Liebeslyrik - Miniaturen

Gedichte und Gedicht-Zitate (Stichwort: Nacht)
 


Franz Marc (1880-1916)
Liebespaar


 



 

Stichwort: Nacht

16./17. Jh.      18. Jh.      19/20. Jh.

 

16./17. Jh.
 

  • Hans Aßmann Freiherr von Abschatz (1646-1699)

    Die lange
    Nacht

    Ihr faulen Stunden ihr / wie währet ihr so lange!
    Der sonsten frühe Tag hält seinen Einzug auff /
    Der Sternen muntre Schaar steht still in vollem Lauff /
    Matuta lässet nach von ihrem schnellen Gange.

    O Himmel / der mit sich die Himmels-Lichter ziehet /
    O Kreiß / der sonst den Weg weist andern Kreißen an /
    Was hat mein Unschuld doch zuwider dir gethan /
    Daß man zur Plage mir dich also langsam siehet.

    Minuten sind mir Tag / und Stunden sind mir Jahre /
    Der Zeit geschwinde Füß und Flügel sind von Bley.
    Ich glaube daß die
    Nacht der Zimber kürzer sey /
    Und ich für meinem Tod ihr Ende nicht erfahre.

    Penelope beschwert von vieler Freyer Menge /
    Löst auff den Abend auff / was sie den Tag gemacht:
    Ich schwere / Phöbus geht zurücke bey der
    Nacht /
    Damit er seinen Weg und meine Pein verlänge.
    _____


    Wie lange wilt du noch mit deinen Sternen prangen?
    Wie lange soll mir noch der Mond verdrüßlich seyn?
    Zeuch / bitt ich / braune
    Nacht den tuncklen Schatten ein:
    Mich könt / und wärestu ein Jahr / nicht mehr verlangen.
    Die / welche meinen Geist vor langer Zeit gefangen /
    Die / welche mehr bezwingt / um Hülff und Trost zu schreyn /
    Als des Cupido Pfeil durch ihrer Augen Schein
    Soll mir zu einem Kuß erlauben ihre Wangen.
    Hat sie nicht gestern mir beym Scheiden zugesagt
    Mit ihrer Marmol-Hand / so bald es wieder tagt?
    So soll ich meinen Wunsch von ihr erfüllet finden?
    Doch / was verlier ich Zeit? Du weist von Gnade nicht:
    Nacht / ich geh ungesäumt zu meiner Roselinden:
    Ihr Auge machet dir zu Trotze Tag und Licht.
    _____


     

  • Anonyme Barockdichter

    Nacht-lied

    Ihr stillen lüffte dieser
    nacht /
    Mit denen ich zum öfftern schwatze /
    Fangt auff den thon den meine rede macht /
    Und tragt ihn hin nach jenem platze /
    Da wo mein engel liegt
    Und in der hut der schönsten Amoretten
    Auff schwanen-brust und feder-betten
    Wird eingewiegt.

    Eilt hin und seht an meiner statt
    Das grab der edlen schönheit stehen /
    Was zeit und glück mir abgesaget hat /
    Das könt ihr unverwehrt durchwehen /
    Ihr solt der spiegel seyn /
    Darinnen ich diß himmels-bild betrachte /
    Was ich verehr und göttlich achte /
    Wist ihr allein.

    Ich weiß / daß dort der höchste preiß
    Der schönheit ausgekramet lieget /
    Dran die natur mit ihrem grösten fleiß
    Ein wunder an das andre füget.
    Wer doch so seelig wär /
    Daß nur ein blick so kühn / so hoch dürfft steigen /
    Solt er auch gleich sich wieder neigen
    Zur wiederkehr.

    Sind gleich die augen zugethan;
    Die sonnen sind nur untergangen /
    Um wenn der tag wird wieder brechen an /
    Mit mehrer glut und glanz zu prangen.
    Die schönheit wird bey
    nacht
    Verstohlen / (und wär es gleich nicht ihr wille)
    Viel sichrer und mit mehrer stille /
    Als tags betracht.

    Des munds rubin bleibt ohne licht
    Und in dem schlaff gleich hoch geröthet;
    Doch dienet er zum küssen jetzo nicht.
    Wer schläfft / der scheinet halb getödtet.
    Drum kan die seele nicht
    Zum küssen sich auff ihre lippen setzen /
    Und jene seele recht ergetzen /
    Die küsse bricht.

    Schlaff sanffte / göttin / in der pracht
    Der wunder deines leibes gaben /
    Der kühlen lufft in dieser stillen
    nacht
    Sey die verwundrung eingegraben /
    Die aus dem herzen quillt /
    Das sich verwirrt in deiner schönheit netze
    Und ganz mit liebe deiner schätze
    Ist angefüllt.
    _____


    Auff schwarze augen

    Schwarze augen sind der zunder /
    Der mich noch zu asche macht.
    Dieses sind die stärckste blitzen /
    Die aus schwarzen wolcken gehn.
    Was sie kan noch mehr erhöhn /
    Ist / daß sie / gleich einem wunder /
    Sonnen sind und doch auch
    nacht.
    Schwarze augen sind der zunder /
    Der mich noch zu asche macht.
    _____


    An die
    nacht

    Komm schwarze
    nacht! umbhülle mich mit schatten
    Dein flor beziehe meines purpurs glanz /
    Weil sich mit mir will eine sonne gatten /
    Vor deren licht erbleicht der sternen kranz /
    Laß deinen teppich meine brust bedecken /
    Und meinen sieg in dein gezelt verstecken.

    Verbirg in dir den raub geheimer liebe /
    Dein dunckel-seyn umbschliesse meine brust;
    Ihr wolcken! eilt und macht den himmel trübe /
    Befördert mir doch meine himmels-lust /
    Umbstricket mich geliebte finsternissen
    Daß nichts von mir des hofes augen wissen.

    Komm Engelsbild! komm laß dich bald umbfangen /
    Dein lippen-Julep kühle meinen brand /
    Mein herze lechst mit feurigem verlangen /
    Biß deine kühlung ihm wird zugesand;
    Komm zeuge; daß entzünden und selbst brennen /
    Des himmels wahrer vorschmack sey zu nennen.
    _____


    Er klaget der
    nacht sein leiden

    Du verborgne stille
    nacht!
    Die den himmel schrecklich macht /
    Und ihr wolcken-klüffte!
    Höret meinen überdruß /
    Den ich hier verbergen muß /
    In die finstern lüffte;
    Ziehrt gleich keiner sternen-licht
    Eure dunckle decken;
    Mein gemüte läst sich nicht
    Durch die
    nacht erschrecken.

    Schwärzt sich gleich das wolcken-dach /
    Stürmt der himmel tausendfach /
    Nichts soll mich verstöhren /
    Daß ich nicht der seelen quahl /
    Meinen jammer allzumahl
    Solte lassen hören;
    Meine schmerzen haben schon
    Alles überstiegen /
    Auch des schärffsten donners-thon /
    Können sie besiegen.

    Mein gemüte liegt verhüllt /
    Und mein herz ist angefüllt
    Mit verborgnen pfeilen;
    Dieser wunden herbe noth
    Weiß kein ander / als der tod /
    Recht und wohl zu heilen;
    Es verstört der sorgen
    nacht
    Meine freuden-lieder /
    Und der strengen liebe macht
    Schlägt den geist darnieder.

    Weg betrübter lauten-klang /
    Was bemüht sich dein gesang
    Meinen schmerz zu mehren?
    Mein gemüthe / das sich kränckt /
    Liegt vorhin in schmerz gesenckt;
    Laß dich nicht mehr hören /
    Nichts wird meiner matten brust
    Lieblich vorgesungen /
    Denn die seiten meiner lust
    Sind schon abgesprungen.

    Doch was füll' ich diese bahn /
    Meinen mund / die wangen / an
    Mit viel thränen-güssen;
    Die verborgne liebes-pein
    Heist mich zwar verliebet seyn /
    Aber nicht genüssen:
    Dieser schmerz will mir itzund
    Alle krafft verderben /
    Und befiehlet / daß mein mund
    Schweigen muß und sterben.
    _____


     

  • Paul Fleming (1609-1640)

    An die
    Nacht, als er bei ihr wachete

    Wie aber eilst du so, du meiner Schmerzen Rast?
    Deucht michs doch, daß ich kaum auf eine Viertelstunde
    allhier gesessen bin bei diesem Rosenmunde,
    der meinen machet blaß; so merk' ich, daß du fast
    dich an die Hälfte schon von uns entzogen hast.
    Kehr um und halte Fuß und gib uns Zeit zum Bunde,
    den wir hier richten auf von ganzem Herzensgrunde,
    kehr' um und sei bei uns ein nicht so kurzer Gast.
    Dein Sohn, der sanfte Schlaf, schleicht durch das stille Haus
    und streut die leise Saat der Träume häufig aus,
    darmit du länger kanst bei unsrer Lust verweilen.
    Verhüll' uns in ein Tuch, bis daß das dunkle Licht
    des halben Morgens ihr durch deine Kleider bricht,
    denn ist es Zeit, daß wir mit dir von hinnen eilen.
    _____


     

  • Martin Opitz (1597-1639)

    Jetzund kömpt die
    Nacht herbey /
    Vieh vnd Menschen werden frey /
    Die gewüntschte Ruh geht an;
    Meine Sorge kömpt heran.
    Schöne gläntzt der Mondenschein;
    Vnd die güldnen Sternelein;
    Froh ist alles weit vnd breit /
    Ich nur bin in Trawrigkeit.
    Zweene mangeln vberall
    An der schönen Sternen Zahl;
    Diese Sternen die ich meyn'
    Ist der Liebsten Augenschein.
    Nach dem Monden frag' ich nicht /
    Tunckel ist der Sternen Liecht;
    Weil sich von mir weggewendt
    Asteris / mein Firmament.
    Wann sich aber neigt zu mir /
    Dieser meiner Sonnen Ziehr /
    Acht' ich es das beste seyn /
    Das kein Stern noch Monde schein.
    _____


     

18. Jh.
 

  • Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

    Die schöne
    Nacht

    Nun verlaß ich diese Hütte,
    Meiner Liebsten Aufenthalt,
    Wandle mit verhülltem Schritte
    Durch den öden, finstern Wald.

    Luna bricht durch Busch und Eichen,
    Zephyr meldet ihren Lauf,
    Und die Birken streun mit Neigen
    Ihr den süßten Weihrauch auf.

    Wie ergötz ich mich im Kühlen
    Dieser schönen
    Sommernacht!
    O wie still ist hier zu fühlen,
    Was die Seele glücklich macht!

    Läßt sich kaum die Wonne fassen;
    Und doch wollt ich, Himmel, dir
    Tausend solcher
    Nächte lassen,
    Gäb mein Mädchen eine mir.
    _____


    Philine

    Singet nicht in Trauertönen
    Von der Einsamkeit der
    Nacht;
    Nein, sie ist, o holde Schönen,
    Zur Geselligkeit gemacht.

    Wie das Weib dem Mann gegeben
    Als die schönste Hälfte war,
    Ist die
    Nacht das halbe Leben,
    Und die schönste Hälfte zwar.

    Könnt ihr euch des Tages freuen,
    Der nur Freuden unterbricht?
    Er ist gut, sich zu zerstreuen,
    Zu was anderm taugt er nicht.

    Aber wenn in nächtger Stunde
    Süßer Lampe Dämmrung fließt,
    Und vom Mund zum nahen Munde
    Scherz und Liebe sich ergießt;

    Wenn der rasche lose Knabe,
    Der sonst wild und feurig eilt,
    Oft bei einer kleinen Gabe
    Unter leichten Spielen weilt;

    Wenn die Nachtigall Verliebten
    Liebevoll ein Liedchen singt,
    Das Gefangnen und Betrübten
    Nur wie Ach und Wehe klingt:

    Mit wie leichtem Herzensregen
    Horchet ihr der Glocke nicht,
    Die mit zwölf bedächtgen Schlägen
    Ruh und Sicherheit verspricht!

    Darum an dem langen Tage
    Merke dir es, liebe Brust:
    Jeder Tag hat seine Plage,
    Und die
    Nacht hat ihre Lust.
    _____


    Zünde mir Licht an, Knabe! - »Noch ist es hell. Ihr verzehret
    Öl und Docht nur umsonst. Schließet die Läden doch nicht!
    Hinter die Häuser entwich, nicht hinter den Berg, uns die Sonne!
    Ein halb Stündchen noch währts bis zum Geläute der
    Nacht.«-
    Unglückseliger! geh und gehorch! Mein Mädchen erwart ich.
    Tröste mich, Lämpchen, indes, lieblicher Bote der
    Nacht!
    _____


     

  • Agnes Gräfin zu Stolberg (1761-1788)

    Sie an Ihn. Auf einer Herbstreise

    Der Abend sinkt,
    Kein Sternlein blinkt,
    Am Himmel winkt
    Der Mond uns nicht
    Mit mildem Licht.

    Die
    Nacht ist kalt;
    Der Hohlweg schallt;
    Es saust der Wald,
    Es rauscht der Bach
    Mir Schauer nach.

    Ich schließe mich
    Gar ängstiglich,
    Mein Freund an dich;
    O küsse du
    Ins Herz mir Ruh'!

    So wall' ich gern,
    Von allen fern,
    Auch ohne Stern:
    Wenn nur bei
    Nacht
    Die Liebe wacht.
    _____


     

19./20. Jh.
 

  • Alexis Adolphi (1815-1874)

    Die Liebe wacht

    In dunkler
    Nacht
    Bin ich der Jugend Pfade einst gegangen;
    Irrlichter viel umhüpften und umschlangen
    Mit wirrem Spiel des Thales glatten Steg,
    Und keine Leuchte schien auf meinen Weg.
    Da schlug in's Herz durch irre Einsamkeiten
    Der Rettungsruf mir wie aus Himmelsweiten:
    In dunkler
    Nacht
    Die Liebe wacht!

    In dunkler
    Nacht
    Ist mir der Ernst des Mannes dann gekommen;
    Doch zur Gefährtin hatt' ich sie genommen,
    Die meinem Leben war der milde Stern.
    Nun zog ich mutig auch in schwanke Fern',
    Ich wußte ja, daß mir ein Trost beschieden,
    Daß in der Heimat süßgeschloss'nem Frieden
    In dunkler
    Nacht
    Die Liebe wacht!

    In dunkler
    Nacht
    Hab' ich sie jetzt in's dunkle Grab gebettet.
    Was hab' ich nun für's Leben mir gerettet?
    Mein Stern erlosch - giebt's keine Leuchte mehr?
    Aus Himmelsweiten wieder hoch und hehr
    Ruft Trost und Rettung da die ew'ge Gnade:
    Sind noch so einsam finster Deine Pfade,
    In dunkler
    Nacht
    Die Liebe wacht!
    _____


     

  • Theodor Apel (1811-1867)

    Die Sterne leuchten durch die
    Nacht

    Die Sterne leuchten durch die
    Nacht
    In weiten, stillen Raum,
    Nur mich, der ich an Dich gedacht,
    Beglückt kein sanfter Traum.

    Du liegst wol jetzt in tiefer Ruh,
    In süßem Traum versenkt,
    Und freundlich schwebt deß Bild Dir zu
    Dem Du Dein Herz geschenkt.

    Auch ich, der ich Dir ferne bin,
    War einst Dir werth und lieb,
    Und Deine Liebe schwand dahin,
    Wie treu ich Dir auch blieb.

    Doch treu bin ich Dir noch vereint
    Zu meiner eig'nen Qual,
    Und wenn Dein liebes Bild erscheint,
    Grüß' ich es tausendmal!
    _____


    Die dunkle
    Nacht mit ihrer sanften Kühle
    Ist auf die matte Flur herabgesunken,
    Und dürstend wird der feuchte Thau getrunken
    Von welken Blättern nach des Tages Schwüle.

    Eintönig hallt aus sumpfgem Wiesenpfühle
    Der Frösche Schrein und Klageruf der Unken,
    Und durch die Blumen ziehn, wie Feuerfunken
    Glühwürmchen hin im lustigen Gewühle.

    Da fängt sich eines in den dunkeln Haaren;
    Mein Mädchen lacht - ich muß mich schnell bemühen,
    Viel andre Sternchen noch hinzuzufügen.

    Nun läuft sie an den Bach, den ruhig klaren,
    Sie sieht ihr Haupt im Strahlenkranze glühen,
    Und jubelt auf vor innigem Vergnügen.
    _____


     

  • Wilhelm Arent (1864-?)

    Gluth

    So schwül, so warm der Mainacht Gluth!
    O hab' Erbarmen, junges Blut!

    Löse dein Mieder diese
    Nacht.
    Enthüll' der Glieder schneeige Pracht!

    Laß mich der Lüste Kampf besiegeln
    Auf deiner Brüste Wonnehügeln!
    _____


     

  • Elsa Asenijeff (1867-1941)

    ZAUBERHAFTE
    MONDNACHT

    Ich steh an den Balkon gelehnt,
    Es ist so tiefe, tiefe
    Nacht – – –
    Ich kann nicht ruhn – – –
    So hab ich dich noch nie gesehnt –!
    War ich das Mondlicht doch,
    Das über deinem Körper spielt,
    Und sich an deinem Mund verfängt,
    – In deinem Barte zitternd wühlt,
    Und zart an deinen Händen hängt.
    Es leuchtet Liebe die lichte Welt!
    Alle Blätter haben sich aufgestellt
    Und sehen träumend die blaue
    Nacht
    Die Amsel ist nach bangem Sinnen stumm –
    – Alle Blumen lächeln und fürchten sich
    Und wissen doch nicht warum, – – –
    O fühlst du nichts?
    Die Sehnsucht steht an deiner Tür
    Und reckt die Brüste
    Und spannt die Arme weit
    Und glüht nach deiner Seligkeit – – –
    O wärst du hier!
    _____


    KÖNIGIN DER LIEBE

    Mein wildes Blut hat nun geboten:
    Die
    Nacht ist gross –
    Hoch vor Gesetz und Sitte steht mein Thron
    Zur Freude mir, den Menschen Hohn.
    Komm her! Du Erdberauschter Sohn,
    Dein Frühling ist mein Schoss!
    Sei namenlos –
    Komm her! Die
    Nacht ist gross – – – – –
    _____


    MONDESNACHT

    Die lange
    Nacht,
    Die bange
    Nacht,
    Wachend und allein!
    Und draussen blüht der Mondenschein
    In lächelndem Frieden über die Welt.

    Du bist noch wach,
    Aus der Ferne
    Strömt leises Glück
    Zu mir . . . . .

    O wärst du hier!
    So hab ich mich noch nie gesehnt,
    Flammend-Geliebter
    Nach dir!
    _____


     

  • Hugo Ball (1886-1927)

    Schöne Mondfrau, gehst du schlafen
    Lächelnd und so munter,
    Leise mit den Silberschafen
    In die
    Nacht hinunter?

    O und du im hellen Kleide,
    Liebe Schehrazade,
    Spielst du, daß die
    Nacht nicht leide
    Deine Serenade?

    Wandermüde, wundertrunken
    Komm in meine Ruhe.
    Blaue, weiche Sternenfunken
    Küssen deine Schuhe.

    Sieh, die
    Nacht ist so lebendig,
    Voller Duft und Gnade.
    In den Bäumen eigenhändig
    Spielt sie sich die Serenade.
    _____


     

  • Anna Behrens-Litzmann (1850-nach 1913)

    Oft geht ein Flammen durch die
    Nacht

    Oft geht ein Flammen durch die
    Nacht,
    Mit Worten kaum zu nennen —
    Wie Sehnsucht dann in mir erwacht
    Nach Sonne und nach Schönheitspracht,
    Nach Tönen, nicht ersterbend sacht,
    Nein, brausend, wie Gewittermacht —
    Nach Lebensfülle, heißem Blut!
    Es ist, als müßt' ich an der Glut
    Der Sehnsucht schier verbrennen.

    Dann heimlich zögernd kommt's heran
    Aus fernen, fernen Tagen,
    Was duftumwebt der Frühling spann,
    Was blütenschwer der Sommer sann,
    Durch Herbstlaub feuerfarben rann,
    Und was der Winter feiernd dann
    An goldnen Früchten, reif und schwer,
    Uns noch ins Haus getragen.

    Und leis erlischt der Sehnsucht Glut
    Vor neuer Töne Schwingen;
    Wie junges Fieber ist im Blut
    Ein übermächtig Klingen.
    Ich lieg' auf Rosen, atme Duft,
    Ich schwimme wie in goldner Luft,
    Posaunendröhnend bricht's hervor,
    Als eine sich der Sterne Chor,
    Und ahnungsschauernd hört mein Ohr
    Schon von der Ewigkeiten Tor
    Den letzten Riegel springen.
    _____


     

  • Otto Julius Bierbaum (1865-1910)

    Gefunden

    Laue Sommernacht; am Himmel
    Stand kein Stern; im weiten Walde

    Suchten wir uns tief im Dunkel,
    Und wir fanden uns.

    Fanden uns im weiten Walde
    In der
    Nacht, der sternenlosen,
    Hielten staunend uns im Arme
    In der dunklen
    Nacht.

    War nicht unser ganzes Leben
    So ein Tappen, so ein Suchen?
    Da: In seine Finsternisse,
    Liebe, fiel Dein Licht.
    _____


    In einer dunklen
    Nacht

    Wenn dieser Körper einst zerfallen ist,
    Seele, du meine Seele,
    Träumst du dir einen andern Leib?
    Lebst du auf einem andern Stern?
    Treibst du aus deinem Drange, der die Schönheit will,
    Blumen, Bäume?

    Oh meine Seele, wenn du nicht vergehst,
    Dann bleib bei ihr, die mir das Leben lieber macht
    Als alle Schönheit.

    Umblühe sie,
    Umhüte sie,
    Laß alle Sterne, alle Seligkeit
    Und bleibe bei ihr.

    Und wenn auch sie dann, wachgeküßt vom Tod,
    Sich selbst in ihrer tiefsten Reinheit lebt,
    Dann geh in sie und gieb dich selber hin,
    Sei eins mit ihr.
    Das ist die Seligkeit, die ich dir hoffe,
    Meine Seele.
    _____


    Aus der Ferne in der
    Nacht

    Wenn im braunen Hafen
    Alle Schiffe schlafen,
    Wach ich auf zu dir.
    Stille in der Runde,
    Heilig diese Stunde,
    Denn sie bringt dich, atemhaltend, mir.

