Amalie Krafft (1778-1852) - Liebesgedichte

 



Amalie Krafft
(1778-1852)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Das Land der Liebe

In der Kindheit frohen Tagen,
In des Lebens Morgenroth,
Wenn ich hört' der Liebe Klagen -
Trieb ich immer meinen Spott. -

Schweigend lag der Zukunft Schleier -
Und von Gegenwart erfüllt,
Lebt' ich nur des Tages Feier -
Kannt' ich nur der Freude Bild.

Doch nach Schicksals dunklen Schlüssen,
Mußt' ich in die fremde Welt.
Meinen Freunden früh entrissen,
Sah' ich mich allein gestellt.

Als ich sollte einsam gehen,
Wie es wollt' die finst're Macht; -
Bat ich: doch mein Flehen,
Sende Licht in meine Nacht! -

Und aus weiter - grauer Ferne,
Trat ein leuchtend Schwesterpaar,
Meines Glück's und Unglück's Sterne,
Aus der großen Sternenschaar.

Also ließ ich mich geleiten,
Auf des Lebens dunkler Bahn;
Gab der Eine mir auch Leiden,
Lächelt' mich der And're an.

So, auf meinen stillen Wegen,
Ohne eines Führers Hand -
Winkte mir ein Land entgegen,
Ach! es war der Liebe Land! -

In dem Strahl der Maien-Sonne
Hatt' ich kaum dieß Land erblickt,
Fühlt' ich durch der Ahndung Wonne
Mich im voraus schon beglückt.

Doch ein Strom zeigt meinem Blicke
Sich, mit seinem Strand, -
Und es führet keine Brücke
Zu der Liebe Feen-Land. -

Als ein Nachen kam gezogen,
Tragend - einen lieben Mann;
Aus des Flusses Silberwogen
Lächelt er mich freundlich an.

Mit der Liebe Zaubertönen
Zog er mich so mächtig an.
Wollt' ich seine Wünsche krönen
Mußt' ich steigen in den Kahn.

Und in wenig Augenblicken -
War geendet Schiffes Lauf;
Denn mit bebendem Entzücken
Nahm das Land der Lieb' mich auf.

Doch - des Landes bange Schmerzen -
Trübten bald die süße Lust;
Und - es fand den Weg zum Herzen
Sorge durch die frohe Brust.

Selig sind zwar jene Stunden,
Wenn uns treue Liebe lacht,
Ist mit Rosen man gebunden,
Durch der Liebe Zauber-Macht.

Doch - nicht lange währ't die Treue,
Die ein männlich Herz verspricht. -
Ewig sucht er nur das Neue, -
Seiner Schwüre - denkt er nicht. -
(S. 15-17)
_____



Sehnsucht

Will an Baches Ufer gehen,
Da die Lüfte lieblich wehen.
Flora spendete hier Segen -
Aus der Quelle,
O! wie helle
Lächelt mir dein Bild entgegen.

Den Gesang der Nachtigallen
Ging ich lauschend zu gefallen,
Hört' in ihren süßen Tönen
Immer wieder
Deine Lieder,
Die mich stets erfüllt mit Sehnen.

Als am hohen Himmelsbogen
Luna leuchtend kam gezogen;
Bei dem Glanz der Abend-Sterne
Sah' mit süßen
Abschieds-Grüßen
Ich dich noch in weiter Ferne.

Sank in heißen Wehmuths-Thränen
Aufgelößt in weiches Sehnen:
Da erblickte ich dich wieder,
Wie im Haine,
Wo ich weine,
Stiegst vom Himmel du hernieder.

Und so zeigt dein Bild sich immer
In der Hoffnung Rosenschimmer,
Doch du lebst auf fernen Höhen,
Kein Erbarmen
Wird mir Armen,
Dich in Wirklichkeit zu sehen.
(S. 26-27)
_____



Das Bild

Ruhend liegt in heil'ger Stille
Die Natur in Mondes-Nacht;
Nur der Phantasien Fülle
Und der Liebe Sehnsucht wacht.

