Liebeslyrik - Miniaturen

Gedichte und Gedicht-Zitate (Stichwort: Tod)
 


Franz Marc (1880-1916)
Liebespaar


 




Stichwort: Tod

16./17. Jh.      18. Jh.      19/20. Jh.

 

16./17. Jh.
 

  • Hans Aßmann Freiherr von Abschatz (1646-1699)

    Ach!

    Du fragst / was sagen will diß Ach!
    Das ich bey deiner Ankunfft sprach?
    Es sprach: Ach! seht die holden Wangen /
    Seht die beliebte Fillis an;
    Da kommt auff Rosen-voller Bahn
    Mein
    Tod / mein süsser Tod / gegangen.
    _____


    Könte man für Liebe sterben / wär ich längstens kalt und
    todt /
    Solte sie ein Feuer heissen / wär ich längstens Asch und Koth:
    Doch ist sie kein
    Tod zu nennen / woher fühl ich solche Schmerzen?
    Und ist sie kein brennend Feuer / was kocht so in meinem Herzen?
    _____


    Mein Leben ist / wenn ich bey ihr kan leben /
    Mein
    Tod / wenn ich muß ihre gegend fliehn.
    Wilt du auff mein Verhalten Achtung geben /
    So kanst du leicht daraus ein Urtheil ziehn /
    Daß ich dein eigen bin.
    _____


    An ihre Augen

    Ihr Augen / die ich lieb und ehr /
    Ihr meine Lust und süsse Pein /
    Was netzet ihr die trüben Wangen /
    Was sagt mir euer blasser Schein?
    Habt ihr mein Herze nicht empfangen?
    Was fodert / was verlangt ihr mehr?

    Ihr Augen / die ich lieb und ehr /
    Ihr sehet meine Schmerzen an /
    Und kennt die Menge meiner Plagen:
    Wofern ich euch vergnügen kan /
    Will ich mit Lust den
    Tod ertragen.
    Was fodert / was verlangt ihr mehr?
    _____


    Nach aller meiner Pein / nach aller meiner Noth /
    Dadurch ich nur verbittert deine Sinnen /
    Hab ich gelernt die Kunst dich zu gewinnen /
    Fillis / ich geh' in
    Tod.

    Fillis / thu ich zuviel / wenn ich mich untersteh /
    Daß ich dir recht gethan / für aller Welt zu sagen:
    Ein Augenblick kan mich und dich vertragen:
    Ich geh in
    Tod: Ade!
    _____


    Die krancke Fillis

    Ach Amor / soll ich dir nicht klagen meine Noth!
    Ich seh die Fillis hier in meinen Armen liegen;
    Die matte Seele will dem siechen Leib‘ entfliegen;
    Stirbt sie / so ist dein Ruhm und meine Freude
    todt.

    Ach / schick ihr kühle Lufft mit deinen Flügeln zu /
    Laß deine zarte Sehn ihr kranckes Haubt umschlüssen /
    Gib deinen Köcher her zu legen unters Küssen /
    Damit ihr Leib erhöht kan nehmen seine Ruh.

    Verwechsle mit Betrug dem
    Tode seinen Pfeil /
    Daß sie dein heilsam Gold empfind in ihrem Herzen /
    Wenn ihr sein rauher Stahl soll bringen
    Todes-Schmerzen /
    So machest du (in ihr und mir) zwey Herzen heil.
    _____


    Ich bringe wieder her und über mein Verhoffen
    In diß betrübte Land der siechen Glieder Last /
    Den
    Tod / den ich gesucht / hab ich nicht angetroffen /
    Ich habe mir umsonst zum Sterben Mutt gefast;
    Weil ich / mein süsser
    Tod / von dir entfernt gewesen /
    So hab ich nicht gekönnt noch sterben noch genesen.
    Das macht dein edles Bild / in meine Brust gepräget /
    Das ich in deine Hand zu lieffern schuldig bin.
    Schau deinen Knecht / der sich zu deinen Füssen leget:
    Nimm diesen edlen Schatz samt meinem Herzen hin.
    Ich sterbe wohl vergnügt / ich sterbe gnung beklaget /
    Wenn nur dein Mund / Ade du treue Seele / saget.
    _____


    Die
    todten Farben

    Weil mich die Liebe zwingt zu gehen in den
    Tod /
    Soll dieser
    Todten-Brieff auch Tod und Liebe weisen
    Der Veyeln Farbe zeigt die harte Liebes-Noth /
    Der
    Todten-Blätter / daß ich muß zum Tode reisen.
    _____


     

  • Anonyme Barockdichter

    Er stirbt aus liebe

    Climene, meine treue sinnen
    Stehn ewig nur allein nach dir,
    Laß meine seuffzer dich gewinnen,
    Und rück dein auge nicht von mir,
    Dein auge, das mich zwar verletzet,
    Doch auch durch seinen winck ergötzet.

    Ach höre meine schwere klagen,
    Und dencke, bin ich gleich nicht schön,
    Kan ich nichts von verdiensten sagen,
    Läßt sich kein reichthum bey mir sehn;
    So schau, mein unverfälscht gemüthe
    Verdient vielleicht noch deine güte.

    Du würdigtest mich zu entzünden,
    Und reichst kein pflaster für den brand,
    Wird sie mich nicht der quaal entbinden,
    So reich, o
    tod, mir deine hand,
    Und führe meine blasse leiche,
    Nach meinem wunsch, zu deinem reiche.

    Denn besser ist es, bald gestorben,
    Als lange mit verdruß gelebt;
    Weil ich nicht deine gunst erworben,
    Nach der ich doch so lang gestrebt,
    So sey diß auf mein grab geschrieben:
    Hieher versetzte mich mein lieben.
    _____


    Ihr augen fließt! beweint den nahen
    tod /
    Fließt / weil noch eure thränen währen /
    Und sparet nicht in meiner letzten noth
    Die letzten tropffen heisser zähren.
    Ihr augen fließt! das übergrosse weh
    Erfordert eine thränen-see.

    Mein krancker geist / der schmerzlich jenesmahl
    Den grimmen liebes-pfeil empfunden /
    Der stirbt anitzt in unerhörter qual /
    Erleget durch des
    todes wunden.
    Ihr augen fließt! das übergrosse weh
    Erfordert eine thränen-see.

    Eh' diese glut mich ganz zu asche macht /
    Eh' angst und jammer mich aussaugen;
    Eh' mich befällt des grossen
    todes nacht /
    So weinet noch zuvor / ihr augen.
    Ihr augen fließt! das übergrossen weh
    Erfordert eine thränen-see.

    Doch müssen es nicht schlechte thränen seyn /
    Die ihr / ihr augen / lasset fliessen;
    Ihr müsset euch in dieser
    todes-pein
    In einen strom von blut ergiessen.
    Ihr augen fließt! das übergrosse weh
    Erfordert eine thränen-see.
    _____