    Stehst in Mondeshelle
    Wartend an der Schwelle,
    Und ich fühle dich;
    Komm', daß ich dich halte,
    Deine Seele walte
    Ueber meinen Träumen mütterlich.
    _____


    Nachtgang

    Wir gingen durch die dunkle, milde
    Nacht,
    Dein Arm in meinem,
    Dein Auge in meinem;
    Der Mond goß silbernes Licht
    Ueber dein Angesicht;
    Wie auf Goldgrund ruhte dein schönes Haupt,
    Und du erschienst mir wie eine Heilige: mild,
    Mild und groß und seelenübervoll,
    Gütig und rein wie die liebe Sonne.
    Und in die Augen
    Schwoll mir ein warmer Drang,
    Wie Thränenahnung.
    Fester faßt ich dich
    Und küßte -
    Küßte dich ganz leise, - meine Seele
    Weinte.
    _____


     

  • Rudolf G. Binding (1867-1938)

    Traumverkündigung

    Heut
    Nacht, mein Lieb, da nehm ich dich
    in meinen Traum.
    Da ist's so licht. Und sänftiglich
    selbander liegen wir wohl unter einem grünen Baum
    und schauen durch das Grün das Blau.
    Ach, Freundin, trau
    dem Grün, dem Blau,
    dem Licht, der
    Nacht, dem Schläfer und dem Traum.
    _____


    Der Kamm

    Du Bändiger der liebsten losen Flechten
    den ich erwacht in meinen Kissen fand
    was sprichst du tags noch von verschwiegenen Nächten,
    von Glut und Kuß und aufgegebenen Rechten
    die schon der graue Morgen mir entwand?

    Nun wirst du gehn und wirst sie wieder zwingen
    die braunen Schlangen die mit scheuer Pracht
    von mir gelöst mich schmeichlerisch umspringen.
    Nun wissen sie nicht mehr von all den Dingen -

    Wie seltsam spricht der Tag doch von der
    Nacht.
    _____


    Morgendliche Trennung

    Dämmerung. Frühgrau. Es tropfen die Bäume.
    Tief duftet die Welt von der Liebe der
    Nacht.
    Noch schaust du mir nach von der Pforte des Gartens.
    Doch da ich mich wende verschlingt dich das Grau.

    O heimliche Morgen der wahrhaft Geliebten.
    O tieferer Duft deiner Liebe in mir.
    Ich gehe dahin so leicht wie ein Seliger.
    Mein Atem ist süß und mein Auge so weit.

    Schon schweben die Adler besonnt in der Reine:
    So ende denn
    Nacht! so beginne denn Tag!
    Ich will deine Liebe dem Morgen zutragen
    und ewigen Tagen - der Liebe nicht müd.
    _____


     

  • Ernst Blass (1890-1939)

    An Gladys

    O du, mein holder Abendstern ...
    Richard Wagner

    So seltsam bin ich, der die
    Nacht durchgeht,
    Den schwarzen Hut auf meinem Dichterhaupt.
    Die Straßen komme ich entlang geweht,
    Mit weichem Glücke bin ich ganz belaubt.

    Es ist halb eins, das ist ja noch nicht spät ...
    Laternen schlummern süß und schneebestaubt.
    Ach, wenn jetzt nur kein Weib an mich gerät
    Mit Worten, schnöde, roh und unerlaubt!

    Die Straßen komme ich entlang geweht,
    Die Lichter scheinen sanft aus mir zu saugen,
    Was mich vorhin noch von den Menschen trennte;

    So seltsam bin ich, der die
    Nacht durchgeht ...
    Freundin, wenn ich jetzt dir begegnen könnte,
    Ich bin so sanft, mit meinen blauen Augen!
    _____


     

  • Udo Brachvogel (1835-1913)

    Du sag'st, ich sei für Dich zu düster,
    Und finster wär' ich wie die
    Nacht,
    Du aber sei'st der Tag, der lustig
    Im Sonnenjubel scherzt und lacht.

    Und wär' es so, und wär'st der Tag Du,
    Und ich die
    Nacht, schwarz wie der Tod:
    So lass' uns in einander fließen,
    Das giebt das schönste Morgenroth!
    _____


     

  • Clemens Brentano (1778-1842)

    Liebesnacht im Haine

    Um uns her der Waldnacht heilig Rauschen
    Und der Büsche abendlich Gebet,
    Seh' ich dich so lieblich bange lauschen
    Wenn der West durch dürre Blätter weht.

    Und ich bitte: Jinni holde, milde
    Sieh ich dürste, sehne mich nach dir
    Sinnend blickst du durch der
    Nacht Gefilde
    Wende deinen süßen Blick nach mir.

    Ach dann wendet Jinni voll Vertrauen
    Ihres Lebens liebesüßen Blick
    Mir ins wonnetrunkne Aug' zu schauen
    Aus des Tages stillem Grab zurück.

    Und es ist so traulich dann, so stille
    Wenn ihr zarter Arm mich fest umschlingt
    Und ein einz'ger liebevoller Wille
    Unsrer Seelen Zwillingspaar durchdringt.

    Nur von unsrer Herzen lautem Pochen
    Von der heil'gen Küsse leisem Tausch
    Von der Seufzer Lispel unterbrochen
    Ist der Geisterfeier Wechselrausch.

    Auf des Äthers liebestillen Wogen
    Kömmt Diane dann so sanft und mild
    Auf dem lichten Wagen hergezogen
    Bis ihn eine Wolke schlau verhüllt,

    Und sie trinket dann an Latmus' Gipfel
    Ihrer Liebe süßen Minnelohn
    Ihre Küsse flüstern durch die Wipfel,
    Küssend, nennst du mich Endymion.

    Liest auch wohl mit züchtigem Verzagen,
    Meiner Blicke heimlich stille Glut
    Und es sterben alle deine Klagen
    Weil die Liebe dir am Herzen ruht.

    Fest umschling' ich dich von dir umschlungen
    Stirbt in unsrem Arm die rege Zeit
    Und es wechseln schon des Lichtes Dämmerungen
    Starb schon Gestern wird schon wieder heut.

    Wenn die lieben Sterne schon ermatten
    Wechseln wir noch heimlich Seligkeit
    Träumen in den tiefen dunklen Schatten
    Flehend und gewährend Ewigkeit.

    Fest an dich gebannt in dich verloren
    Zähle ich an deines Herzens Schlag
    Liebestammelnd jeden Schritt der Horen
    Scheidend küsset uns der junge Tag.
    _____


     

  • Carl Busse (1872-1918)

    Nachts

    Tiefstill die
    Nacht. Nur manchmal, halb im Traum,
    Hör' ich ein Knistern an den weiten Wänden,
    Ein ruhlos Tasten hier und dort im Raum,
    Als wie von feinen, schlanken Frauenhänden.

    Dann weiß ich es, was dir dein Traum gebracht:
    Du suchst nach mir, du kannst mich nicht vergessen,
    Du suchst und suchst die ganze lange
    Nacht
    Nach einem Glück, das du doch einst besessen.
    _____


    Lenznacht

    Das war ein Frühlenz vor Zeiten,
    Verschlafen und wundersacht
    Flogen aus dämmernden Weiten
    Die Winde durch die
    Nacht.

    Blau leuchtende Sterne glühten,
    Und erste Liebeslust
    Hob eine apfelblüten-
    Rosige Mädchenbrust.

    Es kam ein Strahl gezogen
    In heller, blutender Pracht,
    Es flüsterten und es flogen
    Die Winde durch die
    Nacht.
    _____


    Johannisnacht

    Johannisnacht - hellste Nacht,
    Hast mir sehnendes Leid gebracht!

    Ich sah im Dunkeln zwei Buhlen gehn,
    Goldne Sterne hab' ich fallen sehn,
    Und war ein Wispern in allen Landen,
    Wo Gärten blühten, wo Sträucher standen,

    Das war wie der heimlichste Wind so fein,
    Konnt' doch der heimliche Wind nicht sein,
    Lief über den Rasen wie Mädchenschuh
    Und die Nachtigallen schlugen dazu ...

    Da hat mich mein Herz zu früheren Tagen
    Zurückgetragen,
    Als über den Bergen die Feuer sich schwangen
    Und die Burschen sangen.
    Schmucke Dirnen, den Strauß am Mieder,
    Juchten ins dämmernde Thal hernieder,
    Krachten die Scheite - und Lieder und Flammen
    Grüßten die Ferne und schlugen zusammen!

    Und einst, in heller
    Johannisnacht,
    Hab' ich mit dir die Feuer entfacht!
    Zuckte der Schein über Schläfen und Stirnen,
    Lachten die Burschen und kreischten die Dirnen,
    Bis endlich Paar um Paar sich umschlungen
    Und über die lohenden Scheite gesprungen.

    Erst dann, mit heimlichen Stoßgebeten,
    Sind wir vor die knisternden Brände getreten.
    Als ging's in ein glühendes Höllennest,
    Hielt ich dich fest,
    Und als ich dich über die Flammen getragen,
    Es ist dir der Rauch in die Röcke geschlagen,
    Hoch schrecktest du auf und sprachest den Segen,
    Hast zitternd mir drüben im Arme gelegen,
    So kurz wie ein Funke versprüht am Scheit
    - War doch wie ein Wunder der Ewigkeit.

    Johannisnacht - hellste Nacht,
    Hast mir sehnendes Leid gebracht!
    Dich grüßen die Feuer mit rötlichem Rauch,
    Mein zuckendes Herze - das grüßt dich auch!
    Doch werden die Leuchten der bergigen Höhn
    Mich nie mehr kennen, mich nie mehr sehn!
    Ich will's nicht, daß man es Thränen heißt,
    Wenn mir der Rauch in die Augen beißt,
    Wenn das junge Volk seine Späße macht
    Und zwei Buhlen sich küssen - in dieser
    Nacht ...
    _____


     

  • Georg Busse-Palma (1876-1915)

    Dein Mädchenzimmer

    Dein Mädchenzimmer — seltsam ist die Luft,
    Halbwelk im Glas verschwült der blaue Flieder.
    Darüber zieht ein andrer, feinrer Duft,
    Entströmt der Fülle deiner jungen Glieder.

    Es liegt dein Bett noch von der
    Nacht zerwühlt,
    Und seine Wärme spür' ich mit den Händen —
    Ach, diesen Flaum hat deine Brust gefühlt,
    Hier lag dein Haupt und dorten deine Lenden!

    Zerspring nicht, Herz, und klopft nicht gar so laut!
    Ich werf' mich hin und deck' mit tausend Küssen
    Das seel'ge Linnen, dem zur
    Nacht vertraut,
    Was sonst der Mond nur und mein Sehnen wissen.

    Mit warmen Hüllen hüllt es nachts dich ein.
    Mit heißren Hüllen soll mein Kuß dich decken.
    Und diese Küsse soll'n die Stimmen sein,
    Die deine Seele aus der Kindheit wecken!

    Wenn du zum Schlaf die Glieder rosig dehnst,
    Soll ihre Glut dir jeden Schlaf verjagen,
    Bis du auch glühst und dich nach Armen sehnst,
    Die dich als Weib aus heißer Taufe tragen! —
    _____


    Weißt du, mein Liebling ...

    Weißt du, mein Liebling, was ich einmal möchte?
    Ich möcht' mit dir weit in die Wälder fliehn
    Und deines Haares dunkelblonde Flechte
    Dort fest, ganz fest um meinen Nacken ziehn:
    Daß deine Lippen, die so lieblich brennen,
    Die ganze
    Nacht nicht von den meinen können! —
    _____


     

  • Adelbert von Chamisso (1781-1838)

    Morgentau

    Wir wollten mit Kosen und Lieben
    Genießen der köstlichen
    Nacht.
    Wo sind doch die Stunden geblieben?
    Es ist ja der Hahn schon erwacht.

    Die Sonne, die bringt viel Leiden,
    Es weinet die scheidende
    Nacht;
    Ich also muß weinen und scheiden,
    Es ist ja die Welt schon erwacht.

    Ich wollt', es gäb' keine Sonne,
    Als eben dein Auge so klar,
    Wir weilten in Tag und in Wonne,
    Und schliefe die Welt immerdar.
    _____


     

  • Ada Christen (1839-1901)

    Eine
    Nacht

    Ich hab' einen schönen Traum geträumt
    In einer langen
    Nacht;
    Da warst du gut und freundlich mit mir,
    Doch hat's mich traurig gemacht.

    Du hieltest mich an die Brust gedrückt,
    Unser Athem hat sich vereint;
    Ich habe dir leise die Hände geküßt
    Und leise dabei geweint.

    Du legtest die Hände mir auf's Haupt
    Und sahst mich forschend an;
    Ich aber weinte immer fort:
    Du hast mir Leides gethan.

    »Und hab' ich dir auch Leides gethan,
    Vergiß es nur geschwind
    Und weine nicht« - so sagtest du,
    »Mein armes verlorenes Kind!«

    »Du sollst nicht mehr verlassen sein,
    Ich will dich hegen und pflegen,
    Und weil du bald stirbst, so will ich
    Dich selber zur Ruhe legen.« -

    Ich aber weinte immer fort
    In der langen bangen
    Nacht -
    Und bin wieder einsam, verlassen
    Am Morgen aufgewacht.
    _____


     

  • Max Dauthendey (1867-1918)

    Küßte ich zur
    Nacht

    Ach, wie fröhlich und gesund
    Mich die Liebe macht!
    Bin der beste Mensch am Tag,
    Küßte ich zur
    Nacht.

    Arbeit tut von selber gehen,
    Jeder Schritt ist Dank,
    Reden, die ich reden muß,
    Red' ich frei und frank.

    Heller wird mir jeder Tag,
    Weiß, wohin man sieht,
    Weiß, wenn's Abend werden will,
    Wozu das geschieht.

    Herrlich kommt die dunkle
    Nacht,
    Die den Mund mir gibt,
    Der mich bis zum hellen Tag
    Unter Küssen liebt.
    _____


    Die Sonne sank ...

    Es wird so dunkel, und mir wird so bang.
    Die Trennung von der Liebsten ist so lang.
    Ich zittre, liege still und atme kaum, -
    Ein Blitz fiel geisternd durch den Himmelsraum.

    Ich bin so schreckhaft wie ein Wild im Wald.
    Die Sonne sank; und kehrt sie wieder bald,
    So hab' ich nur das eine stets gedacht:
    Fern von der Liebsten ist es ewig
    Nacht.
    _____


    Sanft legte dich die Liebe auf mein Bett

    Sanft legte dich die Liebe auf mein Bett
    In deinem schönsten Kleid aus Scham und Blöße,
    Und draußen kam die
    Nacht auf atemlosen Schnee,
    Und auch Gottvater kam in atemloser Größe.
    Mit vollem Auge hat der Gott geweint, gelacht.
    Du hast dein Herz und deinen Leib
    Zur Krone dieser
    Nacht gemacht.
    _____


     

  • Richard Dehmel (1863-1920)

    Entbietung

    Schmück dir das Haar mit wildem Mohn,
    die
    Nacht ist da,
    all ihre Sterne glühen schon.
    All ihre Sterne glühn heut Dir!
    du weißt es ja:
    all ihre Sterne glühn in mir!

    Dein Haar ist schwarz, dein Haar ist wild
    und knistert unter meiner Glut;
    und wenn die schwillt,
    jagt sie mit Macht
    die roten Blüten und dein Blut
    hoch in die höchste Mitternacht.

    In deinen Augen glimmt ein Licht,
    so grau in grün,
    wie dort die
    Nacht den Stern umflicht.
    Wann kommst du?! - Meine Fackeln lohn!
    laß glühn, laß glühn!
    schmück mir dein Haar mit wildem Mohn!
    _____


     

  • Edmund Dorer (1831-1890)

    Nachtgesang

    Hab' dein gedacht
    Die lange
    Nacht.
    Ein Sternlein nur
    An der Himmelsflur
    Glänzt noch und wacht
    In stiller
    Nacht.

    Wie mir dein Bild
    Gleich dem Stern so mild,
    So freundlich lacht,
    Doch bleibst du fern,
    Mir gleich dem Stern
    In dunkler
    Nacht.

    Hab' dein gedacht
    Die lange
    Nacht;
    Bald geht wie du
    Der Stern zur Ruh;
    Mein Herz nur wacht
    Die ganze
    Nacht.
    _____


     

  • Carl Ferdinand Dräxler-Manfred (1806-1879)

    Gute
    Nacht

    Gute
    Nacht, du süßes Kind,
    Mögen Engel dich behüten,
    Und der Schlummer leis und lind
    Seinen Segen dir entbieten.

    Gute
    Nacht, und träume süß
    Von den Rosen, deinen Schwestern,
    Die im Erdenparadies
    Morgen blühen so wie gestern.

    Gute
    Nacht, und denke mein
    Mindestens in holden Träumen,
    Mochtest so im Tagesschein
    Meiner zu gedenken säumen.

    Gute
    Nacht, und bleib mir gut,
    Lächle gütig mir entgegen:
    Deiner Blicke Zauber ruht
    Auf mir wie ein milder Segen.

    Gute
    Nacht, die Äuglein zu,
    Schließ die holden Blicke gerne:
    Schöner, selbst in Schlafesruh,
    Sind sie doch als alle Sterne.
    _____


     

  • Reinhold Eichacker (1886-1931)

    Königin der
    Nacht

    Du wolltest nur im Dunkel mich beglücken
    und mich zum König Deiner Liebe küssen,
    und niemals dürfe ich im Tag Dich kennen
    und niemals Deinen Stand und Namen wissen.
    Blind müsse ich wie einen Traum Dich träumen
    und nur dem Sang der Sinne selig lauschen,
    Dein süßes Fleisch, die Wollust Deiner Glieder,
    des Leibes Atem sollten mich berauschen.

    Du hieltest Wort — und kamst, als aller Sterne
    tagfremde Augen schlummernd sich geschlossen;
    mit Deinem Schleier war ein Hauch von Rosen
    in meines Zimmers Finsternis geflossen —
    dann fiel das Tor ins Schloß,
    und es war
    Nacht . . . .!

    — — — Ein Sturm zerfetzte unseres Atems Segel,
    und unser Herzschlag läutete wie Glocken,
    — so nahmst Du langsam meine heißen Hände
    und legtest zärtlich sie in Deine Locken
    und löstest sie durch mich zu weichen Wellen,
    die endlos in das All des Dunkels sanken
    und mir entglitten, eh ich Dich umschlungen —
    — Du warst verhaucht, wie brünstige Gedanken.
    . . . . . Und wieder sprach zu uns der Stunde Stille —
    da hörte ich Dein Kleid zu Boden wehen,
    ich trank die
    Nacht in atemlosen Zügen
    und meiner Augen Blindheit ward zum Flehen;
    mein Blut schrie auf, wie sich die Ozeane
    dem Silberlicht des Monds entgegenbäumen —
    dann . . . fühlte ich Dich selbst, — wie eine Woge
    aus niegekannter Lust mich überschäumen.
    — Ich war ein Hauch, ein Seufzer nur geworden,
    es riß mich fort, es warf mich auf und nieder . . .
    . . . . — mich schlang das All — und stürzte mich zersprühend
    zum Tod der Liebe tief in Deine Glieder.
    So tief verfleischt war unser ganzes Leben,
    daß unsere Körper sich nicht wiederkannten,
    daß unserer Bisse blutberauschten Küsse
    gleich heißen Wunden in uns selber brannten.
    Und meine Lippen nahmen Deine Brüste
    wie reife Früchte, die den Tod bereiten,
    und Deine Schenkel lohten in den meinen
    gleich Hexen, die durch Scheiterhaufen schreiten,
    und meine Augen, die zur
    Nacht erblindet,
    umjauchzten Dich in ewigem Gestalten,
    in meinen Armen schien ich nicht ein Leben,
    nein, jedes Weib, das je gelebt, zu halten!
    — Ich wußte nicht, ob Deiner Augen Gärten
    das Schwarz der
    Nacht, den Glanz der Sonne trugen,
    ob Deine Locken lichtscheu oder golden
    gleich Meeresschaum um meine Lenden schlugen.
    Ich wußte nicht, ob du ein Kind des Himmels,
    ob Du der Hölle teuflischstes Verlangen,
    ich wußte nur, daß alle meine Sinne
    sich ganz in Deiner Seligkeit gefangen.
    Ich wußte nur, daß mich Frau Venus küßte,
    die mir die Sehnsucht meiner Träume brachte,
    ich wußte nur, daß ich auf Deinen Lippen
    als Lied verklang — und als ein Gott erwachte.
    — Du warst verweht, — wie Du als Traum gekommen
    und tiefstem Taumel folgte kein Ernüchtern,
    nun stirbt die Sehnsucht niemals meinen Augen
    und meine
    Nacht erstrahlt in ewigen Lichtern!
    _____


     

  • Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857)

    Nacht

    Die Vöglein, die so fröhlich sangen,
    Der Blumen bunte Pracht,
    'S ist alles unter nun gegangen,
    Nur das Verlangen
    Der Liebe wacht.
    *
    Tritt nicht hinaus jetzt vor die Tür,
    Die
    Nacht hat eignen Sang,
    Das Waldhorn ruft, als rief's nach Dir,
    Betrüglich ist der irre Klang,
    Endlos der Wälder Labyrinth -
    Behüt' Dich Gott, Du schönes Kind!
    _____


    Mondnacht

    Es war, als hätt der Himmel
    Die Erde still geküßt,
    Daß sie im Blütenschimmer
    Von ihm nun träumen müßt.

    Die Luft ging durch die Felder,
    Die Ähren wogten sacht,
    Es rauschten leis die Wälder,
    So sternklar war die
    Nacht.

    Und meine Seele spannte
    Weit ihre Flügel aus,
    Flog durch die stillen Lande,
    Als flöge sie nach Haus.
    _____


    Beim Erwachen
    An M. H.

    Tiefer ins Morgenrot versinken die Sterne alle
    Fern nur aus Träumen dämmert dein Bild noch vorüber,
    Und weinender tauch' ich aus seliger Flut. -

    Aber im Herzen tief bewahr' ich die lieben Züge,
    Trage sie schweigend durch des Tages Gewühle
    Bis wieder zur stillen träumenden
    Nacht. -
    _____


     

  • Ludwig Eichrodt (1827-1892)

    Holde
    Nacht

    Ich weiß in grünem Garten
    Den allerschönsten Ort,
    Die stillen Sterne warten
    Auf liebende Herzen dort.

    Es spielen durch die Lauben
    Die Lichter des Mondenscheins,
    Es flüstern durch die Trauben
    Die Geister süßen Weins.

    Es wispern leis und linde
    Die Abendwinde, die laun,
    Und durch die schlanken Gewinde
    Verliebte Blumen schaun.

    Vom Hügel rauschet nieder
    Der dunkle Kastanienwald,
    Du hörset Schlummerlieder
    Voll zaubrischer Gewalt.

    Die Sterne des Himmels erwarten
    Zwei liebende Herzen dort,
    Ich weiß in grünem Garten
    Den allerschönsten Ort.
    _____


     

  • Gerrit Engelke (1890-1918)

    Euridyke

    Orpheus! Orpheus! zerstrahle die Schatten,
    Brich leuchtend zu mir!
    Orpheus! mein Herz will ermatten -
    Mein Herz schreit nach dir!
    Orpheus!

    Geliebter! Strahlender! die
    Nacht, die Nacht
    Droht; finsteres Wehen!
    Geliebter, ich sinke! ich sinke in
    Nacht,
    Ich kann dich nicht sehen -
    Orpheus?

    Geliebter - hörst Du mich rufen?
    Die
    Nacht wühlt mich zu -
    O, ich kann nicht - mehr rufen -
    Orpheus, wo - bist - du?
    Wo - bist - -?
    _____


     

  • Otto Ernst (1862-1926)

    Walpurgisnacht

    Zu Roß, mein Lieb, mein süßes Lieb,
    Wir müssen schnell von dannen,
    Von dannen durch die tiefe
    Nacht,
    Durch Feld und Hag und Tannen!
    Hinweg von unsrer Feinde Herd,
    Die uns nur Fluch und Hohn beschert
    Und uns ins Elend bannen.

