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 Emmi Lewald (Ps. Emil 
      Roland)
 (1866-1946)
 
 
 Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 
   
      
 
 Lieder des Troubadours
 
 
 I.
 Nein - nicht begehren will ich dich wie andre . . .
 Nur wie ein Pilger laß mich ferne stehn,
 Und wenn ich einsam dann von hinnen wandre,
 Wirst du ein Kreuz auf meinem Mantel sehn.
 
 Dein Ritter, will ich schweifen durch die Wälder,
 Aus heil'gen Bronnen trinken auf dein Glück; -
 Dem schönsten Sommerstrauß erblühter Felder,
 Dem Veilchenhage gleiche dein Geschick!
 
 Und wenn einst reich und mächtig strömt hernieder
 Auf dein geliebtes Haupt ersehnte Lust,
 So denk: sie kam gelockt durch meine Lieder!
 Geboren ward dein Glück in meiner Brust. 
      (S. 25)
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 II.
 Einst kommt ein Tag, da wird dein Blick sich wenden
 Und müde bist du meines Angesichts,
 Des Saitenspiels von deines Dichters Händen -
 Dann will ich gehn und tauchen in das Nichts.
 
 Kein Leben lebt, wo deiner Lippen Lächeln
 Nicht schimmert durch den windbewegten Hain,
 Kein Zephyrhauch kann Friedenslüfte fächeln,
 Wenn er nicht weht um deiner Wangen Schein!
 
 Das ist's, warum ich nie mit frohem Preisen
 Genießen kann die wellenflücht'ge Zeit.
 Ich weiß: einst wirst du mich von hinnen weisen,
 Und sterben werd' ich an der Trennung Leid. 
      (S. 25-26)
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 III.
 Ich bin zu arm, um glücklich dich zu machen,
 Du bist zu reich, mich Armen zu erhöh'n;
 Ich darf am Ufer betend für dich wachen,
 Dieweil du lächelnd gleitest auf den Seen!
 
 Ich bin das Unkraut, das am Wege wartet,
 Du bist die Rose, die der Falter liebt;
 So niedrig ich und du so stolz geartet -
 Ich weiß, daß es für mich kein Siegen giebt.
 
 Ich werde nie in deinen Zügen lesen,
 Daß dich mein armes Dasein je beglückt;
 Bald weißt du kaum, daß einmal ich gewesen,
 Daß ich in deinem Aug' mich krank geblickt. -
 
 Und singt dereinst ein fremder Spielmannsknabe
 Ein Lied von mir - du fühlst den Dichter nicht,
 Und führt der Zufall dich zu meinem Grabe,
 Du ahnst doch nimmer, wer darunter liegt! 
      (S. 26)
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 IV.
 Aus welchem Dichterliede kamst du nieder,
 Du menschgeword'ne Frühlingspoesie?
 Steigst du hinauf in deine Höhen wieder,
 O, laß uns nur ein einzig Abbild hie!
 
 Der tiefe See soll deine Züge fassen,
 Am Himmel klar dein blaues Auge stehn,
 Dein Lächeln sollst du auf der Erde lassen,
 Wirst du einst freudenehmend von uns gehn . . .
 
 Und wenn der Mai, der lustgewohnte Singer,
 Mit Blumen schmückt der Erde grün' Gewand,
 Sei jede Blume wie von deinem Finger
 Gemalt - von deiner weißen Frauenhand! 
      (S. 27)
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 V.
 Ob du auch fern - ich kann dich dennoch sehen,
 Ich höre deiner Stimme weichen Ton.
 Nicht einsam muß ich durch die Fluren gehen -
 Du bliebst mir ja und bist mir nicht entflohn.
 
 Ich halte dich, wie auf des Teiches Spiegel
 Die Flut den Zweig der Rosenstaude hält,
 Ich fasse dich, wie an des Liedes Flügel
 Der Dichter fesselt seine Märchenwelt.
 
 Ich fühle dich wie milder Sterne Scheinen;
 Und schließ' ich Nachts den trugverwirrten Blick,
 So taucht aus dunklen, träumerischen Hainen
 Allüberall dein Abbild mir zurück! 
      (S. 27-28)
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 VI.
 Dir sagt vielleicht ein Mensch: "Der arme Sänger
 Singt nur für Euch!" Du lachst gedankenlos -
 Ich hör' dies Lachen - bange noch und bänger,
 Senk' ich die Harfe weinend in den Schooß.
 
 Nicht einmal, daß ich heilige Gefühle
 In tausend Lieder banne dir zu Lieb',
 Kein einzig Wörtlein mir in flücht'gem Spiele
 Von deinen Lippen je entgegentrieb!
 