Holde Saiten hör' ich tönen,
Wie aus einer Geisterwelt.
Kennet Ihr mein stilles Sehnen,
Engel aus dem Sternenzelt?

Seh't Ihr in des Herzens Gründen,
Fühl't Ihr auch der Klagen Schmerz?
Kann ein Engel wohl empfinden!
Schlägt in Liebe auch sein Herz?

Da erschien in klarer Ferne
Mir ein sehr geliebtes Bild,
Das im Glanz der Abend-Sterne
Mit Entzücken mich erfüllt.

Doch die holden Töne schweigen
In dem fernen Geisterland;
Und mit düstern Abschiedsneigen
Das geliebte Bild entschwand.
(S. 31)
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Signalement

Lockengold,
Azuraugen, Feuerblicke,
Purpurlippen, Blüthenzähne:
Diesen bin ich gar sehr hold.

Groß und hehr,
Edlen Gang und edle Haltung,
Nett gekleidet, nicht gezieret:
Was verlangt das Herz wohl mehr?

Viel Verstand,
Doch stets heiter, aufgeleget
Zu Eratos frohen Scherzen:
Knüpfet fest der Liebe-Band.

Kalt wie Stein
Gegen alle and're Mädchen,
Nur in heißer, treuer Liebe
Glüh' er stets für mich allein.

Kriegermuth
Muß der Mann vor allem haben;
Ihn zu seh'n im Waffenschmucke,
Facht erst an des Herzens Glut.

Welche Qual!
Daß dem Mann von dieser Schönheit,
Nur für mich die Liebe fehlet.
Ach! wer kann für Herzenswahl!
(S. 41)
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Bekenntnis

In manchem Lied hat meine Liebe Dich besungen,
Durch Dich allein erhielt ich schon des Ruhmes Lohn.
Durch Dich ist meine Leyer dichterisch erklungen,
Und ich betrat den Tempel von Latonens Sohn.
Wohl einen dunklen Pfad mußt' ich Verwaiste gehen;
Doch bald erhellte sich die wetterschwere Nacht:
Denn da, o Glück! hab' ich Dich Himmlischer gesehen!
Und freudig war zu neuem Daseyn ich erwacht.
Als von der reinsten Liebe Genius gehoben,
Entschwand des Lebens Müh', dem freudetrunknen Blick,
Und höher strebt ich stets, das Aug' gewandt nach Oben,
Bis schwindelnd mir erschien des Lebens höchstes Glück.
Dich sucht mein Auge nur, in allen Himmels-Räumen,
Du bist der Stern, der meine dunkle Nacht erhellt,
Du bist das Ideal von meinen Sehnsuchts-Träumen,
Und glänzend liegt vor mir die neue schöne Welt.
Durch Dich erhielt erst Werth, Bedeutung erst das Leben,
Und klar war meiner Ahnung nebelhaftes Bild;
Du hast ein Licht in meine Seele mir gegeben,
Das strahlend mir aus Millionen Sonnen quillt.
Es kann ein weiter Raum mich lange von Dir trennen,
Doch ewig währet nicht der Trennung herber Schmerz,
Auf einem andern Stern werd' ich Dich einst erkennen,
Mag sich verbluten hier das sehnsuchtsvolle Herz.
Was flammend mir ein Engel in die Brust geschrieben;
Das tilgt nicht Mißgeschick, nicht der Verwesung Zahn;
Ich werde Dich durch alle Ewigkeiten lieben,
Dich finden wird mein Geist auf fremder Sternenbahn.
Nicht Liebe ist's, die auch die große Menge kennet,
Und oft entweiht, mit ihrem heil'gen Namen spielt.
Was ewig tief für Dich in meiner Seele brennet,
Was mich in hohen unbekannten Sphären hielt:
Das ist ein Strahl, am Urquell alles Licht's entzündet,
Ein Hochgefühl, das sich kein Sterblicher erwirbt;
Ein Genius, der bess're Welten mir verkündet,
Der mit des schwachen Weibes Hülle nicht erstirbt.
Mag diese Liebe Dich durch tausendfaches Leben
Begleiten, durch Planeten unermeß'ner Zahl;
Mag sie mit Deinem Geist sich wolkenhoch erheben,
Verlieren sich im Raum, im unnennbaren All;
Doch jetzt, so lange wir auf dieser Erde wallen,
So lang' den reinen Geist noch irrd'scher Stoff umgiebt,
Laß', Theu'rer! meine jetz'ge Hülle Dir gefallen,
Denn sie umschließt ein Herz, das Dich so zärtlich liebt.
(S. 42-44)
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Wunsch und Sehnen
An **

