L I E B E S - L E X I K O N

Die entdeckte Sprache der Verliebten
oder reelles Liebes-Lexikon
aus dem Jahre 1749

 



 




SCHULDIGKEIT

Pflicht, welche man hat etwas zu thun, entweder vermöge des Gesetzes oder aus Nothwendigkeit oder wegen des Wohlstandes: überhaupt ist die Schuldigkeit ein verdrüßlicher Herr, den alle Welt los zu werden sucht. Eine Heldinn sagt beym Corneille:

Ich muß aus Schuldigkeit ihm dieses doch gewähren,
Was andre sonst von mir aus Liebe nur begehren.

Diese Beugsamkeit eines Gemüthes ist nicht leicht zu denken, und man könnte eine physicalische und moralische Unmöglichkeit in diesen Ausdrücken anzeigen.

Ich, sollte ich meine Schuldigkeit nicht beobachten? sagt eine Schöne. Dieses ist ein Schild, welchen sie allen Anfällen eines Verliebten entgegen setzet; aber dieser Schild ist nur den Pfeilen eines Neulings undurchdringlich. Eine Schöne, welche von ihrer Schuldigkeit redet, übertritt dieselbe bald darauf: dieses ist eine Art von Capitulation.
Ein gewisser, der sich darauf verstand, indem er von dem Siege eines Verliebten redet, setzet hinzu:

Es mag die Schöne widerstreben,
Und ihre Schuldigkeit erheben,
Zur Zeit, die sich die Liebe selbst bestimmt,
Sieht man, wie Schuldigkeit gar bald ein Ende nimmt.

 


zurück zum Stichwort-Verzeichnis
 

zurück zur Startseite