MODE
Die Mode hat eine unumschränkte Herrschaft über die Franzosen: ihr Leib,
ihr Gemüthe, ihr Verstand, alles ist derselben unterwürfig, man kleidet
sich an, man gehet, man trinket, man ißt, man berührt, man kratzet, man
denket, man redet, man schreibt, man verdammt, man rettet sich nach der
Mode.
In der Liebe übet die Mode auch eine vollkommne Gewalt aus. Verständige
Liebhaber sind nicht mehr Mode. Die Liebe richtet sich nach den Fehlern
der Zeit, ein wenig Furcht, ein höfliches Gemüthe, eine erdichtete
Flamme ist voritzo genug, das übrige ist nicht mehr Mode.
Nach der Mode seyn, ein Mensch nach der Mode.
Ein Mensch der sich in das Herz zweyer oder dreyer Weiber von
Reputation eingeschlichen. Ein blosses Ohngefehr macht einen Mann nach
der Mode; man muß nur anfangs ein wenig Lärm machen, so geht alles gut
von statten. Die Frau Marquisin ist in diesen verliebt, das heißt: sie
wird für eine Kennerin gehalten, alle verliebte Frauenzimmer wollen
wissen, ob sie Ursache habe, alle bemühen sich diesem Menschen zu
gefallen, die eine aus einer wahrhaften Einbildung, die andere aus
Eifersucht für ihre Schönheit, diese sich an einen Verliebten zu rächen,
der sie verlassen hat, eine um die Neigungen eines schläfrigen
Verliebten aufzuwecken, ja alle der Mode nachzugehen. Man streitet um
ihn, man nimmt ihn der andern weg; aber diese Wuth währet nur eine Zeit,
und selten dauret sie länger als die übrigen Colifichets, so in einem
Jahre im Schwange sind. Er ist eine blaue Blume, damit man sich heute
putzt, und die man morgen wegwirft.