L I E B E S - L E X I K O N

Die entdeckte Sprache der Verliebten
oder reelles Liebes-Lexikon
aus dem Jahre 1749

 



 




FRAUENZIMMER

So sehr wir auch nachgesonnen haben, eine richtige Definition davon zu geben, so haben wir doch nicht dazu gelangen können. Was wir aus den Schriftstellern hiervon nehmen könnten, ist entweder Verläumdung oder Schmeicheley. Wir, die in dem mitternächtlichen Theile der Welt leben, erheben sie zu hoch, und die, so in den Morgenländern wohnen, machen sie gar zu sehr herunter; und es ist eben so ungereimt, wenn man ihnen eine vernünftige Seele absprechen will, als wenn man Gottheiten aus ihnen macht.
Ein alter verliebter Greiß, welcher dem schönen Geschlechte zuwider ist, spricht bey dem Moliere

Wer sieht die Fehler nicht von unserm Frauenzimmer?
Tracht, Gang und Miene zeigt der Thorheit eitlen Schimmer,
Die Unbescheidenheit und schlaue Bosheit an.
Ihr Wille, welchen man so leichte reitzen kann,
Läßt, wenn man ihn erkennt, die größte Schwäche blicken;
Ihr wandelbarer Sinn durch Irrthum, sich bestricken.
Und dennoch heget man viel Kummer und Begier,
Auch in der ganzen Welt für solch ein falsches Thier.

Allein, wie schon gesagt, dieses ist ein verdrüßlicher alter Mann, welcher redet, und der Verfasser, so ihn reden läßt, hatte sich von der Gunst des weiblichen Geschlechtes nicht viel zu versprechen.

Die Weltweisen und Gelehrten gehen sehr übel mit ihnen um; aber sie sind verdächtig, und sagen nur deswegen fast allezeit so viel böses von ihnen, damit sie sich wieder an ihnen rächen. Warum soll man dasjenige nicht hochschätzen, was man lieben kann. Warum wollte man ein Geschlechte herunter machen, dessen Rache wir alle Augenblicke ausgesetzt sind. Diejenigen, so am meisten wider sie erbittert waren, haben doch einräumen müssen, daß eine Frau ein nothwendiges Uebel ist; und Socrates, der ihnen so viel böses nachgesagt, hat derselben niemals entbehren können.
Hiermit wird den Weibern genug, ja fast alles dasjenige zugestanden, was sie verlangen.
Die Fehler, so man ihnen insgemein vorwirft, sind die Buhlerey, die Eifersucht, welche man die Eifersucht der Weiber nennt, die überaus große Neigung zu gefallen und die Rachgier, wenn man ihre Schönheit verachtet hat. Was den letzten Fehler anbetrifft, so hat man gesagt, daß eine Frau, welche zu Jahren gekommen, in eine Wuth gerathe, so bald sie sich dessen erinnert, wofern sie sich dessen nicht mit Vergnügen erinnern kann.
Ich habe mich oftmals recht sehr verwundert, daß die Frauen, die doch einen so hohen Begriff von sich haben, wenn sie von einem Manne reden, den sie verachten, bisweilen sagen: Der liebenswürdige Mann, ach, pfuy, das ist eine Frau, das ist: ein halber Narr, welcher vom Morgen an bis zum Abend sich an sich selbst ergötzet, und mit seinem gekraußten Haare und netten Füßgen beständig beschäftigt ist. Was die Verrichtung der Frauen ausmacht, gereicht einem Manne zur Schande, nach ihrem Sinne; vermuthlich glauben sie, daß diese Kleinigkeiten nur dazu Anlaß geben. Die vornehmste Ursache, so sie haben, diese weibischen Männer zu hassen, ist, daß sie allzuviel mit sich selbst zu thun haben, und sich nicht mit den Damen beschäftigen.

 


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