 Für jeden Seufzer, jede stumme Klage
 Erhalt' ich nicht den kargsten Blick von dir,
 Und traurig gleitend ziehen meine Tage
 Und finster dunkeln meine Nächte mir.
 
 Was leuchtet mir der Sterne Silberprangen?
 Was frag' ich nach dem ganzen Firmament? -
 Du bist als Stern mir irdisch aufgegangen!
 Nicht kümmert's mich, was sonst am Himmel brennt! 
      (S. 28)
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 VII.
 Gleichviel, ob für Minuten, ob für Stunden,
 Für eines Monats langes Gaukelspiel;
 Hat man nur einmal süßes Glück empfunden,
 So ward erfüllt des Daseins bestes Ziel!
 
 Wir sind ja nicht zum Leiden nur geboren,
 Wie ernsten Mundes eifert der Zelot;
 Auch Freudenkränze winden uns die Horen,
 Und süßes Leben athmet vor dem Tod!
 
 Nur dem verdüstert sich das Bild der Erde,
 Dem keine Blume wächst auf schöner Flur,
 Der nie mit einem schöpferstarken "Werde"
 Zum Blühen zwang die duldende Natur.
 
 Denn wenn auch kürzer, als der Rose Prangen,
 Das flücht'ge Glück an dir vorbeigeschwebt -
 Hat es nur einmal liebend dich umfangen,
 So weißt du doch, weswegen du gelebt! 
      (S. 29)
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 VIII.
 Wohl haben Andre vor mir es gesagt,
 Denn Andre haben auch geliebt, besessen; -
 Doch ob auch noch so viele gleich geklagt,
 Ich sprech es nach: ich kann dich nicht vergessen!
 
 Und trägt dich bald ein unbarmherz'ges Schiff
 An fremde Küsten, zu entfernten Ländern,
 Und dräuen zwischen uns auch Klipp' und Riss -
 Es wird sich meine Liebe niemals ändern!
 
 Sie leiht die weißen Schwingen alsobald
 Sich von den Möven, welche blitzend gaukeln,
 Und wird als schnellgeflügelte Gestalt
 Dir nach auf deiner Wasserstraße schaukeln.
 
 Sie läßt dich nicht - viel eher läßt sie das,
 Was ohne dich in Frieden sie besessen,
 Und flüstert, heimatfern und wanderblaß
 Das Wort dir zu: Ich kann dich nicht vergessen!
 
 O zürne nicht und nimm sie gastlich auf
 In jenes fremden Landes kühlen Zelten!
 Schilt sie nicht aus um ihren Wanderlauf!
 Sie muß dir folgen ja in alle Welten. -
 
 Und stiegest zu den Sternen du empor,
 Mit ihrem Glanze deinen Glanz zu messen,
 Auch dorten noch träf dieses Wort dein Ohr:
 Ich kann dich nun und nimmermehr vergessen! 
      (S. 29-30)
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 IX.
 Nein, bis zum letzten Tag, an dem wir scheiden,
 Soll nie der Argwohn deine Stirn umwehn,
 Und wie ein Bild von klagelosem Leiden
 Will ich verschwiegen dir zur Seite gehn.
 
 Nicht ahnen sollst du, daß in meinem Herzen
 Ein frommes Opfer lodert, dir geweiht,
 Das, gleich dem ersten Frühlingsstrahl im Märzen,
 Die Eisesrinde brach der Einsamkeit!
 
 Der Nordwind herrschte hier mit seinen Wettern,
 Doch Zephyr schmeichelt linde, wo du bist;
 Und wo du gehst, da wächst aus grünen Blättern
 Die schönste Königsblüte, sonngeküßt.
 
 Mich aber laß in deiner theuren Nähe
 Verborgen stehn im dunklen Helmvisir;
 Und ob ich immer auch zu dir nur spähe,
 So bitt' ich: schaue niemals du nach mir!
 
