Alma Johanna Koenig (1887-1942) - Liebesgedichte

Alma Johanna Koenig



Alma Johanna Koenig
(1887-1942)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 



Vergeltung

Meine Kindheit war wie ein schwarzer Gang,
durch den ich gehetzt entlief.
Ich rannte die modrigen Mauern entlang
und ich weinte vor Angst und rief ...

Meine Jugend war wie ein tiefer Schacht,
drin der Tag wie ein Stein versank.
Ich ging durch die Gassen in flammender Nacht
und ferne verhallte Gesang ...

Meine Reife ist knirschendes Mühlendrehn,
das die kärgliche Brotfrucht mahlt.
Doch als ich nur einmal dich lächeln gesehn,
war alles schon überzahlt ...


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 9)

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Pferde

Auf der Gasse, vor der Halle,
vor den Wagen stehen Pferde.
Müde, müde sind sie alle
und ihr Kopf hängt schwer zur Erde.

In ihr Elend tief verloren,
das sie rührend sanft durchlitten,
spitzen sie nervöse Ohren,
bei dem Näherklang von Schritten.

Schnuppern an gebotnen Rinden,
lassen sich die Stirnen krauen,
wagen kaum dem Glück zu trauen,
daß sie wirklich Liebe finden ...


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 10)

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Der Frosch

Auf meiner Mutter feuchtem Grab
ein Frosch gesessen hat,
grün wie ein junges Lindenblatt.
Sein Herz schlug auf und ab.

... "Arme Seele, ist dies deine Stund,
so bet ich dich frei vom Bösen!
Soll ich dich zum Prinzen erlösen,
dann küss ich dich auf den Mund.

Doch hat dich mir meine Mutter geschickt,
dann bring ihr in deiner grünen Hand
meine Träne bis in das kühle Land,
dahin mein Auge nicht blickt ..."

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 11)

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Erlebnis

Die goldene Sonne, den silbernen Mond
hat Gott dir aufs Haupt gelegt.
Von keinem Sturm bleibt mein Herz verschont,
das zitternd dich erträgt ...

Dein Aug ist wie ferne Berge, so blau,
wie die Flamme, die offen brennt,
so blau wie die Wegwart auf deutscher Au,
wie das ganze Firmament ...

In schwelenden Nächten trittst du mich an,
eine neblichte Aura ums Haar
und ich weiß nicht, ob Seraph oder Mann
der, den ich träumte, war ...


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 12)

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Haus im Frühling

Schon immer war mir der Frühling freund
wie jedem, der ihn besang,
doch diesjahrs kommt er bekränzt und gebräunt
und mit lachendem Überschwang.
Er gibt mir Wiesen und Hain und Wald,
eigen Hof, eigen Haus und Getier
und bleibt in deiner geliebten Gestalt
für selige Zeiten bei mir!

O, denk es zu Ende! O, denk dir dies
anwachsende Glück zu zwein.
Der Abend: dein Gang über knirschenden Kies
und drin meiner Lampe Schein!
Der Winter: wir zwei, die geborgen sind,
über liebe Bücher gebeugt!
Und denk das Kind dir, unser Kind
von Sehnsucht und Kraft gezeugt!

Du gibst mir Heimat, du gibst mir ein Haus,
nimmst Friedlosigkeit von mir.
An deiner Brust weint das Weh sich aus
und Angst verzittert bei dir.
Nun kommt meines Lebens Erntezeit
und nun erst lern ich verstehen
den Jubel des von der Vogelweid:
"Ich hân min lêhen - min lêhen!"


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 13)

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Reise

Soll ich, nach so langem, krankem Sehnen
endlich fremdes Land bestaunen?
Endlich lehnen
an der Reling weißen Schiffes,
heißen Griffes
meine bange Hand in deiner braunen?

Wird die fremde Küste nicht entgleiten,
drauf den zagen Fuß ich setze?
Ewigkeiten
träumt mein Wunsch von jenen heißen Städten,
Häuserketten
hinverstreut am Meer, wie weiße Schätze.

Wird die bunte Wildnis für mich blühen,
davon Palmenhäuser Ahnung geben,
Sonne glühen
unertragbar, über Wüstenweite?
Dir zur Seite
werd ich Gottes Tausendfältigkeit erleben ...

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 14)

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Trennung

Jeden stillen Abend bet ich für dich,
sonst fänd ich nicht Schlaf noch Rast.
Mit gefalteten Händen nehm ich auf mich,
was vielleicht du gesündigt hast.

Jeden stillen Abend küss ich dein Bild,
- ich hab mich bescheiden gelernt -
dein Antlitz, das als mein Himmel mir gilt,
ist ganz von Küssen besternt.

Du schreibst mir: "- ich lieb dich, so wahr und so tief,
wie's jeden nur einmal trifft ..."
Es malt sich dein lieber, zerknitterter Brief
mir am Herzen in Spiegelschrift.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 15)

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Junges Vertrauen

Schon kommt die Jugend, so wie Amseln kommen:
du hältst nur still und äugend sind sie da!
Ich habe manche Beichte schon vernommen
sehr junger Herzen, denen süß geschah.

Halt ich noch stiller, wird's vielleicht geschehen,
daß eigner Schmerz sich fremdem Glück verwebt.
Denn der nur lernt das Leben ganz verstehen,
der es erneut in fremder Jugend lebt.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 16)

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Stille Freude

Nun lern ich's, mich zu freuen
wie ich es nie gekonnt.
Tagtägliches Erneuen
ist heimlich übersonnt.

Ich weiß nicht wie mir würde,
käm Liebe noch einmal.
Sie war so große Bürde,
sie war so lange Qual.

Von außen her kommt Leiden,
vom Herzen her kommt Ruh.
Nun lern ich mich bescheiden
und geh dem Abend zu.

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 17)

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Alle Tag

Alle Tag, alle Tag sterb ich tausendfaltig
gekreuzigte Tode um dich.
Alle Nacht, alle Nacht küßt du zaubergewaltig
erneutes Leben in mich ...

Alle Tag, alle Tag möcht ich Meere durchqueren
damit ich erlöst von dir wär.
Alle Nacht, alle Nacht müßt ich wiederkehren
auch über das weiteste Meer ...

Alle Tag, alle Tag muß ich fröstelnd denken:
"Im Tod, da gehört er nur mir."
Alle Nacht, alle Nacht möcht ich Länder verschenken
für ein liebes Wort von dir ...

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 18)

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Schlaflied für ein krankes Herz

Schlaf ein, mein Herz, schlaf nur ruhig ein,
es wird - wie das Fallen von Sternschnuppen sein.
Fürcht keinen mit deinem Scheiden zu kränken,
es wird kein andres Herz an dich denken.

Schlaf ein, mein Herz, schlaf nur selig ein,
dein Los war Sehnsucht und große Pein,
du ließest dies Leben an dir vollstrecken
und willst vor der Nacht voller Sterne erschrecken?

Schlaf ein, mein Herz, schlaf auf ewig ein.
Nur nicht Urständ und Wandlung und neues Sein!
Gott weiß wohl, was dich dazu verleitet.
Er hält schon weit seine Arme gebreitet ...


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 19)

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Gebet

Laß mich Vergängliches verwinden, Herr.
Laß mich den Geist und Deine Güte finden, Herr.
Laß Licht mich tragen zu den Blinden, Herr.

Laß Rosen aufglühn aus den Wunden, Herr,
Verzicht erblühn aus schweren Stunden, Herr,
der Ewigkeit und Dir verbunden, Herr.

Laß Hoffnung finden, die da knieen, Herr,
so wie Du mir die Hoffnung hast geliehen, Herr,
und mich gesegnet hast - und mir verziehen, Herr.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 20)

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Der blonde Bursche

Ein blonder Bursche kam heut zur Tür,
zu der du nicht wiederkehrst.
Mein Herz schlug so, daß ich's jetzt noch spür,
denn ich dachte, daß du es wärst.

Er aß, den Teller gebückt auf den Knien,
- sein Haar war wie dein's, so licht. -
Ich hab dir ja alles längst verziehn,
aber du weißt es nicht ...

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 21)

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Die Häßliche an die Schönheit

Schön bist du, Mädchen, - wie die Sünde schön ist,
während ich häßlich bin wie die Weisheit.
Denn wär Weisheit häßlich nicht - wär sie dann weise?
Töricht wäre sie, grausam und glücklich,
Mädchen, - wie du!

Schön bist du, Mädchen, - bliebest du's ewig!
Denn wie trügst du's, nähme man dir den Liebsten,
und du wärst nicht schön mehr, und nicht mehr glücklich
und wärst doch auch weise nicht,
Mädchen, - wie ich.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 22)

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Im Schatten

Wie Kellerpflanzen, die lange im Dunkel verblieben,
hat meine Seele wachsweiße Triebe getrieben.

Da ich im Dunkel verblieb, wie für ewig vergessen,
haben Würmer die Kraft meiner Wurzeln zerfressen.

Anders hätt ich geblüht in den Frühlingstagen -
hätte der Gärtner mich nur in die Sonne getragen.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 23)

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Die Amsel

Unbeschreiblich süß, unbeschreiblich lieb,
tönt im Vorlenz mir der Amselschlag.
Oftmals, wenn des Weckers Ton mich trieb,
schnarrend auftrieb in den kahlen Tag,
kam es, daß darein die Amsel schlug, -
unbeschreiblich schmerzlich süß und lieb,
und ich neue Tageslast ertrug,
weil mir dieser Ton im Ohr verblieb.

In der Fron des Schreibtischs hingebeugt
saß ich frierend, und ich las und schrieb.
Schwester Tröstrin, schwarz und rundgeäugt,
- unbeschreiblich mir vertraut und lieb, -
gelbgeschnäbelt, mit geschreckter Hast
Nahrung hackend im verschneiten Beet,
wenn du jubelst, sieh, - dann glaub ich's fast,
daß der Winter mir zu Ende geht!


