Liebeslyrik - Miniaturen

Gedichte und Gedicht-Zitate (Stichwort: Heilig)
 


Franz Marc (1880-1916)
Liebespaar


 



Stichwort: Heilig

16./17. Jh.      18. Jh.      19/20. Jh.

 

16./17. Jh.

 

  • Anonyme Barockdichter

    Was hab ich armer doch gemacht /
    O tugend-göttin aller schönen!
    Daß sie mich niemahls würdig acht
    Mit ihrer gottheit zu versöhnen?
    Soll ich denn keine ruhe finden
    Vor nie begangne liebes-sünden?

    Längst hab ich ein altar gesetzt /
    Ein denckmahl harter buß zu stifften /
    In welchen Amors hand geetzt
    Mit diamant und güldnen schrifften:
    Der schönsten göttin von der erden
    Soll dieser einzig
    heilig werden.
    ____

     

  • Christoph Gottehr Burghart (1682-1745)

    An eine Nonne

    Darff sich was weltliches in deine zelle wagen?
    Darff wohl / O
    heilige / bey dir ein sünder stehn?
    Du pflegest sonsten zwar mit engeln umzugehn;
    Jedoch GOtt selber will sein hauß uns nicht versagen /
    Wann wir nur an die brust mit leyd und reue schlagen:
    Mich drückt der sünden-last; du wirst dein lob erhöhn /
    Woferne du mich läst bey dir zur beichte gehn;
    So laß dich doch um rath vor mein gewissen fragen /
    Du bist die Priesterin; dein leib ist mein Altar /
    Die beyden lichter drauff sind deiner augen paar;
    Der tempel aber selbst ist deine dunckle zelle /
    Ach sprich mich /
    heilige / von meinen sünden loß /
    Die straffe leg' ich dir ganz willig in die Schooß /
    Wo nicht / so bringet mich die schuld noch in die hölle.
    _____

     

  • Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679)

    Hat das verhängniß mir den steg zu dir verzehrt /
    Kan ich / o Göttin! nicht dein rein altar berühren /
    Soll auf dein
    heiligthum ich keinen finger führen /
    So hat mir doch die pflicht noch keine zeit verwehrt.
    Mein geist muß opfer seyn / mein herze wird der herd /
    Ich thue / was ich kan / und was sich wil gebühren /
    Ich weiß / du wirst itzund mehr als genug verspüren /
    Was vor ein reiner dampf zu deinem throne fährt.
    Ich ehre dich allhier / zwar ohne licht und kerzen /
    Durch einen heissen trieb / aus einem reinem herzen /
    Die flamme brennet zwar itzt durch verdeckten schein /
    Und beug ich keine knie / so beug ich das gemüthe /
    Acht wörter rühren mir itzunder mein geblüte:
    Die Gottheit wil geehrt / und nicht geschauet seyn.
    _____


     

18. Jh.

 

  • Charlotte von Ahlefeld (1781-1849)

    Als mir, von goldner Freiheit noch umfangen,
    Des Daseyns Fülle blühend sich erschloß,
    Da war's ein dunkles,
    heiliges Verlangen,
    Das über mich der Sehnsucht Flammen goß.
    _____

    Diese Blume – ach sie kam von ihr!
    Auch verwelkt noch ist sie
    heilig mir.
    Längst sind ihre Farben hingeschwunden,
    Wie die Seligkeit vergangner Stunden -
    Aber dennoch bleibt sie
    heilig mir,
    Diese Blume – denn sie kam von ihr.
    _____

    Bewahre
    heilig, was ich Dir gegeben,
    Denn ach – wer weiß, ob wir uns wiedersehn;
    Ob unsre Wege durch das weite Leben
    Nicht nach verschiednen, öden Zielen gehn,
    Wo fern von Dir, in still verschwiegnen Thränen,
    Mich heimlich aufzehrt meines Herzens Sehnen.
    _____

     

  • Sophie Albrecht (1757-1840)

    Mit einem Briefe

    Mit der Liebe schnellem Flügel,
    Ueber Berge, über Hügel,
    Eile, theures Briefchen, hin,
    Wo ich oft im Geiste bin.

    Heiß und innig ihn zu fragen,
    Ob der Inhalt meiner Klagen,
    Ob die Thräne, die ihm fließt,
    Heilig seinem Herzen ist.
    _____


    Liebe

    Süße Qual in meinem Herzen,
    Die sein holder Name giebt,
    Ruft mit tausendfachen Schmerzen:
    Nie als jetzt hab' ich geliebt!

    Dieses Klopfen, dieses Sehnen,
    Ha! wem gilt der Flammenstreit?
    Sind der Tugend diese Thränen?
    Sind der Wollust sie geweiht?

    Sehnsucht, wie sie keine kannte,
    Seit die Lieb' ein Weib gekannt,
    Knüpfst du himmlisch unsre Bande?
    Wirst du Unschuld noch genannt?

    Tausend kühne Wünsche beben,
    Kühn vermess'ne Pulse fliehn -
    Wollt' ich ihnen Namen geben,
    Würde Schaam die Stirn' umglühn.

    Selbst der Tugend ernste Büste -
    Einst mein schönstes
    Heiligthum -
    Wandelt, seit sein Mund mich küßte,
    Sich zur Liebesgöttin um.
    _____

     

  • Rosa Maria Assing (1783-1840)

    Erste Liebe

    Thränen thauen still vom Auge nieder,
    In Erinnrung längst entschwundner Lust;
    Nie ach! hebt in solchem Glück sich wieder
    Je so lebensvoll und warm die Brust

    Als in jenen schönen Frühlingstagen,
    Da zum erstenmal mich traf dein Blick,
    Und ich ahnungsvoll mit süßem Zagen
    Fühlte nahen mir der Liebe Glück.

    Schön und golden flossen da die Stunden,
    Hoch begeistert war mein junger Sinn;
    Liebe, die ich damals tief empfunden,
    Ist auf ewig wie ein Traum dahin!

    Vieles hat die Brust seitdem durchzogen,
    Hohe Freude, tiefe Seelenpein,
    Doch in des bewegten Lebens Wogen
    Ging nie unter jener Tage Schein,

    Der mir noch dein süßes Bild erhellet,
    Das, ein
    Heiligthum, im Innern steht,
    Und dem ewig Schönen beigesellet
    Nie in meiner Seele untergeht!
    _____

     

  • Susanne von Bandemer (1751-1828)

    Ha! wenn nur bald die Götterstunde schläget!
    Die meine Sehnsucht ungestüm erreget,
    Wo er an meinen Busen zärtlich sinket
    Und Liebe winket.

    Dann wird Entzückung ganz mein Ich durchdringen:
    In seinem Arm werd' ich, wie Sappho, singen,
    Und an der Liebe
    heiligen Altären
    Dich, Göttin! ehren.
    _____

     

  • Friederike Brun (1765-1835)

    Es steht ein Fels von der Wog' umrauscht,
    In Provincia's purpurnen Fluthen,
    Da hab' ich einst Seel' um Seele getauscht
    In liebezerschmelzenden Gluthen!
    Es schwebten im ewigen Reihentanz
    Die Sternlein auf mondlicher Wogen Glanz,
    O
    heilige Stunde der Liebe!
    _____

     

  • Gottfried August Bürger (1747-1794)

    Meiner Augen Denkmal sei dies blaue
    Kränzchen flehender Vergißmeinnicht,
    Oft beträufelt von der Wehmut Taue,
    Der hervor durch sie vom Herzen bricht!

    Diese Schleife, welche deinem Triebe
    Oft des Busens
    Heiligtum verschloß,
    Hegt die Kraft des Hauches meiner Liebe,
    Der hinein mit tausend Küssen floß.

    Mann der Liebe! Mann der Lust und Schmerzen!
    Du, für den ich alles that und litt,
    Nimm von allem! Nimm von meinem Herzen -
    Doch - du nimmst ja selbst das Ganze mit!
    _____


    Lied

    Mein frommes Mädchen ängstigt sich,
    Wann ich zu viel verlange;
    Die Angst der Armen macht, daß ich
    Von Herzen mir erbange.

    Schwebt unversucht alsdann vor mir
    Der Wollust süßer Angel,
    So härmt sie sich noch ärger schier
    Und wähnet Liebesmangel.

    So, hier und dort gebracht in Drang,
    Ersticken unsre Freuden.
    O Liebe, löse diesen Zwang
    An einem von uns beiden!

    Gib, daß sie mich an Herz und Sinn
    Zum
    Heiligen bekehre,
    Wo nicht, daß sie als Sünderin
    Des Sünders Wunsch erhöre!
    _____

     

  • Helmina von Chézy (1783-1856)

    An Seraphina
    Wien, 7. Mai 1828

    Ich weiß auf weiter Erde
    Ein Wesen nur, wie Dich,
    Vor Gott, und vor der Einen
    Beug' ich an Andacht mich.

    Wie süß ist's, Dich zu denken!
    In Deiner Lieblichkeit
    Die Seele zu versenken
    Gibt Trost in herbem Leid.

