Lachsin (C. D.) (17. Jh.) - Liebesgedichte

 


Lachsin (C. D.)
(17. Jh.)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

Uber einen ungetreuen Amanten.
Im Nahmen einer Vornehmen
Freundin.


Wie? läßtu mich also / du undancksvolle Seele /
Und lohnst mit Unbestand die unverfälschte Treu?
Du mehr / als Grausamer / um den ich mich so quäle /
Ich glaube / dass dein Hertz aus harten Felsen sey.
Ein Arimasp hat dich / du wilde Bruth gezeuget /
Das wüste Lydien hat dich ans Licht gebracht /
Und eine Scythin hat dir ihre Milch gesäuget /
Aus eines Lygers Brust ist deine Brust gemacht.
Heißt das nicht grausam seyn / die nicht mehr wollen sehen /
Die Hauß und Vaterland um dich verlassen hat?
Die sich nicht hat gescheut / mit dir davon zu gehen /
Zu wohnen (nun zwey Jahr) in einer frembden Stadt?
Und hast dennoch mit mir die Ehe nicht vollzogen /
Wovon dein falscher Mund so viel Versichrung gab /
Ich seh um Guth und Glück nunmehro mich betrogen /
So stoß mich dann dazu nur vollends in das Grab.
Wie falsch o Proteus hast du doch an mir gehandelt /
Mit freundlichem Gesicht sahstu mich stetig an;
O! hätte mich dein Blick in einen Stein verwandelt /
Wie die Medusa dort dem Phineus hat gethan:
So dürfft ich itzo nicht in einem Meer von Thränen
Der Arethusen gleich beweinen meine Noth
Ich dürffte mich nach dir / Unmenschlicher / nicht sehnen /
Und fühlte nicht / wie itzt / ein Sterben sonder Tod.
Es würd mein armes Hertz nicht eben so genaget /
Wie des Prometheus Brust am Berge Caucasus,
Ich wär von dem befreyt / was mich so hefftig plaget /
Und was ich dulden muß mit bitterem Verdruß.
Doch geh / Undanckbarer / der Himmel wird mich rächen /
Wann er die Untreu dir vergilt an meiner statt;
Achtst du mit Jason nichts der Treue Pflicht zu brechen /
Und spielst mit Schwur und Eyd / als wie der Theseus that:
So kann diejenige / die du vor mir erwehlest /
Der Phaedren, so wie du dem Theseus ähnlich seyn /
Und wann du dich nunmehr erfreut mit ihr vermählest /
Statt der Vergnügung dir verschaffen Quaal und Pein.
Schick / wie Medea ich dir gleich nicht giftigs Feuer /
(Dann mein mitleidend Hertz lässt solche Rach nicht zu) /
Wird dein Gewissen doch du Falsch- und Ungetreuer
Bey dem vermeinten Glück dir gönnen keine Ruh.
Ich will indeß getrost des Schicksals Wuth ertragen /
Und nicht Verzweiflungs-voll der Dido ähnlich seyn:
Der Himmel gebe dir hinführo so viel Plagen /
Als ich Vergnügung mir von dir gebildet ein.
Ich haße dich forthin / dich / den ich so geliebet /
(Denn ein Untreuer ist nicht ferner liebens werth.)
Und weil aus Vorsatz du mich auff den Tod betrübet /
So werde von dem Glück dein Wünschen nie erhört.
Der / welcher alles kann / laß dich dereinst empfinden /
Was es vor Schmertzen bringt / das liebste Untreu sehn /
Und wann sich denn der Lohn vor deine That wird finden /
So dencke / was vor Quaal ich Aermste muß außstehn;
Ich / die ich dich niemals mit was beleidigt habe /
Als das ich dich zu treu / ach! allzu treu geliebt:
Doch die Vergeltung such ich nun davor im Grabe /
Diß ist der Lohn / den mir der falsche Mentor giebt.
(S. 90-92)

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Die schönste Inclination

Du fragest / was denn wohl mein freyes Hertz kann binden /
Weil es ein schwartzes Aug und Haar nicht fesseln kann?
Ob mich ein schöner Leib und Fuß nicht könn entzünden /
Die sonst den Weibern leicht die Ketten legten an?
So würd ein rother Mund mir etwan wohlgefallen /
Ein angenehmer Blick und eine weiße Hand?
Doch wisse / werther Freund / von diesen Stücken allen
Hat keines noch bisher die Freyheit mir entwandt.
Ich tadele zwar nicht die Lobens-werthen Gaben /
Die manchem die Natur vor andern mitgetheilt:
Doch solt er Schönheit auch als wie Adonis haben /
Daß / wie Narcissus er damit zum Brunnen eilt:
So kann im minsten diß mein Hertze nicht bewegen /
Daß es sich fesseln läßt mit einem Sclaven-Band.
Was aber meiner Brust die Netze weiß zu legen /
Das ist ein hoher Geist und trefflicher Verstand /
Ein wohlberedter Mund / ein ungezwungnes Wesen /
Ein auffgeweckter Sinn und unverrückte Treu:
Diß hat mein Hertze sich vor jenen außerlesen.
Nun sag / ob meine Wahl hierinn zu tadeln sey?
(S. 93-94)

