Minna Kleeberg (1841-1878) - Liebesgedichte

 



Minna Kleeberg
(1841-1878)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



O, warte

O warte, o warte, jung' Mägdelein du,
Bis gern deinem Lenz du enteilest;
Es lacht wohl der goldigste Himmel dir zu
Daheim, wo so selig du weilest.

Da bist du und bleibst du ein glückliches Kind,
Geschützt von der Liebe der Deinen;
Die Engel der Unschuld und Güte, sie sind
Dir Wächter im Herzen, im reinen.

Noch kannst du nicht fühlen der Liebe Gewalt
Und doch sie schon fassen und ahnen;
Gieb Acht nur, es wird deine Seele dich bald
An sie und ihr Walten gemahnen.

Du glaubst, das verlorene Eden erblüht
Im wonnedurchschauerten Herzen,
Wo Liebe zwei Seelen durchbebt und durchglüht -
O, laß dir dein Glück nicht verscherzen!

Und warte! und schau' nicht auf Gold und auf Rang;
Die Liebe sei Stern deines Lebens!
"Der Wahn ist so kurz, und die Reue so lang!" -
Und du lebst ohne Liebe vergebens.
(S. 10)
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Mädchenwunsch

Nicht Liebe, wie sie die Dichter singen
Nicht Hangen und Bangen wünsch' ich für mich;
Wer einst meinem Leben sein Glück soll bringen,
Den muß ich bewundern tiefinniglich.

Des Herzens Fühlen mag uns vereinen,
Das Wünschen sei sich, das Sehnen gleich;
Doch hoch erhaben über dem meinen
Erhebe sein Geist sich so frei und so reich.

Und kann ich nicht fassen die Welten und Wesen,
Und wollen erdrücken mich Zweifel so schwer;
Im Auge der Liebe, da muß ich sie lesen
Die Lösung der Räthsel, so hoch und so hehr.

Mein Herr, mein Gebieter! - o süßer Gedanke!
Die Blüthe am Baume will liebend ich sein,
Am schwellenden Weinstock die kosende Ranke,
Will lieben und lauschen und Segen verleih'n.

Und er meine Stütze, voll Kraft und voll Frieden,
Sein Herz meine Burg, und sein Arm mein Vertrau'n -
O Gott, heiß' entbehren mich alles hienieden,
Den Traum meiner Sehnsucht nur gieb mir zu schau'n!
(S. 11)
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Ein Händedruck

Geheime Liebe willst du zeigen,
Die deines Herzens Glück und Schmuck? -
O laß von ihr die Lippe schweigen
Und zeig' sie nur im Händedruck.

Vertrau' dem Auge nicht, dem raschen,
Der Seele Lust, der Seele Glück;
Es möchte kalt die Welt erhaschen
Den ersten, heißen Liebesblick.

Du darfst zu der Geliebten gehen
Und drücken ihr die weiche Hand,
Da wird die Liebe dich verstehen,
Ob alle Welt dich nicht verstand.

Ein Händedruck ist Seelenspende,
Ist Sprache, die nur Liebe kennt.
Wo Liebe band die treuen Hände,
Hat nimmer sie die Welt getrennt!
(S. 12)
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Das Bild im Auge

Wir standen beisammen, wir Beide -
O denkst du der Stunde traut? -
Wir standen beisammen, wir Beide;
Da bannte die Lippe den Laut.

Du suchtest in meinen Blicken
Dein liebes, einziges Bild;
Da fand meine Züge ich wieder
In deinem Auge so mild.

Wie strahlten die leuchtenden Bilder
So tief in die Augen herab;
Den heißesten Blick noch, den einen -
Da wandten wir Beide uns ab.

Es schwanden die Bilder im Auge. -
Sie schwanden? - o nimmer, o nein!
Sie schwebten auf Flügeln der Liebe
Nur tief in die Herzen hinein.

Da werden nun ewig sie weilen
In süßer, in wonniger Ruh';
Ja, ich throne tief dir im Herzen,
Das Bild meiner Seele bist du!
(S. 13)
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Nur einmal

Ich möchte nur einmal, Geliebter du,
Deine Augen küssen und - weinen,
Nur einmal bergen mein Haupt zur Ruh'
An deinem Herzen, dem reinen.