    O leucht' im Glorienscheine
    Stets selig, klar und rein,
    Du
    Heilige, Du Meine,
    Vor Gott gedenke mein!
    _____

     

  • Theodor Körner (1791-1813)

    Ich fühle plötzlich in den dunklen Locken
    Ein leises Wehn;
    Die Ahnung ruft, die vollen Adern stocken,
    Die Pulse stehn. -

    Es war dein Geist, und
    heilig auf der Wange
    Fühlt' ich den Kuß;
    An deiner Lippen küssendem Gesange
    Kannt' ich den Gruß.

    Es war dein Geist! Es war der Hauch der Liebe!
    Hast mein gedacht!
    O, daß sie ewig, ewig, ewig bliebe
    Die schöne Nacht!
    _____

     

19./20. Jh.

 

  • Frida Bettingen (1865-1924)

    Priesterin ewig unnennbarer Liebe

    Ich bin durch ein zartes Herz hindurchgeglitten
    in das erhabene Herz der Erde.

    Ich bin aller Dinge Wesen, Wanderschaft,
    Abendziel, Geburt und Sterbegebärde.

    Ich bin Sättigung aller Meere, und Durst.
    Oh, meine Freunde, dürstet!
    Heiliger Durst beseelt …

    Ich bin mit Acker und Menschengebeten
    und dem All-Odem der heiligen Sterne
    vermählt:

    Priesterin ewig unnennbarer Liebe.
    _____

     

  • Otto Julius Bierbaum (1865-1910)

    Wie wunderbar
    Der Maitag war!
    So frisch, so hell, so kühn, so jung,
    Wie Kinderglückserinnerung,
    Und so voll Liebe und
    Heiligkeit;
    Ach, kranke Welt, wie bist du weit,
    Weit von uns fern mit deiner Gier,
    Mit deinem Haß, mit deinem Streich, -
    Wir seligen, seligen Kinder wir!
    _____

    Wenn im braunen Hafen
    Alle Schiffe schlafen,
    Wach ich auf zu dir.
    Stille in der Runde,
    Heilig diese Stunde,
    Denn sie bringt dich, atemhaltend, mir.
    _____

    Wir gingen durch die dunkle, milde Nacht,
    Dein Arm in meinem,
    Dein Auge in meinem;
    Der Mond goß silbernes Licht
    Ueber dein Angesicht;
    Wie auf Goldgrund ruhte dein schönes Haupt,
    Und du erschienst mir wie eine
    Heilige: mild,
    Mild und groß und seelenübervoll,
    Gütig und rein wie die liebe Sonne.
    _____

     

  • Rudolf G. Binding (1867-1938)

    Du Vertraute meiner Räusche,
    heiliger Nächte stiller Glanz,
    Ganz-Verlorne, Trunken-Keusche,
    die du trugest meinen Kranz,

    sieh, dich muß ich jäh verlassen,
    lächelnd eben noch beglückt;
    will erblindend ich dich fassen
    bin ich sehend schon entrückt.
    _____


    Tag der Liebe

    Hat dich
    heiliger ein Hauch berührt?
    Hat die Sonne heißer dich gegrüßt?
    Bist vom Blühen wilder du verführt?
    bist von Sehnsucht tiefer du versüßt?

    Schreite selig in dein Licht empor.
    Schnell verflogen ist was schwert und trübt.
    Raunt es dir das Leben doch ins Ohr:
    Tausend tausendfach bist du geliebt.
    _____

    Mich zu beglücken hob sein Lid er sanft,
    mich zu befrieden gab er seine Lippen
    kaum wie den Trank den Kelchen die am Ranft
    der toten Weiher kühle Wasser nippen -

    Bin ich so fremd daß er wie einen Gast
    mich in sein Leben eingehn heißt und wieder
    hinausgehn läßt und schon als halbe Last
    vergessen wird eh noch die Nacht sinkt nieder? -

    O Nicht! o süßes Wehren! seliges Nein!
    die nun aus stummer Augen Tiefe steigen:
    o Liebkosung, Befriedung, Brot und Wein.

    Ich fühle bebend den gehemmten Strom
    in seinem Beben. Überm
    heiligen Schweigen
    zitternder Leiber steigt der Liebe Dom.
    _____

    Die zu weihen liebend er gedacht hat
    hebend sie vom Grund mit guten Händen:
    niemals werden nun die Brände enden
    in dem Leib den sehnend er entfacht hat.

    Von den Stürmen meines Glücks umfangen
    steh ich taumelnd in den
    heiligen Flammen
    seiner Küsse und in eins zusammen
    stürzt die Weihe, stürzt das Neu-Verlangen.

    Die in Scham und Schmach so tief verwirrt ist,
    die in seinem Kuß so tief verirrt ist
    wie in Ewiges -: ich brenne dehne

    mich zu endlosem Sich-ihm-Verschwenden.
    Wie soll dies Unendliche je enden
    da ich ewig ihn unendlich sehne?
    _____

    Schon wird was eng uns umzirkt
    heilig in schweigendem Gruß;
    schon immortellendurchwirkt
    küßt ihr die Wiese den Fuß.

    Ich aber küßte ihr Herz
    geradwegs von Lippe zum Grund
    und von der sonnigen Brust
    kehrte ich aufwärts zum Mund.

    Tiere im letzten Gebusch
    regten nicht Wimper noch Lid
    und keines Vogels Gehusch
    heilig Umarmen verriet.

    Tief von der Liebe verschönt
    steiget die Göttin zum Meer
    daß sie sich sühnend versöhnt -
    Rosen des Lichts um sie her.
    _____

     

  • Ernst Blass (1890-1939)

    Bin dir tief
    Zugetan!
    Was dich rief,
    War kein Wahn.

    Glaube mir,
    Meinem Muss!
    Folge dir,
    Deinem Kuss!

    Süsses Blut,
    Hoher Traum,
    Bunte Glut,
    Heiliger Raum.
    _____


    Den Fluch und Segen, beides hält umschlossen
    Dein fliessendes und offenes Element.
    Ein heller Strom bin ich zu dir geflossen,
    Ich, der Verführte, der dich nicht verkennt.

    Du, manchem Hexe, wurdest mir zur Fee.
    Ich wende mich zu deinem
    Heiligtume,
    In Treu gelobend, dass, wo ich auch geh',
    Ich zu dir streben werde, Blaue Blume.
    _____

     

  • Helene Branco (Ps. Dilia Helena) (1816-1894)

    Mädchen-Lied

    Heilige Gluthen
    Füllen die Brust,
    Seit mir der Liebe
    Glück ist bewußt.

    O, wie verwandelt
    Sonnig erhellt,
    Seit du mich liebest,
    Scheint mir die Welt!

    Nur von dem Worte,
    Das du gesprochen,
    Lebet die Seele
    Ununterbrochen.

    Dir folgt im Glücke,
    Dir folgt im Leid
    All' meine Liebe
    Durch alle Zeit.
    _____


    Das Mädchen mit der Feldblume

    Kleine Blume, bin dir gut,
    Weil so liebes auf dir ruht.

    Edle Hand hat dich gepflückt,
    Schönes Aug' dich angeblickt.

    Mit wie trautem Blick und Wort
    Gab er dich, o Blume, fort.

    Tauschte nicht den Edelstein
    Gegen deinen Zauberschein.

    Täglich in der Abendstund'
    Küßt dich weinend still mein Mund.

    Schlug' um dich ein seidnes Band,
    Trage dich als Liebespfand.

    Welkst du gleich an meiner Brust,
    Scheint mir das doch kein Verlust.

    Denke, stürb' ich auch gleich dir,
    Ehrt er
    Heiliges in mir.
    _____

     

  • Clemens Brentano (1778-1842)

    Die Liebe fing mich ein mit ihren Netzen,
    Und Hoffnung bietet mir die Freiheit an;
    Ich binde mich den
    heiligen Gesetzen,
    Und alle Pflicht erscheint ein leerer Wahn.
    Es stürzen bald des alten Glaubens Götzen,
    Zieht die Natur mich so mit Liebe an.
    O süßer Tod, in Liebe neu geboren,
    Bin ich der Welt, doch sie mir nicht verloren.
    _____

    Um uns her der Waldnacht
    heilig Rauschen
    Und der Büsche abendlich Gebet,
    Seh' ich dich so lieblich bange lauschen
    Wenn der West durch dürre Blätter weht.

    Und ich bitte: Jinni holde, milde
    Sieh ich dürste, sehne mich nach dir
    Sinnend blickst du durch der Nacht Gefilde
    Wende deinen süßen Blick nach mir.
    _____

     

  • Georg Busse-Palma (1876-1915)

    Er nannte mich: "Du
    Heilig-Reine",
    Doch war nicht reinlich, was er tat.
    Er bog die Knie und küßte meine,
    So bang ich um Erbarmen bat.

    Er rief von Leidenschaft gerötet:
    "Madonna du, wie bist du schön!" –
    Doch wie er mich dann angebetet,
    Das kann kein Mädchenmund gestehn!

