Louise Koch-Schicht (1873-1927) - Liebesgedichte

Louise Koch-Schicht



Louise Koch-Schicht
(1873-1927)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Weg zu Zweien

Vorfrühlingsnacht

Wir gingen durch die lenzmilde Nacht
in der ein Ahnen lag
vom Keimen und Blühen
und Sonnenfrüchten — —

Kühl gabst du mir die Hand
zum Abschied.

Keimen und Blühen
und Sonnenfrüchte! — — —
(S. 23)
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Winternacht

Ich bin geschritten durch Nacht und Graus,
die Sehnsucht zog mich an starken Tauen,
und stand nun zitternd vor deinem Haus,
um zu zwei Fenstern emporzuschauen.

Die Nacht war worden kalt und klar
und hart, von glitzerndem Eis behangen —
und war so aller Hoffnung bar,
wie deine Fenster frostbefangen . . .
(S. 24)
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Entsühnung

Und hast du ihr geschworen,
dir nie ein Weib zu frein —
die sich der Tod erkoren,
sie muß es dir verzeihn!

Und hast du dich verschworen,
ich nehm den Fluch auf mich!
Was trüg nicht meine Liebe?
Und so entsühn ich dich!
(S. 25)
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Deine Augen

Traurig deine Augen sehen
wie der tiefe Waldsee,
wo die düstren Tannen stehen.

Keiner kann den Grund erlangen,
dunkles Weh fühlt er entsteigen
jenen Wassern, nachtverhangen.

Muß mich immer hinverlangen,
tief den Blick zu neigen
seinem dunklen Bangen . . .
(S. 26)
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Hochzeitstag

Aus grauen Nebeln steigt der Wintertag;
wir gehen Hand in Hand
zur Kirche. Frosterstarrt liegt Stadt und Hag,
das ganze Land.

Kein Laut ringsum. Ich halt mich fest an dir,
soll mir der Fuß nicht gleiten —
nur manchmal siehst ins Aug du innig mir,
im Schreiten.

Wir wissen: unser Weg wird diesem gleichen
ins rauhe Land —
doch was wir wollen, müssen wir erreichen —
so Hand in Hand.
(S. 27)
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Heimgefunden

Sieh, seit ich dir so ganz verbunden,
ist mirs, nach weitem Wanderweg,
als hätt ich endlich, endlich heimgefunden.

Vernarben fühl ich alle Wunden
im stillen, blühenden Geheg —
zu Jubelliedern fühl ich mich gesunden!
(S. 28)
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Zaubergeige

Meine Zaubergeige! —
Jauchzen wollt ich
Morgenlieder der Liebe,
meine Zaubergeige
nahmst du mir . . .

Die Saiten sprangen schrill.

Aus den letzten Klängen
meiner Zaubergeige
kann ich nicht formen
die Melodie . . .

Still steh ich und warte
mit gesenkter Stirn.

Bis du mir die Geige
nieder aus der Hand nimmst,
mit harten Streichen
die letzten Saiten
zerreißest —
(S. 29)
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Wie eine Mauer

Wie eine Mauer bliebst du starr und kalt,
ob ich mein Haupt todwund an dir geschlagen
und durch die Lenznacht ging ein banges Klagen —
wie eine Mauer bliebst du, starr und kalt.

Verzeih dir Gott die Schuld,
daß dieses Weh mein müdes Herz muß tragen —
ich küsse stumm die Hand, die mich geschlagen,
verzeih dir Gott die Schuld.
(S. 30)
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Die Sterne*

Die Sterne schauen zum Fenster herein,
wo bleibst du so lang —du läßt mich allein;
die Kinder sind krank und weinen im Traum —
du weißt es kaum.

Die Sorge setzt sich zu mir ans Bett;
ach, wenn ich den Mädchenschlaf noch hätt!
All meine harte Jugendzeit
war Seligkeit! . . .

Die Sterne schauen zum Fenster herein
wo bleibst du so lang? du läßt mich allein;
die Kinder sind krank und weinen im Traum —
du weißt es kaum.
(S. 31)

* Aus dem Roman: Eines Lebens Lied
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Schwarze Raben

Schwarze Raben schreien wieder,
schwarze, düstere Gedanken!
Sturmzerrissen niedersanken
die erblichnen Blumenranken.

Und die Zauber müde sanken,
die um uns den Mantel schlugen,
und die goldnen Säulen wanken,
die den blauen Himmel trugen.
(S. 32)
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Die Schatten senken sich

O nimm mich fest in deine Arme —
ich fürchte mich!
daß mir das bange Herz erstarke.

Die Schatten senken sich —
o, nimm mich fest in deine Arme,
ich fürchte mich.
(S. 33)
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Der frühe Kranz

Ach, daß ich all den fremden Menschen,
nur dir nicht mehr begegnen soll!


