ein wonnevoller Traum,
Dürft' ich nach dir mich sehnen, dich verlangen;
Wärst du ein lichter Stern im Himmelsraum,
Mit glüh'nden Blicken dürft' ich an dir hangen
Und selig sein.

Wärst du, o wärest du ein Vöglein nur:
Ich dürfte warten dein, dich liebend pflegen!
Wärst du das kleinste Blümchen auf der Flur,
Wie wollt' ich innig dich am Herzen hegen -
Und selig sein.

Doch ach, du bist nicht Blum' und Traum, kein Stern,
Darf nimmer dein begehren, dich erringen,
So will ich täglich grüßen dich: und fern
Mein Lieben heimlich dir, verhalten, singen -
Und selig sein.
(S. 73)
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Wunsch

Du willst, ich soll den Wunsch dir sagen,
Der glühend mir im Herzen schwillt,
Der oft das Weh, die tiefen Klagen
Der eignen Brust mir hat gestillt.

Lag denn nicht ganz mein Herz dir offen?
Hielt ich sein Wallen je zurück?
Mein Wünschen, Wollen, Sehnen, Hoffen,
All' mein Gebet ist: nur - dein Glück!
(S. 77)
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Auf der Wanderung

Der Abend sank hernieder,
Es dämmern Berg und Thal.
Am Himmel leuchtet wieder
Des Mondes milder Strahl.

Die Welt, in sich versunken,
Träumt stille zu der Nacht,
Umstrahlt von Himmelsfunken,
Von Frieden überdacht!

Ich zieh', in mich verloren,
In's weite Feld hinein,
Hab' mir die Nacht erkoren,
Den milden Mondenschein!

Was ewig mir entschwunden, -
Dein liebes Angesicht:
Dort, - hab ich's wieder funden
Im reinen Himmelslicht!
(S. 78)
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Wie auf Gottes Gebot

Wie auf Gottes Gebot
Der krystallklare Quell
Sich entringt dem Gestein,
Und nimmer versiegt
Bis zum Ende der Tage, -

So entspringt auf sein Wort
In der Seele die Liebe,
Die nimmer erlischt,
Ob das Herz auch verblute
Mit zuckendem Schlage.
(S. 80)
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Abschied

O bang ersehnte, süße Stunde! -
Du kamst zu mir zum letzten Mal!
Ein Kuß, ein Hauch von Mund zu Munde -
Und dann - des Abschieds dumpfe Qual.

Ein Seufzen, Flüstern hin und wieder,
Ein letzter Gruß! - Du gehst zum Thor.
Schwarz sinkt die Nacht auf mich hernieder:
Ich fühl's, daß ich mich selbst verlor!
(S. 81)
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Wiedersehn!

Das nennst du Wiedersehn,
Wenn die Gedanken fliegen,
Zu heißem Liebesflehn
Sich ineinander schmiegen?

O Freund! Gedanken sind
Nur Schemen, kühle, bleiche:
Sie sind nur Hauch und Wind,
Nicht Küsse, gluthenreiche.

Laß mich zum Wiedersehn
Selbst dir entgegen fliegen,
In heißem Liebesflehn
Fest an dein Herz mich schmiegen!

Was die Gedanken stumm
Und eisig sich gegeben,
O gieb's, - ich sterbe drum! -
Gieb's lebend mir in's Leben!
(S. 82)
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Und immer noch das alte Leid!

Und immer noch das alte Leid?
Und immer noch dies wilde Ringen?
Kannst du von deiner Liebe nicht
Das Lied zu Ende jemals bringen?

Ach, wenn dies Lied zu Ende geht,
Mag man auch mich zu Grabe tragen,
Mein letzter Herzschlag wird dazu
Dereinst die letzten Takte schlagen!
(S. 83)
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Aus: Gedichte von L. Rafael
Mit einer Einleitung von Felix Dahn
Leipzig 1888
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel
 

Biographie:

Hedwig Kiesekamp, geb. Bracht; (* 21. Juli 1844 in Henrichenburg; † 2. März 1919 in Münster (Westfalen)), eigentlich Hedwig Carolina Theodora Maria Huberta Philomene Kiesekamp, lebte und wirkte als Sängerin und Schriftstellerin in Münster (Westfalen). Sie schrieb unter den Pseudonymen „L. Rafael“ und „Helene Kordelia“.

Hedwig Kiesekamp wurde auf dem Rittergut Henrichenburg als eines von sieben Kindern des Gutspächters Hermann Bracht in Westfalen geboren. Sie besuchte bis zu ihrem 14. Lebensjahr die dortige Dorfschule, wo sie von einem Geistlichen unter anderem in Französisch und Geografie unterrichtet wurde. Nach dem Tod des Vaters ging sie für ein Jahr in eine Klosterschule der Ursulinerinnen in Marseyk in Belgien, bevor sie wieder nach Westfalen zurückkehrte. Im Jahr 1864 heiratete sie den Mühlenbesitzer und späteren Handelskammerpräsident Wilhelm Kiesekamp und zog nach Münster um, wo sie bis zu ihrem Tod lebte. An der Westmauer des Zentralfriedhofs in Münster erinnert ein Gedenkstein an sie. In Castrop-Rauxel ist eine Straße nach ihr benannt.

Kiesekamp schrieb zunächst Märchen für ihre eigenen Kinder. Levin Schücking unterstützte sie bei ersten schriftstellerischen Proben. Als Schriftstellerin verfasste Kiesekamp Erzählungen, Lyrik, Dramen und Jugendliteratur, die teilweise mehrere Auflagen erlebten.

Auch als Sängerin war Hedwig Kiesekamp erfolgreich. Bedeutende Komponisten wie Max Reger schrieben Lieder für die Konzert- und Oratoriensängerin, Hans Pfitzner vertonte ihre Gedichte. Kiesekamp war mit Johannes Brahms befreundet.

aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Hedwig_Kiesekamp

 

 

 


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