    Ich ward entheiligt und erhoben.
    Mir schwand die Welt in Weh und Lust.
    Ich fiel und stieg dann doch nach oben
    Und nahm ihn mit an meiner Brust. –
    _____

     

  • Ada Christen (1839-1901)

    So ist es

    Du kennst mich nicht, du liebst mich nicht,
    Und Alles bist du mir;
    Du hältst mich wie ein Spielzeug nur,
    Und Alles zieht mich zu dir.

    Aus Moder, Schutt und Elend
    Schlagen
    heilige Flammen,
    Dich wärmen sie nicht; - mein Leben
    Brennen sie zusammen.
    _____

     

  • Peter Cornelius (1824-1874)

    Treue

    Dein Gedenken lebt in Liedern fort;
    Lieder, die der tiefsten Brust entwallen,
    Sagen mir: du lebst in ihnen allen,
    Und gewiß, die Lieder halten Wort.

    Dein Gedenken blüht in Tränen fort;
    Tränen, aus des Herzens
    Heiligtume
    Nähren tauend der Erinn'rung Blume,
    In dem Tau blüht dein Gedenken fort.

    Dein Gedenken lebt in Träumen fort;
    Träume, die dein Bild verklärt mir zeigen,
    Sagen: daß du ewig bist mein eigen,
    Und gewiß, die Träume halten Wort.
    _____


    Ave Maria

    Lenz ist gekommen
    Duftig und reich;
    Lieb' ist erglommen
    Mit ihm zugleich.
    Ave Maria!

    Blüten, ihr süßen!
    Seid ihr erwacht?
    Helft mir, sie grüßen,
    Duftet und lacht:
    Ave Maria!

    Helft mir, sie preisen,
    Vögel im Hain,
    Mischt eure Weisen
    Grüßend mit ein:
    Ave Maria!

    Schmetterling, gelber!
    Flieg ihr vorbei,
    Sag' es ihr selber,
    Wie schön sie sei!
    Ave Maria!

    Bächlein! dein Rauschen
    Durch das Gefild
    Wird sie belauschen;
    Grüße sie mild:
    Ave Maria!

    Sterne so golden!
    Leuchtende Schar!
    Bringet der Holden
    Huldigung dar!
    Ave Maria!

    Heilige Töne
    Herz, hast auch du!
    Grüße die Schöne,
    Ruf es ihr zu:
    Ave Maria!
    _____

     

  • Max Dauthendey (1867-1918)

    Liebste

    Jeden deiner Schritte möchte ich besingen.
    Meine Lieder nehmen immer wieder dich in ihre Mitte,
    Möchten, wie dein Blut, dich rot durchdringen.

    Heilig sind mir die Sekunden und kurzweilig,
    Seit ich in dir meine Lust gefunden, meine wache,
    Seitdem sind die Stunden nicht mehr eine abgetane Sache.
    Unumwunden möchte ich sie dicken Bänden einverleiben,
    Mit zwei Händen die Minuten singend niederschreiben,
    Möcht' mich noch im Lied an deinem Anblick weiden.
    Möchte dich an jedem Glied, vor den Augen beiden,
    Wie in einem Liederbache ganz entkleiden.
    Möchte, daß dich alle Worte meiner Sprache nennen,
    Gleich wie deiner Kleider Faltenrauschen im Gemache;
    Lieder, mehr als Ziegel auf dem Dache,
    Lieder, wie die Atemzüge, die von mir zu dir hinbrennen. -
    Nur in Wollust und in Liebe lernen sich Verliebte kennen.
    _____

     

  • Marie Eugenie Delle Grazie (1864-1931)

    Denn wo mir wahre Schönheit beim Weibe begegnet,
    Da pocht mein Herz, von
    heiliger Gluth durchdrungen,
    Und süße Wonne erfüllt meine Brust;
    Hinsinken könnt' ich, von ihrem Strahle getroffen,
    Und knieend ihre göttlichen Formen verehren!
    _____

     

  • Carl Ferdinand Dräxler-Manfred (1806-1879)

    Was
    Heilige verehren
    Und Bilder an Altären -
    Jetzt ist es mir enthüllt,
    Seit, Wonne meinen Blicken,
    Mit trunkenem Entzücken
    Dein Bildniß mich erfüllt.
    _____

     

  • Ludwig Eichrodt (1827-1892)

    Wie soll ich lernen ihn vergessen
    Den heißen, einen, letzten Kuß!
    O schilt ihn, Theure, nicht vermessen
    So schmerzvoll süßen Abschiedsgruß!

    Wer wollte weise sich bewachen,
    Wenn
    heilig in dem Busen brennt -?
    Die Welt mit ihren sieben Sachen
    Verschlang der festliche Moment.
    _____

     

  • Bruno Ertler (1889-1927)

    Vorübergehen

    Alles ist ein Vorübergehen —
    Grüßen — tastendes Händereichen —
    und wenn wir uns in die Augen sehen,
    so ist es ein Fragen, ein Abwehr-Flehen,
    halbes Begreifen — halbes Entweichen.

    Doch ist uns das bange Wunder geschehen,
    daß wir tiefer Gemeinschaft
    heilige Zeichen
    erschauernd plötzlich an uns verstehen —
    dann mögen wir wohl wie im Traume gehen
    und nächtlich blühenden Bäumen gleichen.

    Denn über Wort und Gebärde weit
    ist solcher Stunde Versunkenheit —
    wie Lieder, die aus der Ferne wehen
    und fernhin gehen nach goldenen Reichen. —
    _____

    Es gibt keine Welt —
    es gibt keinen Tod —
    kein drängendes Irren mehr
    und kein Morgen-Erwarten.

    Reiner Bereitschaft zuckendes, großes "Ja!"
    hüllt uns in jauchzende Brände
    wollender Kraft —
    und der Rausch, der aus uns aufloht,
    reißt mit
    heilig frevelnder Gebärde
    den glühenden Schöpferstab
    aus der Hand Gottes
    und zieht einen funkelnden Bannkreis
    um unser Lager.
    _____

     

  • Karoline von Fidler (1801-1874)

    In Lieb' und Dank sich selig auszudehnen
    Ist meines Herzens
    heiligster Beruf!
    Ob Himmelslust, ob ungestilltes Sehnen
    Den feuchten Strahl im Seelenspiegel schuf,
    Er thauet kühlend auf die heiße Brust,
    Die der Bedeutung Tiefe sich bewußt.
    _____

     

  • Johann Georg Fischer (1816-1897)

    Ich bin der Herr, dein einz'ger Gott, und du
    Sollst neben mir nicht andre Götter haben,
    Ruft das Gesetz dem Menschenkinde zu,
    Denn in dem Einen hast du alle Gaben;
    Doch daß mit Augen du die Wahrheit schaust,
    Sei an die Seite dir das Weib gegeben,
    In dem du einen Tempel dir erbaust
    Und
    heiligst und erfüllst ein ganzes Leben.

    Dein Frühling ist, wenn dich ein Weib entzückt,
    Denn ohne Liebe duftet keine Blume,
    Und schönrer Glaube hat dich nie geschmückt,
    Als wenn du kniest vor diesem
    Heiligthume;
    Ja glaube, dein ist, was dir blüht und lacht,
    Du sollst der Erde Seligstes erfahren,
    Besitz' es ganz und lasse seine Macht
    Auf immer deinen Glauben dir bewahren.
    _____


    Reliquien

    Weißt du es noch, wie dir im Spiel
    Am Raine des Gartens ein Band entfiel,
    Wie mein bebender Finger mit heimlicher Hast,
    Du süßestes Mädchen, das Pfand erfaßt,
    Und meine Wonne ich nun verborgen
    Entgegengeträumt dem nächsten Morgen? -
    Du weißt es nimmer, denn bald vergißt
    Ein Kind sich selbst, das selig ist.

    Doch mir, mir leuchtet er immerfort
    Mit Wunderglanz der gesegnete Ort,
    Die sonnige Stelle, so warm und lind,
    An der es war, du verklärtes Kind.
    Und wie du standest - ich seh' dich noch,
    So festlich still, so sinnend hoch;
    Versunken steh' ich und schaue dich an,
    Den Himmel über dir aufgethan,
    Wie dich umstrahlt sein Glorienlicht
    Gleich einer
    Heiligen Angesicht.
    _____

     

  • Stefan George (1868-1933)

    Die alte liebe noch?
    In ihrer torheit noch und wildheit gleich
    An lockenden und üppigen bildern reich?
    Sie ist noch so.
    Das blumenblättchen deiner hand entflogen
    An dem ich fromm und erhrfurchtsvoll gesogen?
    Nein nicht mehr so!
    Sie ist noch - schlägt noch ihre alten wunden
    Jedoch das
    heilige ist daraus entschwunden.
    _____


    AGELIED

    Da nacht den neuen morgen noch umschattet
    Und dein gemach
    (Ein sichres dach)
    Noch lange freuden uns gestattet:
    Was soll dein leises weinen
    Und dein weher blick?
    - Des glückes stunden meinen
    Für mich ein missgeschick.

    Es tröste dich mein schwur
    Dass du auch fürder keusch mir bist
    Und ich zu deinen füssen
    Ergeben dich als engel nur
    Beschauen will und grüssen ·
    Dein ganzer leib mir lieb und
    heilig ist ·
    An jedem glied
    Mein haupt mit inbrunst hängt
    Und mit gesenktem lid
    So wie man Gott empfängt.