    Der Venus klag um Adonis grab

    Adonis grab ist hier; mehr sagt die liebe nicht /
    Und Venus seel entschläft bey diesem leichen-steine.
    Ach hochgeliebter leib! ach werthste
    todten-beine!
    Ach himmlischer Adon! mein mattes herze bricht
    In lieb und thränen aus: die thränen sollen zeugen /
    Daß meine liebe wird zu keinen zeiten schweigen.
    Wo ist Adonis sarg? wo ist Adonis grab?
    Daß Venus nicht zugleich sich auf die baare leget /
    Wie wenn ein rauher wind die blumen niederschläget /
    Schlägt tulp und nelck entzwey / und bricht die blumen ab.
    So war mein lebens-geist von herz und seel entrissen /
    Als meinen lieben schatz ein wildes schwein gebissen.
    Ach ewiger verlust! unwiderrufflich fall!
    Ich habe deine schoos dem himmel vorgezogen /
    Holdseeliger Adon! nun seel und geist verflogen /
    So stirbt die Venus auch. Ich hörte fast den schall
    Und wie du mich zuletzt / mein tausend-lieb / gesegnet /
    Als dir diß ungeheuer im finstern wald begegnet.
    Ich ging und suchte drauf mein leben in dem häyn /
    Und fand da meinen
    tod / Adonis sternen-glieder
    Sind durch des wildes biß besprützet hin und wieder
    Vom schaum des rothen bluts. Ich bracht ihm himmel-wein
    Und edlen perlen tranck / herzstärckende muscaten /
    In hoffnung meinem sohn und besten schatz zu rathen;
    Vergebens! ob ich schon den weichen mund geküst /
    Und tausend mahl geschryn: erwache meine seele!
    So regte sich kein glied / ja was ich nicht verheele /
    Ich habe selbst zuletzt krafft / seel und geist vermist.
    Ich werd auch nimmer schön / mein' anmuth ist gestorben /
    Und mit Adonis pracht der Venus glanz verdorben.
    Bedenck ich jene lust und gegenwärtig leid /
    Ja wenn der himmel gleich in lauter rosen lebte /
    Wenn höchst' ergötzlichkeit um meine scheitel schwebte /
    So blieb ich unbewegt / biß daß die süsse zeit
    Mich gab Adonis gunst / den ich verschwendrisch küste /
    Sein alabaster arm umschränckte meine brüste;
    So hat niemand geliebt / und niemand weiß es so /
    Die seelen nur allein beschlossen was geschehen /
    Der monde hat uns offt ganz holdreich zugesehen /
    Er ward an meiner brust / und ich an seiner froh;
    Sein mund hier mein rubin / ich schenckt ihm himmels-flüsse
    Und selbte macht ich noch mit liebes-zucker süsse.
    Nun seh ich nichts als noth / und dein verblichner leib /
    Mein einzig liebes kind / entseelt mein kranckes herze:
    Doch daß ein denckmal sey / wie hoch ich dich beschmerze /
    So bau ich hier dein grab / das keine zeit zerreib' /
    Und in vergessenheit die lange nächte stürtze /
    Mit thränen salb ich dich statt weit-geholter würze.
    Hier ist Adonis grab und auch mein heiligthum.
    Ein mensch mag bahr und gruft mit göldnen ampeln zieren /
    Ich göttin will um dich die stern als fackeln führen.
    Und wie die leichen sonst schmückt eine schöne blum /
    So soll das schöne blut in anämonen sincken /
    Und bey dem rosen-lenz in purpur-kleidern blincken.
    Was mehr? den leichgesang / das bittre
    todten-lied
    Stimmt venus ewig an / der himmel hilfft mir klagen /
    Die lüfte seuftzen mit / der westenwind soll sagen /
    Wie tief ich traurig sey: Ich bin nicht groß bemüht /
    Um das beliebte grab viel säulen aufzuführen /
    Die liebe soll es mehr mit ihren wundern zieren.
    Daß Artemis ja dort des ehmann asche tranck /
    Ist viel und liebes werth; Ich opffre meine seele /
    Die zwar nicht sichtbar ist / der lieben grabes-höle;
    Und saget nun iemand / daß Venus bleich und kranck /
    Der wisse / da Adon mein trost und lieb erblichen /
    Daß ich zugleich mit ihm aus der welt gewichen.
    Die überschrifft wird sonst dem marmel einverleibt;
    Ich will sie ins gemüth der späten nachwelt graben /
    Dran soll der buler volck den schönsten spiegel haben /
    Wo nicht der grosse schmerz die lieb ins elend treibt:
    Hier ruht der schönheit schatz und Venus holde zierden /
    Tritt nicht zu nah hinzu! der stein macht die begierden.
    _____


    Aus deinen augen quillt mein
    todt und auch mein leben /
    Du hast es beydes nun / mein licht / in deiner macht /
    Dein auge stürzet mich / es kan mich auch erheben /
    Es gibt mir freuden-schein und düstre schmerzen-nacht.
    Ergreiffe was du wilt / ich nehm es an vor liebe /
    Erhalt ich deine gunst / so bin ich höchst vergnügt /
    Rührt aber auch mein
    todt aus deines herzens triebe /
    So hastu doch im grab auch über mich gesiegt.
    _____


    Das ist recht des
    todes quälen /
    Und die bittre sterbens-angst:
    Wenn du wünscht von ganzer seelen /
    Und doch nicht den wunsch erlangst /
    Wenn dein treues herz begehret /
    Das / woran dein leben hängt /
    Und dir dieses wird verwehret /
    So wird geist und seel bedrängt.
    _____


    Mach es aus / wie kanstu qvälen?
    Mein himmel! ich bin lebenssatt /
    Nur ein grab ist mein erwehlen /
    Die freude findet keine statt /
    In meinem herzen
    Wohnt nichts als schmerzen /
    Ach leid!
    Wo ist meine schöne zeit?

    Biß in
    tod bin ich verliebet /
    Ich schicke tausend seuffzer ab /
    Auch mein schmerz der mich betrübet /
    Bleibt bey mir und blüht biß ins grab /
    Drum kan mein hoffen /
    Nicht seyn getroffen /
    Ach leid!
    Wo ist meine schöne zeit?

    Was ist lust? was ist vergnügen?
    Was ist der rosen wunderpracht?
    Schatten sinds / die leicht verfliegen /
    Und sich verschleichen in die nacht /
    Die rosen stechen /
    Die lüste schwächen /
    Ach leid!
    Wo ist meine schöne zeit?

    Phöbus küst den kühlen morgen /
    Der abend macht die felder froh /
    Mir ach! ist die lust verborgen /
    Ich singe nur und klage so /
    Komm mein verlangen /
    Komm
    tod gegangen /
    Ach leid!
    Wo ist meine schöne zeit?

    Macht euch auff / seht an die sternen /
    Ihr augen / und gesegnet sie /
    Wo sie nicht mein leid entfernen /
    Sagt / daß ich nach dem grabe zieh /
    Drumb häufft ihr thränen /
    Mein häuffig sehnen /
    Ach leid!
    Wo ist meine schöne zeit?
    _____


    Wie? zürnt Chlorinde nun um mich?
    Wil mich ihr blitz
    ertödten?
    Dreut ihre hand mir selbst den stich?
    So bin ich voller nöthen /
    Ey so reisse mir der lebens-drat entzwey /
    Denn
    tod und leben sind mir nun einerley.
    _____


    Mag ein seuffzer mich begleiten /
    Wenn ich sterb an deiner seiten
    Ist mir auch im grabe wohl;
    Laß mir deinen mund versprechen /
    Wenn die matten augen brechen /
    Daß ich dein auch sterben soll.

    Laß auff deinen schwanen-klippen /
    Auff dem scharlach deiner lippen
    Nicht mein schiff zu grunde gehn;
    Laß mich mit verliebten winde
    Seegeln / so kan ich geschwinde
    Den verlangten hafen sehn.

    Will dein herze mich verlassen /
    So will ich mit lust erblassen /
    Und verschmachten in der brunst;
    Deinen mund einmahl zu küssen /
    Soll mir meinen
    tod versüssen /
    Sterb ich nur in deiner gunst.
    _____


     

  • Johann von Besser (1654-1729)

    Sonnet
    Andere klage der Venus über den
    todt Adonis

    Ach weh! Ach ewig weh! mein leben das ist
    todt!
    Die seele / meine seel / Adonis ist erblasset /
    Ach! daß mich nicht zugleich des schicksals rath gefasset!
    O herber sternen-schluß! O unerhörte noth!
    Weg was ich sonst geliebt / weg was ich sonst gebot.
    Es ist durchaus geschehn! Ich bin mir selbst verhasset
    Ich ruf euch götter an / wie daß ihr mich verlasset?
    Euch sag ich ruff ich an / und mir zu hohn und spott.
    Verflucht sey dieses thier das meinen schatz zerritzet /
    Geseegnet dieser platz / der durch sein blut besprützet /
    Das grabmahl bau ich hier / das soll ihm heilig seyn /
    Aus diesem rothen safft soll blühn die Anemone /
    Des lenzens höchste zier und aller blumen krone /
    So lange leuchten wird der göldnen sonnen schein.
    _____