Nur einmal möcht' ich ergründen ganz
Deiner Seele geheimste Tiefen
Und Worte vernehmen voll Licht und Glanz,
Die im Geiste dir schaffen und schliefen.

Wie würde zu neuem Leben mich weih'n
Deiner Liebe sonniger Schimmer!
Nur einmal nenne mich dein, nur dein -
Nur einmal? - nein, ewig und immer!
(S. 14)
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Mond und Erde

Freund zu sein, lerne vom Mond! -
Beim Glanze des Tages verborgen,
Tritt er zur Erde voll Trost,
treu unter Schauern der Nacht.
(S. 14)
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Ewig dein

Du hast viel' Leid getragen,
Viel' Wehe, trüb' und schwer;
Doch nun laß ab, zu klagen,
Daß öd' dein Herz und leer.

Ob höchstes Glück dir fehle,
Dein Geist ist nicht allein;
Denn dein ist eine Seele,
Die werth ist, dein zu sein.

Uns selbst entstammte nimmer
Der Blick, der uns verband;
Es war ein Zauberschimmer
Aus einem Wunderland.

Uns hat in sel'gem Schweigen
Ein Gotteshauch geweiht;
Nun bin ich ganz dein eigen
In alle Ewigkeit.

Ein Strahl aus deinen Gluthen,
Ein Hauch aus deinem Sein,
Dein Werk in allem Guten -
So bin ich dein, nur dein!
(S. 15)
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Ich bin allein

O wer errang das Himmelsgut
Und fromm an treuer Brust geruht,
Wer, was die Seele fühlt und denkt,
In ein geliebtes Herz gesenkt,
Und nun muß einsam, einsam sein -
Der kennt den Ruf: ich bin allein!

Ob Sehnsucht ihm vom Auge feucht
In dunkler Nacht den Schlummer scheucht,
Ob ihm umsonst der Sterne Pracht,
Der holde Schmelz der Fluren lacht,
Er möcht' empor zum Himmel schrei'n
Im Klageruf: ich bin allein!

Und grüßt in froher Menschen Schaar
Auch ihn die Freude licht und klar,
Er möchte rastlos weiter zieh'n,
Der frohen Menschen Blicke flieh'n.
Er sucht zwei Augen treu und rein
Und klagt und klagt: ich bin allein!

Ob Viele ihm in's Auge seh'n,
O, Keiner kann sein Herz versteh'n!
Und Keiner ist so fromm, so mild,
Wie dort der Sehnsucht Liebesbild.
Ach, unter Gottes Sonnenschein
Ruft höchster Schmerz: ich bin allein!

Du guter Gott im Himmel, gieb
Mir bald zurück mein fernes Lieb!
Ach, meiner Sehnsucht Klagelaut
Hab' Keinem ich - nur dir - vertraut!
So ende mild der Trennung Pein -
Wir Beide sind allein, allein!
(S. 16-17)
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Liebe

Was ist die seligste Wonne auf Erden?
Zu lieben und wieder geliebt zu werden.
Was läßt das Herz sich gar tief betrüben?
Zu lieben und nimmer geliebt zu sein;
Doch das ist die größte, die schwerste Pein:
Geliebt zu werden und nicht zu lieben.
(S. 17)
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Dir geheiligt

"O sei mir geheiligt!" - so klang dein Wort
In der Trauung geweihter Stunde;
Nun bin ich geheiligt dir fort und fort,
Dein eigen im heiligsten Bunde.

Die Augen sind dein, geheiligt dir -
O daß ihre Demuth es künde! -
Es deckt sie der Wimper keusches Visir
Vor dem flammenden Blicke der Sünde.

Dein ist die Hand, die des Ringes Schmuck,
Deine liebliche Kette, will hegen;
Sie schlingt nur für dich sich zum Händedruck,
Sie wirkt und sie schafft dir zum Segen.

Die Lippe ist dein, - ihr Wort ist dein
In der Liebe heißem Ergusse;
Die Lippe soll dir geheiligt sein
Zu der Liebe innigem Kusse.