    Und trenn ich mich für heut · für ferne fahrt:
    Ich trage auf der brust verwahrt
    Das seidentuch worauf dein name steht
    Der mich wie ein gebet
    Eh spiel und schlacht beginnen
    Bestärkt und sieg mir bringt.
    - O möchten dann nur meine tränen rinnen
    Wann uns des wächters horn zu scheiden zwingt.
    _____

     

  • Hermann von Gilm (1812-1864)

    Meine Liebe

    Begrab' die Lieb' mit Sang und Klang,
    Mit Blumen und mit Thränen,
    O komm, es ist der schwere Gang
    So schwer nicht, als wir wähnen.

    Sie war so jung, konnt' reden kaum,
    Sie konnte noch nicht küssen,
    Ein keuscher Rosenknospentraum,
    Der früh hat sterben müssen.

    Sie war so
    heilig, licht und rein –
    Ja, weine nur und weine!
    Könnt' leid doch einem Engel sein,
    Um uns're todte Kleine.

    Doch glaube mir und denke nie,
    Daß wir vergessen werden;
    Die wahre Lieb', du deckest sie
    Mit keiner Handvoll Erden.

    Hat nicht die Welt, was wahr und echt
    Erst durch den Tod erworben?
    Mir ist, die Liebe leb' erst recht
    Seit sie für uns gestorben.
    _____

     

  • Felix Grafe (1888-1942)

    Ich bin vom großen Stamm der Götter,
    ich bin der höchste, euer Gott.
    Ich bin vom Stamm der großen Spötter,
    und wahrlich, furchtbar ist mein Spott.

    Mein Spott ist furchtbar wie Gewitter,
    das jagend durch die Felder springt,
    dem bittersten noch ist er bitter,
    ein Trank, den keiner lachend trinkt.

    Ich bin der große Gott der Lüge,
    auf krummen Wegen kriecht mein Geist -
    ich bin der Gott der Winkelzüge,
    der euch der Gott der Liebe heißt.

    Ihr alle seid wie Schachfiguren,
    ein toller Märchenspuk und -spott -
    ein Kreis von
    Heiligen und Huren,
    und ich - bin diesem Kreis ein Gott.

    Der
    Heiligenschein um eure Stirnen
    ist nur ein falscher
    Heiligenschein -
    und eure Worte, eure Dirnen,
    selbst euer Schlamm ist noch zu rein.

    Trüb seh ich eure Wahrheit scheinen
    zu Boden fliegt, verfliegt mein Spott -
    mich überfällt ein stummes Weinen -
    bin ich noch - war ich je ein Gott?
    _____

     

  • Franz Grillparzer (1791-1872)

    Mich reizt nicht das Glück der Toren,
    nicht der Wollust Vollgenuß,
    Liebe, dich hab ich erkoren
    als ich Molly Treu geschworen,
    bei der Holden ersten Kuß!

    Weg da mit dem eiteln Ruhme
    feiler Wollust Knecht zu sein!
    in der Liebe
    Heiligtume
    blüht mir eine schönre Blume,
    Molly, Molly du bist mein!
    _____

     

  • Alfred Grünewald (1884-1942)

    Vision

    Wir sehn dich ganz im Hellen wandeln,
    so schwebend wie auf Wellen wandeln.
    Und wie sich jetzt die leisen Töne
    zum süßen Lied im Schwellen wandeln,
    sehn wir mit Staunen dir zur Seite
    die
    heiligen Gazellen wandeln.
    _____


    Trennung nach erstem Besuch

    Kann es denn sein, daß ich dich wiedersehe?!
    Dies Zimmer war verzaubert. Deine Nähe

    gab leise Glorie jedem Ding und war
    schon fast Erinnerung. Dein helles Haar

    berührte diese Kissen. Fänd ich doch
    die Schmiegung deines schönen Hauptes noch!

    Dies Glas, das eingereiht im Schranke steht,
    du trankst daraus. Welch
    heiliges Gerät!

    Du hieltest dieses Buch in deinen Händen.
    Nur zitternd kann ich seine Seiten wenden.

    Durch jene Türe tratst du schüchtern ein.
    Der Spiegel fing dein Bild. O blieb' es mein!

    Dort saßest du und dort. - Ich fass' es kaum:
    Altäre standen im vertrauten Raum.
    _____

     

  • Ida von Hahn-Hahn (1805-1880)

    "Dein Bild allein" hebt ewig unverloren
    Sich aus des Busens
    Heiligthum empor,
    Und gleich dem Phönix, den der Glanz geboren,
    So geht es aus dem Flammenmeer hervor,
    Wenn alle Schmerzen, welche mich durchdringen,
    Vor seinem Nah'n in Harmonie verklingen.
    _____

     

  • Adolf Hain (1825-1854)

    Da sah ich dich, du feine zarte Blume!
    Und Sonnenlicht drang in die kranke Brust
    Aus deiner frommen Augen
    Heiligthume,
    Dein Mund, er lächelte mir neue Lust:
    So gut, so rein, nicht eitel, fern von Ruhme:
    Da ward ich jener Wahrheit mir bewußt,
    Daß keine Wahrheit in der Lust der Sinne,
    Daß Seelenliebe nur das Glück gewinne.
    _____

     

  • Friedrich Hebbel (1813-1863)

    Das
    Heiligste

    Wenn zwei sich in einander still versenken,
    Nicht durch ein schnödes Feuer aufgewiegelt,
    Nein, keusch in Liebe, die die Unschuld spiegelt,
    Und schamhaft zitternd, während sie sich tränken;

    Dann müssen beide Welten sich verschränken,
    Dann wird die Tiefe der Natur entriegelt,
    Und aus dem Schöpfungsborn, im Ich entsiegelt,
    Springt eine Welle, die die Sterne lenken.

    Was in dem Geist des Mannes, ungestaltet,
    Und in der Brust des Weibes, kaum empfunden,
    Als Schönstes dämmerte, das muß sich mischen;

    Gott aber tut, die eben sich entfaltet,
    Die lichten Bilder seiner jüngsten Stunden
    Hinzu, die unverkörperten und frischen.
    _____

     

  • Alfred Walter Heymel (1878-1914)

    Gelöbnis

    Mir soll die Freundschaft
    heilig sein,
    die Liebe ein Gebet.
    Euch süßen Frauen will ich ein
    getreuer Knecht und Liebling sein,
    solang mein Atem geht.

    Ich trete in den Tempel ein,
    hoch, stolz und leicht erbaut.
    Dir, Aphrodite, ganz allein
    will ich ein frommer Priester sein,
    bis schwarzes Haar ergraut.

    Muß endlich dann gestorben sein,
    bringt mir das letzte Mahl,
    bringt Lichter, Rosen, klaren Wein,
    mein Leben soll genommen sein
    von Lippen fein und schmal.
    _____

     

  • Friedrich Hölderlin (1770-1843)

    DIOTIMA

    Du schweigst und duldest, und sie verstehn dich nicht,
    Du
    heilig Leben! welkest hinweg und schweigst,
    Denn ach, vergebens bei Barbaren
    Suchst du die Deinen im Sonnenlichte,

    Die zärtlichgroßen Seelen, die nimmer sind!
    Doch eilt die Zeit. Noch siehet mein sterblich Lied
    Den Tag, der, Diotima! nächst den
    Göttern mit Helden dich nennt, und dir gleicht.
    _____


    ABBITTE

    Heilig Wesen! gestört hab ich die goldene
    Götterruhe dir oft, und der geheimeren,
    Tiefern Schmerzen des Lebens
    Hast du manche gelernt von mir.

    O vergiß es, vergib! gleich dem Gewölke dort
    Vor dem friedlichen Mond, geh ich dahin, und du
    Ruhst und glänzest in deiner
    Schöne wieder, du süßes Licht!
    _____


    MENSCHENBEIFALL

    Ist nicht
    heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
    Seit ich liebe? warum achtetet ihr mich mehr,
    Da ich stolzer und wilder,
    Wortereicher und leerer war?

    Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
    Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
    An das Göttliche glauben
    Die allein, die es selber sind.
    _____

    Diotima! edles Leben!
    Schwester,
    heilig mir verwandt!
    Eh ich dir die Hand gegeben,
    Hab ich ferne dich gekannt.
    Damals schon, da ich in Träumen,
    Mir entlockt vom heitern Tag,
    Unter meines Gartens Bäumen,
    Ein zufriedner Knabe, lag,
    Da in leiser Lust und Schöne
    Meiner Seele Mai begann,
    Säuselte, wie Zephirstöne,
    Göttliche! dein Geist mich an.
    _____

     

  • Ludwig Jacobowski (1868-1900)

    Bekehrt

    Hab' immer höhnisch aufgelacht,
    Wenn ihr von Frauenwürde spracht,
    Von einer reinen Weibesseele,
    Die voller Unschuld, ohne Fehle,
    Von mancher keuschen Mädchenblüte,
    Die warmen Herzens, voller Güte.
    Und erst des Weibes
    Heiligkeit
    Die prieset ihr gar lang und breit;
    Ich lachte bitter fort und fort,
    Und glaubte euch kein einzig Wort,
    Und dacht' dabei an manches Weib,
    Mit frechen Augen, schönem Leib,
    Das im Genusse selig lacht,
    Die Nächte sich zu Tagen macht,
    Mit reichem Schmucke schwer behangen,
    Mit vollen rotgeschminkten Wangen,
    Das lachend lockt und fröhlich tollt,
    Bis es das Leben überrollt,
    Das selig lebt und dann verdirbt,
    Im Kusse lebt, im Wasser stirbt.