     

  • Paul Fleming (1609-1640)

    An Amorn

    Geh/ Amor/ fleug geschwind/ und sags ihr eilend an;
    Es ist umm mich geschehn; Ich lieg' in letzten Zügen.
    Das Blut ist außgedorrt: Das heisse Marck versiegen.
    Ich singe selbst mein Lied/ ich
    Tode naher Schwan.
    Geh/ eile/ sag es jhr/ es ist umm mich gethan.
    Die Wichtigkeit der Pein ist über mich gestiegen:
    Das müde Herze klopfft/ ich kan nicht Odem kriegen.
    Es ist mir müglich nicht/ daß ich mehr leben kan.
    Jedoch/ verzeuch noch hier/ biß mein gewisser
    Todt
    dich fertigt bald von hier. Diß kanst du hoch bewehren,
    Ich brenne liechter Loh und schwimm' in meinen Zehren.
    Erzehls ihr/ was du siehst/ von meiner
    Todesnoth.
    Ich kan nicht
    todt-arm seyn. Verschonen mich die Flammen/
    So schlägt diß Thränen Meer doch über mich zusammen.
    _____


    Er beklaget die Unglücksseligkeit seiner Liebe

    Rubelle die ist
    todt. Rosille lebt nicht mehr.
    Die schöne Basilen die muß ich nun verlassen.
    Was ich vor liebte so/ das muß ich gleichsam hassen/
    als ob mir niemahls wol von ihr gewesen wär'.
    Ist/ Amor/ diß der Lohn/ daß ich dich also ehr'.
    O grausamer! was Trost? was Hertze soll ich fassen?
    Weh' euch/ Ihr Augen/ weh'/ ihr traurigen/ ihr nassen/
    ihr weinet doch nicht gnung, und weint ihr noch so sehr.
    Leander/ Pyramus/ und wer ihr andern seyd/
    die ihr noch itzt beklagt der liebe Grausamkeit/
    was ist doch eure Pein für meiner Angst gewesen?
    Ein milder Augenblick entfreyt euch aller Noth/
    Halff allen Schmertzen ab. Vor mir fleugt auch mein
    Todt/
    darmit ich dermahl eins ja möge nicht genesen.
    _____


    An Dulkamaren

    WIe kan ich ohne Haß/ dich/ Dulkamara/ lieben/
    du bitter-süße du? Bald bist du gar zu gut.
    Bald/ wenn ein schlechter Wahn ersteiget deinen Muth/
    So steht mein naher
    Todt umm deiner Stirn geschrieben.
    So lange hast du nun diß Spiel mit mir getrieben.
    Sag'/ ob dir meine Pein denn also sanffte thut?
    Ob dich mein frohseyn schmerzt; so weiß ich/ theures Blut/
    daß ich bey Lust und Noth die Masse mehr muß üben.
    Wer' ich/ wie du gesinnt; so könt' auch ich/ wie du/
    bey gleichem Muthe seyn inzwischen Müh' und Ruh/
    inzwischen Leid' und Lust bey einem Hertzen stehen.
    So/ weil ich standhafft bin/ weichst du ohn unterlaß.
    Wie kan es anders seyn? Ich muß zu grunde gehen/
    durch dich/ gehasstes Lieb/ durch dich/ geliebter Haß.
    _____


    Heinsius sein Holländisches Solvi non possum, nisi
    magis constringar

    Wol dem, der in dem Feld' immitten unter Lanzen
    und Degen, die man blößt, den trüben Tanz mag tanzen,
    den Alle müssen tun, der sinkend in den Sand
    den letzten Fußfall tut für Gott und vor sein Land!
    Ich aber armer Mensch hab' einen Krieg gewaget,
    da mir bei Furcht und Angst der
    Tod auch wird versaget.
    Mein Feind, der ist mein Lieb; die mir den
    Tod antut,
    die acht' ich Allem vor und bin ihr mehr als gut.
    Ihr Antlitz ist ihr Schwert, die Worte sind die Klingen,
    darmit sie mich verletzt, die Arme starke Schlingen,
    darein sie mich verstrickt. Die Pfeile, mein Verdruß,
    das sind die Augen selbst, die ich doch lieben muß.
    O freundliche Gewalt, wie soll ich mich doch retten,
    der ich gebunden bin mit solchen süßen Ketten?
    O Feind, den ich mir such, o Leiden ohne Pein,
    ich muß um los zu gehn noch mehr gebunden sein.
    _____


    Eben seins In poenam vivo

    Ach, Jungfrau, es ist satt! Der Pfeil von deinen Augen,
    der sich in mich verkroch, der wegert mir den
    Tod.
    Mir wäre Sterben Lust; das will ja ganz nicht taugen;
    weil ich im Leben bin, so bin ich in der Not.
    Dein Antlitz ist die Bank, darauf ich bin gestrecket,
    da werd' ich aufgedehnt. Dein, was man himlisch nennt,
    hat einmal in mein Herz' ein Feuer angestecket,
    das mich entzündet stets und nimmermehr verbrennt.
    _____


    Auf ihr Abwesen

    Ich irrte hin und her und suchte mich in mir,
    und wuste dieses nicht, daß ich ganz war in dir.
    Ach! tu dich mir doch auf, du Wohnhaus meiner Seelen!
    Komm, Schöne, gieb mich mir, benim mir dieses Quälen!
    Schau, wie er sich betrübt, mein Geist, der in dir lebt!
    Tötst du den, der dich liebt? Itzt hat er ausgelebt.
    Doch gieb mich nicht aus dir! Ich mag nicht in mich kehren.
    Kein
    Tod hat Macht an mir, du kanst mich leben lehren.
    Ich sei auch, wo ich sei, bin ich, Schatz, nicht bei dir,
    so bin ich nimmermehr selbest in und bei mir.
    _____


    Palinode

    Ich bin
    tot; mein Tod, der lebt,
    und ich leb' in meinem
    Tode.
    Mein
    Tod, der ist Palinode,
    die mir so zuwider strebt.
    Und sie, meine Palinode,
    lebt und ist doch auch im
    Tode.
    O du süße Tochter du
    der auch süßen Pierinnen,
    du Bezwingerin der Sinnen,
    die sich gönnen keiner Ruh',
    Phöbus hat dir das gegeben,
    daß du
    Tote bringst ins Leben!
    Musik, edler Götter Gast,
    gieb ihr Leben, doch ihr Leben!
    So wird sie mir wieder geben
    was du ihr geschenket hast.
    Diß, was ihr ist und auch meine,
    bleibt doch, Göttin, allzeit deine.
    _____


    Als er vergeblich nach ihr wartete

    Und tötest du mich gleich, so bist du doch mein Freund,
    ob diß Verlangen zwar, das ängstliche, das schwere,
    nichts Anders bald wird tun, als was ich so begehre.
    Mein Leid dringt in die Luft, kein einigs Sternlein scheint.
    Der Himmel treuft mir nach, was ich ihm vorgeweint,
    die Winde seufzen so, wie ich sie seufzen lehre.
    Doch hab' ich keinen Sinn, der dir zuwider wäre.
    Hab' ich, Trost, dich nicht lieb, so bin ich mir selbst Feind.
    Hier wart' ich, teures Blut, vor deiner tauben Schwellen.
    nicht hoffend, daß du itzt dich werdest noch einstellen,
    nein! sondern daß mich hier der nahe
    Tod reiß' hin.
    So wird es denn geschehn, daß du, wenn du zu Morgen
    mich sehn wirst, daß ich kalt und ganz gestorben bin,
    mit neuem Leben mich zur Strafe wirst versorgen.
    _____


