L I E B E S - L E X I K O N

Die entdeckte Sprache der Verliebten
oder reelles Liebes-Lexikon
aus dem Jahre 1749

 



 




MODE

Die Mode hat eine unumschränkte Herrschaft über die Franzosen: ihr Leib, ihr Gemüthe, ihr Verstand, alles ist derselben unterwürfig, man kleidet sich an, man gehet, man trinket, man ißt, man berührt, man kratzet, man denket, man redet, man schreibt, man verdammt, man rettet sich nach der Mode.
In der Liebe übet die Mode auch eine vollkommne Gewalt aus. Verständige Liebhaber sind nicht mehr Mode. Die Liebe richtet sich nach den Fehlern der Zeit, ein wenig Furcht, ein höfliches Gemüthe, eine erdichtete Flamme ist voritzo genug, das übrige ist nicht mehr Mode.

Nach der Mode seyn, ein Mensch nach der Mode.
Ein Mensch der sich in das Herz zweyer oder dreyer Weiber von Reputation eingeschlichen. Ein blosses Ohngefehr macht einen Mann nach der Mode; man muß nur anfangs ein wenig Lärm machen, so geht alles gut von statten. Die Frau Marquisin ist in diesen verliebt, das heißt: sie wird für eine Kennerin gehalten, alle verliebte Frauenzimmer wollen wissen, ob sie Ursache habe, alle bemühen sich diesem Menschen zu gefallen, die eine aus einer wahrhaften Einbildung, die andere aus Eifersucht für ihre Schönheit, diese sich an einen Verliebten zu rächen, der sie verlassen hat, eine um die Neigungen eines schläfrigen Verliebten aufzuwecken, ja alle der Mode nachzugehen. Man streitet um ihn, man nimmt ihn der andern weg; aber diese Wuth währet nur eine Zeit, und selten dauret sie länger als die übrigen Colifichets, so in einem Jahre im Schwange sind. Er ist eine blaue Blume, damit man sich heute putzt, und die man morgen wegwirft.


 


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