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 24)

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Harfengesang der dänischen Frauen
Nach Rudyard Kipling

Was ist ein Weib euch, - daß ihr uns meidet
und den Herd und den Acker, die euch verleidet,
wenn die, die zu Witwen uns macht, uns scheidet.

Sie hat keine Halle um euch zu gasten,
nur ein kühles Bette, drin alle rasten,
- Eisberge und Sonnen, die verblaßten.

Sie hat keinen weißen Arm, euch zu halten,
nur die Finger des Unkrauts, die euch umkrallten,
wo die Flut euch antrieb in Felsenspalten.

Und doch, wenn den Sommer wir nahe wähnen
und das Eis bricht und Birkenknospen sich dehnen, -
alljährlich kehrt ihr von uns euch mit Sehnen.

Ihr krankt nach dem Lärm und dem Zuruf der Schlachten,
Ihr stehlt euch zum Meer, wo die Wellen erwachten,
eure Schiffe im Winterschlaf zu betrachten.

Ihr vergeßt eure Lust, euer Schwatzen beim Essen,
eure Rinder und Pferde habt ihr vergessen,
um das Schiff zu teeren, die Taue zu messen.

Und dann stoßt ihr ab, wenn Sturmwolken sich ballen
und der hohle Ton eurer Ruder, die fallen,
ist, was für Monde uns rückbleibt, uns allen.

Ach, was ist das Weib euch, daß ihr es meidet
und den Herd und den Acker, die euch verleidet,
wenn die graue Witwenmacherin uns scheidet ...


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 25-26)

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Aus der "Windsbraut"



Der Spieler

Spielen! ich möchte spielen!
Ist keiner, der gegen mich hält?
Ich bin ein Nichts auf der weiten Welt,
aber wenn dieser Würfel fällt,
bin ich König in der Taverne.
Alle, alle die vielen,
die ringsum sitzen, schielen
mißtrauisch und unverwandt
nach dem Becher in meiner Hand,
vergessen auf halbem Wege
den Krug zum Munde zu führen.
Am Fenster wird's plötzlich rege,
es drängt sich an allen Türen.
Solche, die mir zu ferne
saßen, um deutlich zu sehen,
ob ich gewann, ob verlor,
stehen
auf Stühlen und beugen sich vor.
Den Weibern, die mich umdrängen,
unruhig, atemlos, dicht,
zuckt es heiß in den Fingern
nach den lockenden, glitzernden, lichten,
runden, rollenden Dingern,
die vor mir sich zu Haufen schichten,
und alle hängen
mit Fragen an meinem Gesicht ...
Aber ich will sie nicht!
Die Würfel, die Würfel taugen
viel, viel besser für mich,
sind weißer als all die Leiber
der billigen, willigen Weiber
und ihre schwarzen Augen
sind schöner als all die vielen,
die nur nach dem Golde zielen,
sie sind die schönsten der Welt!
Spielen! Spielen!
Ist keiner, der gegen mich hält?


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 29-30)

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Einzug des Eroberers

Die Menge wich, des Rosses Hufschlag scheuend,
zurück, wie ein bewegtes, dunkles Meer.
Aus ihren Haufen ragte ehern: er,
und wie sein Auge, lidverhängt und dräuend,

mit einem Blick ganz fremd von ferne her
die Menge überflog, da sah er sie.
Die einzige, die nicht wie alle schrie,
denn ihre Glieder zitterten zu sehr.

Er sah sie lange an und sie ward rot
und hing an seinem Antlitz wie gebannt.
Dann sank sie neben seinem Roß ins Knie.

Auf seines Winkes herrisches Gebot,
kam, tief geneigten Haupts, der Adjutant.
Da sprach er kurz und kalt befehlend: "Die!"


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 31)

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Die Wikingstochter

Willst du mein Buhle sein? Brich mir den Mut,
aber sing nicht in Liedern: wie schön ich sei!
Zwing mich zu seliger Sklaverei!
Ich bin nur herrischen Helden gut.
Willst du mein Buhle sein? Komm übers Meer
in einem Boot, einem kleinen Boot,
schlage mir Vater und Brüder tot
und trag mich hinab in das harrende Boot,
und lache bei meiner Gegenwehr!


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 32)

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Traurige Ode

Einsam bin ich. Es wob mir die spinnende Parze
keinen Faden, dem andre sich goldig verflechten,
nein, er flattert haltlos, wie sonnenbeglänztes
Spinnwerk des Herbstes.

Einsam bin ich. Es ward mir kein Häuschen gefüget
bunt von Blumen - kein Herd mir vom Garten errichtet,
keines Kindes Gelalle grüßt mich und rufet der Mutter,
ach, keines Kindes.

Müde treib ich hinab den Strom meines Lebens,
rühre die Ruder nicht mehr. Wohin mich auch immer
Strömung treibt, oder Wind, oder Götterbeschließung,
ich will's erdulden.

Ruhiger rauscht schon der Fluß und rauschet die rinnende Welle
meines brausenden Bluts. Schon seh ich neblige Wiesen,
treibend streift Zweige mein Boot und unter hängende Weiden
neig ich den Scheitel.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 33)

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Bahnfahrt am Abend

Ich sehe die Schattenrisse
der Häuschen auf stiller Flur,
der Pappeln ungewisse,
windschwankende Kontur,

Rauchwolken aus nahen Schloten
bezeugen spätfeiernden Brand,
Gewitter, die lang schon drohten,
hängen tief überm Land.

Kirchtürme sind vor die Bläue
schwarzrandiger Wolken gestellt,
der Abend wird langsam durch scheue
aufglimmende Lichter erhellt.

Die Funkenbänder flattern
zischend an mir vorbei.
Ich höre der Räder Rattern,
ich höre des Dampfes Schrei,

Sturm in den wehenden Haaren,
das Antlitz von Tropfen kühl
ist dies nur mein Gefühl:
dies Dir-Entgegenfahren!

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 34)

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Schlichte Weise

Weil du nicht zu mir kommst,
ist meine Freud umsonst
und auch mein Kränzelein
von rotem Klee.
Weil ich so lieb dich hab,
bringst du mich noch ins Grab,
unter den Leichenstein,
- so tust mir weh!

Wenn ich gestorben bin,
kommt's dir wohl erst zu Sinn,
daß kein Herz treu dir ist,
wie all die Jahr!
Bitt ich den süßen Christ,
daß er dein nicht vergißt,
wenn du erst traurig bist,
wie ich es war.

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 35)

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Über mich

Über mich, über mich
ist die Liebe gekommen,
gab mir Glück, gab mir dich,
hat mir mich genommen.

Bin gekniet und bin klein,
mußt mich hoch erheben.
All mein Leben ist dein,
du, mein Leben ...


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 36)

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Geliebter Weg

Wie oftmals sind wir des Weges gegangen,
dahin über blühenden Wiesenrain
und die orgelnden Telegraphenstangen
klangen in unsre Stille hinein.

Der Flieder blühte in hellen Massen
und lockte mich als verbotenes Gut.
Wir gingen durch dörfliche Vorstadtgassen
und jeder Bauer trug ihn am Hut.

In kleinen Fenstern lehnten die Frauen,
sie riefen uns Abendgrüße zu.
Ein Kinderstimmchen sprach voll Vertrauen
sein: "Müde bin ich, geh zur Ruh ..."

Als "Amen" und "Gute Nacht!" erklangen,
da sprachen wir's leisen Mundes mit.
So still war der Abendstern aufgegangen,
wie eine Mutter zu Kindern tritt.

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 37)

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Sommer

Ich bin weithin gegangen,
durchs sonnverbrannte Land.
Der Wind hat sich verfangen,
in Haar mir und Gewand.

Die Bauern sind beim Heuen,
Duft weht zu mir heran,
mein Herz ist ganz der neuen
Wegfreude aufgetan.

Den Hang hinabgestiegen,
komm ich in guter Ruh.
Ein Büblein mit zwei Ziegen
ruft seinen Gruß mir zu.

Das Zicklein liebt die Blüten,
hoch an die Brust gedrückt
kann ich den Strauß kaum hüten,
den ich für dich gepflückt ...


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 38)

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Die Lieder der Fausta



Fausta

Dirne bin ich in Cestius' Haus und ich locke die Fremden
seitlichen Blicks und mit Lächeln und schaukelndem Schritt.
Dirne bin ich in Cestius' Haus und ich trage mein Stirnband
stolzer als wäre sein Gelb - Gold des cäsarischen Reifs.

Dirne bin ich in Cestius' Haus und um wen'ge Sesterzen
schließest du - Fremder, mich auf, als einen Schatzschrein der Lust.
Dirne bin ich in Cestius' Haus und doch kaufst du nur Lust dir.
Fausta niemals. - Denn Fausta verschenkt sich nur selbst.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 41)

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Abends

Nein! Ihr sollt keine Fackeln bringen,
und keine Flammen von persischem Öl,
und sollt nicht Kissen breiten,
auf deren greller Seide weißnackte Weiber sich wälzen,
sich wölbend, wie Marmorbrücken zum Reich der Lust! -
Ihr sollt nicht Gûrû die Trommel reiben lassen,
mit ihren knetenden, geschminkten Handballen,
bis mein Blut im Takte flutet und ebbt.
Ihr sollt nicht Rosen wie Mord verspritzen über den Estrich
und mich zwingen, aus den abfallenden Schleiern
aufzutanzen, - taumelnd wie die Phaläne.
Denn dann birst mein Herz vor Sehnsucht! Und unter euch allen
wo ist der, euer Fest mir zum Feste zu machen?


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 42)

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Fausta an Corraïn

Wenn du über mich hereinbrichst, - Corraïn,
wie der Sturm deiner Wüste,
denk ich, ich könnte dich lieben, - Corraïn!
und meine Haare ausschütten über dein Gesicht,
wie man Honig schüttet über die Süße von Datteln,
und meinen Rücken hinbreiten vor deinen Fuß,
wie man Teppiche ausbreitet auf dem Wege von Königen. -
- Und wenn du mich nähmest, - Corraïn,
und wenn du mich trügest, - Corraïn,
und wenn du mich schlügest, - Corraïn - -.
Dann liebte ich dich!
Aber du liegst ermattet, - mit geschwollenen Lidern
und stöhnst: ". . . . . .  was soll ich dir schenken, Fausta?"