    Da sah ich nun dein Angesicht,
    Was mir geschah, ich weiß es nicht.
    Ich hab' wohl mancherlei gedacht,
    Doch höhnisch hab' ich nicht gelacht,
    Und immer wieder, wenn ich seh
    Die stillen Augen in der Näh',
    Stirbt alle sündige Begehr,
    Und weiß kein unrein Scheltwort mehr,
    Und bitte dir im stillen ab,
    Was ich für böse Worte gab,
    Und hab' Gedanken fromm und gut,
    Als wie so junges, junges Blut.
    Und alles, was mich dazu zwang,
    Ist selig blöder Liebesdrang.
    _____

     

  • Maria Janitschek (1859-1927)

    Zu spät

    Seine Seele steht in Flammen!
    Als die schmachtenden Blumenlippen empfingen
    Den Tropfen Tau, als auf Silberschwingen
    Mondlicht flog an der Erde Brust,
    Und beide sich küßten in heimlicher Lust,
    In der
    heiligen Juninacht
    Ist seine Seele erwacht.

    Die Stirne im Staube lag er vor mir,
    Er lag vor mir, er lag vor mir.
    Seine Hände umschlangen meinen Leib,
    Seine Lippen flehten: Sei mein Weib!
    In der
    heiligen Juninacht
    Ist mein Elend erwacht. - - - -

    Ich bin gefesselt in erzenen Banden,
    Die Ewigkeit hat dabei gestanden,
    Als ich gegeben mein laut Versprechen,
    Selbst ein Gott vermag sein Wort nicht zu brechen. - - -

    Heilige Juninacht!
    Wie hast du mich stark gemacht!
    _____

     

  • Eleonore Kalkowska (1883-1937)

    Die Liebende spricht:

    O mein Geliebter, wie ein edles Wild,
    Das seinen Herrn erkannt — leg ich mich leis
    Zu Füßen dir — und wart auf dein Geheiß.
    Denn in der Seele
    heiligstem Gefild

    Ruht mir dein Antlitz, und — ein roter Schild —
    Umrauschts mein Blut, und blühend Reis um Reis
    Steigt draus empor, umgibt dich wie der Kreis
    Von Lilien auf Botticellis Bild.

    O Liebster, sieh, wie hoch die Blumen ragen!
    Wie soll ich all die Seligkeit nur tragen?
    Könnt ich doch, Liebster, etwas für dich wagen,

    O, etwas tun, mein Glück mir zu erwerben,
    Könnt ich vergehen, könnte ich verderben
    Für dich — o mein Geliebter, könnt ich sterben. ...
    _____

     

  • Minna Kleeberg (1841-1878)

    Dir
    geheiligt

    "O sei mir
    geheiligt!" - so klang dein Wort
    In der Trauung geweihter Stunde;
    Nun bin ich
    geheiligt dir fort und fort,
    Dein eigen im
    heiligsten Bunde.

    Die Augen sind dein,
    geheiligt dir -
    O daß ihre Demuth es künde! -
    Es deckt sie der Wimper keusches Visir
    Vor dem flammenden Blicke der Sünde.

    Dein ist die Hand, die des Ringes Schmuck,
    Deine liebliche Kette, will hegen;
    Sie schlingt nur für dich sich zum Händedruck,
    Sie wirkt und sie schafft dir zum Segen.

    Die Lippe ist dein, - ihr Wort ist dein
    In der Liebe heißem Ergusse;
    Die Lippe soll dir
    geheiligt sein
    Zu der Liebe innigem Kusse.

    Und dir
    geheiligt sind Geist und Herz,
    Meiner Träume Gestalten verweh'ten;
    Für dich will ich leben in Lust und Schmerz,
    Für dich will ich denken und beten.

    O sei mir
    geheiligt! - so klang dein Wort
    In der Trauung geweihter Stunde;
    Nun bin ich
    geheiligt dir fort und fort,
    Dein eigen im
    heiligsten Bunde!
    _____


    Heilig Geliebter du!

    Es thront ein Bild im
    Heil'genschrein
    Und schirmt des Hauses Ruh',
    So thronst du tief im Herzen mein,
    Heilig Geliebter du!

    Wohl brandet an der Seele Port
    Versuchung sonder Ruh',
    Du schirmst mich treu, mein Schutz und Hort,
    Heilig Geliebter du!

    Und in die bange Seele kehrt
    Auf's Neue Glück und Ruh',
    So bin ich dein und deiner werth,
    Heilig Geliebter du!
    _____

     

  • Ernst Lissauer (1882-1937)

    Wo wir geweilt zu zwein

    Wo wir geweilt zu zwein,
    Wo wir auch nur rasche Stunde
    Rasteten zu kurzer Runde,
    Hold umgrenzt
    Alle Orte tragen einen
    Heiligenschein,
    Überglänzt
    Von beglückter Luft aus Licht und Wein.
    _____

     

  • Alfred Meißner (1822-1885)

    Nachtwache der Liebe, du Hoffen und Wähnen,
    Du Sabbat im Herzen, du
    heilige Zeit,
    Du Seligkeit nächtig verrinnender Thränen,
    Sei ewig und ewig gebenedeit!

    _____


    Frei und heilig

    Wie ein Märchen spinnt die Lust
    Mich in ihre goldnen Fäden -
    Stürze warm an meine Brust,
    Du mein Traum aus fernem Eden!

    Du bist mein, und daß du's bist,
    Ahnt kein Herz im Weltgetriebe,
    Ohne Schwur und Fessel ist
    Frei und
    heilig unsre Liebe!

    Frei und
    heilig! wunderbar
    Küßt dies Wort die Seele offen -
    So hat einst das erste Paar
    Sich im Paradies getroffen.

    Ohne Schwur und Fessel mein,
    Mein nur durch der Geister Walten,
    Und so mein' ich, daß ich rein
    Dich aus Gottes Hand erhalten.

    _____

     

  • Stephan Milow (1836-1915)

    Hohe Liebe

    Sieh mir ins Auge, schlinge den Arm um mich
    Und laß uns selig, schwelgend im Hochgefühl
    Der schönsten Wonne und Vollendung,
    Über der Welt in Verklärung schweben.

    Kein Wort von Treue! Schwüre begehr' ich nicht,
    Du schmähtest so nur
    heiliger Liebe Glut;
    Aufblüh' uns segnend diese Stunde,
    Gänzlich gesättigt in sich und sorglos.

    Es liegt im Kusse, welchem der Gegenkuß
    Gespendet, schön und herrlich geschlossen schon
    Ein ganzes Schicksal, ganzes Leben;
    Bliebe den Liebenden noch ein Sehnen?

    Sei frei! und dies nur höre zu deinem Schutz:
    Erkalt' ich jemals, bann' ich mich selbst von dir;
    Nie soll mein Mund, dich schnöd entweihend,
    Ohne Verzücken den deinen streifen.
    _____

     

  • Christian Morgenstern (1871-1914)

    In stillster Nacht
    in tief geheimnisvoller Stunde
    kam es zu mir auf leisen Engelsfüßen.
    Aus allen Tiefen, allen Höhn
    umschwoll es mich wie klagendes Getön,
    wie einer tiefen Sehnsucht Grüßen.

    In stillster Nacht
    in tief geheimnisvoller Stunde
    da hab ich mich für alle Zeit
    aus
    heilig heitrem Herzensgrunde
    der Schönheit Sonnenreligion geweiht.
    _____


    Getrennter Liebender Gebet zueinander

    Komm auch heute zu mir
    bleibe auch heute bei mir.
    Begleite jeden meiner Schritte
    heilige mir jeden Schritt.
    Hilf mir, daß ich nicht in Stricke
    falle noch strauchle.
    Hilf mir stark und schön bleiben,
    bis ich dich nächsten Morgen
    so wieder bitte.
    Durchdringe mich ganz mit dem Licht,
    das du bist.
    Wohne in mir wie das Licht in der Luft.
    Auf daß ich ganz dein sei -
    Auf daß du ganz mein seist
    auch diesen Tag.
    _____

     

  • Erich Mühsam (1878-1934)

    Willst du mich höhnen, daß in meiner Qual
    ich zu dir floh?
    O wüßt' ich doch, ob irgendwo
    ich weinen - weinen könnt' einmal!
    Nennst du es Liebe, daß in rohen Nächten
    du deine Arme um mich schlangst?
    Den Hals mir würgtest in den wilden Flechten -
    und mir medusengeile Lieder sangst? -
    Wenn du mich liebst, gib mir dein Herz
    und nicht den weißen, satten Leib;
    und laß mich meinen
    heiligen Schmerz
    in deine Seele weinen, Weib!
    _____

    Doch manchmal weiß ich meine Augen schön,
    weiß einen weichen Klang in meiner Stimme.
    Dann seh' ich dicht vor meinem Blick die Höh'n,
    zu denen ich in seltenen Träumen klimme.
    Dann tasten meine Hände, weiß und schlank,
    zu Quellen, die aus Schaum und Silber steigen,
    und meine Lippen neigen
    in
    heiligem Kusse sich dem reinsten Trank.
    _____

    Ich bin dir treu. - Treu wie der Tod das Leben
    bewacht, beweint, zu neuem Sein erweckt,
    will ich mit meiner Liebe dich umgeben,
    bis mich die Treue selbst zu Boden streckt.