Kennst Du das Land,
Wo wolkenhoch der Felsen raget,
Das Haupt mit ew'gem Schnee umhüllt,
Wo kühn der Gemsen-Jäger jaget,
Verfolget er das scheue Wild,
Wo rettend auf die Martinswand
Der Herr den Engel einst gesandt?
Kennst Du es wohl?
Ach dort allein
Möcht' ich mit Dir, o mein Geliebter, seyn!

Kennst Du den See
Mit seinen spiegelklaren Wogen,
Der einen Silberstrom umschließt;
Mit Rosengluth scheint er umzogen,
Wenn ihn die Abend-Sonne küßt.
Von seinem grünen Blüthenstrand
Siehst Du der gold'nen Freiheit Land!
Kennst Du ihn wohl?
Dahin, dahin!
Möcht' ich mit Dir, o mein Geliebter, zieh'n!

Kennst Du das Thal,
Das eines Römers Namen traget,
Den schwere Schuld berühmt gemacht;
Wo in den dunklen Büschen klaget
Die Nachtigall, in stiller Nacht?
Als riesenhaftes Silberband
Umschlingt der Rhein des Thales Land.
Kennst Du es wohl,
Das Thal am Rhein?
Dort möcht' ich, Theu'rer, mit Dir seyn!
(S. 51-52)
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An Eteokles

Du! dem heiß mein Herz geschlagen,
Meiner Schmerzensquelle Mann!
Dessen Bild ich stets getragen,
Den ich nie vergessen kann!
Wo weil'st Du in dieser Stunde?
Aus der Ferne gieb mir Kunde.

Du! gedenk'st Du noch der Wonne,
Uns'rer Liebe Rosenzeit?
Wo des Glückes holde Sonne
Uns gestrahlet Seligkeit?
O! gedenk'st Du wohl zurücke
Jener süßen Augenblicke?

Du! der oft in jenen Tagen
Meiner Ahnung Angst verwieß:
Der - zu stillen meine Klagen,
Mich auf ihn vertrauen hieß!
Ach! zerrissen sind die Bande
Und Du bist im fernen Lande.

Du! den stets mein Geist umschwebet,
Ewig nah' und ewig fern;
Der in meinen Liedern lebet,
Meiner dunklen Nächte Stern!
Falscher Schein hat Dich verblendet,
Als Du Dich von mir gewendet.

Du! wenn Reue einst empfunden,
Und mit schmerzensvollem Blick
Schauen wirst nach jenen Stunden,
Meiner Liebe May zurück!
Dann getäuscht wirst Du in Thränen
Erst zurück nach mir Dich sehnen.
(S. 53-54)
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Liebe

Liebe! Königin der Herzen!
Was ist Deiner Freuden Glück?
Bangend wechselt Lust und Schmerzen
Oft in einem Augenblick!

Dornbegränzt sind Deine Blüthen,
Tiefes Weh' ist dessen Loos:
Der Dich tauscht für Herzens-Frieden,
Bis er ruht in Grabes-Schoos.

Schmerzensvoll ist Dein Entzücken,
Leid in Deinem Bund nur grünt;
Glück giebst Du in Augenblicken
Ewig Deine Schmerzen sind.
(S. 56)
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Rose und Veilchen

Die Rose glüht,
Haucht wonniges Entzücken,
Man huldigt ihrer Schönheit Macht.
Verborgen still vor allen Blicken,
In einsam lauer Frühlings-Nacht
Das Veilchen blüht.