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 43)

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Seefahrer

Seefahrer liebe ich, - braun wie die Erde fremd-sonniger Länder,
Abglanz des Meeres im Blick, Sturm noch im feuchtwirren Haar,
und ihrer weiblosen Fahrt Verschmachten in ihren Küssen,
die nach mir züngeln.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 44)

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Fausta an Flaccus

Flaccus sagt mir: "Dein Haar ist schwerflüssiger Honig
und deine Arme sind weiß wie die Schwingen der Tauben,
die mit Rucksen und Gurren den Dachfirst umflattern,
liebeselig, - dieweil ich unselig dich liebe."
Flaccus sagt es - o sagte mir es ein andrer,
wollt mein Haar ich in seine Hände verströmen,
wollt ihn halten mit Armen weiß wie die Tauben -
und die Tauben selber, - die zärtlich gehegten,
alle weiht ich mit Lachen dir und mit Tränen,
Herzwenderin Venus! -


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 45)

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Nachts

Nacht um jegliche Nacht, als eine Fackel des Eros
brenne ich hellauf. - Entfacht lodern dann alle gleich mir.
Knotest aus schweißigem Tuch ernst du die kupferne Münze,
brauner Bote, - die heut karg deine Schnelle belohnt?
Schüttest du Perlen vor mich, Kaufherr, - entrollst das Gewebe,
das vor der Bürgerin Blick, tief unter Ballen du bargst?
Preisest du, Dichter, mein Haar, nennst es golddunkel wie Bernstein,
den man, Jahrhunderte alt, fernher aus Thule uns bringt?
All dies, ihr Armen für mich? die unter euch spöttisch zur Decke
aufsieht? - Selbst springender Kalk malt noch dein Bild mir, Petron!


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 46)
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Fausta an Lucanus

O Lucanus, der du heut mich gerettet,
vor des Trunkenen Gier, die mich sich erwählt,
dies schon pries ich, wie du den Beutel hinwarfst,
"- Zehnfach zahl ich die Nacht!" riefst und ich war dein,
ob auch Cestius schalt, - der Trunkene drohte!
- Lieber, aber wie soll dies Fausta preisen,
daß die vom Zwang Befreite du nicht zwangst,
daß du lächelnd gewartet, bis dir Fausta ...
nicht die Dirne, - bis sie Geliebte dir war!


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 47)

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Fausta an die Kaiserin Poppäa

Als du heut nächtens verhüllt eintratst und stolz mir gebotest
"Schminke mich, so wie du's übst, kleide mich, so wie du's pflegst!"
Wähntest, o Kaiserin du, - ich würde zu Füßen dir sinken,
wie es Cestius tat, da unser Haus du betratst?
Ärmer bist du als ich, Poppäa, Herrin der Welten,
denn es währet auch dir länger Genuß nicht als mir,
deinen Purpur noch nie wünscht ich, Verlangen zu wecken,
du aber borgtest mein Kleid, borgtest die Binde von mir!


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 48)

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Fausta an Sextus

Dreimal kamst du ins Haus, o Sextus, und wähltest nicht Fausta,
nein, du küßtest dies Kind, kurz von Verstand wie von Haar.
Dreimal tanzt ich vor dir und während ich Nacktheit dir schenkte,
naschtest mit Hand du und Mund voraus ihr kärgliches Gut.
O, da verbrannt ich nach dir, ich wünschte zu küssen, zu morden!
Als du dies Flammen gefühlt, warst du verwirrt und schon mein.
Tor, der zu früh sich ergab! ich wollt deine Füße umfangen
betend: "Ich liebe dich, Dich - lieb ich!" - Und lache jetzt nur.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 49)

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Lucanus für Fausta

Wenn die Abendbriese die stickigen Dünste des Tages, -
all die lastenden Fieberdünste verjagt hat, -
wenn die Abendstunde die glänzenden Sterne da droben
und hier die dunklen Begierden entfacht hat, -
wenn die Dirnen stehn, mit klingendem Silber behangen,
von der Schwelle rufend, die Wandrer zu locken, -
wenn - wie sommers die trunken schwärmende Hummel -
unter Gûrûs Händen die Trommel aufsurrt -
und die Flöten kreischen, wie vergewaltigte Mädchen, -
- - - dann tanzt Fausta auf dem zerschlissenen Teppich,
halbgeschlossenen Augs, mit entfremdetem Lächeln,
unter feuerfarben fließenden Schleiern, nackt!
O, ihr Glieder, um die wir Trunkene gestern wußten!
Funken steigen aus Asche der schon verloderten Lüste,
flackernd wehet ihr Haar im Sturm: goldzüngelnde Flamme!
Flammen sprühen die schnippenden Finger im Umkreis,
Flamme faßt, die - fassungslosen Gemütes -
zu begehren der furchtbare Eros verdammt hat!


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 50)

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Die Begegnung

Nehmt die Salbenfläschchen und nehmt den Spiegel,
meine Schleier nehmt, - die goldenen Spangen -
und geht Mädchen! - geht! - ehe der Krug euch antreibt,
den ich hebe - Kreischende! euch zu treffen! -
Nein, du bleibe, Lyka! - Du allein bleibe!
Sage drunten: "Fausta wird morgen tanzen,
morgen eure Augen mit Nacktheit füllen,
und - vom Unflat eurer Lüste besudelt -
morgen lachen und alle Nächte lachen!" -
Aber heute nur vergönnt mir das Dunkel,
ungeschminkt Gesicht und ungekämmtes Haar,
und das Bette, von keiner Lust geschaukelt,
heute, da ich Ungewarnte, - die lachend
übers Forum schritt! - dem Petron begegnet!


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 51)

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Fausta an Mamilius

Hättest, Mamilius, du ein winzig windschiefes Häuschen
mir und ein Gärtchen geschenkt, - Rosen und Rüben zu ziehn,
gerne hätt ich dafür das talberggebildete Antlitz
und das spiegelnde Haupt dir zum Danke geküßt.
Aber was soll mir dies Haus, daraus du Metellus verdrängt hast?
Säle wie Himmel so weit - und zum Verirren ein Hain!?
Nicht mir aus Neigung geschenkt, nur weil Petron mich einst wählte
und weil der Bote Lucans täglich ein Liedchen mir bringt!
Aber nun prahlst du vor mir, - abends und nächtens und morgens,
was deine Gabe doch wert, - was du an mich schon verschenkt!
Wie ich gähnend dabei andere Zahlen bedenke!
Kärgliche Eins oder Zwei, - während du Tausende zählst!

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 S. 52)

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Lucanus an Fausta

Wenn deinen herrlichen Leib mit lässig schaukelnden Schritten
an mir vorüber du trägst, ... es werfen die lustreichen Schenkel
schattige Falten im glänzenden, dünnen Gewebe, ... bebe ich, Fausta!
Wenn du mich anblickst, - mein Herz bis tief in sein Tiefstes erkennend,
wenn du mir lächelst, wie selbst unter Schleiern verborgen,
wandelst den Lorbeer zu aphrodisischen Rosen du mir am Haupte.
Oft erträum ich's, dein Bild so wie in vergoldetem Spiegel
einzufangen im Lied. - Doch vor dem Brand deiner Schönheit
welken die Lieder mir hin, die lang schon erdachten und auch ein Frühling
noch nicht erblühter.

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 53)

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Lucanus an Fausta

Im mondlichtträufelnden Garten wandle ich schwelgend hin
knirschenden Weg, - vom Hause her, bis zum Dickicht dort,
zum Beet der paphischen Rosen, das mir der Duft verriet,
- schlafende Tauben gurren manchmal im Dunkel auf -
und über massigem Schwanz der flüsternden Wipfel steht
seligen Lichts der Venus begnadender Stern.
Vom rosenblühenden Beet her kehre ich schnellern Schritts,
spähender Blick sucht trunken unter den Säulen dich.
Horch nur! - im rauschenden Busch stillt Pan die Syrinx schon.
Goldenen Scheins, o Fausta, längst dich dein Haar verriet! - -


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 54)

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Schmähgedicht des Lucanus

Oftmals wähntest du wohl, du hättest mich Toren gefangen,
bändest die Hände mir fest mit Ketten goldigen Haars.
Oftmals wähntest du wohl, ich müsse Gnade erbitten,
fülltest die Lippen mir an mit dem feucht schmelzenden Kuß.
Fausta! weißt du es nicht? Es spann für Omphale Herakles
Tag um jeglichen Tag, daß er genieße des Nachts,
unterjocht von der Lust, doch nie unterjocht von Omphale!
Und er verbrannte sich selbst, göttlich und groß und allein.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 55)

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Lucanus an Fausta

Konntest du gehn und ließest dem Schmerz meine Seele?
Konntest du gehn und ließest mich selber der Sehnsucht,
ihr, der Mörderin, deren Hände mich meucheln,
weil die deinen obsäumen, mir liebzukosen?
Seit du gingst, beschleichen mich Stunden und Stunden,
mich umwimmelnd wie Ratten den Kettensklaven,
und mir Sklaven, mir Kettenträger der Liebe,
weigerst tägliches Brot du des Wiedersehns?
Konntest du gehn und gabst doch einstmals mir Liebe?
Konntest du lieben, du! - und vermochtest zu gehn!
Da du mein warst, machte mein Lied dich unsterblich.
Da ich dein bin, sterb ich. - Verfemt und allein. -


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 56)

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Fausta einem Knaben

Süßester Knabe! Wie sanft hat so verschlossene Schönheit
mich zu verführen verführt, - und ich begehrte und nahm.
War's nicht der Kundigen Pflicht, dich Eros' Gesetze zu lehren?
Und ist Gehorsam denn nicht Pflicht dir vor jedem Gesetz?
Reut dich die Lust nun? - So bang, weil dir das Kränzlein verwelkte?
Ich auch verlor's einst wie du. Aber ich weinte nie drum.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 57)

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Fausta einer jungen Dirne

Ich dir danken? Wofür? Ich nahm dir nichts, ich verströmte!
Alles wardst du durch mich, einzig das Nichts-sein war dein.
Es gefiel mir, ich tat's. - Kaum sag ich, daß du mir gefielest!
Allzuoft, dir zur Lust, hab ich es flüsternd gesagt.
Vieles lehrte ich dich und wenig behieltst du von allem.
Hättst du's behalten, auch mich länger wohl hieltst du bei dir.
Meine Waffen an dich gab ich, und waffenlos focht ich.
- Doch du versäumtest den Stoß! - Dulde nun meinen, - und stirb.