Aveglocken

Nie kann ich mehr die Aveglocken hören,
ohn daß ich dein geneigtes Antlitz seh,
als lauschtest du vielsüßen Engelchören
die armen Augen nur so groß und weh.

Als seien deine Leiden schlafen gangen,
beim Sang der Abendglocken still und gut
und hättest flehend nur noch das Verlangen:
Kein neuer Tag mit neuer Schmerzen Glut!
(S. 37)
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Begräbnis

Blühten am Weg die Heckenrosen,
glänzte die Sonne auf Wiesen und Baum?
Schmetterlinge tanzten, die losen — —
ach, es war wie im Traum, wie im Traum.

Zogen die Rosse in banger Eile
deinen kränzegeschmückten Sarg;
Blumen und Sonne die kurze Weile
und dein Leben so hart und so karg.

Senkten sie dich in die tiefe Erde,
den ich geherzt und den ich umschlang —
fühl noch dein Wort, deiner Schmerzen Gebärde —
weinend das Glück, das auf immer verklang.
(S. 38)
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Die Witwe

In ein Kästchen schloß ich ein,
als du warst so schwer gestorben,
deine Uhr, nicht leicht erworben,
wie in einen Totenschrein.

Was du sonst bei dir getragen,
hier dein Messer und dein Ring,
manches dran Gewöhnung hing,
fühl ich an, mit scheuem Zagen . . .

Doch dein traurigstes Vermächtnis
ist die Glocke aus der Krankheit Zeit,
zog ich über Meere weit,
blieb ihr Hall mir im Gedächtnis.

Laß den Deckel niedergleiten;
könnt ich so mein banges Denken,
meine Tage noch die leidgeweihten
mitversenken.
(S. 39)
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Gang zum Friedhof

Die weichen Hänge sind es noch, die du geliebt,
der Blick hinab auf Dächer, Türme, Kuppen,
und auf den sanften Wiesen frohe Gruppen,
die freudig nehmen, was der Sommer gibt —
nur du nicht mehr.

Das helle Land!
Mit düstren Kleidern angetan,
so muß ich einsam durch das Prangen schreiten
und fühl den Witwenschleier niedergleiten . . .
die lieben Höhen eile ich hinan
wie einst mit dir.

Nun heimwärts still. Mit dunklen Floren sinkt die Nacht
zum Duft der Erde nieder; engumschlungen
die Liebe wandelt, sehnend aufgeklungen
ist mir das Lied, das alles Leben selig macht —
nur uns nicht mehr!
(S. 40)
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Zu Ende

Noch stehn am Schreibtisch deine Bände,
wie du sie selbst geordnet hast,
als warteten sie deiner Hände,
als weiltest du nur fern zu Gast —

Und wenn mit Briefen kommt geschritten
ins Haus der Bote, ist es mir,
als schriebst du mir, wie du gelitten,
so heimatbange sei es dir!

Und weiß doch, wie so schmerzbeklommen
das Herz mir schlägt, man grub dich ein —
und nie, nie wirst du wiederkommen . . .
und alles muß zu Ende sein.
(S. 41)
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Wenn nur die Abende nicht kämen . . .

Wenn mir die Abende nicht kämen!
die Schatten sinken und ich starr ins Land;
und wieder faßt mich dieses Grämen:

Mir ist, ich sollt dich suchen gehen
den nachtverhangnen Weg entlang,
um dich ein einzigmal zu sehen!

Ich hätt dir vieles abzubitten,
das ich als Härte einst empfand;
o, du warst krank und hast gelitten!

Und manches kann ich nun verstehen,
begreifend, wie du es gemeint,
und darf der Dinge Wurzel sehen —

Du kannst mir nicht entgegenkommen;
nichts mehr, das uns so lang vereint,
als ichs gestünde, reubeklommen . . .
(S. 42)
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Auszug

Wir müssen unser Haus verlassen —
noch einmal will ich deiner Leiden Stätte sehn,
in dich verloren, wieder bange Wege gehn,
noch einmal Glut und Glück erfassen . . .

Schon hochgetürmt harrt unser Wagen
und schwankt hinaus, bereit dem neuen Heim zu dienen;
die nach uns kommen, warten schon mit frohen Mienen,
bis wir das Letzte fortgetragen . . .

Und wissen nicht, was schon an Glück verdarb,
wie schwer hier Einer starb!
(S. 43)
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Aus: Der treue Buhle. Neue Gedichte von Louise Koch-Schicht
Hans Sachs Verlag München Leipzig 1913

 


Biographie:

Louise Koch-Schicht war eine deutsche Schriftstellerin und Dichterin.
Louise war seit 1903 mit dem Schriftsteller, Joseph Schicht, der bereits 1909 im Alter von 29 Jahren starb, verheiratet. Sie schrieb Gedichte, ein Drama und den Roman Eines Lebens Lied, der stark autobiographisch ist.
Sie starb in geistiger Umnachtung.

Aus: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815 – 1950


 

 


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