    Blick' auf, mein Lieb, mein süßes Lieb,
    Walpurgisnacht ist heute!
    Es schwirren um den starren Berg
    Gar wundersame Leute.
    Es drehen sich im Hochzeitstanz
    Und treiben wilden Mummenschanz
    Die grauen Hexenbräute.

    Fürwahr, mein Lieb, mein süßes Lieb,
    Sie gleichen ganz den Fratzen,
    Die unser Glück vergifteten
    Mit Droh'n und süßem Schwatzen.
    Die Augen stierten gläsern kalt;
    Die Leiber sind verschrumpft und alt;
    Sie fauchen wie die Katzen.

    Hinweg, mein Lieb, mein süßes Lieb!
    Hier kann das Glück nicht weilen.
    Umfasse du mich ohne Graun
    Und laß uns fürder eilen!
    Wir finden unsre Heimat doch,
    Und läg' sie in der Ferne noch
    Viel hundert, hundert Meilen! -

    O sieh, mein Lieb, mein süßes Lieb,
    Zerflattert sind die Sorgen!
    Da steigt die Sonne rot empor,
    Die sich so lang verborgen.
    Was ferne glüht in stiller Pracht
    Und was so hell in uns erwacht:
    Das ist der Maienmorgen!
    _____


    Nächtliche Wanderung

    Ich schreite einsam durch den Wald,
    Die
    Nacht webt schwarz um düstre Tannen;
    Vor meinem Geist steht Weh und Lust
    Der langen Jahre, die verrannen.

    Hat mehr des Leides, mehr der Lust
    Mich angefaßt im Weltgetriebe? -
    Ob allem, was verweht, vergeht,
    Stand ewig leuchtend deine Liebe!

    Auch heute, da durch
    Nacht und Graun
    Mein müder Fuß zum Ziele schreitet,
    Fühl ich so tief, wie mich dein Geist
    In dieser Einsamkeit begleitet.
    _____


     

  • Bruno Ertler (1889-1927)

    Nächtlicher Gang

    Still ist die
    Nacht, die toten Gassen schweigen
    und einsam hallt mein müder Schritt.
    Die Sehnsucht kam und löst' mich aus dem Reigen
    und nahm mich mit.

    Fern hör' ich noch die hohen Geigen sinken
    zum tollen Tanz,
    die Menschen lachen, und die Becher klingen
    beim Mummenschanz. — —

    Die
    Nacht ist still; es jauchzen tausend Lieder
    im Herzen mir —
    und doch mir eins und immer eines wieder:
    Das Lied von dir. —
    _____


     

  • Gisela Etzel (1880-1918)

    Und immer wieder dieser eine Traum,
    Da fest und süß dein Mund den meinen findet,
    Und Seligkeit / entrückt von Zeit und Raum!

    Nach solcher
    Nacht ist dann der Tag so voll
    Wie Beere, die sich schwer dem Stiel entwindet,
    Wie Samenkapsel, die zerplatzen soll.

    Und dieses Tages äußres Leben geht
    Wie hinter Schleiern sacht zum Abend nieder;
    Nur Eines ist, das klar und leuchtend steht:

    Dein Bild aus jenem tieflebendigen Traum!
    Wachsehnsucht bringt es mir aus Schatten wieder
    Und hält es / weit entrückt von Zeit und Raum.
    _____


    Wenn ich in glühender
    Nacht
    Selig geweint und gelacht,
    Lieb ich den Morgen so sehr,
    Dem ich entgegengewacht.
    Über die Himmel so sacht
    Streckt er die Fühler mir her,
    Leuchtet mir kühn ins Gesicht /
    Sucht wohl, und findet doch nicht,
    Lider, die müde und schwer.
    Und wie er flimmert und sticht
    Und mich beschüttet mit Licht,
    Hält mich das Lager nicht mehr;
    Spring ich empor aus der Glut,
    Gebe dem Tag mich in Hut,
    Schreite so heiter einher!
    Der mir zur Seite geruht,
    Liebster, nun schlummere gut,
    Siehe, ich liebe dich sehr!
    Der du in seliger
    Nacht,
    Himmel mit mir durchwacht,
    Träume zu neuer Begehr;
    Denn nach verschwendeter Pracht
    Bettet der Tag sich in
    Nacht,
    Flutet wie stürmendes Meer
    Neues Entzücken daher . . .
    _____


     

  • Gustav Falke (1853-1916)

    Schamhafte Liebe

    Du schläfst, und meine blöde Liebe
    darf sich auch ihrem Winkel wagen
    und über dich ihr zärtlich Nachtgebet
    mit leisem Mund und lautem Herzschlag sagen.

    Dem hellen Tag ist sie ein schreckhaft Kind
    und liebt Verstecke, hüllt sich gern in Schweigen,
    verschüchtert leicht, wo andre lärmend sind.
    Du schläfst, und ihre stillen Sterne steigen.
    Weit öffnet sich ihr Herz, und in verschämter Pracht
    erglüht die keusche Königin der
    Nacht.
    _____


    Sonnenaufgang

    Tage, die ich ohne dich verbracht,
    waren Tage nicht, sie waren
    Nacht,
    nun von deiner Rückkehr mir ward Kunde,
    warte ich auf meine Morgenstunde.

    Wenn das Licht sich aus dem Dunkel hebt,
    alles Leben ihm entgegen bebt,
    klingt, wie von verborgenen Zaubersaiten,
    hell ein Klang durch alle Welt und Weiten.

    Ein um dich verträumtes Leben harrt
    deiner wundertätigen Gegenwart.
    Komm! Es will mit lautem Liebessingen
    selig seinen Morgengruß dir bringen.
    _____


     

  • August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)

    Wenn alles schläft in stiller
    Nacht,
    Die Liebe wacht.
    Sie wandelt leise von Haus zu Haus
    Und teilt die schönsten Gaben aus;
    Sie bringet Trost für altes Leid,
    Bringt neue Lust und Fröhlichkeit. -
    Laß, Liebe, deine Gabe mich sein,
    Flicht mich in deine Träume mit ein,
    Daß die, nach der mein Herz verlanget
    Und sehnsuchtglühend banget,
    Im Traume mich sieht
    Und hört mein Lied.
    _____


     

  • Karoline von Fidler (1801-1874)

    Nacht

    Streife über meine Saiten
    Feuchter Hauch der stillen
    Nacht,
    Laß die Töne schwellend gleiten,
    Wo der Liebe Sehnen wacht;
    Hebe leicht wie Blüthenflocken
    Mir die losgebund'nen Locken,
    Daß sich rein das sanfte Licht
    In des Auges Thräne bricht.

    Oeffnet euch verborg'ne Pforten,
    Heil'ge Schauer weht mich an!
    Daß gewiegt auf Engelsworten
    Meine Seele schlummern kann,
    Daß begraben unter Düften,
    Von des Mondes thau'gen Lüften
    Aufgelöst, mein Herz vergißt,
    Daß es Tag gewesen ist.

    Ach aus tausend Götteraugen
    Strömt der Blicke Himmelslust,
    Und sie durstig einzusaugen
    Thut sich auf die heiße Brust;
    Ew'ge Liebesarme breiten
    Sich in ungemess'ne Weiten,
    Durch den festverschloss'nen Mund
    Wird der Geist dem Geiste kund.
    _____


     

  • Johann Georg Fischer (1816-1897)

    Stern und Sonne dürfen's wissen

    Mußt bei mir bleiben die ganze
    Nacht,
    Der einzige Mond und ein Sternlein wacht,
    Was thut's, wenn sie sehn, was auf Erden geschieht?

    Was thut's, wenn sie sehn, was auf Erden geschieht?
    Mußt bei mir bleiben die ganze
    Nacht,
    Und wenn es der ganze Himmel sieht.

    Was thut's, wenn sie weiß, was auf Erden geschieht,
    Wenn's am andern Morgen die Sonne sieht,
    Daß du bei mir blieben die ganze
    Nacht?
    _____


     

  • Cäsar Flaischlen (1864-1920)

    Gute
    Nacht . . .

    Gute
    Nacht, meinsein Herzliebstelein,
    wir wollen für heut uns verleidet sein!
    So sonntagschön, so sommerklar,
    so rosenrot der Tag auch war,
    die Glocken läuten schon den Abend ein . .
    gute
    Nacht, meinsein Herzliebstelein!

    Gute
    Nacht, meinsein Herzliebstelein . .
    der Mond guckt über den Hexenstein,
    und in der Stadt und Bahn-entlang
    da gehn bereits die Lichter an,
    und die Wiesen drüben nebeln sich ein ..
    gute
    Nacht, meinsein Herzliebstelein!

    Gute
    Nacht, meinsein Herzliebstelein . .
    ich bringe dich noch bis zum Waldhorn hinein
    und geh dann über die Kuckuckshöh,
    wo ich dein Licht im Fenster seh,
    und singe mir, bis ich selber daheim:
    Gute
    Nacht, meinsein Herzliebstelein!
    _____


     

  • Else Galen-Gube (1869-1922)

    Sturmnacht

    Der Sturmwind singt sein Werbelied
    vor meinem Kammerfenster;
    die
    Nacht ist dunkel, die Nacht ist still,
    die Schatten stehn wie Gespenster.

    Die
    Nacht ist einsam, die Nacht ist lang,
    mein Sehnen nach dir ist so wild …
    Ich seh an die Scheiben des Fensters gepreßt
    dein geisterhaft blasses Bild.

    Die
    Nacht ist verschwiegen, die Nacht ist stumm;
    komm zu mir zur Kammer herein,
    und fülle den kleinen dunklen Raum
    mit all deinem Sonnenschein.
    _____


    Zwei
    Nächte

    Hab ihn genommen an meine Brust,
    ihn zu erwecken zu neuer Lust ……
    Geküßt auf den kalten, bleichen Mund,
    geküßt, bis mir meine Lippen wund!
    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    In seiner letzten, der Todesnacht,
    hab jäh ich gedacht
    an eine andre, die erste
    Nacht.

    Heut kalt der Liebste und damals so heiß,
    im Haar trug ich Schleier und Myrtenreis,
    sie hüllten zwei selige Menschen ein,
    die wollten beide nur eins noch sein ……

    Warum hieltst du nicht Wort? Warum tauschtest du heut
    mit dem Hochzeitsgewand das Totenkleid?
    Und es kommt noch so manche, lange
    Nacht - -
    meine Liebe, die ist nun aufgewacht!
    Du hast sie mit deinen Küssen geweckt,
    du hast sie aus ihrer Ruhe geschreckt,
    du hast sie hungern und dürsten gemacht
    nach den Seligkeiten der Frühlingsnacht!

    Da liegst du – tot - -
    und in mir loht
    weiter und weiter der heischende Brand,
    und bald – dann kommt der Frühling ins Land,
    und kein Mund, der mir rot die Lippen küßt,
    wenn die spähende Sonne ging zur Rüst.

    Liebster, Geliebter! - -
    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    In deiner letzten, der
    Todesnacht,
    hab jäh ich gedacht
    an eine andre, die erste
    Nacht. - -
    _____


    In einsamer
    Nacht

    Jetzt ruht sie aus im Schoß der dunklen
    Nacht,
    das bleiche Haupt im weißen Pfühl gebettet,
    so jung an einen Toten angekettet.

    Ich weiß, was sie so arm, so elend macht:
    Das wilde Blut tobt heiß in ihren Adern
    und doch, sie kann nicht mit dem Schicksal hadern.

    Sie hat ihn ja geleert bis auf den Grund
    den Zaubertrank aus goldnem Freudenbecher,
    ein lebensdurstger, nimmersatter Zecher. - - -

    Wie lächelte doch sonst der rote Mund,
    der heut so fest geschlossen durch den Jammer!
    Sie ist allein – allein in ihrer Kammer.
    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

    Der Mond steigt auf; ein voller Silberschein
    fällt auf die blonde, bleiche Frau hernieder,
    auf Hals und Arm, - es leuchten ihre Glieder
    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    für wen, für wen -? Und weinend schläft sie ein.
    _____


    Allerseelennacht

    Nun schlinge den Arm um den Nacken mir wild,
    wie einst du um mich geworben;
    ich fürchte mich nicht vor des Traumes Gebild,
    für die Welt sind wir beide gestorben.

    Leg deine Lippen ganz heimlich und traut
    auf meine, die glühenden, roten
    und küsse mich bis der Morgen graut ……
    Heut
    Nacht ist ja frei für die Toten!

    Heut bist du mein eine ganze
    Nacht,
    heut gibt es kein Scheiden, kein Sterben;
    du darfst bei funkelnder Sternenpracht,
    Glückseliger, um mich werben! …

    Mein Atem fliegt, in den Pulsen jagt
    ein drängendes Klopfen und Hämmern.
    Genieße - - -! In einer Stunde tagt
    Im Osten das Morgendämmern.

    In einer Stunde erschöpfen wir rein,
    was es an Glück kann geben -
    Wir brauchen die einzige Stunde allein,
    und die Menschen, sie brauchen ein Leben.
    _____


    Gute
    Nacht, Liebster!

    Ruhig lagst du auf den weichen Kissen,
    als der Tod dich, Liebster, mir entrissen;
    um mich her ward plötzlich finstre
    Nacht.

    Blumen bracht ich dir und meine Tränen,
    und mit unermeßlich heißem Sehnen
    hielt ich dir die letzte Totenwacht.

    Küßte deine Lippen, deine kalten,
    hab in meinen Armen dich gehalten,
    bis die Sonne glühend aufgewacht.

    Ach, der Sonne noch so licht Gefunkel
    hellt nicht auf der Seele tiefes Dunkel -
    Gute
    Nacht, du Liebster, gute Nacht!
    _____


     

  • Julius Grosse (1828-1902)

    Lied

    Kein Stern ist in Wolken zu sehen,
    Alle Sterne trag' ich in mir.
    Kein Laut durch die Oede will wehen,
    Alle Hymnen tönen in mir.
    Nur
    Nacht und Winter draußen,
    Schauernd, unheimlich und wüst,
    Doch
    Nacht und Winter schwanden,
    Seit ich den Mund dir geküßt.
    _____


     

  • Sidonie Grünwald-Zerkowitz (1852-1907)

    O Du gute
    Nacht!

    Ich küsse Deiner Hülle Saum,
    O
    Nacht, die vor die Seele mild
    Mir zaubert im barmherz'gen Traum
    Des fernen Liebchens lichtes Bild!

    Wie süß wär' ach das Sterben mir,
    Könnt' in die Ewigkeit ich gehn
    Im Hoffen: wie im Traume hier
    Mein Lieb im Jenseit auch zu sehn!
    _____


     

  • Robert Hamerling (1830-1889)

    Nacht und Morgen

    Weicht ihr, trübe Stunden?
    Weichst du, lange
    Nacht,
    Leidvoll überwunden,
    Thränenvoll durchwacht?
    Matter seh' ich scheinen
    Mondes Zauberlicht,
    Das mit Sehnsuchtspeinen
    Nacht für Nacht mein Herz umflicht.

    Morgendlich die Winde
    Von den Bergen weh'n.
    Gruß dem holden Kinde
    Hinter jenen Höh'n!
    Licht ist mir ihr Bildniß,
    Das wie Sonnengold
    Durch des Herzens Wildniß
    Seine Flammenströme rollt.

    Freundlich weckt der Morgen
    Holde Sangeslust.
    Knospen sind die Sorgen,
    Keimend in der Brust:
    Mitternächtlich nieder
    Thränen auf sie thau'n,
    Und als holde Lieder
    Geh'n sie auf im Morgengrau'n.
    _____


     

  • Otto Erich Hartleben (1864-1905)

    Morgenklagen

    Ach! Der grösste meiner Herrn Collegen,
    Goethe schon hat dieses Leid empfunden -
    O du loses, leidigliebes Mädchen!

    Durch zwei Treppen waren wir geschieden,
    kurze Treppen, und die nicht mal knarrten -
    O du loses, leidigliebes Mädchen!

    Hattst es unter Küssen mir geschworen:
    diese
    Nacht! Ich bebte vor Entzücken -
    O du loses, leidigliebes Mädchen!

    Lauschend harrt ich dein auf Nummro Neunzehn,
    doch du schliefst auf Nummro Neunundzwanzig -
    O du loses, leidigliebes Mädchen!
    _____


     

  • Walter Hasenclever (1890-1940)

    Den Jammer einer leeren Zeit
    Streich mir aus meinem Haar,
    Und etwas Güte und Frömmigkeit
    Küsse mir in mein Haar,

    Und etwas weiche, milde
    Nacht
    Gib mir in Deinem Schoß,
    Dann regnet, was so traurig macht,
    Leise von uns los.
    _____


     

  • Friedrich Hebbel (1813-1863)

    Ich und du

    Wir träumten von einander
    Und sind davon erwacht,
    Wir leben, um uns zu lieben,
    Und sinken zurück in die
    Nacht.

    Du tratst aus meinem Traume,
    Aus deinem trat ich hervor,
    Wir sterben, wenn sich eines
    Im andern ganz verlor.

    Auf einer Lilie zittern
    Zwei Tropfen, rein und rund,
    Zerfließen in eins und rollen
    Hinab in des Kelches Grund.
    _____


     

  • Heinrich Heine (1797-1856)

    Hast du die Lippen mir wund geküßt,
    So küsse sie wieder heil,
    Und wenn du bis Abend nicht fertig bist,
    So hat es auch keine Eil.

    Du hast ja noch die ganze
    Nacht,
    Du Herzallerliebste mein!
    Man kann in solch einer ganzen
    Nacht
    Viel küssen und selig sein.
    _____


    Schon mit ihren schlimmsten Schatten
    Schleicht die böse
    Nacht heran;
    Unsre Seelen sie ermatten,
    Gähnend schauen wir uns an.

    Du wirst alt und ich noch älter,
    Unser Frühling ist verblüht.
    Du wirst kalt und ich noch kälter,
    Wie der Winter näher zieht.

    Ach, das Ende ist so trübe!
    Nach der holden Liebesnot
    Kommen Nöten ohne Liebe,
    Nach dem Leben kommt der Tod.
    _____


    Wo ich bin, mich rings umdunkelt
    Finsternis, so dumpf und dicht,
    Seit mir nicht mehr leuchtend funkelt,
    Liebste, deiner Augen Licht.

    Mir erloschen ist der süßen
    Liebessterne goldne Pracht,
    Abgrund gähnt zu meinen Füßen -
    Nimm mich auf, uralte
    Nacht!
    _____


     

  • Georg Heym (1887-1912)

    Die ganze
    Nacht ...

    Die ganze
    Nacht,
    Die ich verwacht,
    Ein Brunnen rann,
    Ein Vogel sang,
    Und dann und wann
    Im stillen Raum
    Der Nachtwind klang
    Im hohen Baum.

    Die ganze
    Nacht,
    Die ich verwacht,
    Dein Bild mir stand
    Vor Augen tief
    Und unverwandt,
    Bis fern am Saum
    Die
    Nacht entschlief
    Und kam der Traum.
    _____


     

  • Paul Heyse (1830-1914)

    Siesta

    Lieb, o lieb war die
    Nacht
    Mitten am hellen Tag,
    Als wir die Läden geschlossen,
    Als durch die schützenden Sprossen
    Goldige Dämmerung brach.

    Kühl, o kühl war der Saal,
    Drinnen die Welt uns verging,
    Da wir in seligem Schmachten
    Wandelten, flüsterten, lachten,
    Bis uns der Schlummer umfing.

    Süß, o süß war der Traum,
    Herz am Herzen geträumt!
    Über uns schwebend im Kreise
    Flattert’ ein Schmetterling leise,
    Dunkel die Schwingen umsäumt.
    _____


    Stimme der
    Nacht

    Nur eine Wachtel schlug im Feld,
    Da ich vorüberging,
    Nur eine leise Glocke rief,
    Die hoch im Turme hing.

    Verhallt die wirre Menschenlust,
    Der wunde Menschenschrei.
    So still der Wald! Es rauscht der Fluß
    Mit Murmelklang vorbei.

    Ein lautlos feuchter Uferwind
    Entfacht dein Blut mit Macht,
    Und die verlorne Liebe ruft
    Beweglich durch die
    Nacht.
    _____


     

  • Sophie Hoechstetter (1873-1943)

    Liebesnacht

    Uns leuchtete noch keine
    Nacht so tief
    Wie dieses Sommers schwere Liebesnacht,
    Da dir dein Herz erwacht, die dir mein Herz gebracht
    Die uns zum Leben rief —
    Spürst du — fern sinkt das letzte Schweigen,
    Fern klingt der Reigen
    Verdämmernder Lieder der Einsamkeiten
    Gieb mir die Hand,
    Erobererland
    Liegt viel noch in uns beiden.
    Ich fühle, wie Mund und Hände mir begnadet sind
    Ich fühle, wie dein Blut zum Herzen rinnt —
    Fühlst du die
    Nacht? Noch keine war so still —
    — So still, als seien alle Tränen ausgeweint
    So still, als trüge sie Tod und Unsterblichkeit vereint —
    Wie diese, die uns zu den Göttern führen will.
    _____


     

  • Edmund Hoefer (1819-1882)

    Die
    Nacht hält Hof. Heut wird das Fest begangen,
    Wie's nie so reich, so prächtig nie entglommen,
    Nie kam der Mond so stolz daher geschwommen,
    Nie mochten also je die Sterne prangen;

    Die Blumen alle stehn mit süßem Bangen,
    Die Nachtigallen schlagen lustbeklommen, -
    Und allen Gästen spricht ihr froh Willkommen
    Die milde
    Nacht, die Herrin huldumfangen.

    Da steh' ich nun und schaue mit Entzücken
    In dies allmächt'ge ewig gleiche Regen,
    Das sich so neu erschlossen meinen Blicken.

    Denn jezt erst glaub' und fühl' ich's allerwegen,
    Wie tausend Siegel auf die Sinne drücken,
    Bis unser Herz erweckt der Liebe Segen.
    _____


    Erwartung

    Wie der Park so still, wie die Luft so lau!
    Wie die Sterne blitzen von himmlischer Au'!
    Und die Blüthen und Blätter wispern so viel,
    Thauwürmchen leuchten im Moose kühl,
    Es flüstert der See mit silbernem Klang.
    Mein Herze lauscht:
    Der See nur rauscht.
    O mein Lieb, o mein Lieb, was säumst du so lang'!

    O du
    Nacht, o du Nacht, wo ich sehnend geharrt,
    Wo das liebende Aug' in das Dunkel gestarrt!
    Wenn es huschend und weiß durch die Büsche sich schmiegt
    Und athemlos lächelnd im Arme mir liegt,
    An der Brust mir verbirgt sich die schämige Wang' -
    Mein Herze lauscht:
    Der Busch nur rauscht.
    O mein Lieb, o mein Lieb, was säumst du so lang!