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 58)

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Fausta einem Neger

Meine Nüstern waren voll vom Geruch
deiner Glieder, die wie Nacht waren, -
warm, schwarz und endlos.
Nach Fett rochst du und nach Erde.
Über mir war das Rollen deiner Augäpfel
und das welke Knirschen deiner Zähne in grauen Lippen,
da du im Takte deiner Lust stöhntest:
"Ullu - u - - ullu - u ......"

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 59)

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Hortalus an Fausta

Sieh! Es raten die Freunde: - ich sollte dich lassen,
süße Fausta! - Du würdest mir Unheil bereiten,
da ich über das Maß und über den Willen des Eros mich dir ergebe.
Sieh! Es raten die Freunde: ich möge entsagen,
runzlich sei ich wie Frucht, noch vergessen vom Vorherbst,
und du frisch wie die Frühe des vielverheißenden Tages, - golden von Sonne.
Sieh! Es raten die Freunde: ich möge entfliehen,
aber ich knie, gefesselt von lähmenden Ketten,
und ich beuge mein Haupt dir, die schlank wie ein Schwert ist
und auch so tödlich.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 60)

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Fausta einem Tribun

Cornificius! mit den Kreisellöckchen,
fein gesalbten und wohlgelockten Löckchen,
- einundzwanzig auf deiner rechter Seite
und auch auf deiner linken einundzwanzig,
die zu drehn zwei griechsche Sklaven bestellt sind ...
Cornificius, o du süßer Buhle,
bitte, - wolltest es nächstens nicht vergessen,
wenn du deine selige Sklavin aufsuchst,
einen Fächerträger dir mitzubringen,
der das Herrchen immer im Takte fächelt,
wenn es sich beim Spiele zu sehr erhitzet!


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 61)

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Fausta an einen Nazarener

Aus der Verzweifelung, aus Nacht, aus Katakomben her kamst du,
mit des Todes eisigem Hauch im Nacken,
mit geblendeten, gejagten Blicken.
Mörtel haftete in deinen Haaren
und im jungen Barte Spinngewebe,
und dein Leib war ein gespannter Bogen,
dessen Pfeil nach süßerm Himmel zielte
als nach deines bleichen Gottes Himmel.
Da ich vor dir lag, die Arme breitend,
liebtest du den salbenhellen Körper,
der noch deiner trotzgen Küsse Spur trug,
viele tausend Male mehr als jenen
fünffach blutenden des bleichen Gottes,
der dich nie beseligt hat wie Fausta,
der dich nicht wie sie vom Tod gerettet,
der sich selbst vom Kreuz nicht helfen konnte.

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 62)

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Fausta an Silvius

Unser Lager dampft noch von wilden Stunden
und doch lieg ich allein auf entseelten Rosen.
Auf den Lippen, die deine Küsse noch fühlen,
welkt mir das Lächeln.
Kehre wieder! O, wäre es wieder doch Abend!
Alles bist du, was schön ist und süß und befeuernd,
du allein wirst zum Gott, da jeder andre zum Tier wird:
liebend und schlafend!
In deinen Augen ersehne ich Meere und Himmel
und Vulkane ahn ich in deiner Umarmung,
aber Eros selber ehr ich in deines Mundes
tödlichen Bogen.

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 63)

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Fausta an den Präfekten Tigellinus

Tigellinus, der meinen Spielen zusieht,
der mich lieben heißt, wie die andern tanzen,
der mit Hohn uns Kämpfer des Eros anpeitscht,
wie das Volk versagende Zirkuskämpfer,
der mein Fleisch im Griffe des Menschenaffen
liebt und unter dem Schwarz von Panthergliedern,
der mit gelbem Grinsen im Prunkstuhl säße,
wenn mich Nero vor die Bestien würfe,
und wie stets sonst unnachahmlich Schamloses
unnachahmlich geistreich bewitzeln würde ...
Tigellinus, des eigenen Herrn Beherrscher,
Tigellinus, der eigenen Wollust Sklave, -
es ist Zuflucht, dich so wie ich zu hassen,
da Verachtung ja nicht an dich heranreicht
und da Liebe sich ja an dich nicht wegwirft!


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 64)

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Vor dem Spiegel

Silberspiegel, du einzig vertrauter der Freunde,
der mein Selbst an mich schenkt, das andre nur von mir fordern,
noch zeigst voll du mein Haar, gleich ungedroschenen Garben.
Schwarze Verführung das Aug, rote Verlockung der Mund! -
Aber kommt erst der Tag, an dem du verstohlen mich warnest:
"Merk's, nicht ewig gnädig bleibt Venus gewogen!
Bald dem Gold deines Haars mengt sparsam sich Silber,
Kirschblüt der Wangen verwelkt, Kirschfrucht der Lippen verdorrt.
Da die Liebe so viel dir der Schätze brachte,
freu der Schätze dich nun, und laß die Liebe!" - - -
Silberspiegel, weißt du auch Faustas Antwort?
"Von dem ganzen Olympos glühender Freuden
gaben die Göttinnen uns, den sterblichen Schwestern,
einen flüchtigen Augenblick ihres Glücks nur:
jenen, da das Begehren in fremden Augen
aufflammt und uns den Ewigstrahlenden gleichstellt.
Geh ich heute abend über das Forum,
und dem schaffenden Schmied entfällt nicht der Hammer,
und der durstige Zecher versäumt nicht den Umtrunk,
und es drehn sich nicht rückwärts errötende Mädchen,
und es schlägt aus des Greises erloschenem Herzen
letzte Glut nicht, wie erste aus dem des Knaben - - -
Spiegel, dann will ich heimgehn, dich zu zerschlagen,
und das gleiche Feuer mag dich zerschmelzen,
das den Leib mir als leichte Asche zurückläßt, -
allen Winden ein Spiel, wie einst allen Lüsten."

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 65)

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Lyka

Komm doch näher zu mir, Lyka! Umschlinge mich fester.
Schmilzt meiner Traurigkeit Eis vor deiner Wärme wohl fort?
Kupfernes, knisterndes Haar, viel leuchtender schön als das meine,
dem der Ägypterin Saft heimlich den Goldglanz erhöht.
Sag, warum sieht dies kein Mann, wie süß du und rosig des Morgens
ihn hinwegführst, da mich Schlaffheit aufs Lager noch bannt.
Einst zählt ich fünfzehn wie du, ich hüllte in Fetzen die Glieder,
schwer auf dem Haupte den Krug trug ich das Wasser herbei,
heiß, treppauf und treppab huschend die Sitzreihn des Zirkus,
und mit dem singenden Ruf lockt ich die Durstigen an.
Wäre nicht Livia einst, beim Siege der Grünen, wie leblos
von ihrem Stuhle gestürzt, daß man des Wassers bedurft,
trüg ich wohl heut noch den Krug, trüge wohl heute noch Lumpen,
nennte nicht Garten noch Haus, nennte auch Lyka nicht mein.
Ach, wie schluchzte ich dort, im weißen Gewimmel der Togen,
als man bei helfender Hast mir die Amphore zerbracht.
"Arme Kleine, du weinst? wie magst du um Scherben dich grämen!
trägst ja von Kolchis den Schatz, trägst Jasons Vlies doch ums Haupt!"
Wieder hör ich den Ton und fühle die schmeichelnden Finger.
Ach, wie strich mir Petron lächelnd sanft übers Haar.
Wieder der einzigen Nacht denk ich, da ich die Sehnsucht
in seinen Armen empfing, wie man ein Kindlein empfängt ...
Lyka, wozu dir dein Haar, wozu dir das Wunder der Jugend,
- keiner sonst ist es wert, und heute nacht starb Petron.


Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 66)

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Die Fackel des Eros
Ein Sonettenkranz (1918-1928)

Ich dank dir, daß du bist,
Daß du so lächelst, daß du blaue Augen
Und keine schwarzen hast!
Hebbel, Nibelungen

I.
Ich seh dich an und lerne, sanft besiegt,
an Knabengötter alter Mythen glauben.
Ich seh dich an, bis - wie Geschmack von Trauben -
mir deine Süße auf den Lippen liegt.

Von blonden Ringeln ungestümen Haares,
bis zur gewölbten Ferse deines Fußes,
vom Schreiten bis zum Nicken eines Grußes,
- stets nur Vollendetes, nur Wunderbares.

Von deines Mundes purpurnem Frohlocken,
von deines Blicks azurnem Glanz beglückt,
verströmt mein Schaun an dich all meine Kraft.

Ich knie, in mich gekauert und erschrocken,
und deine Helle findet mich gebückt
im tiefsten Dunkel meiner Leidenschaft.
(S. 71)


II.
In dunkler Arabeske deiner Brauen
hat sich verwirrt mein scheuer Blick verfangen.
In Fransen deiner Wimpern blieb er hangen,
verstrickt von allzu süßem dich-Beschauen.

Des Lippenbogens purpurne Gefahr
hat meinem Herzen lange fern gedroht.
Dein Lächeln trifft, als ein beschwingter Tod,
und ist viel schöner, als mein Leben war.