    An ihr Herze, in ihrer Krankheit

    Ach wehe dir und mir, o Brunnen meiner Zären!
    die Hitze, die dich kreischt, die treibet mir den Schweiß
    des kalten
    Todes aus. Mir wird für Kälte heiß
    von deiner nahen Brunst, dem feurigen Beschweren.
    Was kanst doch du von mir, von dir ich Rat begehren?
    Dein Feuer ist mein Frost; ich werd' ein kaltes Eis,
    das zu entzünden nur und nicht zu löschen weiß.
    Ach wehe dir und mir, daß wir uns so gefähren!
    Macht nun die Hitze Frost und löscht das Eis nicht mehr?
    Ach, widrige Natur, du scherzest unsre Schmerzen!
    O gar nicht gleicher
    Tod zwei gleichgesinnter Herzen!
    Doch wird uns scheiden Nichts und zürnt sie noch so sehr.
    Der
    Tod, der macht uns gleich, wir sterben doch zusammen.
    Dein Feuer nehrt mein Eis, mein Eis nehrt deine Flammen.
    _____


    Als er wieder mit ihr ausgesönet war

    Der Nebel ist vorbei, die Sonne scheinet wieder.
    Mein Lieb, das zornig war, das lacht mich freundlich an,
    so daß ich von sonst Nichts als Freude sagen kan.
    Ich fühle noch den
    Tod durch alle meine Glieder,
    die Wangen wurden blaß, die Augen sunken nieder,
    das Herze ward mir Blei. Nun denk' ich zwar daran,
    doch bin ich zwiefach froh, daß dieses ist getan,
    von altem Trauren matt, von neuen Freuden müder.
    Der Zucker meiner Not, das Labsal meiner Pein
    und was dem Kranken sonst pflegt recht gesund zu sein,
    das Alles ist mir, Schatz, dein güldnes Angesichte.
    O Sonne meiner Lust, schein' ewig so, wie itzt.
    Du bist die süße Glut, die meinen Geist erhitzt,
    von dir, Glanz, nehm' ich Schein, von dir, Licht, werd' ich lichte.
    _____


     

  • Georg Greflinger (um 1620-1677)

    Der Dorinden Abscheyd umb den
    todten Amynthas

    Hat sich Hero nicht ersäuffet
    Umb Leanders süssen Kuß/
    Hat sich Thisbe nicht gehäuffet
    Mit dem
    todten Pyramus/
    O wie manche hat sein Leben
    Umb der Liebsten
    Todt auffgeben!

    Soll sich dann Dorinde scheuen/
    Auch Amynthas bleibt es wert/
    Laß der Thisbe That verneuen/
    Hier ist auch noch Strick und Schwert/
    Hier ist auch noch so ein Feuer/
    Und kein Blut mir nicht zu theuer.

    Pyramus und Thisbe leben/
    Weil man liebt und wieder liebt/
    Wird man uns nicht auch erheben/
    Weil der Titan Strahlen gibt/
    Wird man nicht ein Liedlein finden
    Vom Amynthas und Dorinden?

    Stirb/ wir sind nicht von den letzten/
    Sind auch von den ersten nicht
    Die sich selbst zu Grabe setzen/
    Zörne nicht du Himmelslicht
    Daß ich mich durch meine Hände
    Würge vor dem rechten Ende.

    Ich weiß länger nicht zu leben/
    Mein Amynthas ruffet mich/
    Auff O Stahl den Rest zu geben/
    Zage Hand was förchstu dich/
    Laß durch unsre Brüstlein graben/
    Der Amynthas wil es haben.

    Gute Nacht du Bau der Erden/
    Strenger Vater gute Nacht/
    Wann es euch wird kuntig werden/
    Was ich hab' an mir verbracht/
    So bedenckts/ und hasst es förder/
    Daß ihr unser Beyder Mörder.

    Weil euch unsre Lieb im Leben
    Gantz und gar zu wieder war/
    Haben wir die Welt begeben/
    Und sind nun im
    Tod' ein Paar/
    Wollet ihr auch das verdammen
    Daß wir beyde
    Todt/ beysammen?

    Ach ich sehe meinen Lieben
    Wie er mir/ doch gantz verbleicht/
    Und mit hertzlichem betrüben
    Seine treuen Hände reicht.
    Nun/ ich komme/ wund und brünstig/
    O jhr Himmel seyt mir günstig.
    _____


     

  • Andreas Gryphius (1616-1664)

    An Eugenien

    Was wundert ihr euch noch, ihr rose der jungfrauen!
    Dass dieses spiel der zeit, die ros', in eurer hand,
    Die alle rosen trotzt, so unversehns verschwand?
    Eugenie! so gehts, so schwindet, was wir schauen.
    So bald des
    todes sens wird diesen leib abhauen,
    Schau't man den hals, die stirn, die augen, dieses pfand
    Der liebe, diese brust in nicht zu reinstem sand,
    Und dem, der euch mit lieb itzt ehrt, wird für euch grauen.
    Der seufftzer ist umsonst, nichts ist, das auf der welt,
    Wie schön es immer sey, bestand und farbe hält.
    Wir sind von mutterleib zum untergang erkohren.
    Mag auch an schönheit was der rosen gleiche seyn,
    Doch ehe sie recht blüht, verwelckt und fält sie ein;
    Nicht anders gehn wir fort, so bald wir sind geboren.
    _____


    Alles, was die welt uns schencket,
    Nimmt die welt, wenn wir hingehen;
    Liebe nur bleibt ewig stehn.
    Lieb' ist, die kein sterben kräncket,
    Liebe bricht durch grab und
    tod,
    Liebe tritt mit uns für Gott.
    _____


     

  • Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679)

    Vergänglichkeit der schönheit

    Es wird der bleiche
    tod mit seiner kalten hand
    Dir endlich mit der zeit umb deine brüste streichen /
    Der liebliche corall der lippen wird verbleichen;
    Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand /
    Der augen süsser blitz / die kräffte deiner hand /
    Für welchen solches fällt / die werden zeitlich weichen /
    Das haar / das itzund kan des goldes glanz erreichen /
    Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band.
    Der wohlgesetzte fuß / die lieblichen gebärden /
    Die werden theils zu staub / theils nichts und nichtig werden /
    Denn opfert keiner mehr der gottheit deiner pracht.
    Diß und noch mehr als diß muß endlich untergehen /
    Dein herze kan allein zu aller zeit bestehen /
    Dieweil es die natur aus diamant gemacht.
    _____


    Wie lange soll noch meine pein /
    Durch dich / o grausame Caliste /
    In der verzweifflungs-öden wüste
    Ein abgematter pilgrim seyn?
    Die zeit verlieret jahr um jahr /
    Daß ich nach meinem
    tod wallfahrte /
    Und auff die letztere gefahr /
    Als bote / den du schickst / auff deine botschafft warte.

    Zwar klag ichs nicht der höhnschen welt /
    Ich stille mich mit stillem kummer:
    Doch glaube daß ein ieder schlummer
    Mir deinen zorn für augen stellt.
    Lacht gleich die lippe manches mahl /
    Nur fröhlich vor der welt zu scheinen;
    Ist doch das herz ein trauer-saal /
    Wo die gedancken mich als leiche schon beweinen.

    Mein ganzes leben streicht dahin
    In meynung bald nicht mehr zu leben:
    Und was mir einen trost soll geben /
    Spricht: daß ich noch mehr würdig bin.
    Ich sterbe täglich ohne
    todt /
    Der kalte schweiß auff meinen wangen
    Ist zwar ein vorbot dieser noth:
    Nur daß ich noch nicht kan den letzten stoß empfangen.

    Ich scheu mich für dem
    tode nicht /
    Nur daurt es mich dich zu verlassen
    Und durch das traurige verblassen
    Zu meiden deiner augen licht.
    Mein leben lieb ich / weil du lebst /
    Daß ich in solchem dich kan lieben /
    Denn weil du meinen leib begräbst /
    Ist weder lust noch scherz der aschen überblieben.

    Caliste sey nicht felß und stein /
    Soll ich im leben schon verderben?
    Was mach ich / wann ich werde sterben?
    Ists nicht genug dann
    todt zu seyn?
    Zweymahl zu sterben ist zu viel /
    Und zwar dich ewig zu verlieren.
    Ich fehl lebendig meinem ziel /
    Und in dem
    tode kan ich gar dich nicht berühren.

