L I E B E S - L E X I K O N

Die entdeckte Sprache der Verliebten
oder reelles Liebes-Lexikon
aus dem Jahre 1749

 



 




GEGENGUNST

Lassen sie doch gegen meine Zärtlichkeit einige Gegengunst blicken,
das ist: Sie wollen doch hierinnen mit mir übereinstimmen alles zu glauben, was ich ihnen sagen werde, gleichwie ich dem Schein nach alles glauben werde, was sie mir vorsagen.

Kann man ohne Gegengunst zu hoffen lieben? Von dieser Frage wird in verliebten Gesprächen sehr oft gehandelt, und sie ist noch nicht entschieden. Die Meynungen sind unter einander so getheilt, daß es eine Verwegenheit wäre, eine Entscheidung zu wagen;
Dahero hat man sich solches in folgenden Versen nicht unterstanden:

Ein Mädgen von gewölbten Wangen,
Worauf Jasmin und Rosen prangen,
Wird zwar von iedermann geliebt:
Doch wenn sie nicht was wieder giebt,
So wird den Klugen bald vergehen,
Nach solchen Speisen mehr zu stehen.
Ihr hold und liebreich Angesicht,
Ihr schlanker Leib, sind dieses nicht
Ein Zunder angeflammter Liebe?
Alleine dieß erstickt die Triebe,
Wenn man die Reitzung hegen muß
Doch ohne Genuß.
Vielleicht gab Amadis vorzeiten
Ein Beyspiel solcher Prüfung ab.
Doch dieses setzen wir bey Seiten,
Die alte Zeit ist längst ins Grab.
Welch eine Knechtschaft nichts geniessen,
Und doch von süsser Regung wissen.
Die Mädgen sind itzt zu galant,
Und haben den Gebrauch verbannt.

 


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