    O du
    Nacht, o du Nacht, von Gewährung umkränzt,
    Wo im flüsternden Dunkel die Liebe nur glänzt!
    O du Küssen und Kosen gedankenberaubt,
    Wo die Bäume mit Blüthen bestreu'n uns das Haupt,
    Wo die Blüthe der Liebe dem Herzen entsprang!
    Mein Herze lauscht:
    Die Blüthe rauscht.
    O mein Lieb, o mein Lieb, was säumst du so lang!

    O mein Lieb, o mein Lieb, was säumest du fern!
    O erstrale durch's Dunkel mein schimmernder Stern!
    Es errauschet der Park, es errauschet die Flut,
    O sie locken und locken mit heimlicher Glut!
    Und es locken die Sterne verschwiegen und blank -
    Mein Herze lauscht:
    Es rauscht! Es rauscht!
    O mein Lieb, o mein Lieb, ich harrte so lang'!
    _____


     

  • Mia Holm (1845-1912)

    Stehe still, du süsse
    Nacht

    Lieblich warst du schon am Morgen
    Und zu Mittag, süsse Maid,
    Doch am holdesten und schönsten
    Bist du jetzt, zur Abendzeit.

    Einen Kranz von Mondenstrahlen
    Trägt dein sonnengoldnes Haar,
    Und in weisse Schleier hüllet
    Dich der Nebel wunderbar.

    Kranz und Schleier, liebes Mädchen,
    Das ist bräutlich holde Tracht.
    Nebel, Mondschein, zaubert weiter,
    Stehe still, du süsse
    Nacht!
    _____


    In schimmernder
    Nacht

    Die Flügel
    Und Füsse
    Der seligen Engel
    Durchrauschen
    So leise
    Die schimmernde
    Nacht.

    Es huschen,
    Es flattern,
    Es tanzen die Träume
    Und füllen
    Mit Lachen
    Die schlafende Welt.

    Nun kommst du,
    Mein Mädchen,
    Es lockte der Vogel,
    Der nächtlich
    Nur singet,
    Für mich dich herab.

    Gegrüsset,
    Mein Mädchen
    In schimmernder Schöne,
    Wie passest
    Du lieblich
    Zum Leben der
    Nacht.

    Du bist wie
    Die Blume,
    Die zärtlicher duftet
    Und still sich
    Entfaltet
    Im Hauche der
    Nacht.

    Es blicken
    Die Sterne,
    Die Augen der Götter,
    Nicht neidisch,
    Nur freundlich
    Auf menschliche Liebe.

    So öffne
    Den Kelch mir
    Und dufte mir Liebe
    Und ruh mir
    Am Herzen
    In schimmernder
    Nacht.
    _____


     

  • Angelika von Hörmann (1843-1921)

    In dunkler
    Nacht
    Da zähl' ich die Schätze, die mir eigen,
    Wie möcht' ich all' ihre Pracht
    So gern dir zeigen!
    Da hol' ich aus des Herzens Grund
    Ohn' alle Scheue
    Die Liebe und Treue
    Und werfe mit selig lachendem Mund
    Die ganze bunte funkelnde Zier
    Zu Füßen dir.

    Doch nahst du am Tag,
    Wenn hell und nüchtern alle Räume, -
    Verwandelt mit einem Schlag
    Ist, was ich träume.
    So werthlos scheint mein Heiligthum,
    Die Farbe verblichen,
    Der Glanz entwichen …..
    Mit zagem Finger wend' ich es um
    Und schließ' es seufzend wieder ein
    In den Herzensschrein.
    _____


    O bleib bei mir in dieser schönen
    Nacht!
    Ringsum ist's still, kein Laut im Wald zu hören,
    Nur da und dort durchbricht des Mondes Pracht
    Verstohlen das Gezweig der dunkeln Föhren.

    Schon rauscht das dürre Laub bei jedem Tritt,
    Eins von den Zeichen, die den Herbst bekunden,
    Schon hab' ich heute, als ich suchend schritt,
    Nicht wilde Rosen mehr zum Strauß gefunden.

    Und täglich sinkt der Nebel mehr in's Thal,
    Das Feld, der Wald wird langsam sich entkleiden,
    O bleib bei mir, ach nur dies eine Mal,
    Noch eh' der Sommer und die Blumen scheiden!
    _____


     

  • Arno Holz (1863-1929)

    TIEFE
    MAINACHT

    So
    süß ... wob ... die
    Nacht!
    Unter
    den dunkelen Kastanien ... gegen die mondhelle Wand,
    lehntest
    du
    mit geschlossenen ... Augen im Schatten.
    Wir ... küßten uns ... nicht.
    Unser Schweigen
    sagte ... uns ... alles.
    _____


     

  • Hans Hopfen (1835-1904)

    Wenn du verraten mich am Tage,
    Und wenn du nimmer mein gedacht,
    Was kommst du weinend dann, o sage,
    Im Traume zu mir jede
    Nacht?

    Was streichst du mit den kleinen Händen
    Mir durch das Haar wie dazumal,
    Als deiner Augen süßes Blenden
    Mein Herz, mein Glück, mein Leben stahl?

    Wenn's wahr, was deine Briefe stammeln,
    Daß du mich lassen kannst und mußt,
    Warum auf's Haupt mir Dornen sammeln,
    Und Kohlen auf die wunde Brust?

    Laß mich in meinem Gram versinken!
    Laß mich in meinem Schmerz vergehn!
    Laß ab an's Ufer mir zu winken,
    Wo meiner Hoffnung Gräber stehn!

    Und doch, wenn dieses Scheinbild's Flehen
    Herüberschwebt in meinen Traum,
    Dünkt mich's wie goldner Schleier Wehen
    Und meine Sehnsucht zwing' ich kaum.

    Dann hör' ich wie aus feuchten Kissen
    Ein bitter weinend Nachtgebet
    Von sehnsuchtsvollem Gram zerrissen
    Nach meiner Ferne wandern geht;

    Dann kommt das Licht der alten Zeiten
    Und fließt um dich wie Glorienschein,
    Wie Glockentöne klingt's von Weiten
    Und in mein Herz zieht Frieden ein.

    Wenn du verraten mich am Tage
    Und wenn du nimmer mein gedacht,
    Wie käm dein Denken dann, o sage,
    Dein Sehnen zu mir jede
    Nacht?
    _____


     

  • Felix Hübel (1874-1922)

    NUN kommt die
    Nacht und winselt wie ein Tier,
    das keine Ruhestätte finden kann.
    Und niemand kommt und streichelt es zur Ruh.
    Aus dunklen Winkeln springt der Wahnsinn auf
    und lacht und läuft in irrem Lauf
    und kommt zu mir.
    Und ich bin wie die
    Nacht — —
    und wie ein Tier — — —
    und niemand kommt — — —
    _____


     

  • Ludwig Jacobowski (1868-1900)

    In der
    Nacht

    Ein Schatten gleitet durch die
    Nacht
    Bis an mein Bett und horcht und horcht.
    Ein leises Rascheln von Battist,
    Dann halbes Atmen sacht und süß.

    Ich seh dich nicht, doch fühl ich dich,
    Den Leib im kühlen Nachtgewande,
    Das Köpfchen mit dem schweren Haar,
    Du Süße, du mein junges Weib.

    Und beugt sich langsam zu mir her,
    Als wär's ein Kinderstreich zur
    Nacht.
    Ein Hauch von Kuß auf beide Augen
    Und sanfter noch auf meinen Mund.

    Hoch will ich heben Hand und Arm,
    Den jungen Nacken zu umwinden,
    Die Lippen wölben wie zum Kuß,
    Um ihre Lippen sanft zu fangen,
    Die sel'gen Augen heimlich öffnen,
    Um ihren lieben Blick zu trinken ...

    Ich kann es nicht. Gefaltet ruh'n
    Die Hände hinterm müden Scheitel,
    Die Lippe bebt im Atem kaum,
    Und schwer geschlossen bleibt der Blick.

    Nur leis, wie Hauch der Juninacht,
    Fließt unbegrenzte Zärtlichkeit
    Aus ihrer Augen holder Nähe
    Durch tausend Adern mir ins Herz.

    So lieg ich da. So läg ich gern
    Die armen Nächte meines Lebens,
    Und käm das Sterben so zur
    Nacht,
    Es träf mich wehrlos und beglückt.
    _____


     

  • Wilhelm Jordan (1819-1904)

    Nachtgesicht

    Allabendlich vor Schlafengehn
    Muß ich der Liebsten Bild besehn.
    Dem sag ich leise gute
    Nacht
    Und frag es: hast du mein gedacht?

    Und lösch' ich dann der Lampe Licht
    So taucht dein holdes Angesicht
    Hervor aus finsterm Hintergrund
    Wie aus Gewölk des Mondes Rund.

    Da lächelst du so liebevoll
    Und winkst mir daß ich folgen soll;
    Du reichst mir helfend deine Hand,
    Schlägst auch um mich ein Lichtgewand.

    Wir halten innig uns umfaßt
    Und schweben, frei der Erdenlast,
    Bis in ein Land voll Sonnenschein –
    Da bin ich dein, da bist du mein.

    Doch ach, dies Land ist nur ein Wahn
    Und wachend find ich nie die Bahn.
    Mein Glück hat nicht im Leben Raum,
    Es ist und bleibt ein schöner Traum.
    _____


     

  • Eleonore Kalkowska (1883-1937)

    Präludium

    So wie die
    Nacht sich zu dem Abend neigt,
    So wirst du dich heut Abend zu mir neigen,
    Und wie der Abend ihr entgegensteigt,
    Aufflammend seine tiefste Glut zu zeigen,
    Wird meine Seele zu dir aufwärts steigen.

    Wenn uns umwallt das dunkle, weiche Schweigen,
    Der Sommerwind nur leise Lieder geigt
    Dem huschenden und zagen Blätterreigen,
    Wirst du dich flüsternd zu mir nieder neigen —
    So wie die
    Nacht sich zu dem Abend neigt.

    Wenn müde Vögel lasten auf den Zweigen,
    Die blütenschwer zur Erde sich gebeugt,
    Wird sich dein Mund, der tief verheißend schweigt,
    Gleich einer Blume geben mir zu eigen ...
    So wie die
    Nacht sich zu dem Abend neigt.
    _____


     

  • Eduard Kauffer (1824-1874)

    Ich saß mit ihr am Wiesengrund -

    Ich saß mit ihr am Wiesengrund
    Dort unter der blühenden Linde,
    Ich küßte Wange, Stirn und Mund
    Dem lieblichen, lachenden Kinde.

    Auf Blumen schwamm die Welle der
    Nacht
    Mit leisem Flüstern und Rauschen ...
    Wir tauschten Wort um Wort so sacht,
    Als könnte die
    Nacht uns belauschen.

    Die
    Nacht ist verschwiegen, sie plaudert nicht aus
    Drum kos'ten so selig wir Beide,
    Bis die erste Lerche zum Wolkenhaus
    Sich erhob von der schlummernden Haide.

    Und als ich zum Abschied sie umschlang
    Am Wiesengrund unter der Linde,
    Wie wurde so roth, so roth die Wang'
    Dem lieblichen, lachenden Kinde!
    _____


    Die
    Nacht, die leuchtende Frühlingsnacht -

    Die
    Nacht, die leuchtende Frühlingsnacht,
    Hängt träumend über der Haide ...
    Der Mond wirft über die Blüthen sacht
    Ein Netz von goldener Seide.

    Das Veilchen duftet, die Nachtigall singt
    Ihr Lied von Lieb' und Harme
    Und um die erschrockenen Bäume schlingt
    Der Wind die kosenden Arme.

    Die
    Nacht, die leuchtende Frühlingsnacht,
    Hängt träumend über der Haide ...
    Wir küssen, von Rosen überdacht,
    Die sehn uns mit heimlichem Neide.

    Die Rose liebt, weil sie lieben muß;
    Wir aber lieben mit Wissen,
    Und tauschen in Freiheit Kuß um Kuß
    Auf der Blumen schwellenden Kissen.

    Die Lippe brennt, das Auge lacht
    Durch Thränen vor seligem Leide
    Und die
    Nacht, die leuchtende Frühlingsnacht,
    Hängt träumend über der Haide.
    _____


     

  • Justinus Kerner (1786-1862)

    In der
    Mondnacht

    Laß dich belauschen,
    Du stille
    Nacht!
    Nur Wasser rauschen,
    Nur Liebe wacht.

    Vom Walde drüben
    Tönt süßer Schall,
    Es singt von Lieben
    Die Nachtigall.

    Der Vogel schweiget,
    Der Mond entwich,
    Zur Blume neiget
    Die Blume sich.

    Der Liebe Fülle
    Durchströmt die Flur,
    In
    Nacht und Stille
    Sinkt die Natur.
    _____


     

  • Hedwig Kiesekamp (Ps. L. Rafael) (1844-1919)

    In der
    Nacht

    Wann ich auf dem weichen Pfühle
    Ruhe sanft, in stiller
    Nacht,
    Regt in mir sich eine heimlich
    Wunderbare, süße Macht.

    Webet aus dem tiefen Schweigen,
    Aus des Mondes mildem Glüh'n,
    Aus des Herzens heißem Sehnen
    Eine Brücke, frei und kühn!

    Wölbt sie über Flur und Anger
    Bis in's Kämmerlein zu dir.
    Führet auf dem luft'gen Pfade
    Treu dich eilend her zu mir!

    Breitet wundersame Wonnen
    Um uns her, mit Göttermacht!
    Und mit ihren dunkeln Schwingen
    Decket unsern Kuß die
    Nacht.
    _____


     

  • Klabund (Alfred Henschke) (1890-1928)

    NACHTS

    Ich bin erwacht in weißer
    Nacht,
    Der weiße Mond, der weiße Schnee,
    Und habe sacht an dich gedacht,
    Du Höllenkind, du Himmelsfee.

    In welchem Traum, in welchem Raum,
    Schwebst du wohl jetzt, du Herzliche,
    Und führst im Zaum am Erdensaum
    Die Seele, ach, die schmerzliche -?
    _____


     

  • Louise Koch-Schicht (1873-1927)

    Vorfrühlingsnacht

    Wir gingen durch die lenzmilde
    Nacht
    in der ein Ahnen lag
    vom Keimen und Blühen
    und Sonnenfrüchten — —

    Kühl gabst du mir die Hand
    zum Abschied.

    Keimen und Blühen
    und Sonnenfrüchte! — — —
    _____


    Winternacht

    Ich bin geschritten durch Nacht und Graus,
    die Sehnsucht zog mich an starken Tauen,
    und stand nun zitternd vor deinem Haus,
    um zu zwei Fenstern emporzuschauen.

    Die
    Nacht war worden kalt und klar
    und hart, von glitzerndem Eis behangen —
    und war so aller Hoffnung bar,
    wie deine Fenster frostbefangen . . .
    _____


     

  • Alma Johanna Koenig (1887-1942)

    Alle Tag

    Alle Tag, alle Tag sterb ich tausendfaltig
    gekreuzigte Tode um dich.
    Alle
    Nacht, alle Nacht küßt du zaubergewaltig
    erneutes Leben in mich ...

    Alle Tag, alle Tag möcht ich Meere durchqueren
    damit ich erlöst von dir wär.
    Alle
    Nacht, alle Nacht müßt ich wiederkehren
    auch über das weiteste Meer ...

    Alle Tag, alle Tag muß ich fröstelnd denken:
    "Im Tod, da gehört er nur mir."
    Alle
    Nacht, alle Nacht möcht ich Länder verschenken
    für ein liebes Wort von dir ...
    _____


     

  • Gertrud Kolmar (1894-1943)

    Wunschlied

    Du solltest zu mir kommen in der langen
    Nacht.
    Sie hätt aus Silberseide dir ein Bett gemacht.

    Drum solltest du bei mir schlafen die ganze lange
    Nacht;
    Mein kleines dunkles Auge war ein tiefer, tiefer Schacht.

    Mein Auge war ein Brunnen, im Grunde Geisterlicht,
    Da schautest du unter der Wirklichkeit allen Glückes Gesicht.

    Träume blieben in Stunden stehn und sahn dich an: Es ist wahr.
    Sehnsucht würf den Flügelhut aus ihrem brennenden Haar.

    Alles was süß ist und warm ist, leis deine Lider nur streift,
    Hätt
    Nacht in roter gespaltener Frucht für deine Lippen gereift.

    Meine Locken wären feines braunes Gras und Kraut,
    Aus den Halmen sprängen Blüten, wie du sie nie geschaut.

    Blüten von so fremdem Duft, Blüten von so seltnem Schein
    Schüteten mit unaufhörlich sachtem Rieseln ganz dich ein.

    Aber meine Arme kröchen, listigen Schlangen gleich,
    Durch den Blumenwald zu dir, schön und schwellend, bunt und weich.

    In schillernde Schlingen verstrickt, in Blütenwehe verschneit -
    Könntest du noch erwachen vor lauter Seligkeit?
    _____


    Märchen

    Ich hab vor deinem Hause still gestanden
    In einer
    Nacht.
    Und hatte ganz dich lieb und ohne Maßen;
    Ich wies zu dir den Sternen goldne Straßen
    Und habe selig stumm gelacht.

    Ob meinem losen Haar hob ich die Arme
    Wie Zweige, schlank und rund.
    Da stürzte Regen in das Mainachtschweigen
    Und rief sich zage Blüten aus den Zweigen,
    Und jede war ein blasser Mund.

    Du aber kamst nicht.
    So streute ich mit lächelndem Verschwenden
    Dem Mond die Blumen her.
    Und spürte Treiben herber, dunkler Kräfte,
    Mir ward die Frucht voll süßer, süßer Säfte;
    Schon fiel sie, duftend, weich und schwer.

    Du aber kamst nicht.
    Eishagel tanzte höhnend auf den Steinen.
    Da klaffte schwarz ein Schacht.
    Drein ließ ich die zerbrochnen Arme hangen. -
    Geblüht und Frucht getragen - und vergangen
    In einer
    Nacht.
    _____


    Verwandlungen

    Ich will die
    Nacht um mich ziehn als ein warmes Tuch
    Mit ihrem weißen Stern, mit ihrem grauen Fluch,
    Mit ihrem wehenden Zipfel, der die Tagkrähen scheucht,
    Mit ihren Nebelfransen, von einsamen Teichen feucht.

    Ich hing im Gebälke starr als eine Fledermaus,
    Ich lasse mich fallen in Luft und fahre nun aus.
    Mann, ich träumte dein Blut, ich beiße dich wund,
    Kralle mich in dein Haar und sauge an deinem Mund.

    Über den stumpfen Türmen sind Himmelswipfel schwarz.
    Aus ihren kahlen Stämmen sickert gläsernes Harz
    Zu unsichtbaren Kelch ein wie Oportowein.
    In meinen braunen Augen bleibt der Widerschein.

    Mit meinen goldbraunen Augen will ich fangen gehn,
    Fangen den Fisch in Graben, die zwischen Häusern stehn,
    Fangen den Fisch der Meere : und Meer ist ein weiter Platz
    Mit zecknickten Masten, versunkenem Silberschatz.

    Die schweren Schiffsglocken läuten aus dem Algenwald.
    Unter den Schiffsfiguren starrt eine Kindergestalt,
    In Händen die Limone und an der Stirn ein Licht.
    Zwischen uns fahren die Wasser ; ich behalte dich nicht.

    Hinter erfrorener Scheibe glühn Lampen bunt und heiß,
    Tauchen blanke Löffel in Schalen, buntes Eis ;
    Ich locke mit roten Früchten, draus meine Lippen gemacht,
    Und bin eine kleine Speise in einem Becher von
    Nacht.
    _____


     

  • Theodor Körner (1791-1813)

    In der
    Nacht

    Ich bin dir nah, nur eine dünne Mauer
    Trennt mich von dir.
    Du träumst wohl schon im sanften Schlummerschauer,
    Vielleicht von mir.

    Auf diesem Pfühl, der oft in heil'ge Weihe
    Dich eingewiegt,
    Ruht jetzt dies Herz, das dir voll Mut und Treue
    Entgegenfliegt.

    Mir ist's, als blühten aller Sehnsucht Keime
    Melodisch auf,
    Als fliegen geisterflüsternd deine Träume
    Zu mir herauf.

    Ich fühle plötzlich in den dunklen Locken
    Ein leises Wehn;
    Die Ahnung ruft, die vollen Adern stocken,
    Die Pulse stehn. -

    Es war dein Geist, und heilig auf der Wange
    Fühlt' ich den Kuß;
    An deiner Lippen küssendem Gesange
    Kannt' ich den Gruß.

    Es war dein Geist! Es war der Hauch der Liebe!
    Hast mein gedacht!
    O, daß sie ewig, ewig, ewig bliebe
    Die schöne
    Nacht!
    _____


     

  • August Kopisch (1799-1853)

    Ständchen am Vesuv

    Unruhige du, du rufst mir "ruhe!" zu:
    Bin todesmüd' und finde doch nicht Ruh!
    Wo ruht des Schiffers Haupt im Sturmesdrang?
    Ach Gott, ach Gott, wie ist die
    Nacht so lang!

    Ich bin der glüh'nde Stein, der dort entfleugt
    Dem Schlund und, schon im Fallen, wieder steigt,
    Emporgewirbelt von erneutem Drang.
    Ach Gott, ach Gott, wie ist die
    Nacht so lang!

    Ein Ameisenhaufen bin ich, den gestört
    Die Lieb', all meine Sinne sind verkehrt!
    Am Himmel wankt vor mir der Sterne Gang.
    Ach Gott, ach Gott, wie ist die
    Nacht so lang!

    Ich bin die Wachtel, über Meer verirrt,
    Kein Land erblickt sie, jagt und schlägt und schwirrt,
    Dicht unter ihr der Wellen Grabgesang.
    Ach Gott, ach Gott, wie ist die
    Nacht so lang!
    _____


    Lieblich bist du
    Nacht, wenn man die Bürde
    Schwerer Arbeit müde hingeworfen,
    Nun die Glieder streckt zum Schlummer.
    Aber schöner als das schönste Schöne,
    Und als alles Süße dreimal süßer
    Bist du
    Nacht wenn ich nach vielen Küssen
    Dicht umwebt von deinem weichen Schleier
    An dem Busen der Geliebten ruhe;
    Noch umfaßt von ihr, den Zauber-Athem
    Trinke mit des Schlummers tiefen Zügen.
    Bessres haben nicht die sel'gen Götter!
    _____


     

  • Nikolaus Lenau (1802-1850)

    In der
    Nacht

    Alles schläft, und über's Gefild der Ruhe
    Wandelt leisen Schrittes dahin des Lebens
    Genius; sanft schimmert vom Weltendom die
    Lampe des Mondes.

    Sieh! den ernsten Zügen des Gott's entringet
    Holdes Lächeln sich, denn er sieht die Lieben
    In des Schlafes süßer Umarmung ihrer
    Qualen vergessen.

    Hüll' in deine Schatten mich tief, geliebte
    Linde, daß die kummergebleichte Wange,
    Und die bange Thräne sein holdes Lächeln
    Nimmer verscheuche!