Gott hat in dir sein Denkmal aufgerichtet,
auf daß den Schöpfer man lobpreisend nenne.
Hat Helligkeit zum Antlitz dir verdichtet,

auf daß man ihn in deinem Glanz erkenne.
Wußte er's auch, wie er durch dich vernichtet,
die er aus Dunkel schuf? Denn ich verbrenne!
(S. 72)


III.
O süßer Tag! Luft, die uns lau umglitt!
O Vögel, die schon neuen Wohllaut fanden!
An Bäumen, die noch kahl gen Himmel standen,
glänzten Astflächen weiß nach frischem Schnitt.

Die Sträucher überperlt schon vom Grün
plötzlicher Knospen in zersprungner Hülle.
Und überall Vorahnung neuer Fülle
und Erdgeruch und Duft von neuem Blühn.

Und du, - und du bist neben mir geschritten,
die stets allein durch solche Tage ging!
Wie hab ich sonst den Frühling schwer erlitten,

eh ich aus deinen Händen ihn empfing.
Mir war, als müßt ich ihn um Gnade bitten.
- Nun strahle, Licht! Nun sing, du Amsel, - sing!
(S. 73)


IV.
Du weißt mich häßlich, lang verbrannt vom Gram,
du weißt dich selbst erzengelschön und jung.
Warum dies Wunder jäher Huldigung,
warum dies Glück, das mir den Atem nahm?

O, welche Frau auch solche Blicke träfen,
von wildem Blau, aus rasch erschlossnen Lidern,
sie wäre dein, erschlafft an allen Gliedern,
sie wäre dein, Blutpochen in den Schläfen.

Da du mich bittest, möcht ich vor dir knieen.
Da du mich küßt, möcht ich an dir vergehen.
Da du begehrst, - wie muß erst ich begehren.

Dein ist der Mai, du hast ihn mir geliehen,
du bist mein Glück - dies lernt ich schnell verstehen.
Doch daß du mein bist, mußt du erst mich lehren.
(S. 74)


V.
Er, dessen Tag sich dir heut traurig jährt,
dein junger Bruder, sag, - war er dir gleich?
War auch sein Mund wie deiner voll und weich -
nur noch von keinem Frauenmund begehrt?

War auch sein Auge von so kühnem Blau,
sein Knabenleib - zu früh dahingerafft -
auch so von innrer Freudigkeit gestrafft,
und so von reinstem Ebenmaß im Bau?

Wir wären sicherlich gut Freund gewesen,
ich hätte seinen Aufsatz durchgesehen,
ich hätte jeden dummen Streich verhehlt, -

ich hätt den Mohikaner mitgelesen
und es gelernt, auf Obstraub Wacht zu stehen
- - und manchmal hätte er von dir erzählt - -
(S. 75)


VI.
O dürft ich dich den Diskos werfen sehn,
rückwärts gerissen vom Gewicht der Scheibe,
dürft ich dich sehn, mit hingeducktem Leibe
dem Flug des Speeres nach, ins Weite spähn.

Oder -, wie oft du's übtest! - eingekrallt
in eines Rosses windgepeitschte Mähne,
wettlaufend mit den Reitern, schnell wie jene
und angestaunt bei ihrem Aufenthalt.

Die Finger sanft verwühlt in meine Locken,
lachst du zu meinen Bitten, meinen Fragen:
es sei ein Kuß dir mehr als alles dies.

Doch jählings, wilden Herzschlags, süß erschrocken,
fühl ich von deinen Armen mich getragen,
wie Lust einst Räuber Frauen tragen ließ.
(S. 76)


VII.
O warum hast du so mich warten lassen,
die ich versklavt in deinen Ketten stöhne?
Mir war, als ob ein jeder Blick mich höhne
und jedes fremde Lachen mußt ich hassen!

Verglichen mit dem Wunder deiner Schöne
wurden die Angesichter zu Grimassen.
Dich schauen schon ist Glück mir, kaum zu fassen,
wähnst du, daß ich so leicht mich sein entwöhne?

Ich wartete. Wo warst du, unterdessen
der Liebenden so weh von dir geschah?
Hast du in fremder Liebe mein vergessen?

Ich weinte. War dir eine andre nah?
O Gott, du bist so schön und bist so jung,
mein Schuldspruch ist für dich Entschuldigung.
(S. 77)


VIII.
Wir gingen bis zum Hähnekrähn
die gleichen Gassen her und hin.
Nacht kämpfte mit dem Untergehn,
Tag zagte vor dem Anbeginn.

Schnee schmolz zu vielzertretnem Brei.
Nur einen Mann trieb früher Fleiß,
er sah uns enggeschmiegte Zwei
und lächelnd sagt ich ... "Du, der weiß!" -

Die Schritte hallten tönend nach,
als ging das Glück nah mit uns mit.
Und keiner von uns beiden sprach.

Nur manchmal hemmten wir den Schritt
im Kuß, bis Atem uns gebrach,
bis ich vor Liebesunmaß litt.
(S. 78)


IX.
Dir ward der Mund des Knabengottes Pan,
des heißen Schläfers um die Mittagsstunde.
Die Syrinx träum ich zu so süßem Munde,
zur Syrinx Nymphen, die sich lauschend nahn.

Wie hab ich diese Lippen mal um mal
entbehrt, noch im Versengen deines Kusses,
mein eigner Mund ward trunken des Genusses,
den er den lustgeschlossnen Augen stahl.

Vom Kuß aufatmend, schwelgerisch entbrannt,
schau ich von neuem. Und zutiefst beglückt
erliegt mein Herz gedoppelter Verführung.

Im Lippenwinkel - den die Kinderhand
des Eros sanft zum Grübchen eingedrückt -
wächst leis dein Lächeln voller Spott und Rührung.
(S. 79)


X.
Ich gehe nächtens durch vertraute Gassen,
dich sehr entbehrend, - dich so sehr ersehnend!
Wie wär dies Glück: an deiner Schulter lehnend
sich deiner Führung still zu überlassen.

Der Wind geht warm. Die Straßengärten schenken
zärtlich Asyl den dunklen Liebespaaren.
O, daß auch wir erst gestern Schatten waren
auf der beschattetsten von solchen Bänken!

Wozu heut Sterne? O wozu heut Flieder?
Wozu vor mir, die abgewendet schreitet,
die fremde Trunkenheit verschmiegter Glieder?

O Frühlingsnacht, nur mir zur Qual bereitet!
Wann kommst Du? Sag? Wann küssest du mich wieder,
die dir entgegen ihre Arme breitet?
(S. 80)


XI.
Seiner Mutter
Ich lebte schon ein einsames Jahrzehnt,
als dich, die ährenblond war, schön und jung,
der Engel antrat, der Verkündigung
und dir den Sohn verhieß, den du ersehnt.

Denn Gott erkannte, daß im Schöpfungslied
ein Vers ich blieb, verwaist und ohne Reim,
so senkte er in dich den schönen Keim,
der, da er reifte, nur für mich geriet.

Dich widerspiegelnd gab er ihm dein Haar,
gab deine Anmut, deine Güte hin,
mich zu beglücken, die so einsam war.

Da ich ihn liebte, ward ich die ich bin.
Du Mutter, die mein blondes Glück gebar, -
in dir lag meines Lebens Anbeginn.
(S. 81)


XII.
O manchmal träume ich in deinem Arm,
wie Hermes sanft das Bacchuskindlein hegt,
ein schönes Kind, das deine Züge trägt,
nackt, - voller Grübchen und vom Schlaf noch warm.

Ich seh sein Haar, viel blonder noch als deines,
sein Mündchen, deinen Lippen nachgemalt;
ein Lächeln, das schon ganz wie deines strahlt,
nur deins ein wissendes und seins ein kleines.

Ich weiß: du hebst es und das Büblein lallt
und will, wie du, - die Sonne über dir,
und will den Mond dazu und alle Sterne.

O gliche dir sein Herz wie die Gestalt!
Nur nichts von mir, ihr Götter, nichts von mir,
denn ich bin nur die Schale solchem Kerne.
(S. 82)


Hab ich lieb, so hab ich not,
Meid ich lieb, so bin ich tot.
Nun ee ich lieb durch leid wolt lan
Ee will ich lieb in leiden han.
Die Nonne Klara Hätzlerin
Augsburg, 15. Jahrhundert

XIII.
Wenn du am Ende deines frohen Tages
zum Himmel siehst, voll ländlich klarer Sterne,
dann denk an mich, er scheint mir, da du ferne,
nur wie die Decke meines Sarkophages.

Nun schläfert dich. Wie wurdest du doch gerne
zum Kind beim Hall des zehnten Stundenschlages.
Verzärtelt dich die Mutter besser? Sag es,
damit ich Liebende zu lieben lerne.

Ich sehe dein Gesicht, - es wird ganz rein,
die Züge einen sich zu schöner Stille,
ich segne dich und bin nicht mehr allein.

So schlafe denn, in Gottes großem Namen.
Er ist die Liebe, Liebe ist sein Wille,
so mög er dich und mich beschützen. Amen!
(S. 85)


XIV.
Sag, war es Schuld, daß ich mein Herz dir bot,
als du erschienst, wie Cherubim erscheinen?
Sieh, ich erfuhr nie Güte vor der deinen.
Du warst das Leben, das Entsagen Tod.

Du warst die Schönheit. Süßestes Vereinen
von Mann und Kind. Kein Brand, der wilder loht.
Verschwenden schien ein göttliches Gebot,
was wogen arme Gaben gleich den meinen!

Denn ich, - lang welk in mir, verraucht und klein,
als ob ein Fluch für ewig mich beschatte, -
ich tat mich auf und tat dich in mich ein!

O du mein Knabe, du mein Gott und Gatte,
du fülltest mich, wie Gold den rostgen Schrein
und doch gab ich dir alles, was ich hatte.
(S. 86)


XV.
So wie das Chaos vor der Schöpfung war,
war es vor dir, der du mein Schöpfer bist.
Mein Herz, das alles außer dir vergißt,
weiß nichts von Lust nunmehr, nichts von Gefahr,

und ist entsühnt, weil es dein Eigen ist.
Ich brachte gern am heiligern Altar
des Bacchus Kranz und seinen Thyrsos dar
- nie mehr von mir ersehnt, nie mehr vermißt.