    Ich will dir fern sein. - Wie das Sonnenfeuer
    aus fremden Welten uns erwärmt, erhellt,
    will ich dich leiten; fern und um so treuer,
    bis deine Seele selbst sich mir gesellt.

    Ich will nicht werben, nicht um Blicke bitten, -
    ich will dich lieben mit der
    heiligen Scheu
    der Abendsterne, - und mit leisen Schritten
    will ich dir Rosen streun. - Ich bin dir treu.
    _____


    Liebesweisheit

    Jeden packt einmal die dicke Liebe,
    packt einmal die feiste Leidenschaft;
    und sie dauert, bis zu dem Betriebe
    eines Tags der
    heilige Fleiß erschlafft.
    Mit der Tatkraft schwindet die Begeistrung,
    Schwer- und Weh- und Übermut entschwebt,
    trotz der schämigen Gefühlsverkleistrung,
    welcher die Gewohnheit sich bestrebt.
    Kritisiert wird, wo man sonst geschmachtet;
    die Figur, der Zuschnitt des Gewands
    wird mit nörgelndem Verdruß betrachtet -
    des bislang geliebten Gegenstands.
    Auch der Spendeneifer ist geschwunden:
    Früher war ein liebreiches Geschenk
    mit entzücktem Opferstolz verbunden;
    heute schmerzt es nur im Handgelenk.
    Und die Hand, die sonst in weichen Wellen
    glättend hinfuhr, wo sich zeigt ein Weh,
    legt sich neuerdings in solchen Fällen
    schwer und wuchtig auf das Portemonnaie.
    Freund, hat dich gepackt die dicke Liebe,
    und erfüllt dich feiste Leidenschaft, - -
    prüfe wohl, wann dir zu dem Betriebe
    eines Tags der
    heilige Fleiß erschlafft.
    Denn das ist die gottgewollte Stunde,
    abzuschließen mit entschlossenem Schnitt,
    wo als neuer Mensch zum ewigen Bunde
    mit der Frau man zum Altare tritt.
    _____

     

  • Clara Müller-Jahnke (1860-1905)

    Johannisnacht

    Umwogt von weißen Nebelschleiern
    von blühenden Rispen überdacht -
    komm mit ins Korn! Wir wollen feiern
    die
    heilige Johannisnacht.

    Da treibt aus taugetränktem Grunde
    in alle Halme hoch der Saft,
    da wirkt in klarer Vollmondstunde
    uralter Gottheit Wunderkraft.

    Wir fühlen tief das
    heilige Reifen
    und - eins im andern fromm bereit -
    stillsegnend unsre Stirnen streifen
    den Blütenhauch der Ewigkeit.
    _____

     

  • Betty Paoli (1814-1894)

    Zwei Führer

    Es ist in diesem Weltgetriebe
    Nichts süß und
    heilig als die Liebe.
    Der Schmerz nur wesenhaft und wahr.
    Drum hab' ich, frei mit mir zu schalten,
    Den beiden, göttlichen Gewalten
    Mich hingegeben ganz und gar!

    Vermag ich es des Lebens Höhen
    Und seine Tiefen zu verstehen,
    So dank ich's ihnen nur allein.
    Sie führten, wie Virgil den Dante,
    Mein Herz, das still und tief entbrannte;
    Zur Hölle und zum Himmel ein! -
    _____


    Frage

    Kein Schmerz ist, den ich nicht verschuldet,
    Kein Trost, den du mir nicht gewährt;
    Kein Jammer, den ich nicht erduldet,
    Kein Leid, das du mir nicht verklärt!

    Du Hoher! Milder!
    heilig Reiner!
    Den meine Dankeszähre preis't,
    Bist du der Staubgebornen Einer?
    Bist du der ew'gen Liebe Geist? -
    _____

     

  • Luise von Ploennies (1803-1872)

    In's
    Allerheiligste von meinem Herzen,
    Hab' ich dein Bild gerettet vor der Welt;
    Dort hab' ich es in wundersel'gen Schmerzen,
    Umweht von süßen Schauern, aufgestellt;
    Dort brennen hell der Liebe ew'ge Kerzen,
    D'ran jeder meiner Tage sich erhellt,
    Und meiner Sehnsucht Thränen, klar und rein,
    Erglänzen drauf statt Perl' und Edelstein.
    _____

     

  • Hermione von Preuschen (1854-1918)

    Oriflammen

    Nun du mich voll erkannt,
    laß voll uns wiederfinden,
    laß unsrer Liebe Land
    uns selig tief ergründen.

    Laß uns in
    heiliger Glut
    schmelzen in eins zusammen,
    Seele verlohn und Blut
    in tiefen Oriflammen!
    _____

     

  • Robert Prutz (1816-1872)

    Heiligung

    Das ich mit Seufzern lang' vermißt,
    Des innern Friedens selig Glück,
    Wie kehrt' es mir so schnell zurück,
    Seit du die Meine wieder bist!

    Wohin ich blicke, allerwärts
    Seh' ich der Gottheit milden Gang,
    Und das noch jüngst in Zweifeln rang,
    Beruhigt klopft das wilde Herz.

    Du bist sein fester Ankergrund,
    Die Sonne bist du, die es nährt,
    Der Schild, der allen Schrecken wehrt,
    Und bist sein Balsam, wenn es wund.

    Und schelten sie mich glaubenlos,
    Was kümmert mich ihr plumper Spott?
    In dir, Geliebte, lieb' ich Gott
    Und lieb' in dir, was gut und groß!
    _____

    Die einst mir als schüchterne Knospe gelacht
    Aus halb erschlossenem Laube,
    Nun leuchtest du mir in üppiger Pracht,
    Du reife, du goldene Traube!
    Ich aber, in
    heiliger Trunkenheit,
    Ich halte den schäumenden Becher,
    Und selbst der Wermuth vergangener Zeit
    Wird Nektar dem seligen Zecher.
    _____

    Von allem, was da ist und lebt auf Erden,
    Ist nichts so fromm und
    heilig im Gemüthe
    Und nichts so keusch und lieblich von Geberden:

    Als wie ein Weib in seiner Schönheit Blüte,
    Daß sich dem Manne will zu eigen geben,
    Aus Liebe halb und halb aus milder Güte.
    _____

     

  • Anton Renk (1871-1906)

    Dann kam die fliederduftdurchströmte Nacht
    Und um die Lilien die Falter flogen
    Und über uns der große Sternenbogen
    Ließ niederträufen seiner Lichter Pracht,
    Und es erklang das älteste der Lieder:
    "Ich liebe dich" .. "Und ich .. ich lieb' dich wieder."

    Ein stiller Kuß, so
    heilig wie Gebet,
    Das feierlich durch alle Himmel weht,
    Bei dessen Kommen sich die Engel neigen,
    Und Gott sich hebt von seines Thrones Pracht
    Und spricht: Es sind zwei Seelen sich zu eigen,
    Es ist der Liebe Weltgesetz vollbracht.
    _____

    Hand in Hand geht man im Walde,
    Du mein blondes Sommerkind;
    Danken wir dem blauen Tage,
    Daß wir so voll Sehnsucht sind.

    Sommerhochamt: Lichterfunkeln,
    Wälderweihrauch, Klängewehn,
    Und den Kelch erhebt die Liebe
    Gnadenspendend, ungesehn.

    Laß dich küssen und dir schauen
    Tiefbeseligt ins Gesicht. -
    Und der Wald mit Orgeltönen
    Heilig, heilig, heilig spricht.
    _____

    Nun tönt der erste Grillensang
    Vor meines Städtleins Toren,
    Ein blondes Mädchen hab' ich mir
    Zu meinem Schatz erkoren.

    Am Sonnensonntag nachmittag
    Da wandern wir ins Freie
    Und Frühlingsblüten pflücken wir
    Gar alle nach der Reihe:

    Die Leberblumen rot weiß blau,
    Die Lilaosterglocken -;
    Was hat die Sonne denn zu tun
    Mit meines Mädels Locken?

    Sie nestelt dran und flirrefitzt
    Und tut das Gold entfachen,
    Als wollt' sie einen
    Heiligenschein
    Aus deinen Haaren machen.

    Gib mir die Hand, mein Frühlingskind,
    Keinen
    Heiligen ich beneide;
    Denn wenn wir auch nicht
    heilig sind,
    Sind wir doch selig beide.
    _____

    Seliger Tag – im stillen Garten
    Die Rosen knospensprungbereit.
    Sie mußten lange, lange warten
    Und blühen auf zur rechten Zeit.