 Dem Schatten gleich an lichten Sommertagen
 Möcht' ich dir folgen über Berg und Thal,
 Und meine Liebe schweigend zu dir tragen,
 Damit du wandelst weich auf meiner Qual. 
      (S. 30-31)
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 X.
 Wozu die Lieder, in den Staub geschrieben?
 In Wind gesprochen? in Gesang verweht?
 Darum, weil bald mir nichts mehr ist geblieben
 Von dieser Minne kurzem Lilienbeet. -
 
 Darum, weil eingesargt in kalte Töne,
 Der Athem doch dem Liede nicht entflieht,
 Dem noch nach Jahren in verklärter Schöne
 Erinnrungsvoll ein Blumenstrauß entblüht. -
 
 Darum, weil mit der Wehmut heil'gem Kranze
 Wir gerne schmücken ein geliebtes Grab -
 Weil du mir bald entschwinden wirst im Glanze,
 Und ich dich gar so sehr geliebet hab'! 
      (S. 31-32)
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 XI.
 Nichts bin ich dir, als zufallhergetrieben
 Ein grüner Zweig auf deinem Wanderpfad,
 Der schon belohnt ist für sein großes Lieben,
 Wenn nur dein schlanker Fuß ihn schnell zertrat.
 
 Nichts bin ich dir, als eine schlichte Weise,
 Vom Frühlingswind getragen an dein Ohr -
 Du summst die sehnsuchtsvollen Klänge leise
 Im Traume halb, und bleibst kalt wie zuvor.
 
 Ich bin für dich ein Spielzeug, halbzerbrochen,
 Ein letzter kühler Sommerhauch im Thal, -
 Im lauten Lebensdrang ein leises Pochen,
 Im Dickicht ein verirrter Mondesstrahl! - 
      (S. 32)
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 XII.
 Ja, dieses Land ist kalt und freudeleer -
 Die Sonne fehlt, und sonnenlose Tage,
 Der frost'gen Nebelstunden langes Heer,
 Beginnen nun ihr winterlich' Gelage.
 
 Es herrscht der Frost und nieder pfeift der Sturm,
 Der rauhe Wütherich mit Geißelhieben;
 Im Dämmerschleier liegen Stadt und Turm,
 Nur etwas ist vom Lenz zurückgeblieben!
 
 Du bist es, Sonnenauge, licht und hell,
 Du Born der Freude, den kein Eis belastet,
 Du meiner Lieder immervoller Quell,
 An dem so gerne diese Harfe rastet!
 
 Du leuchtest auf den Schnee, geliebter Stern,
 Und sieh! die Primeln blühen aus dem Rasen;
 Du funkelst in die abendblasse Fern',
 Und sieh! der Nebel ist im Wind zerblasen.
 
 Du strahlst herab zu mir wie Frühlingsglanz,
 Und meine Seufzer werden zu Akkorden,
 Und schlingen sich als üpp'ger Liederkranz
 Um deine Stirne duftend in dem Norden!
 
 Du stehst wie ein erblühter Südlandsbaum,
 Von Blumen schwer, im eis'gen Schneegetriebe,
 Und klingst durch uns'ren langen Wintertraum
 Wie ein Gesang von Sommer und von Liebe! 
      (S. 32-33)
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 XIII.
 Du frierst - denn deine Heimat ist der Süd -
 Ein böser Unstern trieb dich in den Norden,
 Und sommerwarm ist hier allein mein Lied -
 Sonst ist es kühl und eisig rings geworden!
 
 Doch sehnst du nach der milden Sonne dich,
 Die lang' dein Haupt umglüht in schön'ren Landen,
 So laß mit glutenheißen Sängen mich
 An deines Herzens schroffer Klippe stranden!
 
 Die Muscheln will ich aus dem Ocean,
 Die Sonne aus dem Süden dir beschwören -
 Das laute Tosen tiefer Wogenbahn,
 Entfernte Pinien sollst du rauschen hören.
 
 Vom blauen Sund der frommen Welle Gruß,
 Ein Dufthauch aus Hispaniens Lenzmagnolien,
 Und von des Kapitols geweihtem Fuß
 Der Sehnsuchtsseufzer glüh'nder Centifolien -
 
 Ein Glockenklang aus frommem Marmordom -
 Das alles soll in meinem Liede klingen,
 Soll wie ein großer, heil'ger Sonnenstrom
 Dir an die halberfror'ne Seele dringen!
 
 Kalt ist der Nord, allein mein Lied ist heiß,
 In warme Quellen taucht' ich meine Zither,
 Und singe nun, Vieltheure, dir zum Preis
 Trotz dieses Wintersturms vor deinem Gitter!
 
 Und willst du geben mir den besten Lohn,
 So laß ein Lächeln deinen Mund umschweben
 Und auf der Seligkeiten höchsten Thron
 Wird dieses Lächeln deinen Dichter heben! 
      (S. 33-34)
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 XIV.
 Weltabwärts steu're ich mit krankem Hoffen -
 All' meine Freuden sanken in die See,
 Und als ich ging, stand mir der Himmel offen
 In gold'ner Höh'!
 