Nun bin ich schon drei reiche Jahre dein
und noch ward mein Entzücken nicht gelinder,
ernüchtert nicht mein Von-dir-trunken-sein,

dein Schenken ärmer nicht, mein Dank nicht minder.
Du führst mit Lachen unsere Ernte ein,
ich folge dir gebeugt: dein Garbenbinder.
(S. 87)


XVI.
Auch mich belud Gott mit dem Berg von Leid,
den Sappho einst auf schmalen Schultern trug,
doch hielt er ihre Schmerzen wert genug
klingend zu dauern, für die Ewigkeit.

Mein Schrei verröchelt, den Verzweiflung schrie,
die Tafel, die mein Stift beschreibt, zerbricht.
Das Leid wie groß, - wie nichtig das Gedicht
und sterb an fremder Jugend, so wie sie.

Und doch, ich weiß, sie tröstete es nicht,
daß ihr ganz Lesbos, himmelüberblaut,
daß ihr Olympia zu Füßen lag. - - -

Ich, Bettlerin am eignen Worte, sag
zu deinem Preis ihr ewiges Gedicht:
"Den Göttern gleich eracht ich, wer dich schaut!" -
(S. 88)


XVII.
Komm heim, - schon blühen rosig die Gelände
des liebsten Stromes auf der ganzen Welt.
Komm heim, eh Blütenregen niederfällt.
Schönheit ist Anfang, Ernte sei das Ende.

Komm heim, ob dich auch eng die ferne hält,
sie hat nicht Liebe, wie sie hier sich fände.
Kein Licht strahlt heller als des Herdes Brände.
Komm heim und sieh dein Festmahl schon bestellt.

Hör deutschen Laut, den herzentbehrten, süßen,
den lang entwöhnt nicht deine Lippe sprach,
sieh nebelblau die Landschaft dir zu Füßen,

um die das Herz uns schier vor Sehnsucht brach.
Vom Süden kam der Frühling, mich zu grüßen,
laß ihn als Boten gelten, - folg ihm nach!
(S. 89)


XVIII.
O süße Mutter, oft gedenk ich deiner,
wie du es trugst, dies gleichbestimmte Los.
Es war dein Schmerz ganz wie der meine groß,
nur gütiger dein Herz, dein Lieben reiner!

Wann zeigte sich der Mann auch als Verneiner
fremder Verführung - wann der Sünde bloß?
Der mich dir pflanzte in den heilgen Schoß,
ein ungetreuer Gatte war's wie meiner.

Du duldetest und bargst es noch der Welt,
doch ließest du mir Sanftmut nicht zum Erbe,
nur Sehnsucht, die der Schönheit leicht verfällt.

Und ob darüber auch die Welt verderbe,
ich halte Treu, wie man mir Treue hält! -
Ich schneide in den Zahlstock Kerb um Kerbe.
(S. 90)


XIX.
O Herr, der Du bis in das vierte Glied
mit Deinem großen Zorn die Sünde schlägst,
ist's meine Schuld, die Du mit Fluch belegst,
wenn Deine Strafe sich an mir vollzieht?

Oder ist's alte Rache, die Du hegst,
daß mir um Ahnensünde Leid geschieht?
Ich fürchte Dich, im Staube hingekniet,
und hoff nicht mehr, daß Du mich aufwärts trägst.

Nacht ist mir Wohnung. Qual ist mein Beruf
und meine Nahrung ungemessne Zähre,
da ich mein Grab mir, Stein zu Steinen, füge.

Mein Trost ist nur, daß er kein Kind mir schuf.
Mein Trost ist nur, daß ich kein Kind gebäre,
das meine Last zu Ahnenlasten trüge! -
(S. 91)


XX.
Du hast, o Herr, zu Moses großen Tagen
der Menschheit die Gebote eingesetzt.
Ein Denkmal Deines Willens, einst und jetzt.
Weh allen Frevlern, die Dein Zorn geschlagen!

Ich habe fremde Ehe nie verletzt,
mit Lachen konnt ich fremdem Gut entsagen,
ich hab der Mutter Segen fortgetragen,
ich hab den Vater, wie es Pflicht, geschätzt!

Nie ward das Wort Verleumdung, das ich sprach,
die Hände sieh, - es klebt kein Blut an ihnen,
von denen jedem Tier selbst sanft geschieht!

Dein furchtbares Gebot ist's, das ich brach,
"Ihr sollet keinem anderen Gotte dienen" -
Nun strafst Du mich, o Herr, die Dich verriet.
(S. 92)


XXI.
Gott muß mich lieben, denn er züchtigt mich,
daß helles Blut aus meinen Wunden springt.
Er ist die Faust, die hoch die Geißel schwingt,
und das gebundne Opferlamm bin ich.

Mit jedem Tag, der seine Strafe bringt,
verstärkt mein Trotz, mein innrer Aufruhr sich,
was ich an Gutem hegte, das verblich
dem Lichte, das tyrannisch mich bezwingt.

Dazu ward Gott, daß solch ein Glaube wanke.
Dazu ward Güte, daß sie schal versieche.
Dazu ward Schönheit, daß ich an ihr kranke.

Dazu ward Glück, daß ich die Fäulnis rieche.
Dazu ward Stolz, daß ich im Staube krieche,
dazu ward Liebe, daß ich dies ihr danke.
(S. 93)


XXII.
Meinem Hunde
Der du an Kindesstatt mir Freude bist,
wie scheinst du menschlicher als Menschenseelen,
nur du kannst lieben, ohne mich zu quälen,
nur du schenkst Treue, - ach so schwer vermißt.

Welch frühern Lebens lastendes Verfehlen
zwang wohl den Gott, der Sündenrichter ist,
dir, süße Seele, für die Sühnefrist
des Hundes Körper strafend auszuwählen?

Trugst du, ein Fürst, zu hoch den harten Sinn,
daß du, ganz Demut nun, bereit zu dienen,
im Staub vor mir liegst, die so arm ich bin?

Warst du ein Mann, der ungetreu erschienen,
verflucht von seiner Buhle Zauberin? - -
Du liegst und forschest stumm in meinen Mienen.
(S. 94)


XXIII.
Sind noch nicht tief genug die Wundenmale,
zu seicht der Blutstrom, der aus ihnen quoll?
Ist noch der Buße großes Maß nicht voll?
Ich zahle, Gott und Gläubiger, ich zahle!

Ich zahle jedes Glück, das Du mir gönntest,
und jede Lust, die neidisch Du verliehen,
für jede Freude, die Du nie verziehen,
geb höhern Preis ich, als Du fordern könntest.

Du hast nicht Strafen, die ich nicht erlitten,
Du hast nicht Hölle, die mich nicht verbrannte,
Du hast nicht Engel, die ich nicht bestritten,

Du hast nicht Tiefen, die ich nicht erkannte, -
wie Luzifer, der einst in Nacht Verbannte,
kann ich nur büßen, - nicht um Gnade bitten! - -
(S. 95)


XXIV.
Ich bau das Haus und ewig soll's uns währen,
der Sturmwind deiner Lust verweht's wie Spreu.
Das Faß der Danaiden, ewig neu
erfüll ich's mit nie ausgeweinten Zähren.

Die Nacht kennt deine abgrundtiefe Reu.
Der Morgen läßt die Adler wiederkehren,
die so an mir, wie an Prometheus zehren,
"Zweifel" heißt einer, einer "Ungetreu" -.

So müde müssen die Verdammten sein,
die über blut- und tränennasse Treppen,
- gehetzt durch der Dämonen Geißelhiebe -

die lang versteinte Last der Sünden schleppen,
und stets von neuem abwärts rollt der Stein ...
- so müd wie ich, die ich zu sehr dich liebe.
(S. 96)


XXV.
Willst du mir Tod, - vergiftet, Stich um Stich
langsamer Nadeln, die ins Fleisch mir dringen?
Nicht ziemt dies dir, dem Erben klarer Klingen,
nicht dem, den Männerkrieg verschont, wie dich!

Willst du mir Tod? - Du sollst ihn offen bringen,
Flamberg in Händen, ehrlich, ritterlich.
Die Brust, an der du ruhtest, biete ich,
als kämst du, mich wie einst zur Lust zu zwingen.

Willst du mir Tod, - was heuchelst du und lügst,
statt zu verfügen, was ich nur ersehne?
Das Schwert, mir wär es Fackel, wenn du's trügst!

Willst du mir Tod, ich stürb ihn ohne Träne,
wenn du mich dann in deinen Mantel schlügst,
mich küssend, - noch - eh ich die Flügel dehne!
(S. 97)


XXVI.
Ich habe dich wie einen Gott verehrt,
den man lobpreisend nur in Hymnen nennt,
das Opferfeuer, das noch heute brennt,
das hat nicht Öl, mein Blut hat es genährt.

Ich, die der Liebe große Mythen kennt,
ich blieb wie alle Frauen unbelehrt -
denn nie ertrug's ein Mann je, so verklärt
zu ragen ins erbleichte Firmament.

Ich schuf dich neu, den Gott erschaffen hat,
ich gab dir Ewigkeit und pflückte mir
vom Kranze deiner Jugend Blatt um Blatt.

So opfert ich - und frevelte an dir.
Und der Ambrosia der Götter satt,
fraßest du dunkle Erde wie ein Tier.
(S. 98)


XXVII.
Du bist des Bösen Fallstrick, ausgelegt
auf meinem Weg, der von der Wüste kam,
du bist Priapus, nackt und ohne Scham,
du bist die Frucht, die Würmer in sich trägt.

Du bist die Geißel Gottes, die mich trifft,
bis Schwäre sich an offne Schwäre reiht,
du bist das meiner Schuld bestimmte Leid,
du bist das mir vom Tod erwählte Gift.

Süß schienst du allen. Alles schienst du mir.
Ich such, was meines Lebens Liebstes war,
in dir nicht mehr, ich such's in reinern Fernen.