    Seit Jahren ließ ich sie verblühen,
    Ein liebearmer, stiller Mann.
    Heut' weiß ich Locken, wo verglühen
    Die allerschönste Rose kann.

    In deine Haare Purpurflammen
    Die allerschönste Rose gibt …
    Der Herrgot gab uns doch zusammen,
    Weil wir so
    heilig uns geliebt.
    _____

     

  • Rainer Maria Rilke (1875-1926)

    Liebe auch läßt sich den Wellen vergleichen,
    Sehnsucht wälzt ihre Wogen zum Ziele,
    flüchtendes Nahen, nahendes Weichen,
    heiligster Ernst und doch schönstes der Spiele.

    Dieses Erkämpfen mit Raunen und Rosen
    schon mit der Venus den Wellen entstiegs,
    süß vom verstohlenen Augenkosen
    bis zu dem Kusse, dem Siegel des Siegs.
    _____

     

  • Anna Ritter (1865-1921)

    Heilige Stunde

    Ich denk so oft an jene Nacht,
    Da's über uns herniederbrach,
    So athemraubend, riesengroß,
    Daß keiner von uns Beiden sprach.

    Wir maßen uns, wie Feinde thun,
    Es war ein Ringen bis aufs Blut
    Und dann hat doch, besiegt und still,
    Mein Haupt an deiner Brust geruht.

    Es war kein Jubel zwischen uns,
    Nur ein verhalten, wortlos Flehn:
    "Gott, laß uns rein und stark und groß
    Aus dieser Stunde Thoren gehn."
    _____


    Weihe

    Ich liebe diese Form, die Dich entzückt:
    Die weiße Brust, an der Dein Haupt gelegen,
    Und diesen Nacken, den Dein Arm umschlang.
    Seit Deines Kusses Wonne mich durchdrang,
    Liegts über mir wie ein geheimer Segen,
    Ein Frühlingsglanz, der meine Glieder schmückt.

    Ich liebe dieser Augen lichten Schein,
    Seit sie, zwei Sterne, über dir gestanden,
    Und dieser Stimme warmen, vollen Klang,
    Die deine Sehnsucht einst zur Ruhe sang!
    Der Mund ist süß, den deine Lippen fanden,
    Und diese Seele
    heilig, seit sie dein!

    Die Liebe hebt mich über mich empor,
    Daß ich mich selbst wie etwas Fremdes sehe,
    Und meine Schönheit trage wie ein Kleid,
    Wie einen Schmuck, der deinem Dienst geweiht:
    Der Sonne gleich, lockt Deine liebe Nähe
    Mich aus mir selber sehnsuchtsvoll hervor!
    _____


    Fata morgana

    Mir ist, wir stünden Hand in Hand
    Noch einmal an der lieben Stelle,
    Da jener Traum uns aufgeblüht.
    Vom Abendsonnenschein umglüht,
    Liegt gar so still die Wiese dort,
    In Blüthen steht die alte Linde,
    Und grüßend wandert mit dem Winde
    Ein ungesprochnes, süßes Wort.
    Es sickert immer noch die Quelle
    Leis raunend übern Brunnenstein -
    Der alte Zauber spinnt mich ein …
    Und wie die Pilger an der Schwelle
    Des
    Heiligsten fromm niederknien,
    So neig' ich mich in stillem Beten,
    Denn dieses Stückchen Erdenland
    Hat einst des Glückes Fuß betreten,
    Und
    heilig, heilig ist der Ort!
    _____

     

  • Emil Rittershaus (1834-1897)

    Eines Weibes wahre Liebe, Lieb', die nur beglücken kann,
    Ist des eignen Ichs Verleugnung für den lieben, theuren Mann,
    Ist ein gottgesandter Engel, der des Friedens Palmen hält,
    Ist das Seligste der Erde, ist das
    Heiligste der Welt!
    _____

     

  • Hugo Salus (1866-1929)

    Mit geschlossenen Lidern

    Sonst, wenn mein Herz in Liebe sich verzehrte
    Und ich die Lider schloß, ihr nah zu sein,
    Sah ich die Liebste, mädchenhaft und rein,
    Daß sich mein sündig Herz zur Buße kehrte.

    Voll strenger Zucht erschien mir die Verklärte
    So keusch, wie treu. Bis in den Schlaf hinein
    Umstrahlte mich der Liebe
    Heiligenschein,
    Daß selbst dem Traum der Keuschheit Engel wehrte.

    Auch jetzt schließ' ich die Lider: seliges Dämmern,
    Draus schlank und weiß der schönste Körper lacht!
    O warmer Marmor, drin die Pulse hämmern!

    Die Lider preß ich zu. O Lichtgefunkel,
    Hell strahlt ihr Leib und leuchtet durch die Nacht.
    Und wär' ich blind, wär' selig doch mein Dunkel ... 
    _____

     

  • Georg Scherer (1828-1909)

    Du kennst meines Liedes Weise;
    Komm, öffne das Fenster sacht
    Und flüster' ein Wörtlein leise
    Mir zu in verschwiegener Nacht!

    Ich nahe dir selig erschrocken;
    O laß mich ins Antlitz dir sehn,
    Und laß deine duftigen Locken
    Um die heißen Schläfen mir wehn!

    Dann löst, in dein Anschaun versunken,
    Des Herzens Geheimnis der Mund,
    Und die Lippen besiegeln trunken
    Den
    heiligen Liebesbund.
    _____

    Wer,
    heilige Liebe, deinen Kelch getrunken
    Und süßberauscht, ein überseliger Mann,
    Dir einmal nur ans volle Herz gesunken,
    Der ist verfallen deinem Zauberbann.
    Fort glimmt's in ihm wie lichte Himmelsfunken;
    Und ob er deinen Banden auch entrann -
    Früh oder spät wird er mit frohem Bangen
    Nach deiner holden Unruh' heim verlangen.
    _____

     

  • René Schickele (1883-1940)

    Geistliches Trinklied

    Hoch leben die
    heiligen Frauen,
    die unsre himmlischen Geliebten sind!
    Ihre Liebe ist groß und bedingungslos.
    Sie lassen wie in nächtiger Blumen Schoß
    ihren Blick auf unsre Herzen tauen,
    ihr Lächeln ist Sterne säender Wind.

    Sie öffnen den Himmel und gehn um die Erde mit sanftem Schritt,
    sie beugen sich nieder und trösten den Armen, der Ängste litt
    an Abenden ohne Vertrauen.

    O Erfüllung, die von ihren lauen Hüften zur Erde sinkt!
    O Mondhals! o weiße Brüste, an denen Sehnsucht trinkt!
    o Freudenhäuser im Blauen ...

    Hoch leben die
    heiligen Frauen!
    _____

     

  • Ernst Schulze (1789-1817)

    In der Madonna seelenvollen Zügen,
    Im zarten Bild der jüngsten Huldgöttin,
    In jedem Reiz, dem sich die Herzen schmiegen,
    Erblick' ich dich und sinke vor dir hin.

    Als
    Heilige wird dich mein Herz verehren,
    Der sich zu nahn der Pilger nicht erkühnt,
    Der er von fern nur mit der Inbrunst Zähren,
    Nur mit dem Opfer frommer Seufzer dient.
    _____

     

  • Reinhard Johannes Sorge (1892-1916)

    Liebe

    Wer kann nennen,
    Was sich nicht nennen läßt,
    Wer bekennen,
    Was unser Sinn nicht faßt,
    Was göttlich in uns hallt,
    Was sehnend uns durchwallt,
    Die
    heiligen Triebe
    Der allumfassenden Liebe,
    Die du im Herzen hast?
    _____

     

  • Carl Sternheim (1878-1942)

    Heilige Stätte im Hain

    Die Stätte, da du morgens sorgend fragtest
    Um meinen Frieden und um meine Freuden,
    Sie muß ein stummes
    Heiligtum bedeuten,

    Ich will nicht wieder sie betreten.

    Und erst wenn Jahre kamen, Jahre gingen,
    Soll mir ein Enkelkind die Blumen grüßen,
    Die still da überall Erinnerung sprießen

    Und mir von ihnen Flüstergrüße bringen.
    _____

     

  • Theodor Storm (1817-1888)

    Die Ruhestörerin

    Mein süßes Kind,
    Wie ich dich liebe, frägst du oft,
    Doch wie du meine Ruhe störst,
    Das höre jetzt: Mein süßes Kind,
    Wenn ich mein Aug zur
    heil'gen Jungfrau wende,
    In frommer Andacht zu ihr wenden will,
    So trägt die
    Heil'ge, die sich mir enthüllt,
    Dein blaues Aug, dein hold Gesicht,
    Dein glänzend Haar und deines Mundes Liebe,
    Mein süßes Kind.
    Will ich Gebete sprechen, eh der Schlaf mich faßt,
    So ist's dein letzter Gruß,
    Den meine Lippen lallen;
    Und Andacht und Gebet ist hin;
    Denn mächt'ger als die Andacht ist die Liebe,
    Und mächt'ger als die
    Heilige bist du.
    Dich denk ich nur, und dich nur bet ich an.
    So steht's mit mir, und das hast du getan,
    Du böses Kind!
    _____

     

  • Karl Streckfuss (1779-1844)

    Der Kuss

    Nie kann die Liebe ganz ihr Wesen sagen,
    Und tief im Herzen glimmt die reinste Gluth.
    Sich zu enthüllen wär' ihr höchstes Gut,
    Doch kann sie nie in lichte Flammen schlagen.