 Sehr leicht ist mein Gepäck'; selbst kann ich's tragen,
 Nur Sorgen sind's und manch' verscholl'ner Traum.
 Betrübte Verse, nutzlos eitle Klagen
 Die wiegen kaum.
 
 O, als ich auszog - wie die Segel schwellten!
 Wie weit und leuchtend mir das Meer erschien!
 So fuhr ich zu der schönsten aller Welten,
 Am Strand zu knien.
 
 Nur Muscheln wollt' ich suchen in dem Sande -
 Da fand ich einen hellen Edelstein,
 Den schloß ich mit der Liebe festem Bande
 In's Herz hinein.
 
 Wie ich es dann ertrug, ihn rückzugeben,
 Wie ich entbehren konnt' sein süßes Licht,
 Wie ich es wagte, weiter noch zu leben -
 Ich weiß es nicht!
 
 Die Thräne rinnt - bin ich so schwach geworden?
 Ist gar so groß der Schmerz, der an mir nagt?
 Was hat man an den heimatfernen Borden
 Aus mir gemacht?
 
 Weh euch, ihr Wellen, die mit süßem Rauschen
 Ihr neben mir ein junges Haupt umfangt!
 Weh, Quellen, euch, die ihr zu langem Lauschen
 Den Wandrer zwangt!
 
 Nicht mir entgeltet, was aus mir geworden,
 Seit ich bestieg den reiselust'gen Kahn!
 Die trüglich zauberischen Meeresborden,
 Die klag' ich an! (S. 
      35-36)
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 XV.
 Ich schweife singend durch die weiten Lande,
 Und wenn mein Lied im Echo wiederhallt,
 So ist mir oft, als stieg' vom Hügelrande
 Noch einmal meiner Jugend Traumgestalt . . .
 
 Wir trugen uns're junge Rosenliebe
 In alt' Gemäuer, wo der Uhu wohnt -
 Akazien wucherten in reichem Triebe,
 Und ihre Blüten standen lichtbesonnt.
 
 Glutrothe Falter tanzten auf den Wogen
 Der blauen Luft, die aus dem Walde her,
 Gemischt mit Kräuterdüften, kam gezogen
 Vom nahen, sommerschwülen Wipfelmeer . . .
 
 Fort aus dem Sinn, verfall'ne Räuberveste!
 Was soll das lichte Bild am dunklen Tag!
 Vergessen suchen ist für mich das Beste -
 Nur weiß ich nicht, wo ich es finden mag!
 
 Grau wie die Trümmer, drin die Rosen hingen,
 Verfallen, ausgelebt und freudenfern
 Ist mein Gefühl und mein verschmachtend' Ringen -
 Mich überleuchtet ein verlor'ner Stern! 
      (S. 36-37)
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 XVI.
 Zieh' weltwärts durch die hohen Lindenbäume,
 Du eines Sterbenden verhallend' Lied!
 Zieh' auf den Bahnen oftgeträumter Träume
 Zu ihr, für die du einst so heiß geglüht!
 
 Zum letzten Mal um die geliebten Züge
 Schling deiner Reime farbenbuntes Kleid -
 O, daß es ihr voll Glut entgegentrüge
 Den letzten Dank, des Sängers letztes Leid!
 
 Nie wollt' ich Glück - ich lernte das Entsagen
 Bereits auf der zerstörten Heimatflur;
 Nach Freude eilt' ich nie in tollem Jagen -
 Schmerz war mein Loos - ich bin ja Troubadour!
 
 Nun wird die Saite auseinanderspringen,
 Die manches Lied in blaue Lüfte sang,
 Die Seele sich beflügelt aufwärts schwingen
 In's Land der Töne, dem sie einst entsprang.
 
 Und stehst du dann, gelehnt an dem Altare,
 Im Abendlicht, von Dämmerschein umwebt,
 So denke sein, der, gleich dem kranken Schwane,
 Mit einem letzten Lied von hinnen schwebt.
 
 So wisse, daß aus hohem Wolkenschleier
 Dein Troubadour zu dir herniedersieht,
 Und daß sein Blick, wie scheidend' Sonnenfeuer,
 Als Rosenglut auf deinen Wangen blüht! 
      (S. 37-38)
 _____
 
 
 
 Aus: Gedichte von 
      Emil Roland
 Zweite Auflage
 Oldenburg und Leipzig
 Schulzesche Hof-Buchhandlung und
 Hof-Buchdruckerei A. Schwartz 1894
 
 
 
      
      Biographie:
 
 https://de.wikipedia.org/wiki/Emmi_Lewald
 
        
 
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