Und dir geheiligt sind Geist und Herz,
Meiner Träume Gestalten verweh'ten;
Für dich will ich leben in Lust und Schmerz,
Für dich will ich denken und beten.

O sei mir geheiligt! - so klang dein Wort
In der Trauung geweihter Stunde;
Nun bin ich geheiligt dir fort und fort,
Dein eigen im heiligsten Bunde!
(S. 18-19)
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Das Menschenherz

Wie bist du schwach! - Schon zweier Augen Strahl
Versenkt dich tief in's Meer von Lust und Qual;
Du bist so schwach, daß jählings dich durchbebt
Ein leiser Hauch, der von der Lippe schwebt.
Ein Wort schon schafft dir endlos Glück und Schmerz -
Wie bist du schwach, du armes Menschenherz!

Und doch so stark! - Wenn deine Kraft erwacht,
Verstummt, verweht die süße Zaubermacht.
Das Herz, das nur sich selber nicht verlor,
Es tritt verjüngt aus schwerem Kampf hervor.
Die Schuld wird Tugend, Wonne wird der Schmerz;
Stark ist und groß das reine Menschenherz!
(S. 34)
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Heilig Geliebter du!

Es thront ein Bild im Heil'genschrein
Und schirmt des Hauses Ruh',
So thronst du tief im Herzen mein,
Heilig Geliebter du!

Wohl brandet an der Seele Port
Versuchung sonder Ruh',
Du schirmst mich treu, mein Schutz und Hort,
Heilig Geliebter du!

Und in die bange Seele kehrt
Auf's Neue Glück und Ruh',
So bin ich dein und deiner werth,
Heilig Geliebter du!
(S. 114-115)
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Es lebt ein Gott!

Es lebt ein Gott! - Auf aller Forschung Gleisen
Wird ewig neu erkannt der Gottheit Spur;
Den letzten Urgrund aus dem All verweisen
Wird kein Entwicklungs-Dogma der Natur.
Die Welten und die Menschengeister kreisen
Um ihres Daseins ew'gen Urquell nur.
In seinen Räthseln sucht die Seele Nahrung -
Das ist der Gottheit größte Offenbarung!

Und jede Flucht aus eit'lem Weltgetriebe
Ist Gottes Nähe, ist der Gottheit Hauch;
Sein ist die Kunst, die Schönheit und die Liebe,
Sein der Gedanke, und der Zweifel auch!
Und ob der Dome Säulenprunk zerstiebe,
Und aller Lippendienst, und Form und Brauch:
Es lebt ein Gott! - und seine Banner ragen,
Wo Sonnen leuchten, und wo Herzen schlagen!
(S. 140)
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Abälard und Heloise
(Vor einem Gemälde)

Gewaltiger ist Liebeskraft, als Wahn und Priesterbande,
Es bebt in düst'rer Leidenschaft der Mann im Mönchgewande;
Denn Kampf und Satzung schirmen nicht vor heißem Seelenbunde,
Und Heloisens Auge spricht urew'ge Liebeskunde:

"O klage nicht mit Thränen bang' um den verlor'nen Frieden,
So deinem Sein ein Weiheklang: die Liebe - ward beschieden.
Die Liebe naht dir unbewußt, die göttliche, die wahre;
Aus Schmerz und Glück, aus Leid und Lust entkeimt die Wunderbare.

Kein Dürfen und kein Wollen gilt in ihrem Heiligthume,
Dem göttlich hehren Muß entquillt die lichte Wunderblume.
Gott ist die Liebe! - Lehrt Natur zu diesem Gott dich beten,
So horch' dem Ruf der Liebe nur, dem göttlichen Propheten.

Und was dir tief im Herzen spricht, ist ohne Schuld und Fehle;
Verbirg dein hold' Geheimniß nicht der heißgeliebten Seele.
Und opf're nicht dein Liebstes hin der Satzung und dem Scheine -
Die Liebe nur ist Hochgewinn, die heilige, die reine!