Die Rose hebt
Mit Stolz sich in die Lüfte,
Sie glänzet hoch im Sonnenstrahl;
Doch spendend seine süßen Düfte
Im dunklen Gras, im tiefen Thal
Das Veilchen lebt.

Der Rose Blick
Beherrscht des Gartens Höhen,
Sie ist sich ihres Thrones bewußt.
In treuer Liebe zu vergehen,
Zu sterben an geliebter Brust
Ist Veilchens Glück.

Die Rose glüht,
Die duftet schmeichelnd Allen,
Und sie ergötzet jeden Blick.
Doch einem Liebling zu gefallen,
Ihm bringend stiller Liebe Glück
Das Veilchen blüht.

Die Rose wirbt
Um Beifall nicht vergebens,
Ihr wird der Preis, den sie gehofft,
Ruhm ist bei ihr der Zweck des Lebens.
Verlassen und vergessen oft
Das Veilchen stirbt.
(S. 65-66)
_____



Frage

Wie heißt das Land?
Es ist von Glücklichen bewohnet,
Und ew'ger Frühling blühet dort,
Auf Rosen nur sein Herrscher thronet,
Süß klinget seines Machtspruchs Wort:
Ja! dort in jenem schönen Land
Sinkt jede hohe Scheidewand.

Wie heißt der Stern?
Er glänzt mit sanftem Silberscheine,
Und er erhellt des Lebens Nacht,
Nur ihm vertraut das Herz alleine,
Nur ihm wird Huldigung gebracht.
Doch täuscht auch dieser schöne Stern,
Bald glänzt er nah, bald glänzt er fern.

Wie heißt die Gluth?
Die schmerzend tief im Herzen brennet,
Es zünden sie zwei Sonnen an,
Zwei Sonnen, die man Augen nennet,
Sie glüh'n in dunkler Wimpern-Bahn,
Und diese heiße, süße Gluth
Löscht keine Quelle, keine Fluth.
(S. 69)
_____



Aus der Ferne

Mädchen, mit schwarzem Haar
Und dunkler Augen Paar,
Du meiner Liebe Licht,
Mädchen! verzage nicht.

Mädchen! o weine nicht,
Glaub', was die Liebe spricht;
Bist Du auch weit von mir,
Ist doch mein Herz bei Dir.

Mädchen! o schau' nur hin,
Wechselnd die Wolken zieh'n;
Ewig, wie Vaters Wort,
Dauert die Liebe fort.

Mädchen! Dich liebe ich!
Glühend erfaßt es mich;
Sehnend gedenk' ich Dein
Abends bei Sternenschein.

Mädchen! o weine nicht,
Trübest der Augen Licht,
Denn bald, o Himmelslust!
Flieg' ich an Deine Brust.
(S. 70)
_____



Antwort

Mann meiner Liebespein!
Wie kann ich ruhig seyn?
Wenn Du mir ferne bist
Und Dich mein Blick vermißt.

Mann! Du bist weit von hier,
Doch mein Geist folget Dir,
Liebend umschwebt er Dich,
Freut' Deiner Blicke sich.

Mann, meiner Seele Licht!
Kennst Du die Sehnsucht nicht?
Kennst nicht der Liebe Schmerz,
Quälend dieß arme Herz?

Mann! wie es keinen giebt,
Den meine Seele liebt,
Denke doch meiner Pein,
Wie kannst Du ferne seyn?

Mann meine Götterlust!
Komm doch an meine Brust,
Sehnsucht trübt meinen Blick,
O kehre bald zurück!
(S. 71)
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Wünsche

Ich möchte wohl ein Röschen seyn,
In meines Liebsten Garten:
Er würde dann in Liebe mein
Mit treuer Pflege warten.
Und bräch' er auch vom Stamm' mich ab,
Um seine Brust zu schmücken;
Dort fänd' ich ja ein selig Grab,
Ich stürbe mit Entzücken.

