L I E B E S - L E X I K O N

Die entdeckte Sprache der Verliebten
oder reelles Liebes-Lexikon
aus dem Jahre 1749

 



 




SCHÖNHEIT

Socrates nannte sie eine Tyranney oder eine Regierung von weniger Dauer, Plato einen Freybrief der Natur, Aristoteles eines der kostbarsten Geschenke der Natur, Theophrastus eine stumme Beredsamkeit, Diogenes eine viel nachdrücklichere Recommendation als alle Arten von Briefen geben können, Carneades eine Königin ohne Soldaten, Theocritus eine unter den Blumen verborgene Schlange, und Bion ein Gut, welches uns nicht zugehöret, weil es unmöglich ist, sich Schönheit zu geben und zu erhalten. Wenn es uns erlaubt ist, unsere Definition bey so großer Männer ihren herzusetzen, so werden wir sie ein Zuggarn für die tummen nennen. Die Schlange schmeichelte der Eva wegen ihrer Schönheit, und erhielt ihren Zweck. Aus diesem Grunde gehet die Methode auch noch bey aller ihrer Nachkommenschaft wohl von statten, so daß wenn man einmal eine Frau überreden kann, daß man sie für schöne hält, man versichert ist, daß sie gewonnen sey: diese Ueberredung hat solchen Einfluß in das weibliche Gemüthe, daß es selten dasjenige anschlägt, warum man es ersucht, so bald es nur so schwach und eitel gewesen die Lobeserhebungen anzuhören, welche man ihm in diesem Stücke giebt, hingegen aber eine Frau demjenigen niemals verzeiht, welcher die Verwegenheit hat, daß er sie für häßlich und unangenehm hält.
Kurz das vornehmste Verdienst der Frauen ist, daß sie schön sind, allein

Man kann es kurze Zeiten seyn,
Hernach verliehrt sie allen Schein.

 


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