Amor und Bacchus

oder

Liebe und Wein

Ausgewählte Gedichte deutscher Dichter und Dichterinnen
 

 

 



Karl Reinhard
(1769-1840)


Weinlied
Von Hafiz. Aus dem Persischen

Es ist ein Fest, es ist die Zeit der Rosen!
Auf, Knabe, bringe Wein! Wer sah zur Zeit
Der Rosen ohne Wein den Becher stehn?

Mein Herz erstarrt bei niedrer Gleissnerei
Verstellter Mässigkeit. Verspende Wein,
O Knabe, dass mein Herz sich wieder öffne!

Ihn, der den Liebenden so ernste Lehren
Noch gestern gab, ihn sah ich heut berauscht.
Hin in den Wind war seine fromme Würde.

Für diese kurzen Tage plündere
Die Rosen! Suche, so du liebst, die Wonne
Der Lieb' im Schwärmen mit den schönen Mädchen.

Die Ros' ist nun dahin! Allein warum,
O Freunde, sitzt ihr schlaff und unbelebt,
Und ohne Melodie der Harfensaiten,
Und ohne Mädchen, ohne Wein im Becher?

Ihr wisst, wie uns bei unserm Fest der Trunk
Am Morgen labt, wenn sich die Rosenwange
Des Becherträgers in dem Weine spiegelt!

O Sänger, wann du spielst, und deine Stimme
Sich zu den Saiten mischet, so beginne
Diess Lied von Hafiz bei des Fürsten Gastmahl.

Aus: Gedichte von Karl Reinhard
Neue Ausgabe Altona
Bei Johann Friedrich Hammerich 1819 (S. 176-177)



 

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