Ach! daß ich doch kein Täubchen bin,
Auf süßer Liebe Schwingen
Eilt' ich zu dem Geliebten hin,
Ihm meinen Gruß zu bringen.
Ich setzte mich auf seine Brust,
Ihn tausendmal zu küssen;
Dann dürft' ich wohl, o Himmelslust!
Den Theuern nimmer missen.

Oft möcht' ich wohl ein Lüftchen seyn,
Die Stirne ihm zu kühlen,
Dann könnt' ich auch im Abendschein
Mit seinen Locken spielen.
Mein Schmeichelhauch sollt' ihn umweh'n,
An seine Brust sich schmiegen,
Und würde er dann schlafen geh'n,
In süße Ruh' ihn wiegen.
(S. 72)
_____



An den Geliebten

Wenn an Deinen süßen Blicken
Sehnsuchtsvoll mein Auge hängt,
Und ein bebendes Entzücken
Mich mit heißer Gluth umfängt:
Dann erfüllet meine Brust
Ahnung reiner Himmelslust.

Wenn in unbelauschter Stunde
Liebend mich Dein Arm umschließt,
Und ein Kuß von Deinem Munde
Glühend in die Seele fließt,
Dann trink' ich aus Deinem Blick
Meines Paradieses Glück.

Sehe ich in dunkle Ferne,
Steh' ich einsam in der Nacht,
Glänzen Millionen Sterne
Mir mit Silberglanzes Pracht;
Strahlt doch schöner mir Dein Bild,
Himmlisch leuchtend sanft und mild.

Hält der Schlummer mich umfangen,
Träumend ist mein Geist bei Dir,
Und es füllet süßes Bangen
Sehnend meine Seele mir.
Deiner Stimme sanfter Klang
Tönt mir zu wie Sphärensang.

Und so sehe ich entzücket
Stets allein, o Theu'rer, Dich!
Dein geliebtes Bild beglücket,
Ueberall umschwebt es mich.
Lange schon, mir kaum bewußt,
Trug ich es in meiner Brust.
(S. 78-79)
_____



Liebchen

Liebchen, wie bist Du so kalt!
Fühle der Flammen Gewalt,
Die brennend das Herz mir verzehren;
Nicht kann ich die Gluthen erwehren,
Die fassen mich mit Gewalt.
Liebchen, wie bist Du so kalt!

Liebchen, wie bist Du so schön!
Hätt' ich Dich nimmer geseh'n,
So wären noch froh meine Stunden,
Nie wäre der Friede entschwunden.
O hätt' ich Dich nie geseh'n!
Liebchen, wie bist Du so schön!

Liebchen, wie bist Du so hold!
Du bist mir höher als Gold:
Was wär' mir wohl Schätze und Kronen?
Bei Dir im Hüttchen zu wohnen,
Das wär' mir lieber als Gold.
Liebchen, wie bist Du so hold!

Liebchen, wie schön ist Dein Haar,
Schwarz wie die Nacht nur je war!
Aus Deinen stets freundlichen Blicken
Strahlst hold mir des Himmels Entzücken.
Schwarz, wie die Nacht nur je war,
Liebchen, sind Augen und Haar!

Liebchen! wie schön ist Dein Mund,
Gefüllt von Perlen so rund!
O dürft' ich nur immer Dich küssen!
Nie würd' ich den Himmel vermissen.
Gefüllt von Perlen so rund,
Liebchen, wie schön ist Dein Mund!

Liebchen! o theile den Schmerz,
Der heiß durchglühet mein Herz.
Kann ich Deine Gunst nicht erwerben,
Kann nimmer ich leben - muß sterben,
Denn heiß durchglühet mein Herz,
Liebchen, ein brennender Schmerz.
(S. 91-92)
____



An mein Herz

Was willst Du Herz - mit Deinen heißen Schlägen,
Bau'st Du noch immer auf geträumtes Glück?
Sieh'st Du noch immer Hoffnungen entgegen,
Denk'st Du nicht der Vergangenheit zurück?

Kannst Du noch immer wünschen, lieben, sehnen,
Und stehen in den wilden Stürmen vest?
Gedenkst Du nicht der herben Schmerzens Thränen,
Die mir oft trügerisches Glück erpreßt?

Kannst Du mit heil'gem, liebendem Vertrauen
Noch glauben an das Glück, das Dich betrügt?
Willst Du ein Schloß in falsche Lüfte bauen,
Das bei des Westeshauch in Trümmern liegt?

Laß an den tiefen Wunden Dir genügen,
Die schon Dir schlug des Schicksals rauhe Hand!
Mußt Du mit steten, neuen Hoffnungszügen
Den Leidensbecher leeren bis zum Rand?

Kannst ohne Hoffnung, Liebe, Du nicht leben,
O dann vergehe armes, armes Herz!
Im Grabe erst wird Ruhe Dir gegeben,
Und schweigen Deiner heißen Sehnsucht Schmerz.
(S. 105)
_____



Amphions Klage

O süßes Himmelskind,
Hold wie die Engel sind,
Erscheine mir!
Aber Du schöne Maid
Bist ja so fern, so weit,
Meilen von hier.

Wärst Du in Liebe mein,
Würde ich selig seyn,
Selig durch Dich!
Und welche Götterlust:
Läg'st Du an meiner Brust,
Küßtest Du mich!

Hielt schirmend Dich mein Arm,
Vor Stürmen - liebeswarm:
O welches Glück!
All' meine Himmelslust
Fänd' ich an Deiner Brust,
In Deinem Blick!

Lauschten bei Lunas Schein
Wir in dem Blüthenhain
Der Nachtigall;
Tönte ihr Klagelaut
Mit Liebesschmerz vertraut,
Flötend im Thal.

Sagte ihr süßes Lied,
Was mir im Herzen glüh't,
Himmlische, Dir!
Von Blüthen sanft bethaut
Würdest Dich hold und traut,
Neigen zu mir.

Aber Du süße Maid
Bist ja so fern, so weit,
Verließest mich!
Kennst nicht dieß treue Herz,
Glühend in Liebesschmerz
Ewig für Dich!
(S. 106-107)
_____



Ich denke Dein

Ich denke Dein!
Ob auch getrennt in weiter Ferne,
Ist meine Seele stets bei Dir;
Im Morgenroth - beim Glanz der Sterne,
Seh' ich Dein holdes Bild vor mir,
Und bei des Mondes Silberschein
Gedenk' ich Dein.

Ich denke Dein!
Auf heißer Sehnsucht lichten Schwingen,
Umschwebt mein Geist auch ferne Dich;
Dir meiner Liebe Gruß zu bringen,
Erfaßt oft Glutverlangen mich:
Doch muß getrennt von Dir ich seyn,
Gedenkend Dein!

Ich denke Dein!
Wenn hoch die Abendwolken glühen
Im letzten goldnen Sonnenstrahl,
Mit ihnen möchte ich dann ziehen,
Weit über Fluren, Berg und Thal,
Doch bleiben muß ich hier; allein
Ich denke Dein!

Ich denke Dein!
Wenn längst des Tages Licht geschieden,
Und Atair im Adler glänzt;
Wenn Alles ruht im tiefen Frieden,
Dein Haupt vielleicht schon Mohn umkränzt:
Dann hängt mein Blick an Arktursschein -
Und denke Dein.

Ich denke Dein!
Selbst wenn in Schlummers dunklen Träumen
Mein Aug den äuß'ren Sinn verschließt;
Da Du aus allen Himmelsräumen
Mein schönstes Sternenbild mir bist.
Belebt von Dir mein ganzes Seyn,
Gedenk' ich Dein!
(S. 112-113)
_____


Aus: Sechs Erzählungen nebst einem Anhange
von Gedichten
von Amalie Krafft
Neue Ausgabe
Aschaffenburg Verlag von Theodor Pergay 1834


 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Amalie_Krafft


 

 


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