Unsterblich thront und lächelnd über dir
das Sternbild deiner Jugend, ewig klar
bei andrer Liebenden verklärten Sternen.
(S. 99)


XXVIII.
Herr, gib, daß ich den wilden Sinn bezwinge,
da mir die Qual geschieht, um die Du weißt!
Herr, gib mir, daß das Herz mir nicht vereist,
wenn ich sein Alles Dir zum Opfer bringe!

Herr, gib, daß nicht mein Wunsch das Band zerreißt,
das mich noch fesselt an die Welt der Dinge!
Herr, gib, daß Deinen Frieden ich erringe,
wenn ich vollbracht, was Dein Gebot mich heißt.

Dein Wille, nicht mein armer Wunsch geschehe.
Du weißt es, Herr, woran es mir gebricht.
Durch Tränenschleier ahn ich Deine Nähe.

Nur Du, o Herr, - nur Du verlaß mich nicht,
da ich am Abgrund aller Welten stehe.
Im Dunkel stehe. Denn mir brennt kein Licht.
(S. 100)


XXIX.
Bestochne Engel irdischen Gerichts,
verdammen meine Freunde dich im stillen,
- sie zürnen dir um meiner Liebe willen,
sie sehn dich nur im Schatten solchen Lichts.

Sieh, es besagt die ärgste ihrer Grillen:
dein Gegenpfand sei minderen Gewichts.
Allein - so lieben machen, ist dies nichts?
Nichts, zu erfüllen, ohne je zu stillen?

Gleich ferne dem Triumphe wie der Scheu
läßt sorglos meine Liebe du gewähren.
Ist dies denn nichts? - Zehn Jahre bliebst du neu!

Wer darf vom Rosenstock auch Frucht begehren?
- Auf deine Art bist du sogar mir treu,
Nicht im Verweilen, nein, im Wiederkehren ...
(S. 101)

Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930
_____



Sonette für Jan

I.
Traueresche im Regen

O Traueresche, - schwesterlicher Baum,
der nun erst Frühlingsmacht an sich erfährt!
So lang hast Du verzweifelt Dich gewehrt,
nun überwältigt Dich Dein später Traum.

Denn wie Prokrustes mit dem Gast verfährt,
spannt man Dich qualvoll über weiten Raum.
Schwarz, schmerzverkrampft, scheint es mir Astwerk kaum,
was sich nach Licht sehnt und zur Erde kehrt. -

Ja: Trauer, Trauer ist Dein Element!
Ja: Klage, Klage, die kein Ende nimmt
und Sehnsucht, die dem Blitz entgegenglimmt, -
Verwurzeltsein, das dunkle Tiefen kennt.

Da tropfennaß durch's nasse Laub ich spähe,
ist mir, als ob ich Engel weinen sähe.
(S. 5)


II.

Sag' mir noch einmal Du, - daß Du mich liebst -
Der fremden Sprache slawisch weicher Laut
wird, wie dem Herzen, so dem Ohr vertraut,
wenn Du der Liebe fremde Namen gibst.

Vielleicht las meine Mutter einst als Braut
zärtliche Zeilen, wie auch Du sie schriebst.
Dies: "Ja Cie kocham!" dem Du Herold bliebst,
es hat ihr Glück, wie meines aufgebaut.

Hab' ich Dir früher Märchen je erzählt?
Jetzt will ich nur von Aschenbrödel hören.
Sie saß am Herde, traurig, ungestrählt?

Den Prinzen wollten Andere betören?
Und kam er doch? Und hat er sie erwählt?
O "Ja Cie kocham!" Du, ich kann es schwören.
(S. 6)


III.
Jugendbilder des Geliebten

O nähmst Du niemals diese Bilder fort!
Schon lieb' ich sie, als ob sie mir gehörten.
Dies mit dem strengen Blick, dem früh-empörten
und jenes sittsam, wie der kleine Lord,

so aufrecht in dem hohen Stuhl, als hörten
erschreckte Ohren just ein mahnend' Wort.
Doch, o mein Liebster, stünde ich nur dort,
wohin dies dritte blickt, mit süß verstörten,

zärtlichen Augen, die zu viel schon wissen.
Wär' ich der Traum, den diese Stirn umfängt,
wär' mir zu lächeln junger Mund beflissen,

wär' mir Dein Leben eh' und je geschenkt!
Nicht nur ein Blatt vom Buche ausgerissen, -
von großer Hand, die gibt und nimmt und lenkt. -
(S. 7)


IV.
Zum zwanzigsten Geburtstag

Wie schwer ist doch das Schicksal: Arm zu sein.
Nicht für mich selbst, doch kann ich Dir nichts geben,
als dies mein Leben, mein verarmtes Leben
und dies auch ist verschenkt, ist längst schon Dein.

O könnte ich verborg'ne Schätze heben,
wie sie die Schlange hütet unterm Stein,
ich würde Dir den Glanz des Herrschers leih'n
und stünde selbst im Bettlerkleid daneben.

Denn Liebster, arm zu sein - es ist auch Lust!
Ich neigte mich Almosen zu empfangen,
da zogst Du mich empor an Deine Brust

und küßtest mir die Schatten von den Wangen.
Doch tief im Herzen hab' ich stets gewußt:
Wär' Reichtum mein, - Du wärst vorbeigegangen.
(S. 8)


V.

Tritt leise auf, o still, sprich nicht so laut!
Sei scheu, so wie das Wild, das stumm sich deckt.
Oft wähnt' ich schon - im Dunkel aufgeschreckt -,
uns hätt' ein böses Auge angeschaut. -

Lach' nicht so hell! Sie sind so leicht geweckt,
die Eumeniden. - Junges Herz vertraut,
mir aber, mir der Wohlerfahr'nen graut
vor Götterrache, neidisch rasch vollstreckt.

Frag' mich nicht: "Bist Du glücklich?" Weißt Du's nicht?
Laß weise mich, wie Frau'n des Ostens tun,
und rufen: "Sklavin bin ich ekler Pflicht!

Ich muß in des Verhaßten Armen ruhn!
Gemied'ner Leib! Verabscheutes Gesicht!
Ich haß' ihn, o ihr Götter! Schont ihn nun!"
(S. 9)


VI.

Zwei lange Jahre leb' ich ohne Dich,
wenn leben heißt: das liebste Glück zu meiden,
wenn leben darben heißt und Unrecht leiden
und doch dem Stern vertrauen, der verblich.

Wer zog das ärg're Los wohl von uns beiden,
Du - der Gefang'ne - die Verfemte - ich?
Schwer überlastet senkt die Waage sich,
die Schalen schwanken unstät' zwischen beiden.

Den Winter Gottes gilt's zu überstehn,
den Frühling Gottes gilt's vorauszuahnen.
So wie die Meisen schon in Eis und Wehn

mit ihrem hellen Ruf zur Hoffnung mahnen.
Ich hoffe gläubig auf dies Wiedersehn
und Gottes Gnade wird den Weg uns bahnen.
(S. 10)


VII.

Durch eine Welt - ganz ohne Licht und Farben -
geh' ich, so wie von Leiden eingeschneit.
Leid fällt auf mich, ich wate tief in Leid,
- allein Du lebst, da so viel Kämpfer starben.

Stets einsam kenn' ich jetzt erst Einsamkeit.
Stets hungernd, kenn' ich jetzt erst wahres Darben.
Die Ernte faulte mir in vollen Garben,
- allein Du lebst, Gott sei gebenedeit!

Mein Tag ist Mitleid - Ekel - Zorn und Grauen,
die Nacht Verzweiflung - Sehnsucht und Gebet.
- Allein Du lebst, ich darf Traumschlösser bauen.

Ich weine Herz, weil es Dir übel geht.
Ich sehne mich, Dein Angesicht zu schauen,
den Atem segnend, der lebendig weht.
(S. 11)


VIII.

Herz ohne Heimat, ist dies zu ertragen?
Kein Ohr bereit, der Klage sich zu neigen,
nur immer übervollen Herzens schweigen
und Klagen hören, fremde, eitle Klagen. -

Erlöschen sehen in den fremden Blicken,
sobald man Mund zu sein wagt und nicht Ohr;
da schweigt die bitt're Lippe wie zuvor,
das Herz scheint im Verschweigen zu ersticken.

Mund, der nur tröstet und den Gram verschweigt,
der allen Gram der Andern übersteigt, -
Herz, das nur Andern Mitleidstränen weint,

vom eig'nen Leide tränenlos versteint!
Trüg' ich die Lasten mir noch zugelegt,
wär' nicht ein Engel da, der mit mir trägt?
(S. 12)


IX.

Wenn meines Glaubens Kraft das Wunder wirkt
und Wiedersehn begnadet Dich und mich,
dann siehst Du, - selbst noch kindhaft jugendlich, -
was Dir Gewöhnung schonend nicht mehr birgt:

wie alt ich bin. - Denn letzter Glanz verblich.
Des Haares Braun hat Einschlag weiß durchwirkt,
die Augen sind von Runzeln rings umzirkt:
Zitt'rige Runen meiner Angst um Dich.

Doch denk' ich nie, Du könntest mich verlassen.
Ich trau in Tränen Dir, wie einst im Glücke,
denn ein Gefühl wie dies, - kann nicht verblassen.

Und baut uns Gott die Regenbogenbrücke,
wird uns das Wiedersehn zusammenpassen,
wie eines Rings entzweigesprung'ne Stücke. -
(S. 13)


X.
Credo

Es ist mein Amt nicht zu vermaledei'n.
Zum Trost berufen, aber nicht zum Fluche,
ist es mein armer Teil, wenn ich versuche,
im allerengsten Rahmen gut zu sein.

Was auch an Leiden die Geschichte buche,
den großen Sündern möge Gott verzeih'n. -
Ich zeichne an des Bildes Rand mich ein,
mit seinem Inhalt stumm im Widerspruche.

Denn wie der Sperling ohne Unterlaß
im Abfall pickend seine Nahrung findet,
so such' auch ich in einer Welt voll Haß

nach Liebe, die uns tiefgeheim verbindet.
Und davon leb' ich, - mich erhält nur das:
Ich liebe, - und wer liebt, der überwindet.
(S. 14)


XI.