    Hastu ein herz von fleisch und blut /
    So hast du / als ein mensch / empfinden;
    Du straffst zu hart so kleine sünden /
    Da doch dein zorn was höhers thut /
    Der himmel / der dir gnädig ist /
    Heist dich nicht unbarmherzig bleiben:
    Und weil du selbst ein sünder bist /
    Muß keinen übermuth dein unmuth mit mir treiben.

    Doch ist mein
    tod bey dir gemacht /
    Wohlan / so schick ich mich zum ende /
    Und spreche / daß Calistens hände
    Aus grausamkeit mich umgebracht.
    Der ich im leben war zu schlecht /
    Die würdigt mich doch zu verderben;
    Dann mir verbleibet nur das recht:
    Durch ihre grausamkeit unschuldig hin zu sterben.

    Caliste noch ein einzig wort:
    Man soll den sterbenden gewähren /
    Was sie zu guter letzt begehren:
    Vollbring in deiner schooß den mord.
    Dann weil ich einmahl sterben soll /
    Ist dir es gleich / wie ich verscheide /
    Und ob durch pein / weh oder wohl /
    Von schmerzen oder lust ich dieses urtheil leide.
    _____


     

  • Ernst Christoph Homburg (1607-1681)

    Epigramma
    Was die Liebe?

    Ein Fewer/ sonder Fewr/ ein lebendiger
    Todt/
    Ein Zorn/ doch ohne Gall/ ein angenehme Noht/
    Ein Klagen ausser Angst/ ein uberwundner Sieg/
    Ein unbehertzter Muht/ ein Frewden-voller Krieg;
    Ein Feder-leichtes Joch/ ein nimmerkranckes Leid/
    Ein zweiffel-haffter Trost/ und süsse Bitterkeit/
    Ein unvergiffter Gifft/ und kluge Narrethey/
    Ja kürtzlich: Lieben ist nur blosse Phantasey.
    _____


    Auff eine Zweiffelhafftigkeit sonder Hoffnung

    Ich weis nicht/ der ich bin mit Höllen-angst umbgeben/
    Ob Leben/ oder
    Todt/ mir mag erwünschter seyn?
    Dann leb' ich/ wird zu gros/ zu kräfftig meine Pein/
    Und sterb' ich/ kan ich doch nicht mehr nach dieser streben/

    Nach der/ umb die ich mir erwünsche dieses Leben.
    Was frommet dann der
    Todt? Nur daß man büsset ein
    Die Hoffnung/ die sonst viel verrichtet in gemein
    Das Leben? da doch ich muß stets im
    Tode schweben.

    O zweiffelhaffter Stand! Ach wie ein harter Streit!
    Dardurch mein Marterthumb/ und tieffes Hertze-leid
    Durch Leben/ noch durch
    Todt/ nicht kan zur Endschafft kommen;

    Wo nicht die Sylvia mir wieder gibt das Hertz/
    Entbürdet mich der Quaal/ verzuckert mir den Schmertz/
    Darzu mir noch zur Zeit das Hoffen gantz benommen.
    _____


    An den geflügelten Cupido

    Was unerschöpffte Macht pflegt an uns auszuüben
    Der kleine Liebes-Gott/ der geilen Venus Sohn/
    Der Erden beut er Trotz/ dem Himmel selbsten Hohn/
    Wird weder durch die Zeit/ noch herben
    Todt vertrieben.

    Ach
    Todt! ach grimmer Todt/ was hegest du das Lieben?
    Das Lieben/ das doch gibt so ungerechten Lohn/
    Man muß seyn/ weis nicht was/ ja gar ein Corydon/
    Erdulden Hitz und Frost/ sich Tag und Nacht betrüben.

    Die Liebe bleibet stets/ sie blühet in der Noht/
    Der
    Todt nimt alles hin/ das Lieben aus den Todt/
    Vor ihm dis sämptlich all mit nichten kan bestehen.

    Vor Lieb ist nicht befreyt der klugen Götter Zunfft/
    Allhier erligt ihr Witz/ es gilt hier nicht Vernunfft/
    Wer wolte/ kleiner Schalck/ doch dieses dir ansehen?
    _____


    Auff eine Liebes-Ungedult

    Kom
    Todt! kom süsser Todt! Enbinde mich der Schmertzen/
    Entzeuch mich Amors Grimm/ stich/ stoß mir nach dem Hertzen;
    Wie aber? Wann er mich gebracht ins Grab hinein/
    Wird auch die Seele dann der Flammen ledig seyn?
    _____


    An seine Julia

    Weil Lufft/ Glufft/ Glut und Flut/ das grosse Haus der Erden
    Vor ihrem Untergang und Fall erhalten werden;
    So lange bleib' ich dir mit Gunsten beygethan/
    Weil weder Grab noch
    Tod uns beyde trennen kan.
    Dann ob mich gleich der
    Todt/ das dürre Grab/ umbgibt/
    Bleibt meine Seele doch allzeit in dir verliebt.
    _____


     

  • Christian Friedrich Hunold (Menantes) (1681-1721)

    Sie befahl ihm zu sterben

    So soll ich denn mein Kind/ in dieser Glut verbrennen/
    Die deiner Augen-Blitz in meiner Brust erregt?
    Wohl denn/ ich bin bereit in meinen
    Tod zu rennen/
    Weil mir dein schönster Mund es selbsten aufferlegt.
    Ja/ ja/ ich sterbe gern in diesen holden Flammen/
    Weil sie vom Himmel nur und meiner Göttin stammen.

    Laß mich im Sterben doch nur deine Gnad' erlangen/
    Und stelle dich zur Grufft mit einen Seufftzer ein/
    So will ich meinen
    Tod mit höchster Lust umfangen/
    Und auch im Grabe dir annoch verbunden seyn/
    Es soll mein reiner Geist stets um den deinen schweben
    Und so werd' ich im Sarg erst recht vergöttert leben.

    Nun/ schönste/ fahre wohl/ mein Geist will schon entweichen/
    Es lodert Seel' und Leib und steht in voller Glut/
    Des Aetna Feuer ist der Brunst nicht zu vergleichen/
    Denn was der Blitz gerührt/ lescht nichts als Milch und Blut.
    Doch soll ein Phönix einst aus meiner Asche lauffen/
    So gib mir deinen Schooß zu meinen Scheiterhauffen.
    _____


     

  • Zacharias Lund (1608-1667)

    Eine Vergleichung der Liebe mit dem
    Tode:
    Aus einem Frantzösischen.
    Besihe das Hohelied Salomonis
    cap. ult. vers. 6.

    Es pflegen Lieb und
    Todt umb die Mannheit zu streben:
    Der
    Todt bringt nur den Leib/ Amor die Seel in Noth.
    So deucht mich Liebe sey viel stercker als der
    Todt:
    Sie herrschet uber
    Todt/ ja auch wol uber Leben.

    Die Liebe machet uns bald leben/ auch bald sterben:
    Ihr' Härte tödtet uns/ jhr' Demuth weckt uns auff:
    Schlegt
    Todt einmahl herein/ man helt jhm zwar wol Kauff/
    Lieb' aber macht/ daß man muß tausendmahl verderben.

    Der
    Todt begleitet uns nur in die Ruhe Stelle:
    Die Liebe folget auch biß in die Höll' hinein.
    Des
    Todes dürffen wir nicht mehr denn einmahl seyn:
    Die Liebe stürtzet uns zum öfftern in die Hölle.

    Der
    Todt/ der ferne Macht im Himmel hat verlohren/
    Verübet nur auff Erd an Menschen was er kan:
    Die Liebe greiffet auch nechst uns die Götter an/
    Kriegt aus der Höh' jhr Krafft/ von dann sie wird gebohren.

    Der
    Todt benimpt uns bald die trawrige Gedancken/
    Ja alles Leid vergeht/ wann wir gestorben seyn:
    Die Liebe/ als der Brunn und Anfang aller Pein/
    Macht uns in steter Sorg und stetem Leide wancken.

