L I E B E S - L E X I K O N

Die entdeckte Sprache der Verliebten
oder reelles Liebes-Lexikon
aus dem Jahre 1749

 



 




EIGENSINN

Wunderlicher Sinn, Unbeständigkeit, ausschweifende Bewegungen.
Nach dem Eigensinne richtet sich die Mode, der Geschmack und die Empfindung der Schönen, ja man könnte noch hinzusetzen, aller Leute.

Der Mensch von wunderlichen Trieben,
Pflegt bald das häßlichste zu lieben:
Und setzt ihm oft das schönste nach.
Denn die Vernunft ist viel zu schwach,
Den tollen Eigensinn zu stöhren,
Und was er will, ihm zu verwehren.

Es ist eine gewisse Art des Eigensinns, welche ihren Grund in der Liebe hat: Eine Schöne bedient sich dessen, um einen Verliebten desto stärker zu fesseln, indem sie ihm zeigt, daß wenn man sich nicht alle Mühe giebt, ihn zurück zu halten, sie uns bey der geringsten Gelegenheit, ja wenn auch keine wäre, entwischen wird.

Es ist nur den jungen und liebenswürdigen Personen erlaubt, eigensinnig zu seyn, weil die Schönheit sowohl als die Reichthümer die Thorheit erträglich machen. Denn Thorheit und Eigensinn sind gleichgeltende Wörter.
Herr Nericault Detouches hat eine Abbildung von einer Eigensinnigen gemacht, welche unvergleichlich wohl gerathen. Sie befindet sich in seiner Comoedie von dem verheyratheten Philosophen, man verweist den begierigen Leser dahin.

 


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