    Ach, schon dreimal sank dir die Blüth, o Linde,
    Seit der Stunde, wo das Gespräch der Freunde
    Von Unsterblichkeit du behorchtest, und ein
    Sanftes Gesäusel

    Durch dein mondversilbertes Laub uns Hoffnung
    In die Seele goß, daß wir einst uns wieder
    Finden; - dreimal welkte der Halm am Grabe
    Meines Geliebten!
    _____


    Der schwere Abend

    Die dunklen Wolken hingen
    Herab so bang und schwer,
    Wir beide traurig gingen
    Im Garten hin und her.

    So heiß und stumm, so trübe
    Und sternlos war die
    Nacht,
    So ganz wie unsre Liebe
    Zu Thränen nur gemacht.

    Und als ich mußte scheiden
    Und gute
    Nacht dir bot,
    Wünscht' ich bekümmert beiden
    Im Herzen uns den Tod.
    _____


    Nächtliche Wanderung

    Die
    Nacht ist finster, schwül und bang,
    Der Wind im Walde tost;
    Ich wandre fort die
    Nacht entlang,
    Und finde keinen Trost.

    Und mir zur Seite, engelmild,
    Und, ach, so schmerzlich traut,
    Zieht mein Geleite hin, das Bild
    Von meiner todten Braut.

    Ihr bleiches Antlitz bittet mich,
    Was mich ihr süßer Mund
    So zärtlich bat und feierlich
    In ihrer Sterbestund':

    "Bezwinge fromm die Todeslust,
    "Die dir im Auge starrt,
    "Wenn man mich bald von deiner Brust
    "Fortreisset und verscharrt!"

    Da unten braust der wilde Bach,
    Führt reichen, frischen Tod,
    Die Wogen rufen laut mir nach:
    "Komm, komm, und trinke Tod!"

    Das klingt so lieblich wie Musik,
    Wird wo ein Paar getraut;
    Doch zieht vom Sprunge mich zurück
    Das Wort der todten Braut.

    Stets finstrer wird der Wolkendrang,
    Der Sturm im Walde brüllt,
    Und ferne hebt sich Donnerklang,
    Der immer stärker schwillt.

    O schlängle dich, du Wetterstrahl,
    Herab, ein Faden mir,
    Der aus dem Labyrinth der Qual
    Hinaus mich führt zu ihr!
    _____


     

  • Detlev von Liliencron (1844-1909)

    Liebesnacht

    Nun lös ich sanft die lieben Hände,
    Die du mir um den Hals gelegt,
    Daß ich in deinen Augen finde,
    Was dir das kleine Herz bewegt.

    O sieh die
    Nacht, die wundervolle;
    In ferne Länder zog der Tag.
    Der Birke Zischellaub verstummte,
    Sie horcht dem Nachtigallenschlag.

    Der weiße Schlehdorn uns zu Häupten,
    Es ist die liebste Blüte mir;
    Trenn ab ein Zweiglein, eh wir scheiden,
    Zu dein und meines Hutes Zier.

    Laß, Mädchen, uns die
    Nacht genießen!
    Allein gehört sie mir und dir.
    Die Blüte will ich aufbewahren
    An diese Frühlingsstunde hier.
    _____


     

  • Thekla Lingen (1866-1931)

    Rosen

    Ach, gestern hat er mir Rosen gebracht,
    Sie haben geduftet die ganze
    Nacht,
    Für ihn geworben, der meiner denkt -
    Da hab' ich den Traum der
    Nacht ihm geschenkt.

    Und heute geh' ich und lächle stumm,
    Trag' seine Rosen mit mir herum
    Und warte und lausche, und geht die Thür,
    So zittert mein Herz: ach, käm er zu mir!

    Und küsse die Rosen, die er gebracht,
    Und gehe und suche den Traum der
    Nacht ...
    _____


    Die Geigen sangen die ganze
    Nacht,
    Wir haben bei froher Tafel gelacht.

    Ich sass glückselig neben dir,
    Dein Blick wie Sonne über mir.

    Da hat dein Fuss sich scheu verirrt,
    Ich war erschrocken, jäh verwirrt.

    Ich schloss die Augen lusterstarrt,
    Da dir mein Fuss zu eigen ward.

    Die Geigen sangen die ganze
    Nacht,
    Wir beide haben nicht mehr gelacht.

    Verstummt der Jubel, ich bin allein
    Im dunkel-stillen Kämmerlein,

    Und träume und träume, wie es wird,
    Wenn sich dein Mund so süss verirrt.
    _____


    Toter Wunsch

    O wärst du gekommen, da sie dich rief!
    Du hättest die Rose gefunden - sie schlief
    Und träumte und träumte die ganze
    Nacht -
    O wärst du gekommen - sie wäre erwacht!

    Wie wär' ihr so süss, so süss geschehn,
    Und musste im eigenen Duft vergehn,
    Und war doch so jung und heiss und rot -
    O wärst du gekommen! ... Nun ist sie tot ...
    _____


     

  • Hermann Lingg (1820-1905)

    Kürzeste
    Nacht

    Noch sprüht des längsten Tages warme Quelle
    Lebendig fort, es wagen sich verstohlen
    Die Träume nur, und nur mit scheuen Sohlen
    Die Sterne durch der
    Nacht saphirne Schwelle.

    Kaum sank der Abend in die Dämmerwelle,
    Da sucht ihn schon der Abend einzuholen,
    Kaum öffnen ihren Kelch die Nachtviolen,
    Da hebt die Sonnenblume sich zur Helle.

    In Furcht, daß sich schon hell die Berge schmücken,
    Singt schöner jetzt aus thaugenetzter Kehle
    Die Nachtigall ihr klagendes Entzücken;

    In Furcht, daß bald das süße Dunkel fehle,
    Eilt Liebe heißer Brust an Brust zu drücken,
    Und tauscht im Kusse lechzend Seel' um Seele.
    _____


     

  • Feodor Löwe (1816-1890)

    In tiefer
    Nacht, vor deinem Haus
    Stand ich in stiller Lust;
    Scharf war die Luft, den Mantel schlug
    Ich um die heiße Brust.

    Ich schaute sinnend, unverwandt
    Nach deinem Fenster hin;
    Mit mir des Mondes lichter Strahl,
    Der in die Scheiben schien.

    Wie neid' ich doch den Strahl, der jetzt
    Die Lippen dir umfließt,
    Wie sehr den mohnbekränzten Gott,
    Der deine Augen schließt.

    O sanfter Strahl, der du herauf
    Aus kaum bewegter Fluth
    Die duftge Lotosblume lockst,
    Die in der Tiefe ruht.

    Auch Liebchens Busen ist ein See.
    In seiner Wellen Schaum
    Liegt, wie die Lotosblume still,
    Verborgen tief ein Traum.

    Lockt ihn herauf und zeige ihr,
    Wie in der kalten
    Nacht,
    Von Frost umstarrt, in Liebesglut
    Ihr Freund so einsam wacht.
    _____


    O forsche nicht dem Grame nach,
    Der dumpf auf meiner Seele brütet!
    Leg' deine Hand, sanft auf mein Haupt,
    Und jeder Sturm hat ausgewüthet.

    Dann aus geriß'nen Wolken schaut
    Des Mondes Halbscheid ruhig nieder;
    In meinem Innern ist es
    Nacht -
    Doch eine stille
    Nacht ist wieder.
    _____


     

  • Hermann Löns (1866-1914)

    Die
    Nacht ist still ...

    Die
    Nacht ist still, ich stehe am Fenster,
    Am Monde vorüber die Wolken fliehn,
    Mit leisem Singen oben, hoch oben,
    Den Augen nicht sichtbar, die Singschwäne ziehn.

    Das klingt und singt durch die nächtliche Stille
    Das singt und klingt und klingt und singt
    So sehnsuchtsvoll nach jenem Lande,
    Dem Lande, das ihnen als Heimat winkt.

    Meine Gedanken, die wandern wie Schwäne
    Hell und schimmernd dahin durch die
    Nacht
    Und singen Lieder in deine Träume,
    Du schläfst, und dein roter Mund, der lacht.
    _____


    Es singt der Star ...

    Es singt der Star, die Sonne lacht,
    Im Blütenschmuck die Bäume stehn,
    Ein Tag ist hin und eine
    Nacht,
    Seitdem ich dich nicht hab’ gesehn.

    Der Himmel ist so hoch und blau,
    Die Erde trägt ihr Hochzeitskleid,
    Ich sehe alles grau in grau,
    Mich friert in meiner Einsamkeit.

    Mich friert in meiner schwarzen
    Nacht,
    Ich habe keinen Sonnenschein,
    Wann geht die Sonne auf voll Pracht,
    Wann wirst du wieder bei mir sein?
    _____


    Abendlied

    Rose Marie, Rose Marie,
    Sieben Jahre mein Herz nach dir schrie,
    Rose Marie, Rose Marie,
    Aber du hörtest es nie.

    Jedwede
    Nacht, jedwede Nacht,
    Hat mir im Traume dein Bild zugelacht,
    Kam dann der Tag, kam dann der Tag,
    Wieder alleine ich lag.

    Jetzt bin ich alt, jetzt bin ich alt,
    Aber mein Herz ist noch immer nicht kalt,
    Schläft wohl schon bald, schläft wohl schon bald,
    Doch bis zuletzt es noch hallt:

    Rose Marie, Rose Marie,
    Sieben Jahre mein Herz nach dir schrie,
    Rose Marie, Rose Marie,
    Aber du hörtest es nie.
    _____


     

  • Ernst Wilhelm Lotz (1890-1914)

    Sterne der
    Nacht ...

    Sterne der
    Nacht, ihr leuchtet so schön!
    Mild und klar strahlt ihr des Frühlings
    Volle Sehnsucht mir ins Blut. -
    Wie die Augen der Geliebten
    Leuchten in der
    Nacht -:
    In der Liebesnacht.
    _____


    Das war in der
    Nacht ...

    Das war in der
    Nacht:
    Die
    Nacht duftete von Opferbränden,
    Die hatte jemand der Liebesgöttin dargebracht:
    Mit zitternden Händen
    Hatte er von Sehnsucht ein Feuer angefacht;
    Die Flammen knisterten, die Funken sprühten
    In gotthohe Ferne -:
    Du sahst, wie sie droben glühten:
    Liebessterne.
    _____


    Meine Arme breiten sich ...

    Meine Arme breiten sich,
    Meine Pupillen weiten sich:
    Die Liebe hat mich heut
    Nacht
    Mit pulsenden Fingern berührt,
    Da bin ich aufgewacht
    Und habe allen Zauber der Liebe gespürt.
    _____


    Nachtgesang

    Sieh, die Treppen des Gebirges
    Kam die
    Nacht heraufgestiegen,
    Und sie pflückte alle Abendrosen ab.

    Sieh, die Treppen des Gebirges
    Kam der Mond heraufgestiegen,
    Und er pflanzte
    Stille weiße Lilien ein.

    Wie sie zitternd Blüten treiben
    Hoch und leuchtend in die
    Nacht.

    Hör, die Treppen meines Hauses
    Sehnsucht kommt heraufgestiegen,
    Und sie pflückt mir meine roten Rosen ab.

    Mädchen, kämst du wie ein Vollmond
    Still herauf auf meiner Treppe,
    In die Brust mir
    Deiner Brüste Lilien pflanzend,

    Daß sie große Blumen tragen
    Weiß und traumhaft in die
    Nacht.
    _____


     

  • Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942)

    Ich bin die
    Nacht

    Ich bin die
    Nacht. Meine Schleier sind
    viel weicher als der weiße Tod.
    Ich nehme jedes heiße Weh
    mit in mein kühles, schwarzes Boot.

    Mein Geliebter ist der lange Weg.
    Wir sind vermählt auf immerdar.
    Ich liebe ihn, und ihn bedeckt
    mein seidenweiches, schwarzes Haar.

    Mein Kuß ist süß wie Fliederduft -
    der Wanderer weiß es genau...
    Wenn er in meine Arme sinkt,
    vergißt er jede heiße Frau.

    Meine Hände sind so schmal und weiß,
    daß sie ein jedes Fieber kühlen,
    und jede Stirn, die sie berührt,
    muß leise lächeln, wider Willen.

    Ich bin die
    Nacht. Meine Schleier sind
    viel weicher als der weiße Tod.
    Ich nehme jedes heiße Weh
    mit in mein kühles, schwarzes Boot.
    _____


     

  • Emerenz Meier (1874-1928)

    Gute
    Nacht

    Gute
    Nacht, gute Nacht, die Glocke klingt, -
    Schlaf wohl und träume schön.
    Im Gebüsch am Hang die Grille singt
    Und die Burschen auf den Höhn.

    Gute
    Nacht, - wenn du träumst, so sei's von mir,
    Mein Herz, doch Liebes nur!
    Gute
    Nacht, im Traum begegn' ich dir,
    Leicht find ich deine Spur.

    Gute
    Nacht, gute Nacht, auf Wiedersehn!
    Im Traume suche mich.
    O möchte dir Wacht ein Engel stehn!
    Mein Herz, Gott segne dich!
    _____


     

  • Christian Morgenstern (1871-1914)

    Den langen Tag bin ich dir fern gewesen,
    bis nun beim abendlichen Licht
    dir wiederum mein ganzes Wesen
    wie eine Knospe auseinanderbricht

    und Dir erduftet, Dir erblühet,
    als seiner Sonne, die ihm frommt.
    Des Tags Gestirn hat mir umsonst geglühet;
    nun kommt die
    Nacht, und meine Sonne kommt.
    _____


    Es ist
    Nacht,
    und mein Herz kommt zu dir,
    hält's nicht aus,
    hält's nicht aus mehr bei mir.

    Legt sich dir auf die Brust,
    wie ein Stein,
    sinkt hinein,
    zu dem deinen hinein.

    Dort erst,
    dort erst kommt es zur Ruh,
    liegt am Grund
    seines ewigen Du.
    _____


    Ich wache noch in später
    Nacht und sinne,
    wie ich dir etwas Liebes sagen möchte,
    daß ich dir einen Kranz von Worten flöchte,
    daraus du würdest meiner Sehnsucht inne,

    die mich nach deiner Gegenwart erfüllet,
    als wär' ich nur bei Dir gewahrt vor Sorgen,
    als lebt' ich nur in Deinem Blick geborgen,
    dem teuren Blick, der mich in Liebe hüllet.
    _____


    In stillster
    Nacht
    in tief geheimnisvoller Stunde
    kam es zu mir auf leisen Engelsfüßen.
    Aus allen Tiefen, allen Höhn
    umschwoll es mich wie klagendes Getön,
    wie einer tiefen Sehnsucht Grüßen.

    In stillster
    Nacht
    in tief geheimnisvoller Stunde
    da hab ich mich für alle Zeit
    aus heilig heitrem Herzensgrunde
    der Schönheit Sonnenreligion geweiht.
    _____


    Leise Lieder...

    Leise Lieder sing ich dir bei
    Nacht,
    Lieder, die kein sterblich Ohr vernimmt,
    noch ein Stern, der etwa spähend wacht,
    noch der Mond, der still im Äther schwimmt;

    denen niemand als das eigne Herz,
    das sie träumt, in tiefer Wehmut lauscht,
    und an denen niemand als der Schmerz,
    der sie zeugt, sich kummervoll berauscht.

    Leise Lieder sing ich dir bei
    Nacht,
    dir, in deren Aug mein Sinn versank,
    und aus dessen tiefem, dunklen Schacht
    meine Seele ewige Sehnsucht trank.
    _____


    Abschied

    Weißt, was mir träumte?
    Wir nahmen Abschied
    fürs Leben.
    Deine Arme
    umschlangen mich
    und deine Lippen brannten
    und bebten...
    Brannten und bebten Verheißung
    Einer
    Nacht,
    einer chaotischen
    Nacht...
    Irgendwo ...
    Irgendwann ...
    Vielleicht nicht einmal
    auf dieser Erde ...
    Auf einem Stern vielleicht,
    da Unschuld noch
    in innerster Freiheit
    nimmt und gibt
    wie es sie drängt.

    Und ich zog dich
    enger an mich
    und küßte dich inniger.
    Dann endlich
    löstest du langsam
    die lieben Arme
    und schürztest dein Haar
    in den strengen Knoten zurück
    Ich legte den Mantel dir
    um die Schultern.
    Die Tür fiel zu.
    Und drunten im Schnee
    lief eine schmale Spur
    magdlicher Stapfen
    hinaus,
    weit, weit
    in die mondhelle,
    einsame
    Nacht.
    _____


     

  • Eduard Mörike (1804-1875)

    Peregrina

    Der Spiegel dieser treuen, braunen Augen
    Ist wie von innerm Gold ein Widerschein;
    Tief aus dem Busen scheint ers anzusaugen,
    Dort mag solch Gold in heilgem Gram gedeihn.
    In diese
    Nacht des Blickes mich zu tauchen,
    Unwissend Kind, du selber lädst mich ein -
    Willst, ich soll kecklich mich und dich entzünden,
    Reichst lächelnd mir den Tod im Kelch der Sünden!
    _____


    An Luise

    Ists möglich, ferne von der Süßen
    So fort zu leben, so verbannt?
    Nur über Berg und Tal zu grüßen,
    Und nicht ein Blick, nicht eine Hand?

    Da ist es wahrlich oft ein Jammer
    So manchen lieben, langen Tag,
    Bis mir bei
    Nacht auf meiner Kammer
    Einmal ihr Geist erscheinen mag.

    Sie setzt sich lächelnd zu mir nieder,
    Es brennt ein ruhig Licht dabei,
    Sie sagt mir alte gute Worte wieder
    Und sagt mir, daß sie meine sei.
    _____


    Leben und Tod

    Sucht das Leben wohl den Tod?
    Oder sucht der Tod das Leben?
    Können Morgenröte und das Abendrot
    Sich auf halbem Weg die Hände geben?

    Die stille
    Nacht tritt mitten ein,
    Die sich der Liebenden erbarme!
    Sie winkt: es flüstert: »Amen!« - Mein und dein!
    Da fallen sie sich zitternd in die Arme.
    _____


    Begegnung

    Was doch heut
    nacht ein Sturm gewesen,
    Bis erst der Morgen sich geregt!
    Wie hat der ungebetne Besen
    Kamin und Gassen ausgefegt!

    Da kommt ein Mädchen schon die Straßen,
    Das halb verschüchtert um sich sieht;
    Wie Rosen, die der Wind zerblasen,
    So unstet ihr Gesichtchen glüht.

    Ein schöner Bursch tritt ihr entgegen,
    Er will ihr voll Entzücken nahn:
    Wie sehn sich freudig und verlegen
    Die ungewohnten Schelme an!

    Er scheint zu fragen, ob das Liebchen
    Die Zöpfe schon zurecht gemacht,
    Die heute
    Nacht im offnen Stübchen
    Ein Sturm in Unordnung gebracht.

    Der Bursche träumt noch von den Küssen,
    Die ihm das süße Kind getauscht,
    Er steht, von Anmut hingerissen,
    Derweil sie um die Ecke rauscht.
    _____


     

  • Erich Mühsam (1878-1934)

    Nacht

    Leis' verhallen ferne Geigenklänge,
    und ein Köter bläfft gedämpft dazu.
    Milde warnt der Vollmond durch die Scheiben -
    sieht, wie wir uns lieben - ich und du.
    Ach, er gönnt uns unser junges Treiben
    und schickt alles, was uns stört, zur Ruh.
    _____


    Fleischeslust

    Küsse mich! Gib mir die lüsternen Lippen,
    himmlische, wilde Hetäre!
    Glaubst du, daß sich an unsern Gerippen
    Gottes Liebe bewähre?
    Glaubst du, es könnte zu ewiger Gnade
    jemals die Seele schreiten,
    stählt sich der Leib nicht im zeitlichen Bade
    ewiger Seligkeiten?
    Liebet einander! der Herr hat's geboten.
    Tu seinen Willen, du Fromme!
    Liebe für Liebende! Tod für die Toten!
    Wirf ab deine Hüllen - und komme!
    Küsse mich! Eine
    Nacht soll uns schaffen
    ewigen Himmels Beglücktsein.
    In meine Arme! - Laß' Nonnen und Pfaffen
    Gott lästernd keusch und verrückt sein!
    _____


     

  • Clara Müller-Jahnke (1860-1905)

    Helle
    Nächte

    Siehst du, wie tief schon die Sonne steht
    und wie so rot ihr Licht?!
    Ob sie in funkelnden Wassern zergeht,
    uns beiden stirbt sie nicht.
    Uns leuchtet die
    Nacht, die niedersinkt
    und ladet zum letzten Genuß - -
    und unsre lebendige Seele ertrinkt
    jauchzend im Schöpferkuß!

    Du und ich, wir beide
    träumen in trunkner
    Nacht.
    Von verblaßter Seide
    sind wir überdacht.
    Ein Flimmern wie vom Tage
    fließt um den schwarzen Tann -
    eine blasse süße Sage
    sieht uns lachend an.

    Sie singt: »wenn zwei sich finden,
    die sich von je gehört,
    ein Leuchten soll es künden,
    das keine
    Nacht zerstört.
    Ein Singen soll es sagen,
    das nicht im Sturme zerrinnt« -
    und in den Syringenhagen
    säuselt Mittsommerwind.
    _____


     

  • Wolfgang Müller von Königswinter (1816-1873)

    Ueber
    Nacht

    Wie hat noch gestern in fröhlichem Schein
    Der Himmel gefunkelt, die Erde gelacht!
    Ueber
    Nacht da brach ein Frost herein,
    Hat Himmel und Erde düster gemacht.
    Ueber
    Nacht, über Nacht,
    Wer hat es gedacht?
    Hat Himmel und Erde düster gemacht.

    An der Linde gestern nannt' ich sie mein,
    Wir ruhten umschlungen, vom Baum überdacht!
    Ueber
    Nacht da brach ein Frost herein,
    Heut' hab' ich die Stunden mit Warten verbracht.
    Ueber
    Nacht, über Nacht,
    Wer hat es gedacht?
    Heut' hab' ich die Stunden mit Warten verbracht.

    Ich gab ihr gestern die Rose rein,
    Sie ward von Düften und Farben entfacht;
    Ueber
    Nacht da brach ein Frost herein,
    Heut' find' ich Dornen statt blühender Pracht.
    Ueber
    Nacht, über Nacht,
    Wer hat es gedacht?
    Heut' find' ich Dornen statt blühender Pracht.

    O gestern die Schwüre: du mein, ich dein!
    Ich glaubt' an der Treue ewige Macht!
    Ueber
    Nacht da brach ein Frost herein,
    Vorbei! - O nimm dich vor Liebe in Acht!
    Ueber
    Nacht, über Nacht,
    Wer hat es gedacht?
    Vorbei! - O nimm dich vor Liebe in Acht!
    _____


    In der
    Nacht

    In der
    Nacht, in der Nacht - wie so süß es sich lauscht,
    Wo die Linden duften, der Springquell rauscht,
    Wenn drüben im Hause die Thüre klirrt,
    Und ein Licht durch die mächtigen Fenster irrt!
    Und im Garten, da flötet die Nachtigall sacht,
    In der
    Nacht, in der Nacht!