    Wann es nunmehr mit uns zum schlaffen gehn ist kommen/
    Dann druckt der
    Todt auch wol die dunckle Augen zu:
    Doch macht das blinde Kind noch grössere Unruh'/
    Hat offt Vernunfft und Sinn/ Gesicht und Liecht benommen.

    O Liebe/ tapffer Held/ O
    Tod auch starcker Ritter:
    Ihr beyden Götter jhr/ die meine Seele ehrt/
    Ihr/ deren Hülff und Rath für andern sie begehrt;
    Doch/ du bist gar zu süß/ du ander gar zu bitter!
    _____


     

  • David Schirmer (1623-1687)

    Uber einen Kuß

    In dem ich/ Marnia/ dir unverhofft den Kuß
    aus deinem Munde nahm/ entwich mir meine Seele/
    und bliebe gantz und gar in der Corallen-Höle/
    so/ daß in etwas ich die Geister missen muß.

    Ich starb vor Liebe hin. Es schlich sich Fuß für Fuß
    das Leben von mir aus/ ümb das ich mich fast quäle/
    und ieden Augenblick in der süssen Rückkunfft zehle.
    Der
    Tod/ der blieb in mir/ und dein gemachter Schluß.

    Mein Hertze must hernach/ die Seele zuerfragen.
    Indem es aber auch/ mein Lieb dich hat erblickt/
    da blieb es auch in dir gefangen und bestrickt/
    so/ daß ich fürter nicht von ihrer Flucht darf sagen.

    Und hätt ich durch den Kuß nicht deine Seel erworben/
    so wer ich gantz und gar an deiner Brust gestorben.
    _____


    An die unerträgliche Liebe

    Ist denn der Himmels-Saal dein rechtes Vaterland?
    Hat denn die Venus dich so/ wie man sagt/ geboren?
    Ist denn der Nectar dir zu deinem Tranck erkoren?
    Ist dir denn Abrosin zur Speise zu erkant?

    Warümb denn wanderstu alhier durch See und Land?
    Warümb hastu denn/ mich zuquälen/ dich verschworen?
    Warümb denn brennestu den/ der bereit verlohren
    Der Freyheit theures Gold/ mit deiner stoltzen Hand?

    Warümb denn trinckstu nichts als meine nassen Thränen?
    Mustu dich denn in mir an Marck und Bein gewehnen?
    O wilde Grausamkeit! O Felsenharte Noth!

    Vom Himmel bistu nicht auf Erden hergegangen/
    Styx und sein Acheron die haben dich empfangen.
    Was quälstu mich noch viel? Jetzunder bin ich
    tod.
    _____


    Er betrauret Sie

    Der Himmel ist mir schwartz. Die Sonne scheint nicht mehr.
    Mein Lieb/ das ist nun fort/ und stehet auf der Bahre/
    so/ daß ich allgemach mit ihr von hinnen fahre.
    in meinem Hertzen wacht der Sorgen gantzes Heer.

    Der Lippen Purpur bleicht. Die Zung ist Zucker-leer.
    Die Augen sehen starr. Das Gold der frischen Jahre/
    die Rosen des Gesichts/ der Fallstrick ihrer Haare
    macht mir mein Leben auch im
    Tode noch zu schwer.

    Die Galle meiner Lust/ die Wehmuth meiner Freude/
    die Wahlstat meines Thuns gibt Feuer meinem Leide.
    Sie/ und zugleich ihr
    Todt/ sie machen traurig mich.

    O Anfang meiner Pein/ O Ende meines Lebens!
    du bist nun Finsternis/ nach dir seh ich vergebens.
    kom/ schau mich auch/ ich bin wie du/ mein gantzes Ich.
    _____


     

  • Jacob Schwieger (um 1630-1664)

    Sie machet lebendig

    Kont' Esculapius durch zugerichte Sachen/
    durch seiner Kräuter-Kunst/ ach Adelmuht mein Licht!
    die schon Verstorbene vom neüen Lebend machen?
    Gedenkke frei daß dihr hieran auch nichts gebricht.

    Dein wegern ist mein
    Tod/ dein Lieben ist mein Leben/
    Ich sterbe wann du mihr entzeüchst dein Rosen Bluht:
    Giebstu mihrs aber hehr/ wird mihr mein Leben geben:
    mein
    Tod und Leben steht bei dihr o Adelmuht.
    _____


    Sein Verlangen wirket den
    Tod

    Nuhn ist mihr alle Lust benommen
    weil ich der Wangen Milch und Bluht
    von dihr nicht einmahl kan bekommen;
    Du meiner Liebe teüres Guht!
    ach! ich vergehe fast vor sehnen
    zerfliß auch schier in heissen Trähnen.

    Mein Hertze wallet auf und nieder/
    die Polß die eilt dem Ende zu/
    es werden kalt die jungen Glieder/
    der Leib sucht schon die Grabes Ruh
    Das aber machen deine Wangen
    die ich nicht sol noch muß empfangen.

    Ach! Adelmuht laß dich erweichen/
    gieb mihr der Wangen Rosen-Feld:
    wo nicht? mus ich im Nu verbleichen
    und segnen dich und dise Welt.
    Ach Hertzens Seelchen laß mein flehen
    dihr doch nur einß zu Hertzen gehen.

    Gieb mihr der Lippen Nectar Gaben/
    gieb mihr der Wangen Milch und Bluht.
    Den dises alles kan mich laben
    weils meinem Hertzen nütz und guht.
    Was nützet dihr mein Leid und Sterben
    weil du vom meinen nichts kanst erben.

    Ich liebe deine grühne Jugend/
    Ich liebe deinen keüschen Sinn/
    Ich liebe deine Zucht und Tugend;
    ja tausend-schöne Schäferinn.
    Mein Leib vol Wehmuht und Betrüben/
    der zeüget wie ich müsse lieben.
    _____


     

  • Gottlieb Stolle (Leander aus Schlesien) (1673-1744)

    Sein sehen bringt ihm den
    tod

    Schau ich dich nicht, mein Leben!
    So ist mein ende da:
    Und schau ich dich, du kalte Sylvia!
    So muß ich doch den geist aufgeben,
    Denn deine grausamkeit erbarmt sich keiner noth.
    Elender lohn, den lieb und treu verspricht!
    Ich schau mein Leben oder nicht;
    So küsset mich der kalte
    tod.
    _____



    Als er sich in sie verliebet

    Indem ich mein gesichte
    Auf Flaviens gerolltes haar,
    Und ihre schönen augen richte,
    So fällt mein herz in doppelte gefahr.
    Kurz: Amor will mich
    töden oder fangen:
    Um nun das letzte zu erlangen,
    So muß ihr sauber haar ihm statt des netzes seyn.
    Die augen aber sind die bogen;
    Die pfeilen liefert ihm der holden blicke schein.
    Jedoch wer hat sich ie dergleichen garn entzogen?
    Kommt, pfeile! selbst, kommt häuffig angeflogen!
    Ihr seyd doch allzusüß und schön,
    Um euch aus bloser furcht des
    todes zu entgehn.
    _____


    Als Daphne in seiner gegenwart die violine strich

    Ach! warum flieh ich nicht, wenn unsre Daphne spielt?
    Ich weiß doch, daß ihr spiel auf mein begräbniß zielt:
    Denn ihre linden strich' und wohl-gesetzte noten
    Sind freylich weiter nichts, als süsse
    todes-boten.
    Der bogen, den sie führt, ist Paphiens geschoß.
    Läst sie, dem ansehn nach, gleich keine pfeile los;
    So seh ich dennoch wohl, daß eine violine
    Der schlauen Daphne mehr, als hundert köcher, diene.
    Ach ja! ich fühle schon der tremulanten krafft,
    Die gegen uns so viel, als scharffe pfeile, schafft:
    Allein wer wolte nicht den stich des
    todes fühlen,
    Wenn liebes-engel uns die sterbe-lieder spielen?
    _____


    Als er sich von ihr solte küssen lassen

    Wenn mich ein blick von dir dem blassen
    tode giebt,
    Was würd' ein kuß nicht auszurichten wissen!
    Doch schweig, wenn Daphne dich nur liebt,
    So laß, mein mund, dich immer küssen.
    Denn bringt ein kuß dich um das leben,
    So wird der andre doch es doppelt wieder geben.
    _____


    Als ihm seine Daphne gestorben

    Ihr vergnügten stunden!
    Wo seyd, wo seyd ihr hin?
    Ach ihr bleibt verschwunden,
    Nun ich verlassen bin.
    Meinen Schatz, ach herbe noth!
    Umfaßt der kalte
    tod.