    Die Sprache kann das
    Heiligste nicht tragen,
    Kann nicht entschleyern, was im Herzen ruht,
    Doch treibt der Sehnsucht ungestümer Muth,
    Selbst das Unmögliche mit Kraft zu wagen.

    Vergebens - nach dem Mädchen hingewandt,
    Fühlt sich der Liebende das Herz beklommen,
    Und selbst der Sprache armen Trost entnommen;

    Da öffnet sich der Arme Wechselband -
    Da flieget Lipp' und Lippe heiß zusammen
    Und beyde Seelen glühn in gleichen Flammen.
    _____

     

  • Albert Traeger (1830-1912)

    Das Muttergottesbild

    In der alten Mauerblende
    Steht das Muttergottesbild,
    Um den Mund, wie Segensspende,
    Schwebt ein Lächeln stumm und mild.

    Epheu webt mit frischen Ranken
    Einen Rahmen auf den Stein,
    D'rüber wilde Rosen schwanken,
    Wie ein duft'ger
    Heil'genschein.

    Geh' vorüber ich, dann senken
    Blick und Knie voll Andacht sich,
    Doch im Beten muß ich denken,
    Heißgeliebte, stets an Dich.

    Unter Trümmern in der Wildniß,
    Wie die Muttergottes hier,
    Steht, Du
    Heilige, Dein Bildniß,
    Tief versteckt im Herzen mir;

    Frische, grünende Gedanken
    Zauberst Du aus morschem Stein,
    Und mit duft'gen Blüthenranken
    Schließt mein wildes Lied Dich ein.

    _____

     

  • Frank Wedekind (1864-1918)

    O, Ella, Ella, tausend Seligkeiten
    In einen einz'gen Atemzug gedrängt;
    Die Triebe aus der Menschheit frühsten Zeiten,
    Von wonnekund'ger Götterhand gelenkt;

    Der Kindheit ahnungsvolle, lose Spiele
    Verwandelt in unendlichen Genuß;
    O, Ella, alle himmlischen Gefühle
    In einem einz'gen Liebeskuß -

    Welch hohes Wort, das Menschengeist ersann,
    Welch reicher Dank mag diese Stunde lohnen!
    Laß ewig mich in deinem Garten wohnen,
    Ist alles, was die Lippe stammeln kann.

    In seiner Büsche stillem
    Heiligtum
    Nahm ich, als Balsam jeder Erdenqual,
    Von deinem Mund das
    heilige Abendmahl
    Zum großen Liebesevangelium.
    _____


    Lulu

    Ich liebe nicht den Hundetrab
    Alltäglichen Verkehres;
    Ich liebe das wogende Auf und Ab
    Des tosenden Weltenmeeres.

    Ich liebe die Liebe, die ernste Kunst,
    Urewige Wissenschaft ist,
    Die Liebe, die
    heilige Himmelsgunst,
    Die irdische Riesenkraft ist.

    Mein ganzes Innre erfülle der Mann
    Mit Wucht und mit seelischer Größe.
    Aufjauchzend vor Stolz enthüll ich ihm dann,
    Aufjauchzend vor Glück meine Blöße.
    _____

     

  • Ernst von Wildenbruch (1845-1909)

    Guter Rat

    Die Zeit vergeht, die Welt wird alt,
    Das Haupt wird grau, das Herz wird kalt,
    Ihr Menschen gedenket des Herzens.
    Die Flamme, die es einst durchglüht,
    Die Blume, die ihm einst erblüht,
    Und es durchhaucht mit Seligkeit,
    In der Zeit der Liebe, der Jugendzeit,
    Bewahret, bewahrt sie im Herzen.

    Nennt Torheit nicht, was ihr gefühlt,
    Wenn Alter euren Busen kühlt;
    Die zitternde, die junge Brust,
    War reicher ja an
    heiliger Lust,
    Als das alte, das richtende Herze.

    Und das es einst so ganz erfüllt,
    Das eine einz'ge süße Bild,
    Das wie ein Spiegel in euch war,
    So ohne Makel, rein und klar,
    Bewahret es rein euch im Herzen.

    Dann winkt es wie ein Himmelsstern
    Euch lächelnd zu von fern, von fern,
    Erinnerung alter, sel'ger Zeit,
    Und winket Trost in letztem Leid
    Dem alten, dem einsamen Herzen.
    _____

     

  • Anton Wildgans (1881-1932)

    So lag ich lang, tief atmend das Arom
    Des jungen Leibes und dies reiche Schweigen,
    Und hörte deine Seele niedersteigen
    Zu deines Schoßes ahnungsvollem Dom.

    So klein bin ich, ein Mensch nur, ein Atom
    Und ausgeschaltet aus dem ewigen Reigen,
    Wenn nicht durch dich, was mir als Tiefstes eigen,
    Einmünden darf in alles Lebens Strom ...

    Der Abend kam, wir schritten in das Tal –
    Nie war ein Tag so feierlich verklungen!
    Wie Glockentöne, ernst und keusch verschlungen,

    Sangen die Seelen innigsten Choral;
    Da lauschten wir und nahmen tiefbezwungen
    Der höchsten Liebe
    heilig Abendmahl.
    _____

     

  • Bruno Wille (1860-1928)

    Traum von heimlicher Hochzeit

    So heimlich süß war unsre Hochzeitsfeier:
    Wir lagen dicht
    Beisammen, überwallt von einem Schleier;
    Man sah uns nicht.

    Wir hörten, wie die Leute nach uns fragten
    Im gleichen Raum.
    Wir unterm Flore blieben reglos, wagten
    Zu atmen kaum.

    Nur unsre Hände durften sacht sich drücken,
    Wie küssend fand
    Sich Hauch zu Hauch, mein Knie war mit Entzücken
    An deins gebannt.

    Mein glühend Auge, das im Dunkeln schaute,
    Versank in deins;
    Ich war in dir, du warst in mir, uns traute
    Die
    heilige Eins.

    Wohlan, was Edens Glut zusammenglühte,
    Trennt keine Welt.
    Hinweg denn, Angst, da uns die Hand der Güte
    Geborgen hält.

    Wir ruhn verhüllt; zum Baldachin, zum Himmel
    Ward unser Flor.
    Uns singt von Flügelköpfchen ein Gewimmel
    Den Minnechor.
    _____

     

  • Kathinka Zitz-Halein (1801-1877)

    Was wäre das Leben wenn Liebe drin fehlte?
    Wo fände das Unglück erneuerten Muth?
    Als gütig der Schöpfer den Menschen beseelte,
    Gab er ihm den Funken zur
    heiligen Glut.
    Die Lieb' ist stark
    Wie Löwenmark,
    Sie lehrt uns den Kummer ertragen,
    Hat Balsam für Wunden und Klagen.
    _____

    Die Lieb' ist des Lebens
    hochheiliger Segen,
    Sie flügelt die Seele zum Himmel empor;
    Sie weckt unsre Kräfte die fröhlich sich regen,
    Sie hilft uns erringen was Unmuth verlor.
    Die Lieb' ist Glut,
    Sie giebt uns Muth,
    Und führet durch Kampfesgewühle,
    Zum schönsten, zum herrlichsten Ziele.
    _____

    O,
    heilig ist die Frauenliebe,
    Sie kann nicht sterben, nein, sie lebt,
    Ob auch Verrath ihr treues Feuer
    Mit seinem Hauch zu löschen strebt.
    _____


    Liebe ist von Ewigkeit

    O saget nicht, daß Liebe sterben kann,
    Sie stirbt nicht gleich den anderen Gefühlen,
    Wenn hin das Leben stirbt, denn sie ist ewig.
    Die andern Leidenschaften sind nur eitel,
    Sie sind vergänglich wie die Dunstgebilde.
    Die Ehrfurcht kann nicht in dem Himmel wohnen,
    Der Geiz, der Stolz, nicht in dem Sitz des Lichts;
    Aus ird'schem Stoff. gehören sie der Erde
    Und sterben da, wo sie geboren wurden.
    Die Liebe aber ist nicht zu zerstören,
    Ihr
    heiliges Feuer brennt in Ewigkeit.
    Sie stammt vom Himmel, darum kehrt sie wieder
    Zum Himmel auch zurück. Sie ist hienieden
    Ein oft verfolgter Gast, sie wird betrogen,
    Mit falschem Schwur getäuscht, wird unterdrückt -
    So wird sie hier geprüft und rein geläutert
    Und hat im Himmel ihren steten Sitz.
    Hier saet sie aus mit Kummer und mit Thränen,
    Dort sammelt sie die reiche Ernte ein.
    _____


     

 

 

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