    In der
    Nacht, in der Nacht - und es schallet ein Tritt,
    Und es rauschet ein Kleid und das Herz schlägt mit!
    O Bangen, Verlangen, o ängstliche Lust!
    Wir fliegen und liegen uns Brust an Brust!
    Und im Garten da flötet die Nachtigall sacht,
    In der
    Nacht, in der Nacht!

    In der
    Nacht, in der Nacht - und Mund an Mund
    Und Herz an Herz! du selige Stund'!
    Und das Flüstern und Kosen! - Ich dein, du mein!
    Bis der Osten sich röthet, da flieht sie hinein.
    Und im Garten, da flötet die Nachtigall sacht,
    In der
    Nacht, in der Nacht!
    _____


     

  • Wilhelmine Mylius (um 1846)

    Wunsch und Gruß

    Wenn immer doch Mondschein blieb'!
    Ich blickte all' Abend so gerne
    In den Mond und die goldenen Sterne,
    Und dächte dabei in die Ferne:
    Gut'
    Nacht, gut' Nacht, mein Lieb! -

    Wenn immer doch Mondschein blieb'!
    Und somm'rige Abendmilde!
    Und im Herzen die schönen Gebilde!
    Wie froh grüß' ich über Gefilde:
    Gut'
    Nacht, gut' Nacht, mein Lieb! -

    Wenn immer doch Mondschein blieb'!
    Wie flimmert's am Himmelsraume,
    Wie zittert's im Wasserschaume,
    Wie lispelt's so halb noch im Traume:
    Gut'
    Nacht, gut' Nacht, mein Lieb! -
    _____


     

  • Anton Noder (Ps. A. de Nora) (1864-1936)

    Träume

    Schön wie Dein Lächeln kam die
    Nacht
    Mit Flügeln, weich wie Deine Wangen
    Und schwebte an mein Lager sacht
    Und hielt mich, süß wie Du, umfangen.

    Und sah mir schweigend ins Gesicht
    Mit Augen dunkel wie die Deinen,
    Und ließ der Träume mildes Licht
    In meine müde Seele scheinen.

    Und meine Seele schloß sich zu
    Wie eine Ros' im Mondesschimmer -
    Ob es die
    Nacht war oder Du,
    Die mich geküßt - ich weiß es nimmer ...
    _____


     

  • Hermann Oelschläger (1839-1908)

    Denkst du noch jener
    Nacht?

    Denkst du noch jener
    Nacht? Im Spätherbst war es schon,
    Die Rose war verglüht, die Schwalbe war entflohn
    Nach einer Heimat warm und milde;
    Sogar das ernste Kind, die Aster, lag im Staub
    Und nur die Dahlie noch, des Herbstes letzter Raub,
    Stand einsam prangend im Gefilde.

    Mit allem Schmucke ging zu Ende jäh das Jahr
    Und dennoch floß die Luft so weich, so wunderbar
    Und warm vom blätterleeren Hügel,
    Als hab' zum zweitenmal ein Lenz verheißungsvoll
    Zur Erde sich verirrt, die neu erblühen soll
    Im vollen Weh'n thauschwerer Flügel.

    Denkst du noch jener
    Nacht? Ein Meer von Sternen floß
    Bewegt am Himmel hin; aufblitzend, zitternd goß
    Der Glanz sich auf die Erde nieder.
    In blauer Wölbung lag der Himmel ausgespannt,
    Dem Silberschilde gleich, den eines Riesen Hand
    Ausstreckt zum Schutz der müden Glieder.

    Viel tausend Lichtern gleich und wechselvollen Scheins
    Zog Stern um Stern dahin und wieder doch in Eins
    Schlug all die Strahlensaat zusammen.
    Und um uns tiefe
    Nacht, als sei die Erde nichts
    Als nur der dunkle Grund von jenem Meer des Lichts,
    Das oben wogt in ew'gen Flammen.

    Da plötzlich zuckt's im Ost empor am Tannenhag,
    Ein Silberstreif erglüht, als käme schon der Tag,
    Als wollt' das Licht das Licht verdrängen.
    Und herrlich steigt es auf - so zieht ein König ein -
    Und ungehemmt ergoß der reiche Vollmondschein
    Sich zu den waldbekränzten Hängen -

    Und sank ins Thal. Doch dort, wie hinter einem Flor,
    Hob sich in Duft gehüllt die alte Stadt empor
    Mit Giebeln, Mauern, Thurm und Zinnen.
    Der Brücke stolzes Joch schien in die Luft gebaut,
    Nur an die Pfeiler schlug mit geisterhaftem Laut
    Des Stromes unablässig Rinnen.

    Ein holdes Spiel begann. Denn auf den Wellen war
    Ein Glitzern, Funkeln, Sprüh'n, als ob der Sterne Schaar
    Hinabgetaucht sei in die Fluthen;
    Und aus den Häuserreih'n den Strand entlang durchbrach
    Manch grelles Licht die
    Nacht und auf den Wassern lag
    Der Wiederschein der rothen Gluten.

    Und feiernd schlief die Welt; kein Hauch schlug an das Ohr,
    Tiefschweigend lag die Flur, die sich zuletzt verlor
    In graue, dämmerhafte Fernen,
    Bis plötzlich in das Lied, das rauschend kam vom Strom,
    Einfiel ein ernster Klang hoch von Sankt Peters Dom,
    Ein Nachtgruß zu den bleichen Sternen.

    Hinzitterte der Schall - denkst du noch jener
    Nacht?
    Den zagen Druck der Hand erwiedertest du sacht,
    Von holder Röthe übergossen.
    Und all der Zauber rings, so wundersam und weich,
    Und all der Märchenduft kam doch nicht jenem gleich,
    Den deine Liebe mir erschlossen.
    _____


     

  • Betty Paoli (1814-1894)

    In solcher
    Nacht

    Es winkt der Mond aus blauen Fernen
    Hernieder seinen Geistergruß,
    Die Erde schickt den Himmelssternen
    In duft'gen Seufzern Kuß auf Kuß.

    In solcher
    Nacht war's, wo die Hülle
    Mir von dem jungen Auge fiel,
    Wo ich der Liebeswonnen Fülle
    Zuerst geträumt als Lebensziel,
    Wo ein gestaltlos heißes Ahnen,
    Tief mit geheimnißreichen Mahnen,
    Die Seele mir zuerst durchfacht
    In solcher
    Nacht.

    In solcher
    Nacht war's, wo ich, trunken,
    Zuerst an deiner Brust geglüht,
    Wo deine Schwüre Gottesfunken
    In's tiefste Wesen mir gesprüht,
    Wo, um im Herzen mir zu liegen,
    Vom ew'gen Thron herabgestiegen
    Der Seligkeiten reichste Macht
    In solcher
    Nacht.

    In solcher
    Nacht ist's nun, daß, trübe
    Mein Geist der Schätze all gedenkt,
    Des Glück's, des Hoffens und der Liebe,
    Die längst ins Meer der Zeit versenkt.
    Was ich geahnt, was ich empfunden,
    Was ich besaß, es ist verschwunden
    Bis auf den Schmerz, der einsam wacht
    In solcher
    Nacht.
    _____


    Erscheinung

    So hab' ich wieder dich gesehen
    So ernst, so wahrhaft und so mild,
    Daß aus dem Grabe zu erstehen
    Mir schien vergangner Zeiten Bild.

    O theurer Schatten todter Liebe!
    O geisterhafte Traumgestalt,
    Die durch der jetz'gen Stunden Trübe
    Versöhnungsmild, vermittelnd strahlt!

    Weil nächt'ges Dunkel, nächt'ges Schweigen
    Der Schmerz in meine Brust gebracht,
    Seh' ich dich still zu mir dich neigen;
    Denn Geister wandeln nur bei
    Nacht.

    So mag die
    Nacht denn ewig währen,
    Die sehnsuchtsvoll mein Wunsch erkürt,
    Weil sie dem Blick voll Glut und Zähren
    Doch Deinen Geist vorüberführt.

    So mag die
    Nacht denn ewig dauern.
    Da doch hinfür kein Erdentag
    Aus Deinen tiefen Todesschauern
    Zum Leben dich erwecken mag!

    Wie sollt' ich vor dem Tag nicht beben?
    Er weckte nicht mein todtes Glück
    Und scheuchte selbst sein Traumesleben
    In's kalte, dunkle Grab zurück.
    _____


     

  • Ludwig Pfau (1821-1894)

    Gute
    Nacht

    Die Erde schloß die Augen zu,
    Die Sterne halten Wacht,
    Und alle Thäler stehn voll Ruh -
    Mein Liebchen, gute
    Nacht!

    Die Wasser rauschen fort von hier,
    Die Lüfte ziehn mit Macht;
    Sie bringen meine Grüße dir:
    Mein Liebchen, gute
    Nacht!

    Schlaf süß und wohl, mein fernes Kind!
    Auf deinem Kissen wacht,
    Auf deine Augen sinket lind
    Des Liebsten gute
    Nacht.
    _____


    Ständchen

    Mein Lieb! all ihre Grüße
    Schickt dir die
    Frühlingsnacht:
    Schlaf wohl! du Wundersüße,
    Du Süße!
    Gehüllt in deine Pracht.

    Es kommt aus Kelch und Dolde
    Ein Duft dir zugefacht:
    Schlaf wohl! Du Wunderholde,
    Du Holde!
    Du Glut der kühlen
    Nacht.

    Und zarte Liebestöne
    Umschweben dich sanft und sacht:
    Schlaf wohl! Du Wunderschöne,
    Du Schöne!
    Du Herz der stillen
    Nacht.

    Und Sterne mit mildem Scheine,
    Sie winken von hoher Wacht:
    Schlaf wohl! Du Wunderreine,
    Du Reine!
    Du Trost der dunkeln
    Nacht.

    Du Lieb! all ihre Grüße
    Schickt dir die Frühlingsnacht:
    Schlaf wohl! Du Wundersüße,
    Du Süße!
    Gehüllt in deine Pracht.
    _____


     

  • Hermione von Preuschen (1854-1918)

    Nachtlieder

    I.
    Sterbeglöckchen
    Die Gletscherwelt versank im Nebelmeer,
    Dunst hüllt die Sterne, und ein kühler Hauch
    vom Fenster weht, - doch Herz an Herzen ruhend,
    flammt es wie Feuer heiß von Mund zu Mund
    und Glutenströme wogen zwischen uns,
    von schwülem Heliotropenduft durchtränkt.

    Aus unsern Seelen tönt ins tiefe Schweigen
    ein Wundersang, - das hohe Lied der Liebe.

    Doch jählings schreckst du auf mit irrem Ruf:
    "das Sterbeglöckchen, hörst dus, hörst dus gellen?"

    Schrill klingt es in die
    Nacht, so hart und grell.
    Vom Fenster weht es kälter und es rieselt
    ein Schauer eisig über unsere Glieder.


    II.
    Adam und Eva
    Und wieder war es Nacht, die Firnenhäupter
    erloschen nach dem Brand des Alpenglühens,
    schienen nur matt noch in das All zu strahlen,
    ins dunkle All, wie mit Opalgefunkel.

    Am Herzen lag ich dir in Wonneschauern.
    Vergessend alles, eins das andere fühlend,
    durchglühts uns siedend bis zum letzten Nerv.
    Da huscht es wie ein Schatten über dich
    und deine lichte Stirn erlischt in
    Nacht.
    Und draußen war es, als wenn Geisterhand
    das weiße Leuchten von den Firnen streifte,
    sie ragten starr und tot.

    Am Fenster standest du, von höherer Macht
    emporgezogen sacht aus meinen Armen.
    Magnetisch aber zog es dir mich nach,
    denn deine Arme griffen in das Dunkel
    und suchten mich und fanden mich und enger
    und immer enger standen wir umschlungen.
    Wir fühltens wie von wilden Wellen kreisen
    in unserem Blut.

    Wohl eine Stunde standen wir im Bann
    von rätseltiefer Elemente Macht.
    Mir kams zu Sinn, - das erste Menschenpaar,
    Adam und Eva vor dem Sündenfall -
    da riß ich mich zerbrochen von dir los.
    _____


    Hoch über uns

    Könnt ich bei dir, von deinem Arm umschlungen,
    dir ganz die deinerfüllte Seele zeigen,
    und dann, erlöst, wenn Gram und Leid bezwungen,
    hinüberdämmern in das große Schweigen.

    Nacht um uns her, - dein Blick wie Wetterleuchten
    in meine Augen grell herüberzündend,
    mit vollem Liebestrank die Lippen feuchten,
    das tiefste Menschensein erschöpfend saugen.

    Und dann … von Wunder still zu Wunder gleite
    leise mein Ich, - vom Dunkel in das Dunkel,
    das letzte Wissen: - endlich dir zur Seite,
    hoch über uns der Venus Sterngefunkel.
    _____


    In der
    Nacht

    Von meinem Bette fahr' ich oft empor,
    Aufschreckend jäh' aus fieberirrem Traume,
    Weil es mir däucht, es dräng' aus weitem Raume
    Ein zages, scheues Klopfen an mein Ohr;
    Du ständest draussen
    Im Windessausen,
    Du trätest licht aus tiefster
    Nacht hervor.
    Mit dir zurück
    Kehrte mein Glück
    Und mit Dir jede höchste Erdenwonne.

    Dann lehn' ich wachend, einsam in den Kissen,
    Um mich das öde Dunkel ohne Stern,
    Und lausche athemlos, ob nicht von fern
    Auf's Neu' Dein Pochen tönt in Finsternissen.
    Mich äfften Träume,
    Sie werden Schäume;
    Vor meiner Thür kein Klopfen tönt an's Ohr.
    Nie kommt zurück
    Mit Dir das Glück
    Und nie und nimmer kost' ich Erdenwonne.
    _____


    Wie ein assyrischer König

    Wie ein assyrischer König
    kamst du in purpurner
    Nacht,
    schmiegtest die bräunlichen Glieder
    zärtlich an Lilienpracht.

    Deine metallische Stimme
    rief mich ins Leben zurück,
    wie ein assyrischer König
    kommst du und zwingst mich ins Glück.
    _____


     

  • Robert Prutz (1816-1872)

    Nachts

    Löscht, o löscht, ihr Himmelslichter,
    Die ihr wandelt durch die
    Nacht,
    Schließ' in deinen Arm mich dichter,
    Liebste du, in Zauberpracht:
    Daß ein seliges Vergessen
    Mir die heißen Schläfen kühlt,
    Alles, was ich sonst besessen,
    Weit mir aus der Seele spült.

    Nur ein einz'ger Stern soll leuchten,
    Mächtig wie der Sonne Glühn;
    Deine Augen sind's, die feuchten,
    Die in holden Flammen sprühn!
    Und wenn sich die Lider neigen,
    Leis von Schlummer übermannt,
    Sagt dein Kuß mir noch mit Schweigen,
    Was der Mund nur halb gestand!
    _____


    Bei der
    Nacht

    Warum duften doch die Rosen
    So viel schöner bei der
    Nacht?
    Warum schmecken doch die Küsse
    So viel süßer bei der
    Nacht?
    Wenn durch braune Dämmerungen
    Hell der Liebsten Auge lacht,
    Und wie eines Schwanes Fittich
    Leuchtet ihrer Glieder Pracht.

    Ja, der Tag gehört den Menschen,
    Aber Gottes ist die
    Nacht!
    Klar und mild, wie Auge Gottes,
    Tausend Sterne sind erwacht;
    Durch die Thäler, durch die Höhen
    Weht's wie Mailuft mild und sacht,
    Und den Saum von seinem Kleide
    Hörst du rauschen durch die
    Nacht.

    Was die Seele dir belastet,
    Was dein Auge weinen macht,
    Leg' es ab denn, müder Wandrer,
    In den frommen Schoß der
    Nacht.
    Knospen werden sich erschließen,
    Früchte reifen über
    Nacht,
    Und die Thränen sind getrocknet,
    Ehe du noch aufgewacht.

    Darum duften auch die Rosen
    So viel schöner bei der
    Nacht,
    Darum schmecken auch die Küsse
    So viel süßer bei der
    Nacht:
    Wenn durch braune Dämmerungen
    Hell der Liebsten Auge lacht,
    Und du fühlst an ihren Küssen:
    Gott und deine Liebe wacht.
    _____


     

  • Robert Reinick (1805-1852)

    Komm in die stille
    Nacht!
    Ständchen

    Komm in die stille
    Nacht! -
    Liebchen, was zögerst du?
    Sonne ging längst zur Ruh',
    Welt schloß die Augen zu,
    Rings nur einzig die Liebe wacht!

    Liebchen, was zögerst du?
    Schon sind die Sterne hell,
    Schon ist der Mond zur Stell',
    Eilen so schnell, so schnell!
    Liebchen, mein Liebchen! drum eil' auch du!

    Sonne ging längst zur Ruh'! -
    Traust wohl dem Schimmer nicht,
    Der durch die Blüthen bricht?
    Treu ist des Mondes Licht.
    Liebchen, mein Liebchen, was fürchtest du?

    Welt schloß die Augen zu!
    Blumen und Blüthenbaum
    Schlummern in süßem Traum,
    Erde, sie athmet kaum,
    Liebe nur schaut den Liebenden zu! -

    Einzig die Liebe wacht,
    Ruft dich allüberall;
    Höre die Nachtigall,
    Hör' meiner Stimme Schall,
    Liebchen, o komm in die stille
    Nacht!
    _____


    Der Himmel im Thale

    Der Himmel da oben, der freut mich sehr,
    Möcht' wohl einmal hinauf;
    Doch schloß kein Engel mir bisher
    Dazu die Pforten auf.
    So sucht' ich denn auf Erden hier
    Mit offner Thür einen andern dafür,
    Das ist im Thal das Försterhaus,
    Da geh' ich täglich ein und aus.
    Du Himmel im Thal,
    Sei gegrüßt, sei gegrüßt viel tausendmal!

    Der Himmel da oben, der ist zwar schön,
    Doch glänzt er fast zu hell,
    Und wenn die Sonne muß untergehn,
    Kommt schwarz die
    Nacht zur Stell'.
    Zu dunkel ist mir die schwarze
    Nacht,
    Die grüne
    Nacht, das ist eine Pracht!

    Die Waldesnacht, das ist meine Freud',
    Da bin ich genesen von allem Leid!
    In grüner
    Nacht
    Du Himmel im Thal,
    Sei gegrüßt, sei gegrüßt viel tausendmal!

    Am Himmel da oben flimmern zwar
    Viel Sterne licht und schön;
    Mein Himmel da unten hat auch ein Paar,
    Tief dunkel anzusehn,
    Doch wenn sie blinken in grüner
    Nacht,
    Der Sonne Pracht nicht heller lacht;
    Und blinken sie einem in's Herz hinein,
    Da kann man fürwahr schon selig sein.
    Ihr dunkeln Stern'
    In grüner
    Nacht,
    Du Himmel im Thal,
    Seid gegrüßt, seid gegrüßt viel tausendmal!
    _____


    In dem Himmel ruht die Erde
    Ständchen

    In dem Himmel ruht die Erde,
    Mond und Sterne halten Wacht,
    Auf der Erd' ein kleiner Garten
    Schlummert in der Blumen Pracht. -
    Gute
    Nacht, gute Nacht!

    In dem Garten steht ein Häuschen,
    Still von Linden überdacht;
    Vor dem kleinen Erkerfenster
    Hält ein Vogel singend Wacht. -
    Gute
    Nacht, gute Nacht!

    In dem Erker schläft ein Mädchen,
    Träumet von der Blumen Pracht;
    Ihr im Herzen ruht der Himmel,
    Drin die Engel halten Wacht. -
    Gute
    Nacht, gute Nacht!
    _____


    Sommernacht

    Der laute Tag ist fortgezogen,
    Es kommt die stille
    Nacht herauf,
    Und an dem weiten Himmelsbogen
    Da gehen tausend Sterne auf,
    Und wo sich Erd' und Himmel einen
    In einem lichten Nebelband,
    Beginnt der helle Mond zu scheinen
    Mit mildem Glanz in's dunkle Land.

    Da geht durch alle Welt ein Grüßen
    Und schwebet hin von Land zu Land;
    Das ist ein leises Liebesküssen,
    Das Herz dem Herzen zugesandt,
    Das im Gebete aufwärts steiget,
    Wie gute Engel, leicht beschwingt,
    Das sich zum fernen Liebsten neiget
    Und süße Schlummerlieder singt.

    Und wie es durch die Lande dringet,
    Da möchte Alles Bote sein;
    Ein Vogel es dem andern singet,
    Und alle Bäume rauschen drein;
    Und durch den Himmel geht ein Winken
    Und auf der Erde nah und fern,
    Die Ströme heben an zu blinken,
    Und Stern verkündet es dem Stern.

    O
    Nacht, wo solche Geister wallen
    Im Mondenschein, auf lauer Luft!
    O
    Nacht, wo solche Stimmen schallen
    Durch lauter reinen Blüthenduft!
    O
    Sommernacht, so reich an Frieden,
    So reich an stiller Himmelsruh':
    Wie weit zwei Herzen auch geschieden,
    Du führest sie einander zu!
    _____


     

  • Anton Renk (1871-1906)

    Dann kam die fliederduftdurchströmte
    Nacht
    Und um die Lilien die Falter flogen
    Und über uns der große Sternenbogen
    Ließ niederträufen seiner Lichter Pracht,
    Und es erklang das älteste der Lieder:
    "Ich liebe dich" .. "Und ich .. ich lieb' dich wieder."

    Ein stiller Kuß, so heilig wie Gebet,
    Das feierlich durch alle Himmel weht,
    Bei dessen Kommen sich die Engel neigen,
    Und Gott sich hebt von seines Thrones Pracht
    Und spricht: Es sind zwei Seelen sich zu eigen,
    Es ist der Liebe Weltgesetz vollbracht.
    _____


    Weißt du? – Nach jenem Sonnwendtage
    Die Blütenpracht am Waldesrand,
    Der jungen Herzen schöne Frage?
    Wir gingen beide Hand in Hand -
    Und wie in einer Frühlingssage
    Voll Glück und Glanz das ganze Land.

    Der Mond versilberte die Erlen,
    Es fing ein großes Leuchten an -
    Die heilige
    Nacht! – Wie helle Perlen
    Die Sterne von dem Himmel sah'n.

    Und Feuer flammten, regungslose,
    Herab vom dunkeln Felsenknauf.
    Am Busch der wilden Heckenrose
    Die Funkenkäfer flogen auf.

    Und weißt du, was ich leise sagte,
    Du blondes Kind? – Ich hab dich gern.
    Und weißt du, was ich leise fragte?
    Ich fragte: Willst du einen Stern?

    Dann hab' ich aus der hellen
    Sonnwendnacht
    Auf meiner Hand ein Sternlein dir gebracht.
    _____


     

  • Rainer Maria Rilke (1875-1926)

    Wenn die
    Nacht sinkt...

    Rings lag schon die
    Nacht so barmherzig und mild,
    des Tages Getön war verklungen:
    wir gingen selbander durchs weite Gefild
    und hielten uns selig umschlungen.
    Da war es durchs Herze so jauchzend und wild
    und doch so besel'gend gedrungen ....
    Doch nun - längst entschwunden das liebliche Bild, -
    die Saite, die volle, zersprungen .....

