Josephine Freiin von Knorr (1827-1908) - Liebesgedichte

 



 Josephine Freiin von Knorr
(1827-1908)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Erste Liebe

Sie glichen, in zartem Alter,
Den jungen Rosen am Hag,
Sie schienen drei Frühlingsfalter
In erstem Flügelschlag.

Sie standen in der Halle,
Im weiten Klostergang,
Zurückgeführt noch alle
Der Schule letztem Zwang.

In trautem Abseitsbleiben
Vergnügen sich diese drei
Und schritten am kindischen Treiben
Der übrigen Mädchen vorbei.

Die Erste lobte leise
Des Vatershauses Reiz,
Die Zweite ihre Reife
Durch's Paradies der Schweiz.

Die Jüngste, aufgeschossen,
Die Lieblichste von Drei'n,
Sie schien in sich verschlossen,
In ihrem Sinn allein.

Im Aug' war's ihr zu lesen
Und auf der Stirne stand:
Daß sie ja auch gewesen
In einem Zauberland.

Aus: Sommerblumen und Herbstblätter
Gedichte von Josephine Freiin von Knorr
(Dritte Sammlung)
Wien Verlag von L. Rosner 1885 (S. 37-38)
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Zwei Frauen

Zwei Frauen weiß ich, lieblich zu gedenken;
Die Eine strahlt im Glanz der Griechenmythe,
Die And're leuchtet in des Märchens Schimmer:
Penelope - und sie, Scheherazade!
In gleichem Streben ähnlich und verschieden,
Voll Kunst das Ziel verschiebend immerdar;
Die edle Gattin in dem Kreis der Freier,
Des Nachts zertrennend was bei Tag sie spann;
Die Sultanin Geschichten endlos webend,
Ihr Leben knüpfend an den neuen Faden.
So zwangen sie in klugem Widerstand
Die bösen Ränke und gewalt'gen Stunden,
Gewannen, was verloren schien für Beide:
Ein hohes Glück nach einem tiefen Leide.

Aus: Sommerblumen und Herbstblätter
Gedichte von Josephine Freiin von Knorr
(Dritte Sammlung)
Wien Verlag von L. Rosner 1885 (S. 43)
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Entzaubert

Es gibt ein Etwas in den Dingen,
Das sie geheimnißvoll umweht:
Ein Leuchten, Duften, Rauschen, Klingen,
Das früher als sie selbst vergeht.

Denn dieses Etwas wird verloren
Und das, woran es hing, das bleibt,
Weil uns die Zeit, die uns geboren,
Auch ohne Jugend vorwärts treibt.

Wehmüthig ist's, das Thal zu schauen,
Jetzt ohne Reiz und ohne Licht,
Das uns erschien am Tag, dem blauen,
So stimmungsvoll wie ein Gedicht.

Wie traurig, wenn Gefühle brechen,
Die wiedersehn, die man geliebt!
Man hört dieselbe Stimme sprechen -
Doch unser Herz kein Echo gibt.

Und trauriger, noch fortzuleben,
Wenn nichts mehr leuchtet, nichts mehr klingt,
Wenn alle Zauber rings entschweben
Und sie zurück kein Morgen bringt!

Aus: Sommerblumen und Herbstblätter
Gedichte von Josephine Freiin von Knorr
(Dritte Sammlung)
Wien Verlag von L. Rosner 1885 (S. 49-50)
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Helleborus niger

Wenn Schnee dicht auf den Feldern,
Nur noch die Tannen grün,
Da sieht man in den Wäldern
Dich, helle Blume, blüh'n.

Du schmückst mit deinen Flocken
Das bald entschwund'ne Jahr,
Du stehst mit deinen Glocken
Im jungen Januar.

Mit deinem Kelch, dem weißen,
Erstehst du winterlich:
Die erste Blume heißen,
Die letzte kann man dich.

Ach! manchmal im Gemüte,
Nach frost'gem Lebenslauf,
Wacht spät, wie deine Blüte,
Ein tiefes Sehnen auf.

Das Herz, den Stürmen offen,
Fühlt wie im Lenz sich jung,
Und weiß nicht, ist es Hoffen -
Ist's nur Erinnerung?

Aus: Aus späten Tagen
Gedichte von Josephine Freiin von Knorr
Mit Vorwort von Marie von Ebner-Eschenbach
Stuttgart 1897
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 39-40)
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Gentiana verna
im Oktober

Ich werde doch - sie doch noch finden,
Die meines Lebens Traumbild war,
Im Herbst bei den Oktoberwinden,
Die blaue Blume, wunderbar;

Die meine junge Sehnsucht quälte
In meinem frostigen April;
Die meinem kargen Frühling fehlte,
Die Herrliche auf holdem Stiel.

Nicht zahlreich in des Lenzes Fülle
Auf grüner Trift im Feierkleid:
Nein, einsam aus der Nebelhülle
Aufleuchtend wie ein Prachtgeschmeid'.

Aus: Aus späten Tagen
Gedichte von Josephine Freiin von Knorr
Mit Vorwort von Marie von Ebner-Eschenbach
Stuttgart 1897
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 44)
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Cyclamen

Waldesblume, spät geboren,
Bei der Schatten Einsamkeit,
In der sich ein Hauch verloren
Aus der fernen Maienzeit.

Letztes Duften, letztes Würzen
Vor der Auseinandergeh'n,
Wenn die Tage sich verkürzen
Und die Rosen still verweh'n.

Aus: Aus späten Tagen
Gedichte von Josephine Freiin von Knorr
Mit Vorwort von Marie von Ebner-Eschenbach
Stuttgart 1897
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 46)
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Stumme Liebe

O bewahre dieses Schweigen!
Was auf deiner Wange glüht,
Was auf deiner Lippe zittert,
Und in deinem Auge sprüht;

Laß es, Mädchen, ruh'n als Funken
In dem Blicke tief und schön,
Laß es schmelzend deiner Wangen,
Deines Mundes Rot erhöh'n.

Such' in Worte nicht zu kleiden,
Was kein Wort in sich erfaßt;
Rede nicht und trage schweigend
Deines Glückes süße Last.

Lautlos wie der Duft der Blumen,
Lautlos wie der Sterne Schein,
Wie der Glanz der Abendwolken
Ström' es aus in deinem Sein!

Aus: Gedichte von Josephine Freiin von Knorr
Stuttgart und Berlin 1902
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 8)
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Unaussprechliches

Die Vogelkehlen, die in Farben brennen,
Sind nur ein Gruß vom reichen Tropenland;
Die Muschel läßt dich ahnen nur, nicht kennen
Die Wunderwelt am fernen Meeresstrand.

Der Veilchenstrauß, den sie dir duftend brachten,
Verkündet nimmermehr den Frühling ganz;
Die Rosenbüsche, die in Glut erwachten,
Erschließen nicht des Sommers vollen Glanz.

Und wenn im Lied, umsprüht von Geistesfunken,
Des Wohllauts Welle labend dich umspült,
So hast du doch den Tropfen nur getrunken
Vom ew'gen Born, der Dichterlippen kühlt.

Ein Blick, ein Händedruck läßt dich erraten,
Daß du die Freude eines Herzens bist,
Doch nicht ein Leben treu vollführter Thaten
Kann ganz dir sagen, was die Liebe ist!

Aus: Gedichte von Josephine Freiin von Knorr
Stuttgart und Berlin 1902
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 23)
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Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Josefine_von_Knorr


 

 


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