Doch miss' nach ihren Früchten auch die Liebe und ihr Walten,
Sie muß dein Sein, wie Gotteshauch, durchleuchten und entfalten,
Und aufwärts schwingt sich zauberhaft dein Geist vom Weltgetriebe;
Denn Schwäche nicht, nein - Gotteskraft ist treuer Herzen Liebe!" -

So ward ein Liebesheldenthum für alle Zeit errungen;
Vereinigt hält der Sage Ruhm die Liebenden umschlungen.
Und webt auch ewig Menschenwahn des Erdenglücks Vernichtung,
Das wilde Leid der Erdenbahn versöhnen Kunst und Dichtung.
(S. 143-144)
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aus: Gedichte von Minna Kleeberg
Louisville: Henry Knöfel
New-York Willmer u. Rogers News Co. 1877


 

Biographie:

Minna Kleeberg, geborene Cohen (* 21. Juli 1841 in Elmshorn; † 31. Dezember 1878 in New Haven) war eine deutsche Dichterin
In den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts erwarb sich die Rabbinersgattin in Deutschland und in jüdischen deutschsprachigen Kreisen der Vereinigten Staaten einen Ruf als Dichterin, die sich engagiert für Frauen- und Bürgerrechte einsetzte.

Ihr wohl bekanntestes Werk ist das "Lied vom Salz", das 1865 in der Leipziger Gartenlaube veröffentlicht wurde. In ihm sprach sie sich gegen eine enorme Erhöhung der Salzsteuer aus, die in Preußen zugunsten des Militärs erhoben werden sollte. Minna Kleeberg starb – erst 38 Jahre alt – in New Haven (Connecticut), wo auf dem Mischkan Israel Friedhof heute noch eine Statue an die Dichterin erinnert.

Minna Kleeberg entstammte einer Familie zäher Einzelkämpfer um die Bürgerrechte in einer modernen deutschen Gesellschaft. Kurz vor ihrem Tod schrieb die Immigrantin in ihrer neuen Heimat folgende Zeilen: "... Wir sind von deutscher Eiche kein welker Schößling mehr./Wir blüh'n im freien Reiche, ein Eichbaum stolz und hehr!/Und deutsche Sitte wahren und deutschen Geistesbund/ Wir deutsche Siedlerschaaren auf freiem Staatengrund..."
Schon der Urgroßvater Minna Kleebergs hatte gegen Ende des 18. Jahrhunderts von Elmshorn aus versucht, sich als Kaufmann in Meldorf niederzulassen, wo er Landvogt Heinrich Christian Boie durch seine "liberalen Ansichten" beeindruckte, aber erst sein Sohn erhielt 1817 vom dänischen König die Sondererlaubnis, sich als erster Jude in diesem nur von Christen bewohnten Flecken Süderdithmarschens das Bürgerrecht zu erkaufen. Dessen Sohn wiederum, Markus Cohen, studierte in Kiel Medizin und kehrte mit der Familie, die in Meldorf in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, nach Elmshorn zurück. Dort wurde der angesehene Arzt sofort in den Vorstand der jüdischen Gemeinde gewählt. Seiner Tochter Minna ließ Dr. Markus Cohen eine außergewöhnlich umfassende und liberale Erziehung angedeihen.

Die Familie Cohen aus Elmshorn gehörte zur winzigen jüdischen Minderheit in Schleswig-Holstein, die seit 1814, als im dänischen Mutterland die gesetzliche Gleichstellung der Juden eingeleitet wurde, darauf hoffte, dass es endlich auch in den Herzogtümern zu Erleichterungen kommen würde. Bisher hatten Juden nur in einigen wenigen Orten wie etwa Altona, Elmshorn oder Friedrichstadt wohnen dürfen und hatten sich in diesen Orten als Hausierer oder Händler – denn andere Berufe durften sie nicht ausüben – gegenseitig Konkurrenz gemacht und so die Möglichkeit zum beruflichen Erfolg genommen. Es dauerte lange, nämlich im Herzogtum Holstein bis 1863, bis Freizügigkeit und berufliche Mobilität auch für Juden gesetzlich verbriefte Grundrechte wurden.

aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Minna_Kleeberg

 


 

 


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