    Doch immer noch steht es mit himmlischer Macht
    in hoffender Brust mir geschrieben;
    das Feuer wird mächtig aufs neue entfacht,
    vom Sturme der Weihe getrieben.
    Und wenn - so wie damals - die liebliche
    Nacht
    sich senkt von den Bergen dort drüben,
    da glänzet im Aug eine Träne mir sacht
    und ich träume - vom Lieben, vom Lieben!
    _____


     

  • Joachim Ringelnatz (1883-1934)

    Ich habe an deiner Brüste Altar
    Die
    Nacht bei dir durchsonnen.
    Ich träumte unendliche Wonnen
    Im Zauberdufte aus deinem Haar.

    Den Blütenstaub der Jugend am Leib,
    Lagst du mit fiebernder Stirne
    Als Fremde bei mir – – eine Dirne,
    Und warst ein halberblühtes Weib.

    Und Tränen sah ich, so heimatfremd,
    So sündenschön verrinnen.
    Sie netzten ein schneeiges Linnen.
    Das glich einem Totenhemd.
    _____


    Ein Liebesnacht-Wörtchen

    Ja – – ja! – – ja!! – – ja!!! – –
    Du hast so süße Höschen.
    Nun sind wir allein. Und es ist
    Nacht.
    Ach hätte ich dir doch ein Röschen
    Mitgebracht.
    _____


     

  • Anna Ritter (1865-1921)

    Das hat die
    Sommernacht gethan

    Die
    Nacht ist keines Menschen Freund -
    Was flüsterst du von Treue?
    Der Mond verblaßt, der Morgen graut ...
    Am Bette sitzt die Reue.

    Die Reue ist ein häßlich Weib
    Und möcht' mich wohl verderben -
    Reiß mir das Herz nicht aus dem Leib,
    Ich will ja noch nicht sterben.

    Mein Blut ist heiß, dein Mund so süß ...
    O Gott, wie kannst du küssen!
    Das hat die
    Sommernacht gethan,
    Daß wir versinken müssen.
    _____


    Du und ich

    Du und ich … und über uns Beiden die
    Nacht!
    Neige die Stirn, damit ich dich küssend umfange.
    Neige das Ohr – ich raune dir Süßes hinein,
    Wonne und Weh, so wie's mir emporblüht im Herzen. -
    Du und ich … Es ward uns nichts Andres bescheert
    Als dieses Glück, das wir der Sonne verbergen.
    Sieh, schon senkt sich abwärts der einsame Pfad -
    Selige Lust steht lächelnd im Thale des Todes.
    _____


    Heilige Stunde

    Ich denk so oft an jene
    Nacht,
    Da's über uns herniederbrach,
    So athemraubend, riesengroß,
    Daß keiner von uns Beiden sprach.

    Wir maßen uns, wie Feinde thun,
    Es war ein Ringen bis aufs Blut
    Und dann hat doch, besiegt und still,
    Mein Haupt an deiner Brust geruht.

    Es war kein Jubel zwischen uns,
    Nur ein verhalten, wortlos Flehn:
    "Gott, laß uns rein und stark und groß
    Aus dieser Stunde Thoren gehn."
    _____


    Ballnacht

    Ich hab' getanzt! Von einem Arm zum andern
    Warf mich des Tanzes ungestüme Lust,
    Die ganze
    Nacht.
    Und dennoch war's ein wohlbehütet Wandern,
    Denn heimlich und mir selber unbewusst
    Hast du gewacht,
    Daß mir das Treiben nicht den Sinn verwirrte,
    Wie eine Mutter trugst du die Gedanken
    Still in dein Haus,
    Daß auch nicht einer sich von dir verirrte;
    Da ruhten sie, in all dem bunten Schwanken,
    Sich selig aus.
    Nun, da es Morgen ist und alle Leute
    Verdrossen aus verwachten Augen sehen
    Und müde sind,
    Geh' ich umher in einer stillen Freude,
    Als sei mir wunder was zur
    Nacht geschehen -
    Recht wie ein Kind.
    _____


    In verschwiegener
    Nacht

    In verschwiegener
    Nacht
    Hab' ich deiner gedacht
    Und mit sehnendem Gruß
    Dich gegrüßet.

    Hab' geweint und gelacht
    In der heimlichen
    Nacht
    Und mit seligem Kuß
    Dich geküsset.

    Als das Morgenlicht kam
    Und die Träume mir nahm,
    Hab' ich einsam die Wonne
    Gebüßet.
    _____


    Sehnsucht nach dem Geliebten

    Um dich hab ich die ganze
    Nacht
    In Weh durchweint, in Noth durchwacht,
    Um dich begrüßt mit heißem Schlag
    Mein Herz den grauen Wintertag -
    Ach, wirst du kommen, Liebster mein,
    Die Sonne dieses Tags zu sein?

    Das Leben rinnt uns durch die Hand,
    Ist jeder Tag ein Körnlein Sand,
    Das häuft sich an und lastet schwer,
    Darunter blüht kein Hoffen mehr -
    O komm, so lang der Sonnenschein
    Uns noch umleuchtet, Liebster mein!
    _____


     

  • Emil Rittershaus (1834-1897)

    Nach der
    Nacht

    Es rauscht der Wald in leisem Psalme,
    Wenn Morgenroth die Wipfel säumt,
    Und es erzählen sich die Halme,
    Was sie in dunkler
    Nacht geträumt.

    Wenn kaum der letzte Stern verschwunden,
    Dann jubeln Vöglein fern und nah,
    Daß nach den sonnenlosen Stunden
    Auf's Neu' der Glanz des Morgens da. -

    Ich aber möchte gern verzichten
    Auf Morgenglanz und Sonnenpracht,
    Und gäbe gern den Tag, den lichten,
    Für eine süße Stund' der
    Nacht!
    _____


    Im Mai

    Im schönen Mai, im schönen Mai
    Der Vöglein Lieder schallen.
    O Zeit der Lust und Blüthenpracht!
    Es klingt die
    Nacht, die ganze Nacht,
    Das Lied der Nachtigallen!

    Im Liebesmai, im Liebesmai
    Durchzieht die Brust ein Klingen,
    Ein Frühling licht im Herzen lacht.
    Ich möcht' die
    Nacht, die ganze Nacht,
    Von sel'ger Liebe singen!

    Doch, wär ich wie die Nachtigall
    In grünen Waldesräumen,
    Ich hätt' kein einzig' Lied erdacht!
    Ich wollt' die
    Nacht, die ganze Nacht
    Im Arm der Liebe träumen!
    _____


     

  • Hermann Rollett (1819-1904)

    In der Wehmuth
    Nacht

    Glühtest in der Wehmuth
    Nacht
    Mir als helle Leuchte,
    Trocknetest mit Liebesmacht
    Mir das Aug', das feuchte.

    Und als in des Kampfes Schmerz
    All mein Lenz verglühte,
    Fielst du mir an's bange Herz
    Licht als Frühlingsblüthe.
    _____


    In strahlender Früh'

    Gott grüß' dich, mein Lieb', in strahlender Früh'!
    Wie hast du geruht die vergangene
    Nacht?
    O höre, mir war's, als ob hell mich umglüh'
    Ein Traum mit unendlicher Zaubermacht!

    Mir war es, als ruhte ein Auge auf mir -
    Ein Aug' mit unsäglich liebendem Blick,
    Und der Blick, o der war, als wär' er von dir,
    Verkündend mein überselig Geschick.

    Mir war es, als läg' meine zitternde Hand
    An einem erbebenden Herzen fest,
    Und es war mir im Traum, als ob deine Hand
    Die meine dir zitternd an's Herz gepreßt.

    Mir war es, als ging' ein seliger Hauch
    Aus in rosiger Reinheit erglühendem Mund,
    Und es war mir, als wär's dein Athem auch
    Der ein Wort mir geflüstert aus Herzensgrund.

    Mir war's, als durchzuckte die Lippen mir
    Ein Strahl, von ewiger Lieb' entzückt,
    Und mir war es im Traum, als ob ich dir
    Den Kuß der Lieb' auf die Lippen gedrückt.

    Es war mir, als ob eine Rose erblüh' -!
    Ich weiß nicht, ob ich geträumt, ob gewacht; -
    Gott grüß' dich, mein Lieb', in strahlender Früh' -
    Wie hast du geruht die vergangene
    Nacht?!
    _____


     

  • Otto Roquette (1824-1896)

    O laß dich halten, goldne Stunde!

    O laß dich halten, goldne Stunde,
    Die nie so schön sich wieder beut!
    Schau, wie die
    Mondnacht in die Runde
    All ihre weißen Rosen streut.
    Des Tages Stimmen fern verhallten,
    Nicht Worte stören, nicht Gesang
    Des stillsten Glückes innig Walten,
    Nach dem die ganze Seele drang.

    So Brust an Brust, so ganz mein eigen,
    So halt ich dich, geliebtes Bild!
    Es rauscht die
    Nacht, die Lippen schweigen,
    Und Seele tief in Seele quillt.
    Ich bin dein Glück, du meine Wonne,
    Ich bin dein Leben, du mein Licht;
    Was soll uns Tag, was soll uns Sonne?
    Du schöne
    Nacht, entflieh uns nicht!
    _____


     

  • Friedrich Rückert (1788-1866)

    Als ich die Augen schloß,
    Sich Schlaf auf mich ergoß,
    Da kam dein Augenpaar
    Und sah mich an so klar.

    Es sah mich an so tief;
    Ich schaut' hinein, und schlief.
    Es ging ein süßer Schmerz
    Mir mitten durch das Herz.

    Mich schaut' ich ganz hinein,
    In Duft zerfloß der Schein,
    Da fühl' ich deinen Hauch
    An meinen Wangen auch.

    Ich streckte meinen Arm,
    Am Busen war mir's warm,
    Als lägest du daran;
    Wie durft' ich dich umfahn!

    Wie ich dich an mich zog,
    Wie ich dich in mich sog!
    O warst du fern mir da?
    So nah' warst du mir ja.

    Trug dich der Traum zu mir?
    Trug mich der Traum zu dir?
    Wir haben diese
    Nacht
    Beisammen zugebracht.
    _____


    Wann still die
    Nacht auf dunkeln Pfaden schreitet,
    Die unterm Mantel trägt die goldnen Sterne,
    Und im Gewölk gleich heimlicher Laterne
    Der Mond sein wachsend Silberlicht bereitet;

    Denk' ich, und meines Auges Thräne gleitet,
    Zurück in jener
    Nächte schöne Ferne,
    Wo er mit seinem lieberglühten Kerne
    Auf meinen Liebesgängen mich geleitet.

    Wozu, o Mond, mit deinem Strahlenschimmer
    Hat dich ein Gott in Lüften aufgehangen,
    Als daß die Lieb' in deinem Licht soll wallen?

    Die Liebe wallt in deinem Lichte nimmer,
    Der Docht in deiner Lamp' ist ausgegangen,
    Und deine Scherben laß vom Himmel fallen.
    _____


     

  • Lessie Sachs (1897-1942)

    Föhn in der
    Nacht

    Es hat ein Föhn sich aufgemacht,
    Der heult um's Haus,
    Und singt und geigt,
    Und weht und schweigt;
    Es stürmt die ganze
    Nacht.

    Es hat ein Schmerz sich aufgemacht,
    Der traf mein Herz.
    Wo kam er her?
    Ich weiss nicht mehr.
    Ich bin davon erwacht.

    Es hat ein Mann sich aufgemacht.
    Ich weiss nicht wo;
    Ich weiss nicht wann;
    Er kam nie an. -
    Ich warte in der
    Nacht.

    Es hat ein Traum sich aufgemacht,
    Der zog vorbei,
    Entstand, entwich ...
    Und zögernd schlich
    Vorüber diese
    Nacht.
    _____


    Vor uns steht die
    Nacht

    Seit langer Zeit schon suchst Du meine Nähe,
    Noch unbewusst und zögernd, wie ich sehe.
    Doch näher kommst Du, näher ... bleibe still;
    Ich höre Dich. .. da ist ein retardierendes Moment,
    Das wie ein ganz verhaltenes piano noch uns trennt,
    Sei still ... ich höre Dich, weil ich das will.

    Die sanfte Anmut unsrer Zärtlichkeiten,
    Die Wort und Blick, und Blick und Wort begleiten,
    Solange nichts geschieht, und nichts geschah,
    Die untergründig noch, verdeckt, verschwiegen und verhüllt, -
    Sind so von werbender und suggestiver Kraft erfüllt,
    Dass Du mir schon sehr nah, - gefährlich nah.

    Du kommst mir näher, näher ... und die Stunden
    Sind abendlich, - doch schon der
    Nacht verbunden.
    Die
    Nacht steigt auf. Crescendo! - Gib nun acht,
    Die
    Nacht kommt näher, näher kommt die Nacht. - Elementar
    Erwacht die Leidenschaft, gebieterisch und wunderbar,
    Apassionata! - Vor uns steht die
    Nacht.
    _____


    Heilige
    Nacht

    Eis und Kälte kommen wieder,
    Und die matte Sonne malt
    Blaue Schatten in den Schnee,
    Der im zarten Glanz erstrahlt;
    Früh senkt sich die
    Nacht hernieder.

    Vieles müssen wir ertragen. -
    In den Wäldern weht ein Wind ...
    Still rührt uns ein Zauber an,
    Von Maria mit dem Kind,
    Wie ein Klang aus fernen Tagen.

    Vieles haben wir verloren.
    Sei nur still; ein Hauch, ein Traum,
    Steigt empor und fängt Dein Herz.
    Sanft erklingt ein Wort im Raum:
    Diese
    Nacht ist auserkoren.

    Vieles müssen wir entbehren.
    In den Wäldern braust ein Sturm ...
    Heilig ist die
    Nacht. - Sei still. -
    Denn nun läuten hoch vom Turm
    Alle Glocken, Gott zu Ehren.
    _____


     

  • Hugo Salus (1866-1929)

    Nachtliedchen

    Ich hätte doch heut in der
    Nacht,
    Aus dem Traume erwacht,
    Das kleine Liedchen aufschreiben sollen!
    Die
    Nacht war selber wie ein Gedicht,
    Sie sah mir so innig ins Angesicht,
    Daß über die Lider die Tränen mir quollen.

    Und dazu sang eine Nachtigall
    Mit süßem Schall
    Im Garten. Nie wollt' ich's den Dichtern glauben,
    Wie süß eine Nachtigall singen kann,
    Wie hold ihr Schluchzen erklingen kann
    Aus den blühenden, duftenden Taxuslauben!

    Und da fiel mir ein ganz kleines Liedchen ein:
    Der Mondenschein
    War drin und der Sang der Nachtigallen.
    Doch war mir so hell und so glücklich zu Sinn,
    Und so schrieb ich mein kleines
    Nachtlied nicht hin;
    Und nun wird es Tag und es ist mir entfallen ...
    _____


    Stille der
    Nacht

    Die
    Nacht hat tausend Ohren
    Und allen sage ich,
    Ganz in die
    Nacht verloren:
    "O Liebste, liebst du mich?"
    Die
    Nacht hat tausend Ohren.

    Du
    Nacht, du heiligstille,
    Geheimnisvolle
    Nacht,
    Durch deines Schweigens Fülle,
    Ist sie vielleicht erwacht!
    Du
    Nacht, du heiligstille!

    Du
    Nacht, was sagt dein Rauschen?
    Gib Antwort, hört sie mich?
    Andächtig will ich lauschen,
    Voll Sehnsucht frag' ich dich,
    Du
    Nacht, was sagt dein Rauschen?
    _____


     

  • Max Schaffrath (1813-1877)

    Nächtliche Zusammenkunft

    Sie schlichen verstohlen zusammen
    In sternenloser
    Nacht,
    Sie kosten so süß, so traulich
    Und glaubten sich unbewacht.

    Sie hielten sich liebumfangen,
    Eins lag an des Andern Brust;
    Sie weinten und wollten sterben
    In der lang verwehrten Lust.

    Und mögt ihr das Ende wissen,
    Das Ende von dieser Stund'?
    Er liegt verblutend am Boden,
    Sie jammert in Thurmes Grund.
    _____


    Die
    Nacht

    Ein stilles Wunder ist die
    Nacht,
    Der reinen, tiefen Liebe Bild;
    Gleich ihr verschwiegen, reich und mild
    Und von geheimnißvoller Macht.

    Sie faßt dich ganz und schließt die Welt
    Vor den erregten Sinnen zu,
    Daß ungestört in milder Ruh
    Das Herz in sich die Einkehr hält.

    Wie wird die Seele leicht und weit!
    Von jeder Erdenschlacke rein
    Nimmt sie den Himmel in sich ein
    Und fühlt in sich Unendlichkeit.
    _____


     

  • Leopold Schefer (1784-1862)

    Nacht

    Wenn ich Nachts an der Brust der Geliebten
    Selig-ermüdet ruhe, berauscht
    Und gestärkt von dem Kelche der Liebe,
    Und die feiernde duftige
    Nacht
    Ihrer hehren goldnen Gestirne
    Einem Reigen nach dem andern,
    Immer glänzender, goldener Jeden,
    Leis herauf vor meinen erstaunten
    Augen und langsam vorüber führt —
    Weine ich auf der Brust der Entschlafnen:
    Die Erde, die wunderbar alte,
    Schwebend mit Meeren und Inseln und Bergen,
    Mit ihren Todten und heiligen Trümmern,
    Jetzt erleuchtet, jetzt düster, im Himmel
    Wie ein Lotus unsterblich dahinschwimmt,
    Und wie gefangene Bienen im Mohnhaupt
    Wir in den schwimmenden Zaubergärten —
    Weine ich, bis die erschrocken Erwachte
    Zärtlich mich in den Schlummer gekoset —
    Träume ich, bis die Gestirne gesunken
    Oder zerglänzt in die Morgenröthe,
    Bis sie, mich küssend, von mir geschlichen
    Und aus dem rosigen Frühlingsgefild
    Voller Thau und Glanz und Gesang
    Ihres Jünglinges Haar mit frischen
    Veilchen bekränzt, die Morgensonne
    Ihr und der Erde mich wiedergegeben —
    Und ich ihr wieder am Busen weine!
    _____


    Die Königin der
    Nacht

    Geliebte! Wie du mir am Tage
    So tiefe Ruhe gönnst! Wie leichbedacht,
    Wie glanzumhüllt,
    Wie reizversteckt
    Dein stilles Bild
    Mich kaum erweckt,
    Und leis verschwebt in heller Erdenpracht!
    Zwar hold und lieb, und schön und gut,
    Erregst du mir nicht Sinn und Blut —
    Mir selbst zu leben hab' ich Muth!

    Doch, holde Zauberin, o sage,
    Wie gehst du hell mir auf, beginnt die
    Nacht!
    Wie reizerfüllt,
    Wie süßentdeckt
    Dein leuchtend Bild
    Mir Gluth erweckt!
    Wie du nun ausübst alle Tagesmacht!
    Umglänzt von Luna's Silberschein,
    Ach, ist nichts Andres mehr noch mein —
    Du lebst mir nur, ich bin noch dein!

    So steht verschlossen über Tage
    Der Blumen Mond: die Königin der
    Nacht!
    Ihr Rosenmund,
    Ihr Aug' erwacht,
    Ihr Kelch wird kund
    In holder
    Nacht,
    Wenn keinen Reiz die Sonne mehr bewacht;
    Ihr duftig Herz, von Gluth durchfacht,
    Geht auf, und steht voll Himmelspracht
    Im schönsten Flor um
    Mitternacht!
    _____


     

  • Hans Schmidt-Kestner (1892-1915)

    Mondnacht

    Wenn wir durch die Dünen gehn,
    Liebste mein,
    Sterne schon am Himmel stehn, -
    Mondenschein, -
    Rauscht leise nur das Meer,
    Trägt uns alte Lieder her.

    Und die Lieder seltsam klingen,
    Liebste, du,
    Nixen, glaube ich, sie singen,
    Hör' nur zu! -
    Ach wie ist die
    Nacht so still,
    Alles nur noch schlafen will.

    Unsre Hände haben sich verschlungen,
    Liebste, wie?
    Eben Seufzer sind zu mir gedrungen,
    Hörst du sie?
    Kleine, hast wohl nicht gedacht,
    Wie verräterisch die
    Nacht!

    Unsre Lippen werden sich nun finden.
    Liebste, ja,
    Deiner Liebe Tiefen zu ergründen,
    Bin ich nah!
    Sieh, da taucht der Mond ins Meer! -
    Stille, Dunkel rings umher .....
    _____


     

  • Emil Prinz von Schönaich-Carolath (1852-1908)

    Mein Leben war ein schwerer Streit,
    Mein Herz ward leer und hart gemacht,
    Irrend und krank, vom Frieden weit; -
    Rings war es
    Nacht und tiefe Nacht.

    Doch als sie sprach: "Ich liebe dich,"
    Und sie in meinem Arme lag,
    Da war's, als ob ein Schleier wich, -
    Es wurde Tag und lichter Tag.
    _____


     

  • Karl Siebel (1836-1868)

    Es schien ein Stern

    Es schien ein Stern in meine dunkle
    Nacht
    Und sieh: ein Heer von Sternen war erwacht;
    Ein Frühlingsleben und ein Wonnesprühn
    Erwachte mild bei dieses Sternes Glühn.

    Des Lebens Wolken zogen schwer einher,
    Der eine Stern – er scheinet nimmermehr,
    Und einsam träumend von geliebter Pracht,
    Steh' ich ein Wandrer in der dunklen
    Nacht.

    O holdes Licht – geliebtes Angesicht,
    Mein Sehnen, Träumen läßt dich ewig nicht,
    Durch Schicksalswolken fleh' ich auf zu dir:
    O holdes Licht! warum erschienst du mir?
    _____


     

  • Jegor von Sivers (1823-1879)

    Der letzte Sonnenstrahl und die
    Nacht

    Auf der Wolke dort entschlummern
    Will der letzte Sonnenstrahl,
    Und heran in bitterm Kummer
    Schwebt die
    Nacht so bleich und fahl,

    Und sie knieet händefaltend
    Hin zum Untergange, kaum
    Athmet sie und flehet bange,
    Und berührt der Wolke Saum.

    Doch den Strahl erreicht sie nimmer,
    Denn er fliehet ihre Spur.
    Weinend wallt die
    Nacht und düster
    Durch die goldbesäte Flur.

    Jener Sonnenstrahl, o Mädchen,
    Jener letzte, ist dein Bild,
    Und die
    Nacht mit stummem Beten
    Ist mein Herz von Gram erfüllt.
    _____


     

  • Ilse von Stach (1879-1941)

    Zeit und Weile

    Alle Zeit und Weile nimmt ein Ende.
    Ach, die wonnevollen Stunden gleiten
    wie die bittren bald in Dunkelheiten -
    so die Zeit, da deine lieben Hände
    mein Geschick umspannten, ging zu Ende.

    Ja, die erdenschönste
    Nacht von allen
    unaufhaltsam ist sie doch gleich denen,
    die da ziehn im Schleppgewand der Tränen,
    neidisch fahlem Dämmerlicht verfallen.
    Auch die erdenschönste
    Nacht von allen.