    Fließt, ihr milden thränen!
    Mein Schatz ist ihrer werth.
    Zeigt das bange sehnen,
    So mich itzund verzehrt:
    Zeigt, daß meine lieb' und treu
    Noch ungestorben sey.

    Was mich nie betrübet,
    Macht mich nun stets betrübt',
    Was mich treu geliebet,
    Und ich auch treu geliebt,
    Stirbt dahin, und meine lust
    Zugleich in meiner brust.

    Flieht, ach flieht, ihr stunden!
    Ich bin des lebens satt,
    Weil vor meine wunden
    Es hier kein pflaster hat.
    Denn der trost, so mir gefällt,
    Ist nicht mehr in der welt.

    Daphne kommt nicht wieder,
    Drum eil' ich itzt zu ihr.
    Tragt, betrübte lieder!
    Ihr diesen vorsatz für.
    Macht, daß sie aus ihrer grufft
    Dem treuen Damon rufft.

    Liebste grabes-höle,
    Eröffne dich vor mich!
    So zieht Daphnens seele
    Die meinige zu sich.
    Durch den
    tod kan ich allein
    Bald wieder bey ihr seyn.
    _____


     

  • Philipp von Zesen (1619-1689)

    Auff die Seine / da Sie verschieden

    Du warst vorhin verwundt durch einen Pfeil der Liebe /
    und nun hat gar gefällt der Pfeil des
    Todes dich /
    O Adelheit mein Schatz; Die Sterne stehen trübe:
    weil du verletzet bist / so bin Ich nicht mehr Ich.
    Ich steh' im Zweifel noch / weiß nicht / ob Liebe sey
    Noch stärcker als der
    Todt / weil er das reisst entzwey
    Was treue Liebe bindet /
    Daß Sie den
    Todt empfindet.
    _____


     

18. Jh.
 

  • Sophie Albrecht (1757-1840)

    Für Dich

    Kennst Du das Wort, das allgewalt'ge Schwingen
    Dem Geiste leiht, das schwerste zu vollbringen?
    Das göttergleich, gesunknen Muth befeuert,
    Und starke Kraft in schwacher Brust erneuert?
    Das bittre Opfer, sonst dem Schmerz geweiht,
    Für mich erhöht zur höchsten Seeligkeit?
    Kennst Du das Wort, dem nie ein andres glich?
    Der Liebe Losung ist's, es heißt: Für Dich!

    Für Dich dem
    Tode still mich hinzugeben,
    Dünkt süßer mir, als ohne Dich zu leben.
    Doch knüpfte auch, im innigsten Vereine,
    Mein Schicksal liebevoll sich an das Deine,
    So würd' ich dennoch gern von Daseyn scheiden,
    Befreite Dich mein
    Tod von Schmerz und Leiden,
    Und selbst in banger Qual beglückte mich
    Des Zauberwortes Himmelsklang: Für Dich!
    _____


    Ich liebe dich!
    Von deinem Arm umschlungen,
    Möcht ich unsterblich sein;
    Von deiner Liebe Kuß durchdrungen,
    Durchbebt es wonnig mein Gebein:
    Ich liebe dich!

    Du liebest mich!
    Des
    Todes kalte Stunde
    Schmilzt nicht des Herzens Gluth;
    Die Flammen in der Seelen Bunde
    Löscht nicht der
    Tod; - nicht Lethes düstre Fluth:
    Du liebest mich!
    _____


    Lied auf dem Friedhofe

    Sei leiser hier, du meines Kummers Klage,
    Und flüstre nur, was mich zu Gräbern beugt;
    Verzeiht – verzeiht, ihr
    Todten, daß ich’s wage
    Zu klagen, wo des Schmerzes Stimme schweigt.

    Nichts kann der Gräber stolze Ruhe stören,
    Der Friede wohnt im stillen Schattenreich;
    D'rum will ich heilig eure Thäler ehren,
    Denn wißt, mein Herzensfreund, wohnt unter euch.

    Mein Freund, der wieder all' die süßen Bande,
    Die längst die Welt von meinem Herzen riß,
    Verknüpft, und mir im finstern Wechsellande
    Elysiums ewig daurend Glück verhieß.

    Die heiße Stirn gelehnt am kalten Steine,
    Der meiner Trauer Hügel überdeckt;
    Rinnt sanft, ihr Thränen! wie im Frühlingshaine
    Der Morgen-Thau die junge Rose weckt.

    Sie fließen nicht, dich Freien zu beklagen,
    Der nicht im Kerker der Verwesung wohnt;
    Dir jauchz' ich zu, dem nun nach schwülen Tagen,
    Das kühle Weh'n der Himmelspalme lohnt.

    Dort seh' ich dich den großen Morgen feiern,
    Der nur an jenem Purpurufer tagt;
    Wohin von dieses Lebens Ungeheuern,
    Das Glück zu stören, kein's sich wagt.

    Nur mir, der Nachgeblieb'nen, rinnt die Zähre,
    Um mich Verlass'ne klagt dies Thränenlied;
    Mir ist die Welt nur eine öde Leere,
    Durch die der Wand'rer zu der Urne flieht.

    Sie deckt mit dir auch alle bleiche Schrecken,
    Die Gruft und
    Tod mir einstens schaudernd gab;
    Es muß die Nacht den jungen Morgen wecken,
    Du starbst – und Heimath wird mir
    Tod und Grab.

    Umschlungen von der Hoffnung schönstem Lande
    Späh' ich, ob bald der Kahn herüberschwimmt,
    Der mich von der Verwesung düstr'rem Strande
    Zu dir – zu dir, mein Freund, hinübernimmt.
    _____


    Im Sommer

    Was, Rose, blühest du so schön
    Und duftest mir so süße?
    Was, holder Zephyr, soll dies Weh'n
    Und Flüstern deiner Küsse? -
    O Rose! dufte
    Todten-Duft
    Dem langgequälten Herzen;
    Komm, rauher Nord! zerpeitsch' die Luft
    Und Zephyrs kos'ges Scherzen.

    Zur blassen
    Todten-Krone nur
    Kannst du mir, Rose, prangen;
    Ihr Lüfte, heiße Thränen nur
    Küßt ihr auf meine Wangen.
    Weg! – fliehet zu dem falschen Mann,
    Sag't ihm von meiner Treue,
    Und bring't zu meinem Grabe dann
    Einst Thränen seiner Reue.
    _____



    An den
    Tod

    Wenn er, hohe Freude im Geleite,
    Kommt, der Tag im hellen Purpurkleide,
    Und der Frühling ihm zur Seite geht, -
    Wenn ihm, schwebend auf umglänzten Flügel,
    Froh entgegen jauchzen Thal und Hügel
    Und sein goldnes Haar der West umweht.

    Wenn im Thau die ersten Rosen glänzen,
    Muntre Bäche junge Veilchen kränzen,
    Und die Bäume farbenprächtig blühn,
    Wenn der Abend uns mit Schatten lohnet,
    Wenn der Mond am stillen Himmel thronet
    Und die Sterne in den Quellen glühn -

    Wenn dies alles himmlisch zu verschönen,
    Er – der liebste mir von Menschensöhnen
    Nahet, freundlich so wie die Natur;
    O dann schwindet mir, von ihm umschlungen
    Und von seinem heißen Kuß durchdrungen,
    Nacht und Morgen und der Glanz der Flur.