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Auf Lesbiens Geburths-Tag


Es legt sich Lesbia hiemit zu deinen Füßen /
Ein schlecht / doch treues Blat begleitet mit viel Küßen /
An dem geliebten Tag / der dich ans Licht gebracht /
Der deiner Jahre Zahl heut ein und zwanzig macht /
Der Höchste laße dich noch diesen Tag offt sehen /
Bey ungemeßnem Glück und hohem Wohlergehen:
Er geb dir alles / was dein Wünschen nur begehrt /
Und was dein Hoffen will / sey dir vom Glück gewährt.
Es müß der raue Nord nie deine Ruhe stöhren /
Dein Ohr müß stets vergnügt nur Zephirs-Lüffte hören /
Megarens neidisch Haar entferne sich da weit /
Wo Lesbia sich zeigt in ihrer Lieblichkeit.
Selbst Hybla müße sich in deinen Dienst verfügen /
Und dein geschickter Leib auff lauter Rosen liegen:
Das Glück verbinde sich mit deiner schönen Hand /
Und was nicht Freude heißt / sey weit von dir verbannt.
Dein schönes Augen-Paar von mir so sehr geliebet /
Seh nur / was deinem Geist Freud und Vergnügen giebet.
Es solte nun hierbey wohl ein Praesent auch seyn /
Was aber schenck ich dir / da ich schon selbst bin dein?
Nimm diesen Blumen Korb von meinen Händen an /
Weil deine Jugend sich damit vergleichen kann.
Der Frühling deiner Jahr / den so viel Gaben ziehren /
Den woll des Glückes Rad bis an die Sterne führen /
So daß dein Wohlergehn den höchsten Grad erreicht;
Diß wünschet die / der auch die Treue selber weicht.
(S. 94)

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Ueber den Tod eines geliebten Sujets

Aria


1.

Bist du geliebte Seele
In deines Grabes-Höle
So zeitig schon gebracht?
Muß der in tieffer Erden
Zu Staub und Asche werden /
Den ich so werth geacht?

2.

Wann der schon liegt im Grabe /
Den ich geliebet habe /
Vor alles in der Welt;
Will ich das Grab auch wehlen /
Weil nunmehr meiner Seelen
Zu leben nicht gefällt.

3.

Ich such nun auch das Sterben /
Da du schon musst verderben /
Mein mehr / als halbes Ich:
Mein Geist sehnt sich von hinnen /
Zum hohen Himmels-Zinnen /
Ich weiß / da find ich dich.

4.

Du bist voran gegangen /
Ich warte mit Verlangen /
Bis ich dir folgen soll:
So schlaff du werthe Seele /
In deiner duncklen Höle /
Mein Engel schlafe wohl.
(S. 95)

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Alle Gedichte aus: Teutschlands Galante Poetinnen
Mit ihren sinnreichen und netten Proben
Nebst einem Anhang Ausländischer Dames So sich gleichfalls durch Schöne Poesien bey der curieusen Welt bekannt gemacht, und einer Vorrede Daß das Weibliche Geschlecht so geschickt zum Studieren / als das Männliche ausgefertiget von Georg Christian Lehms Franckfurt am Mayn
Zu finden bey Samuel Tobias Hocker
Gedruckt bey Anton Heinscheidt Anno 1715
siehe auch:
http://de.wikisource.org/wiki/Teutschlands_Galante_Poetinnen




Biographie:
Eine Tochter des berühmt-gewesenen Capellmeisters in Dreßden / Hn. Struncks [Nicolaus Adam 1640-1700] / und nunmehr verwittibte Frau Lachsin. Von ihrer vortrefflichen Fertigkeit in der Poesie ist so viel, als von ihrem herrlichen Verstand / und von ihrer guten Conduite zu sagen. Diese galante Poetin hat aber nicht allein viele schöne Piéces aus ihrer eigenen Feder fliessen lassen, sondern sie hat auch einige Italiäni-Opern, als
Il riso di Democrito,
Caligula Delirante und
Germanico sul Reno
in teutsche Verse übersetzet; welche in Leipzig mit dem höchsten Gusto sind angehöret, und wegen der netten Version und schönen Musique in der berühmten Telemannischen Composition gar vielfältig admiriret worden.
Ich habe die Ehre genossen, dass sie mir dieses selbst in einem wohl stylisirten Briefe zugeschrieben, wobey sie sich dieser Worte bedienet: Ich darff mir aber nicht flattiren / einigen Ruhm dadurch erworben zu haben / weil / wann auch gleich ein Frauenzimmer ein wenig Naturel zu der Poesie hat / deren Ignorance doch aus allen Zeilen hervor blicket. Vor itzo habe es gar abandonniret / indem mein Wittwen Stand mir andere Betrachtungen giebet. Doch um mich gegen ihr Verlangen dienstwillig zu erweisen / habe ich mich noch auf einige besonnen / die ich auffgesetzt / wollte wünschen / dass sie dero Approbation finden möchten. Ich darff es aber nicht verlangen / weil den Versen / so dieselben von Frauenzimmer haben / die Meinigen die allerschlechtesten seyn werden: ich habe aber / wie gesagt / mehr auff dero Befehl / als auff meinen Ruhm gesehen.
Solchergestalt kann ich nunmehr Dero mir überschickte Gedancken der galanten Welt mit gutem Recht communiciren, und folgen davon diese 5. Stücke.
Aus: Teutschlands Galante Poetinnen Mit ihren sinnreichen und netten Proben Nebst einem Anhang Ausländischer Dames So sich gleichfalls durch Schöne Poesien bey der curieusen Welt bekannt gemacht, und einer Vorrede Daß das Weibliche Geschlecht so geschickt zum Studieren /
als das Männliche ausgefertiget von Georg Christian Lehms
Franckfurt am Mayn Zu finden bey Samuel Tobias Hocker
Gedruckt bey Anton Heinscheidt Anno 1715



 

 


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