    Nur die Nebel, die im Tale brauen,
    und die Wolken, die in schwarzen Strängen
    regenschwer vom Himmel niederhängen,
    zögern wohl heran das Tagesgrauen,
    das kein Glücklicher begehrt zu schauen.

    Nebel, Wolken, lagert breit und breiter,
    zieht euch um die Berge eng und enger, -
    gebt um einen Kuß und Pulsschlag länger
    uns die
    Nacht, die süße, zum Begleiter,
    einen Atemzug, ein Lächeln weiter.

    Zeit und Weile nimmt gewiß ein Ende,
    denn die Stunden rollen. Schmerz der Schmerzen,
    komm, und habe Raum in meinem Herzen.
    Die mich hielten, die geliebten Hände
    lösten sich und alles ging zu Ende.
    _____


     

  • Carl Sternheim (1878-1942)

    Nacht am Krankenbett

    Ich leg dir Sterne in dein Mädchenbett,
    Sie werden sich an deine Reinheit schmiegen
    Und lächelnd da wie bei Verwandten liegen.

    Und sinke glücklich nieder im Gebet:
    Du bist ein gutes Kind, dein Herz ist rein,
    O dieses ganze milde Jungfrausein.

    Sprüht früh herein ein geiler, heißer Schein
    Und stört dir deine traumesfaule Ruh,
    Dann hole ich den dichten Vorhang zu.
    _____


    Gute
    Nacht

    Du schlaf nun sanft. Und wenn der Morgen steigt,
    Erfreun mich die erfrischten Frauenglieder.
    Ich küss' dich dann, du giebst es herzlich wieder,
    Und in mir ringt ein kleines Lied zum Licht.

    Zwölf Uhr vom Turm. Und alles, alles schweigt.
    Ich spiele mit Gedanken noch ein Weilchen
    Und denk' mir über dies und das mein Teilchen.
    - Unendlich schön dein ruhendes Gesicht.
    _____


     

  • Karl Stieler (1842-1885)

    Kennst du dies Leid?

    Kennst du dies Leid, wenn, kaum entschlafen
    Aus irrem Traum, das Herz erwacht,
    Wund von den Pfeilen, die es trafen:
    Kennst du die Sehnsucht in der
    Nacht?

    Ein Schatten kommt – du fühlst den Schimmer,
    Du rufst ihn – da zerfließt er sacht.
    Und bis zum Morgen schläfst du nimmer:
    Kennst du die Sehnsucht in der
    Nacht!?
    _____


    Mainacht

    Der Nacht gedenk' ich ew'ge Zeit,
    Der
    Nacht vom ersten Maien:
    Da dich der fremde Mann gefreit,
    Dich, die ich einst wollt' freien!

    Es rauscht der See im Mondenschein
    Und lenzgrün sind die Almen;
    Doch durch mein Herz rauscht Lust und Pein,
    Als sollt's mein Herz zermalmen!

    Ich stieg bergan die ganze
    Nacht,
    Durch Blumen, durch Steingerölle …
    Ich zog durch die grüne Erde hin,
    Ich zog durch Himmel und Hölle!
    _____


    Neujahrsnacht

    Neujahrsnacht war's, das alte Weh
    Stieg auf in dieser
    Nacht der Weihe,
    Die Sterne blitzten überm Schnee,
    Mich aber trieb's hinaus ins Freie.

    Und durch die Gassen schlich ich sacht
    Und suchte deines Hauses Schwelle,
    Wie der Geächtete bei
    Nacht
    Die Heimat sucht, die traute Stelle.

    Manch mind'rer Mann tritt stolz herfür
    Und bringt dir morgen Gruß und Segen -
    O laß mich
    nachts vor deine Tür
    Die Grüße des Verbannten legen!
    _____


     

  • Theodor Storm (1817-1888)

    Du Heißersehnte

    Du Heißersehnte, gute
    Nacht!
    Der Mond allein hält draußen Wacht;
    Sonst schlummert alles in den ew'gen Räumen.

    Mein einsam Bette ist gemacht -
    Du Heißersehnte, gute
    Nacht!
    Wann kommt die Zeit, um Brust an Brust zu träumen?
    _____


    Gedenkst du noch?

    Gedenkst du noch, wenn in der
    Frühlingsnacht
    Aus unserm Kammerfenster wir hernieder
    Zum Garten schauten, wo geheimnisvoll
    Im Dunkel dufteten Jasmin und Flieder?
    Der Sternenhimmel über uns so weit,
    Und du so jung; unmerklich geht die Zeit.

    Wie still die Luft! Des Regenpfeifers Schrei
    Scholl klar herüber von dem Meeresstrande;
    Und über unsrer Bäume Wipfel sahn
    Wir schweigend in die dämmerigen Lande.
    Nun wird es wieder Frühling um uns her,
    Nur eine Heimat haben wir nicht mehr.

    Nun horch ich oft, schlaflos in tiefer
    Nacht,
    Ob nicht der Wind zur Rückfahrt möge wehen.
    Wer in der Heimat erst sein Haus gebaut,
    Der sollte nicht mehr in die Fremde gehen!
    Nach drüben ist sein Auge stets gewandt:
    Doch eines blieb - wir gehen Hand in Hand.
    _____


    Nachts

    Schon
    Mitternacht! Mein Kopf ist wüst -
    Zu Bett! Ich habe lang gewacht;
    Doch ob das Aug sich müde schließt,
    Wann kennt das Herz wohl Tag und
    Nacht?

    Das Herz, das Herz hat nimmer Ruh,
    Das fliegt zu dir durch Zeit und Raum,
    Im Traum mein süßes Leben du,
    Im Leben du mein süßer Traum!
    _____


    Zur
    Nacht

    Vorbei der Tag! Nun laß mich unverstellt
    Genießen dieser Stunde vollen Frieden!
    Nun sind wir unser; von der frechen Welt
    Hat endlich uns die heilige
    Nacht geschieden.

    Laß einmal noch, eh sich dein Auge schließt,
    Der Liebe Strahl sich rückhaltlos entzünden;
    Noch einmal, eh im Traum sie sich vergißt,
    Mich deiner Stimme lieben Laut empfinden!

    Was gibt es mehr! Der stille Knabe winkt
    Zu seinem Strande lockender und lieber;
    Und wie die Brust dir atmend schwellt und sinkt,
    Trägt uns des Schlummers Welle sanft hinüber.
    _____


    Abends

    Warum duften die Levkojen soviel schöner bei der
    Nacht?
    Warum brennen deine Lippen soviel röter bei der
    Nacht?
    Warum ist in meinem Herzen so die Sehnsucht auferwacht,
    Diese brennend roten Lippen dir zu küssen bei der
    Nacht?
    _____


    Nachts

    Wie sanft die
    Nacht dich zwingt zur Ruh,
    Stiller werden des Herzens Schläge;
    Die lieben Augen fallen dir zu,
    Heimlich nur ist die Sehnsucht rege.
    Halbe Worte von süßem Bedeuten
    Träumerisch über die Lippen gleiten.
    _____


     

  • Paul Wertheimer (1874-1937)

    Sommernacht

    Uns einte nicht des Priesters Hand
    Mit Chören, feierlichen Flammen.
    Nur ein Marienfaden band
    Uns leicht und sommerlich zusammen.

    Uns hat die
    Sommernacht getraut
    Im blauen Dom voll Weihrauchkerzen -
    Du Sternenkind, du Windesbraut,
    Das war ein Neigen, Herz zu Herzen.

    Die
    Nacht frug priesterlich und groß:
    Wollt ihr euch froh der Liebe spenden?
    Ein Raunen rings. Ich hielt dein Los
    In meinen bebend trunknen Händen.
    _____


    Die erste
    Nacht

    So aber träumt' ich meine erste
    Nacht
    Mit dir, mein ernstes Kind, trägslav'schen Blutes,
    Traurig das Aug' wie deines Volks Musik,
    Das mir zuerst, im Traum der siebzehn Jahre,
    Und ohne Wort, im demutsüßen Neigen,
    Die blasse Blüte seines Leibes bot:

    Um unser Lager sollte glühn die Pracht
    Erlesner Kunst, die ferne, wunderbare,
    Und über uns, da sollten sich verzweigen
    Viel heiße Rosen, Rosen blutigrot.
    Du solltest weiß auf lichter Decke liegen,
    Das schwarze Haar tief in das Blau gebettet,
    In matte Seiden solltest du dich schmiegen,
    Die blassen Perlen um den Hals gekettet,
    Und über Teppiche hin sollten gleiten
    Die schweren Seufzer unsrer Zärtlichkeiten.
    Dies kam nicht so: ein ängstlich enges Zimmer,
    Da ich des Lebens Schleier dir enthülle,
    Umflackert nur von einer Kerze Flimmer,
    Und nirgendwo des reichen Daseins Fülle.

    Doch ich bin stärker als die Kümmernisse
    Des engen Seins, das uns in Not gezwungen:
    Hin durch die schwarzen, schweren Finsternisse
    Halt' ich Entferntes zärtlich nah umschlungen.
    Ich greife mit dem Arm ins Ungewisse
    Und reiße einen Sternenbund hernieder
    Auf dieses armen Betts durchwühlte Kissen,
    Die weißen Anemonen und Narzissen
    Auf deine sinkend hingegebnen Glieder.

    Die Sterne tanzen um mich rot im Kreis.
    Doch meine Seele, die ist todestraurig,
    Weil sie nicht Antwort auf dein Stammeln weiß,
    Auf dieses irre Betteln, Beten, Bitten.
    So kühl und wissendreif ist meine Seele. - -
    Nun gleitet sie tief in der Erde Grund, Inmitten
    Von einem schwarzen See, an Klippen schaurig,
    Brech' ich ein Reis der dunklen Asphodele
    Und kränze dir dein Haar ... Du aber, still,
    Beschloßnen Blicks, erduldest wildes Leid ...
    Plötzlich ein schweres Atmen, röchelnd, schrill,
    Dein Seufzen weht zu mir .. so weit .. so weit ..
    Und in die Sterne, jagend um das Kissen,
    Dein irrer Ruf: Gib! Gib mich frei!
    Ich press' den Mund dir zu mit wirren Küssen ...
    Da - - in die Finsternis - - bricht jäh - -
    dein Schrei - -
    _____


     

  • Ernst von Wildenbruch (1845-1909)

    Liebespost

    In der Mondesnacht, in der stillen
    Nacht,
    Wenn da alles schläft, rings kein Auge wacht,
    Da gedenk' ich süßes Mädchen dein,
    Möchte ach so gerne bei dir sein.

    Höre Mond mich an, stiller Wandersmann,
    An ihr Fenster geh, klopfe leise an,
    Schick ihr einen süßen Traum hinein,
    Sage ihr, der Liebste denket dein.
    _____


    Heilung

    Es liegt die
    Nacht auf Erden schwer
    Mit allen ihren Schauern;
    Mein Herz ist dunkel, kalt und leer,
    In mir ist nichts als Trauern.

    Steh auf, du Himmelssonnenlicht,
    Zünd' an die warmen Kerzen!
    Geh auf, du Engelangesicht,
    In meinem müden Herzen.

    Hauch' ab die kalte
    Erdennacht
    Mit deinem Flammenmunde!
    Lacht in das Herz mir, Augen, lacht!
    Daß ich, daß ich gesunde!
    _____


     

  • August Wolf (1816-1861)

    Liebesdämmerung

    Ach Geliebte!
    Durch die
    Nacht,
    Mit ihres Athems warmer Luft,
    Mit ihrer Blumen süßem Duft
    Tönen mir Lieder,
    Süße, glühende,
    Halb vernehmlich.

    In dem Nebel der Düfte der
    Nacht
    Kommen mir Gestalten,
    Schwebend in Mondenglanz
    Und Sternenschimmer,
    Neigen sich schweigend,
    Himmlischer Anmuth voll,
    Wie in Verlangen
    Liebend mir zu.

    Bei der Stille der
    Nacht,
    Wenn der Abendwind schon schläft
    Im dunkeln Busch,
    Und die Nachtigall schweigt
    Und der Gedanke;
    Bei der Stille der
    Nacht
    Fühl' ich wie Hauch fast
    Leise den warmen,
    Süß schauernden
    Druck einer Hand.

    In der Nacht, in der
    Nacht,
    Wann der Schlummer kommt,
    Eben das Auge mir schließen will,
    Naht mir
    Von himmlischen Lippen
    Liebeswarm
    Ein Kuß. -

    Deine Stimme,
    Deine Gestalt,
    Dein Druck der Hand,
    Dein Kuß.
    _____


    Serenade

    Liebchen, welche
    Nacht ist heute!
    Welch ein Duften aus den Zweigen,
    Welch ein Taumeln, welches Flüstern,
    Welches ahnungsvolle Schweigen!
    Diese
    Nacht voll Glanz und Wärme
    Ist zum Schlafen nicht gemacht,
    Ja, ich fühl's durch alle Glieder,
    Dieß ist eine
    Liebesnacht.

    Und durch Haine und durch Wiesen,
    Ueber Gräben, über Hecken
    Bin ich eilends hergeflogen,
    Dich, mein Liebchen, zu erwecken.
    Und ich sing' vor Deinem Fenster,
    Bis Du wieder aufgewacht,
    Daß Du nicht verschläfst, versäumest,
    Nicht verträumst die
    Liebesnacht.

    Komm herab, Du wirst es fühlen,
    Diese Lust, sie wird Dich's lehren,
    Hör' umher dieß leise, heiße
    Liebesflüstern Dich beschwören.
    Ja, des Haines Götter seh' ich
    Lauschen auf und haben Acht,
    Aus dem dunklen Laube laden
    Sie zu duft'ger
    Liebesnacht.

    Glück! Von Deinem Fenster seh' ich's
    Weiß und schimmernd niederwinken,
    Komm, o komm! Laß mich nicht einsam
    In dem Rausche untersinken!
    Heute giebt's ein hohes Fest noch,
    Ich bin da und Du erwacht,
    Heute noch durchlebst, durchschwärmst Du
    Selig eine
    Liebesnacht.
    _____


     

  • Johanna Wolff (1858-1943)

    Sommernacht

    Klee und Nachtviolen duften
    süß bedrängend durch das Dunkel.
    O wie lieb ich diese Düfte
    und wie lieb ich diese
    Nacht!

    Und mein Ruder gleitet leise
    durch die Wellen mondumflimmert.
    O wie lieb ich diese Wellen
    und wie lieb ich diesen Glanz!

    Wenn aus dunkelblauen Tiefen
    mit den Lüften, mit den Düften
    ein Vergessen und Verlieren
    mich umdämmert weich und sacht
    und mein Nachen lautlos gleitet
    durch die
    Nacht.
    _____


     

  • Stefan Zweig (1881-1942)

    In tiefer
    Nacht

    So mitternächtig alle Gassen,
    Die silberblank der Mond durchzieht
    So blaß und stumm die Häusermassen ...
    Hinauf zu schlummernden Gelassen
    Klingt sonnetrunken noch mein Lied.

    Die Straßen sind so traumesselig
    Und sprechen leis mein Lied zurück.
    Und lauter, voller wirds allmählich
    Und bald erdröhnt es hell und fröhlich
    Das Lied von meiner Liebe Glück.

    Es dringt durch dunkle Fensterläden
    So leise trägts der laue Wind.
    In tiefem Traum umfängt es jeden
    Mit seinen feinen, feinen Fäden
    Die Mutter Sehnsucht um uns spinnt,

    Daß sich die Mädchenherzen dehnen
    Im dunklen Banne seiner Macht,
    Und immer heißer wird ihr Sehnen,
    Und glühend rinnen brennende Tränen
    Hinein in die stumme, verschwiegene
    Nacht.

    Doch mein Lied und ich, wir schreiten
    Immer nur weiter, immer nur zu
    In die silberblinkenden Weiten
    Hin zu den blendendsten Seligkeiten
    Hin zu Dir, oh Geliebte Du ...
    _____


    Junge Glut

    Tiefe
    Nacht. -
    Aus sinneheißem Traum bin ich erwacht.
    Ich träumte von schimmernder Glieder Pracht
    Von Frauen, die mit liebesfrohen und verständnisstillen
    Verschwiegnen Blicken Wunsch und Sucht erfüllen,
    Ich träumte von glühenden brennenden Küssen
    Von trunkener Geigen laut jubelndem Klang,
    Von wilden, berauschenden Glutgenüssen
    Von Mädchen, die ich als Sieger bezwang ...
    Und jede Sehnsucht fand im Traum ihr Ende
    Doch nun bin ich erwacht!
    Allein! . . . . . . Allein!! . . . . .
    ... Und sinnetrunken tappen meine Hände
    In schweigende Dunkelheiten hinein
    Hinein in die leere, nichtssagende
    Nacht! ...
    _____


    Erfüllung

    Uns will der lange Sommertag nicht enden,
    Wir schreiten immer tiefer in den Park hinein,
    Und frohen Herzens, mit verschlungnen Händen
    Begrüßen wir den Tagestod und senden
    Die haßerfüllten Blicke in den Abendschein.

    Wir hassen seine grellen Sonnenstrahlen,
    Wir lieben nur die liebesdunkle
    Nacht,
    Da rauscht der Springbrunn in den Porphyrschalen
    Und raunt ein Lied von unsern Sehnsuchtsqualen,
    Und wie die späte Liebe dann erwacht.

    Und ringsum in den abendwinddurchwehten
    Tannwipfeln rauscht der duftgeschwellte Klang,
    Und zittert wieder aus den mondlichtübersäten
    In warmen Duft gebetteten Geranienbeeten
    Und weckt in uns den wundersamen Drang ...

    Auf allen Wegen träumt das große Schweigen,
    Das Mondlicht sickert silbern durch's Geäst,
    Die Sehnsucht spielt auf zaubersüßen Geigen ...
    Da, unter schattenschweren, dunklen Zweigen
    Erblüht nun unsrer Jugend heil'ges Fest.

    Und sorgsam webt der Abend dichte Schleier ...
    Im fernen Äther ist ein Sternenreich erblüht,
    Und glitzernd ruht sein Bild im friedesstillen Weiher.
    Der Park ist aufgeblüht ... Zu unsrer Liebesfeier
    Singt er der Klänge und der Düfte schönstes Lied.
    _____


    Die
    Nacht der Gnaden
    Ein Reigen Sonette

    I.
    Ein schwarzer Flor umkränzte die Gelände.
    Wie Boote segelten am Himmelsmeer
    Die letzten lauen Abendwolken her
    Und gossen Schattenschleier um die Wände.

    Das Zimmer dunkelte. Die heißen Hände
    Der beiden lagen willenlos und schwer
    In ihrem Schoß und suchten sich nicht mehr.
    Die leeren Worte waren längst zu Ende.

    Sie bebten beide. Und ein Schweigen kam
    Mit banger Schwüle. Er hielt sie umfangen
    Und flehte ohne Wort: "Sei mein! Sei mein!"

    Sie zitterte. Die Blüte junger Scham
    Wuchs purpurn über ihre blassen Wangen,
    Und Tränen stammelten: "Es darf nicht sein."


    II.
    Da ließ er sie: "Ich will dich nicht betören.
    Sei du nur mein, wenn du es längst schon bist.
    Nicht eine Gabe sollst du mir gewähren,
    Gib mir nur das, was lang mein eigen ist.

    Sei mein, so wie sich mit den Sternenchören
    Der Himmel flutend in die
    Nacht ergießt,
    Und Seligkeiten werden uns gehören,
    Durch die der Strom der Ewigkeiten fließt.

    Willst du den Kelch der Sünde nicht nur nippen
    Und ganz dein Sein an eine
    Nacht verschwenden,
    So wird bis an die Grenze deiner Tage

    Ein Leuchten sprühn von ungeahnten Bränden
    Aus dieser
    Nacht!" - Wie eine bange Klage
    Umfing ein zartes Lächeln ihre Lippen:


    III.
    "Was alle andern Schmach und Sünde nennen,
    Wär mir ein Pfad zu lichten Seligkeiten,
    Wenn nur auf meinem Mund, dem schmerzgeweihten,
    Die roten Male deiner Küsse brennen.

    Doch du bist Horcher in die Ewigkeiten,
    Von denen mich die dunklen Wolken trennen.
    Mich ließ nur Sehnsucht meine Jugend kennen
    Und nicht die Träume, die zum Lichte leiten.

    Drum will ich mich nicht deinem Willen senken,
    Ob auch ein jeder Puls in meinen Gliedern
    Mit seiner Sehnsucht dir schon angehört.

    Ich bin zu arm, dir Liebe zu erwidern,
    Und bin zu stolz, um Armut zu verschenken,
    Denn sieh: Ich weiß, ich bin nicht deiner wert!"


    IV.
    Da sprach er sanft - und wie von Orgeldröhnen
    War seine Stimme wundersam bewegt -:
    "Wer so wie du den Glanz der Güte trägt,
    Ist auserwählt, ein Leben licht zu krönen.

    Oh fühlst du nicht, wie in verwandten Tönen
    In uns der rasche Takt des Blutes schlägt
    Und wilde Flamme in der Tiefe regt,
    Um sich in unserm Einklang zu versöhnen?

    Ich glüh in dir, du glühst in meinem Leben,
    Zu neuer Einheit drängt dein junger Schoß
    Und will den Ewigkeiten sich vermählen.

    Sei mein! Erst wenn uns übermächtig groß
    Die Schauer eigner Schöpfungslust durchbeben,
    Rauscht eine Welt in unsern freien Seelen."


    V.
    So sprach er glühend. Und sie beide standen
    Im Bann des Blutes, wortlos wie verzagte
    Verlorne Pilger nah den lichten Landen,
    Wo schon das Frührot der Erfüllung tagte.

    Dann kam ein Seufzen ... als ob Weinen klagte ...
    Ein Knistern wie von sinkenden Gewanden ...
    Ein banger Ruf ... Und als sein Auge fragte,
    Ob sie der Sehnsucht wildes Wort verstanden,

    Ward jählings Glanz in seinen Blick getragen,
    Wie Glanz von Firnen ... Aus dem Dunkel blühte
    Gleich einer Lilie schlank und nackt ihr Leib.

    Da schwieg sein Herz. Er wußte nicht zu sagen,
    Wie ein Gebet durchdrang ihn ihre Güte,
    Und diese
    Nacht ward sie ihm Gott und Weib.


    VI.
    Ihm aber war in dieser
    Nacht der Gnaden,
    Als fühlte er die Welt zum erstenmal.
    Er sah die Sterne auf beglänzten Pfaden
    Wie Boten wandeln durch den Himmelssaal,

    Sah weit das Leuchten über den Gestaden,
    Der Morgenröte purpurblassen Strahl,
    Fühlte die Winde, wie sie duftbeladen
    Sich wiegten in den Wipfeln ohne Zahl,

    Sah Frucht und Blüte über den Geländen
    Und Saat und Segen. Erst in dieser
    Nacht
    Ward ihm das Wunder aller Schöpfung wahr.

    Und wie ein Kind, das in die Welt erwacht,
    Nahm er aus diesen milden Frauenhänden
    Die neue Pracht, die längst sein eigen war.
    _____



     

 

 

zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite