Wenn je ein Schönes mir zu bilden glückte . . .

Kurze Liebesgedichte deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Peter Cornelius
(1824-1874)



Ihre ganze volle Seele

Ihre ganze volle Seele
Senkte Liebchen in mein Herz,
Aber daß ich anderwärts
Nichts davon erzähle,
Hat sie mir mit einem Kuß
Fest den Mund versiegelt,
Mir das Herz verriegelt,
Daß ich selig schweigen muß.
(S. 20)
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Deinem Sterne einen Gruß

Deinem Sterne einen Gruß
Der so golden und blank,
Deinem Engel ein Lob!
Deinem Glück einen Dank!
Deinem Los ein Gebet!
Deinem Leben ein Heil!
Deinem Herzen die Lieb!
Und der Himmel dein Teil!
(S. 43)
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Da du den Kuß gegeben

Da du den Kuß gegeben
Mir unterm Blütenbaum,
Zerrann mein ganzes Leben
Vor deinem Kuß - ein Traum.
Nun ich mit bangem Beben
Dir ferne wandeln muß,
Ist all mein Sein und Weben
Ein Traum von deinem Kuß.
(S. 44)
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Es küssen Himmel und Erde

Es küssen Himmel und Erde
In einem Worte sich,
Das heißt im Himmel: "Es werde!"
Auf Erden: "Ich liebe dich!"
(S. 103)
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In des Mais Zauberkreis

In des Mais
Zauberkreis
Höchster Zauber,
Süßester Preis!
Himmelsgruß!
Gotteskuß!
Stimme der Nacht!
Minnewacht!
Nachtigall, du Lenzgebet!
Wie mir dein Ton zu Herzen geht!
(S. 134)
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Stoßseufzer

Sehnen! Sehnen! gib uns frei!
Glück der Liebe! komm herbei!
Täuschung! ende doch dein Spiel!
Hoffnung! zeig' ein goldnes Ziel!
Liebe! schürtest du die Flammen,
Leben! gib uns auch zusammen!
Welt! verleg' uns nicht den Lauf!
Eden! Eden! tu' dich auf!
(S. 135)
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Die Lieb' hat keine Schrank' im Raum

Die Lieb' hat keine Schrank' im Raum,
Nah oder fern ist da nur Traum.

Die Lieb' hat keine Schranke der Zeit,
Ewig und jetzt ist da unentzweit,

Du bist mein Herz, mein Lieb, mein Stern!
Schrankenlos, ewig, nah und fern!
(S. 139)
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Siehst du mir nur ins Aug' hinein

Siehst du mir nur ins Aug' hinein,
Nenn' ich die Welt, den Himmel mein!

Und wenn mich deine Hand nur drückt,
Gedenk' ich Gottes, fromm entzückt.

Doch wenn dein Mund im Kuß mich hält,
Vergess' ich Himmel, Gott und Welt!
(S. 139)
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Nie einen Kuß!

Nimm nie zum Abschied einen Kuß,
Das wär' ein Punkt, es wär' ein Schluß.
Mußt einen Doppelpunkt erringen,
Dann mög' der Nachsatz Glück dir bringen.
(S. 150)
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Aus: Peter Cornelius Literarische Werke
Erste Gesamtausgabe
IV. Band: Gedichte
gesammelt und herausgegeben von Adolf Stern
Leipzig 1905



 

 


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