Wie aus ägyptischem Relief gestiegen,
von meinem Wunsch gerundete Figur,
stehst Du vor mir. - Es scheint noch eine Spur
früher Vergoldung auf der Haut zu liegen.

Der Iris Braun gebettet in Lazur,
Haare, die kappeneng an's Haupt sich schmiegen,
des Mundes nubisch-üppige Kontur, -

all dies gemahnt an dunklen, alten Kult
und läßt die Stirn mich tief zur Erde neigen,
verstrickt in meines Götzendienstes Schuld.

Die schönsten Attribute sind Dir eigen:
göttliche Jugend, göttliche Geduld,
und beide lächeln mir aus Deinem Schweigen.
(S. 15)


XII.
Eva

Grausamer Engel mit dem Flammenschwerte,
des kaltes Wort aus Himmeln mich verwies,
in zeitlos-grenzenlose Qual mich stieß
und mich den Urfluch des Geschlechtes lehrte.

Staub fraß ich seither, wie Dein Mund mich hieß.
Mein Herz war blitzgetroffen und es schwärte;
die in der Sühne noch nach Lust begehrte,
ich träumte Dich nur, nicht das Paradies!

Ich liege, ein verkohlter Haufen Leid,
Abschaum der Welt, vertieftes Ungesicht,
gestürzt in teilnahmslose Einsamkeit.

Selbst Flamme nicht mehr, nicht mehr Schwert noch Licht.
Und alles dies wär' mir noch Seligkeit,
wärst Du nur glücklich, Engel! - Du bist's nicht. -
(S. 16)


XIII.

Einsam sind meine Abende und kalt
und ohne Stern, - denn Du bist fortgegangen,
Verwöhnung einzutauschen für Verlangen
Vergötterung für panische Gewalt.

Dein junges Recht ist's, Freuden nachzuhangen,
- mein Recht ist Leiden nur, denn ich bin alt.
Wie Efeu, tausendfing'rig angekrallt
hab' ich zu lange Glück von Dir empfangen.

Und hastig, schon von mir gewandt zum Fest,
beutst Du den süßen Mund mir noch einmal
- der Knabe, der der Mutter Haus verläßt. -

So wie Jokaste, - Mutter und Gemahl -
liebte ich Dich, unschuldig im Inzest,
vom Fluch zu Dir getrieben, ohne Wahl.
(S. 17)


XIV.

Meuterndes Herz, - undienstbar dem Gebot
der furchtbarsten Beherrscherin, der Zeit,
wähnst Du allein von allen Dich gefeit
vor dem Vereisen, das so nah Dir droht?

Lohendes Herz, - ganz unbelehrt durch Leid,
unmüd vor Alter, - ungeschwächt von Not,
willst Du denn glühen bis zum nahen Tod
als ew'ges Licht vor Jugendgöttlichkeit?

Mein Fleisch zerbröckelt Qual, versehrt Beschwerde;
nur kurze Frist noch ist mir hier geliehn.
- Liebst Du noch Herz, auch wenn ich sterben werde?

Vielleicht wird mir ob Deiner Glut verziehn.
Ein Engel nimmt Dich auf aus Schutt und Erde:
im Schattendunkel leuchtet ein Rubin.
(S. 18)


XV.

Frauen! Matronen! Seid von mir beschworen,
lügt mir nicht wie dem Feind, dem Manne, sprecht:
ist Eure Würde des Entsagens echt?
Wonach mich dürstet - gabt Ihr's leicht verloren?

O Frauen, Schwestern, dünkt es Euch gerecht,
daß uns allein zweifacher Tod erkoren?
Denn vor dem Tod, der würgt was da geboren,
droht furchtbar uns das Sterben im Geschlecht.

Ihr Mütter hingebeugt von Eurem Los,
fühlt etwa Ihr Euch minder als Beraubte,
weil Jugend Ihr gebart aus stillem Schoß?

Ich, die wie Jovis nur gebar im Haupte,
vor mir ragt das Verlangen himmelsgroß
und Weisheit liegt zerscherbt, an die ich glaubte.
(S. 19)


XVI.

Ich will nicht klagen und ich will nicht fragen,
ich will nicht hören, was mich elend macht.
Ich weiß es, Du betrogst mich heute Nacht. -
Ich will nicht fragen und ich will nicht klagen!

Verlangt beredt're Zeugen der Verdacht,
als Lippen, die verschwelgt ihr Lächeln tragen?
Als schöne Augen, deren Schatten sagen,
daß neu ihr Glanz an Flamme angefacht?

Ich will nicht hören und ich will nicht weinen,
dem Schleier dankbar, den Dein Mitleid spinnt;
mein Schweigen, Frucht der Neigung, gleich dem Deinen.

Ich will nicht Unheil sehen, das beginnt
und da Du treu scheinst, will ich glücklich scheinen
und nur Dich lieben, - stumm - und taub - und blind.
(S. 20)


XVII.

Ich weiß: es straft Dich einst die gleiche Qual,
wenn erst der Spiegel, statt Dich zu verwöhnen
Dein Bild Dir zeigt, als wollt' er Dich verhöhnen,
wenn Dir die Zeit den ernsten Zauber stahl.

Dann kniest wie ich Du häßlich vor dem Schönen,
tragisch verkettet, Sklave ohne Wahl,
trunkenen Blicks, den Mund verzerrt und fahl
- zu stolz Dein ganzes Leiden auszustöhnen.

Mein blasser Schatten tritt dann bei Dir ein,
Erinnern wird die Jahre überbrücken,
unselig so wie ich, gedenkst Du mein.

Doch ich -? Soll die Vergeltung mich beglücken?
Mein Kind, mein Alles, - soll dies Trost mir sein,
daß auch Dein Haupt einst blut'ge Dornen schmücken?
(S. 21)


XVIII.

Herr rufe gnädig mich aus dieser Not.
Ehrfurcht vor Dir lähmt meinen eig'nen Mut.
Ich kann nicht, wie die schlechte Schildwach' tut,
vom Platze fliehn, darauf Du mich gestellt.

Erlöse Herr dies Herz, des Sturm nicht ruht.
Heb mich aus Nacht, die Höllenglanz erhellt,
entrücke mich der Qual, der ich gesellt.
O Herr und Gott, ich diene Dir nicht gut.

Zerschmettert kann mein Geist sich nicht erheben,
der einst des Mitleids Kraft von Dir empfing.
Wie soll ich andern Trost und Wärme geben,

von Dir verlassen, kläglich und gering?
Du nahmst den Liebsten mir, mein ganzes Leben, -
und forderst, daß ich lebe, da er ging.
(S. 22)


XIX.

Du wähntest mich voll Eifersucht und Leid,
den Tag verweinend, der mich von Dir trennt;
doch wie Undine in ihr Element
glitt ich zurück in kühle Einsamkeit.

Ich, die sonst nach Dir hungert, nach Dir brennt,
ich hatte jählings für so vieles Zeit;
Zeit voll kristallener Besinnlichkeit,
voll hoher Kraft, wie sie Entsagung kennt.

Ich tausche diesen Tag nicht für den Deinen,
der dunkle Wunscherfüllung bot für Dich.
Und mählich dämmernd will es mir erscheinen,

als schlösse unsre Zukunft er in sich.
Dein wartet Lust, sich Deiner Lust zu einen, -
- bestirnte Einsamkeit erwartet mich.
(S. 23)


XX.
Die Blinde und der Lahme

Den Wein der Einsamkeit hab' ich getrunken,
der mehr berauscht als jeder Erdenwein.
Hoffärtig einsam - voll Triumph allein -
wollt' ich vor Gott und Dir mit Stärke prunken, -

und lieh doch nur von Gott und Dir den Schein.
Vom Brand im Dornbusch bin ich bloß ein Funken
und nur in Deinen Augen nicht gesunken,
erschien ich, was ich nicht vermag zu sein.

Vielleicht vergönnt mir Gott nach soviel Leiden
dem Bildnis Deines Traums mich anzunähern.
Vielleicht errieten wir - gleich Liebessehern -
von Anfang an den Aufstieg in uns beiden.

Wenn Du erlahmst, ist's Glück, Dir Kraft zu schulden
und meine Blindheit, bitt' ich Dich, zu dulden.
(S. 24)


XXI.

Wenn Eros nicht mehr, wie der Wolf die Hürde,
mein Herz umkreiste in beengter Haft,
wenn zu erlöster Liebe - Leidenschaft
und zu bereiter Demut - Wildheit würde,

wenn sich zu Leuchtkraft wandelte die Kraft
und der Verzicht zum Lächeln stiller Würde,
wenn Alter nicht mehr Schrecken wär' und Bürde,
nein, nur der Herbst, der volle Scheuer schafft,

dann wäre auch der Fluch von mir genommen,
dem ich seit Ahasver verfallen bin;
dann endlich wär' der Leidensweg erklommen

und aus den Sinnen wüchse mir der Sinn.
Die reichste Gnade wär' mir dann gegeben,
nur mehr in Gott - nur mehr für Dich zu leben.
(S. 25)


XXII.

Sternäugig bist Du und ich liebe Dich.
Doch liebt' ich schon den schattenhaften Knaben
voll Lebensangst und Rücksicht im Gehaben,
der seines Werts erst inne ward durch mich.

Von Göttern nur empfangen Menschen Gaben.
Ich gab Dir nichts; der Gärtner nur war ich.
Das Reis trug seine Früchte schon in sich,
ich habe bloß den Boden umgegraben.

Erfahrung hat der Jugend sich gesellt.
An Geist und Seele wachsend unterdes
bist Du der süße Knabe noch geblieben.

Und doch: - wer heute Deinem Glanz verfällt,
liebt nicht allein Dich Alkibiades,
mich Sokrates auch muß er in Dir lieben.
(S. 26)

Aus: Alma Johanna Koenig Sonette für Jan
I. Luckmann Verlag Wien 1947
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Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Alma_Johanna_Koenig

 


 


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