    Tod! dann bist du mir der schönste Segen! -
    Sehnend wallt mein Busen dir entgegen,
    Komm! ruf ich, und führe mich dorthin,
    Wo des Morgens Purpur nie erbleichet,
    Wo den Frühling nie der Herbst erreichet,
    Wo ein trüber Abend nie erschien. -

    Wo am Bach die Bäume ewig blühen,
    Unter Purpur-Rosen Veilchen glühen,
    Wo sich Frieden ohne Trennung küßt. -
    Und wo alles dieses zu verschönen,
    Er – der liebste mir von Menschensöhnen
    Ewig mein vor allen Engeln ist.
    _____


     

  • Susanne von Bandemer (1751-1828)

    Und würde mir der
    Todesengel winken,
    Ich müsste noch den Kelch der Liebe trinken,
    Durch ihn gestärkt, fühlt' ich ein neues Leben
    Den Busen heben.
    _____


    Die Liebe kennet keine Schranken,
    Im
    Tode selbst wird sie nicht wanken;
    Sie bleibt sich ewig einerley.
    Die Zeit kann nie dies reine Feuer mindern,
    Kein Mensch, kein Gott! kann ihre Allmacht hindern,
    Und felsenfest ist ihre Treu.
    _____


    Die Rose
    an der Brust des Geliebten

    Sie blühte einst an deinem lieben Herzen
    So schön, und welkte schnell dahin: -
    O, wär' ich sie, die Blumenköniginn!
    So stürb' ich, statt in Trennungsschmerzen,
    An deinem Busen, wo sie starb,
    Und durch den
    Tod sich meinen Neid erwarb.
    _____


     

  • Gabriele von Baumberg (1768-1839)

    Nantchens Unbussertigkeit

    Ihn lieben wäre Sünde! Nein!
    Das glaub' ich nimmermehr!
    Doch wenn es wirklich Sünde wär',
    Die Sünde könnt' ich selbst im
    Tode nicht bereun.
    _____


     

  • Joachim Christian Blum (1739-1790)

    An Phyllis

    Du lässest mich in langer Marter sterben,
    Bey Furcht, und Hoffnung, tausendfachen
    Tod.
    Grausame, willst du mein Verderben:
    So gib mir plötzlich, was dein Auge droht,
    In einem Blicke tausendfachen
    Tod!
    Willst du dieß nicht, was hindert dich, zehntausend Leben
    In einem Blicke mir zu geben?
    _____


     

  • Gottfried August Bürger (1747-1794)

    Schwanenlied

    Mir thut's so weh im Herzen!
    Ich bin so matt, so krank!
    Ich schlafe nicht vor Schmerzen;
    Mag Speise nicht und Trank;
    Seh' alles sich entfärben,
    Was Schönes mir geblüht!
    Ach, Liebchen! will nur sterben!
    Dies ist mein Schwanenlied.

    Du wärst mir zwar ein Becher
    Von Heilungslabsal voll. -
    Nur - daß ich armer Lecher
    Nicht ganz ihn trinken soll! -
    O, daß du auch so Süßes,
    So tausend Süßes hast! -
    Und hätt' ich des Genießes,
    Wann hätt' ich gnug gepraßt? -

    Drum laß mich vor den Wehen
    Der ungestillten Lust
    Verschmelzen und vergehen,
    Vergehn an deiner Brust!
    Aus deinem süßen Munde
    Laß saugen süßen
    Tod!
    Denn, Herzchen, ich gesunde
    Sonst nie von meiner Not.
    _____


    Verlust

    Wonnelohn getreuer Huldigungen,
    Dem ich mehr als hundert Monden lang
    Tag und Nacht, wie gegen Sturm und Drang
    Der Pilot dem Hafen, nachgerungen!

    Becher, allgenug für Götterzungen,
    Goldnes Kleinod, bis zum Überschwang
    Stündlich neu erfüllt mit Labetrank,
    O wie bald hat dich das Grab verschlungen!

    Nektarkelch, du warest süß genug,
    Einen Strom des Lebens zu versüßen,
    Sollt' er auch durch Weltenalter fließen.

    Wehe mir! Seitdem du schwandest, trug
    Bitterkeit mir jeder Tag im Munde.
    Honig trägt nur meine
    Todesstunde.
    _____


     

  • Johann Christian Günther (1695-1723)

    AUF DEN
    TOD SEINER GELIEBTEN FLAVIE

    STIRBT meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
    Der Schlag, so sie gefällt, muß mich auch selber
    tödten.
    Die Schönheit und ihr Kind, mein Leben, sinckt ins Grab,
    Das meine Lust vergräbt. Was mir der Himmel gab,
    Nimm jezt die Erde hin. Der Zierrath aller Wälder
    Der Ausbund aller Treu, macht der Elyser Felder
    Durch seinen
    Tod beglückt. Die ewig schwarze Nacht
    Verhüllt mein Sonnenlicht. Was mir das Leben bracht,
    Geht zu den
    Todten hin. Der Augen holden Sterne
    Verlieren Glanz und Schein. Die Schale liegt vom Kerne
    Zusamt den Schlacken hier, und der beredte Mund
    Macht durch ein stummes Wort die lezte Rede kund.

    Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
    Der Schlag, der sie betrift, muß mich auch selber
    tödten.
    Die Ohnmacht hängt mir zu. Der Parzen Urthelstab
    Reißt meiner Flavie den Schönheitspurpur ab.
    Die Äcker fühlen es. Die Zierligkeit der Blätter
    Verläst den dürren Stamm, wie wenn ein Donnerwetter
    Die grünen Äste theilt. Es seufzen Feld und Wald,
    Da ein gebrochen Wort in seinen Thälern schallt
    Und ihren
    Tod beklagt. In den bestürzten Flüßen
    Sieht man der Nymphen Schaar die Thränen häufig gießen.
    Die Hügel stehn gebückt, die hohlen Gründe schreyn:
    Geht meine Flavie, geht mein Vergnügen ein.

    Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
    Der Schlag, so sie gerührt, muß mich auch selber
    tödten.
    Die Pallas und das Volck der Schäfer grämen sich
    Um ihre Schäferin; die sie so inniglich,
    So ungemein geliebt, da die zerstreuten Hirten
    Die Lenden mit Napell, den Leib mit Jammer gürthen.
    Das angenehme Vieh der Schaafe liegt gestreckt,
    Ihr Blöcken, das dich ruft, doch aber nicht erweckt,
    Betäubet fast mein Ohr. Ich selber bin verlaßen,
    Ich kan vor Kummer kaum mich und mein Herze faßen,
    Dem nun das Herze fehlt. Wenn meine Sehnsucht ruft:
    Wo bistu, Flavie?, so hört es nur die Gruft.

    Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
    Der Schlag, so sie gefällt, muß mich auch selber
    tödten.
    Zuvor versorgte Schaar, nunmehr verwaistes Vieh,
    Betrübten Lämmer, klagt; mein Engel wird euch nie,
    So wie zuvor geschehn, an jenen Silberbächen
    Des Hungers Macht mit Klee, den Durst mit Waßer brechen
    Noch, wenn der Tag sich kühlt, der Berge Schatten wächst
    Und eure Müdigkeit nach ihren Ställen lechst,
    Euch mit gefüllter Hand das Abendfutter reichen.
    Kommt, lieben Schaafe, kommt, verlast die wilden Eichen,
    Wo Schröcken und Gefahr sich mit den Wölfen paart;
    Ihr seyd bey mir so gut als irgendwo verwahrt.
    Ich will euch günstig seyn, ich will euch immer lieben,
    In meine Hürden thun, zu meiner Heerde schieben.
    Ihr sollt fast jeden Tag auf frische Triften gehn,
    In Blumen, Graß und Klee bis an die Bäuche stehn.
    Geht jezo, wo ihr wollt, der Weide zu genießen,
    Doch hütet euch, daß ihr nicht mit den bloßen Füßen
    Den werthen Berg entehrt, das Heiligthum entweiht,
    Wo meiner Liebsten Gruft mir auch mein Sterben dräut

    Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
    Der Schlag, der sie entseelt, muß mich auch selber
    tödten.
    Betrübtes Heiligthum und du bemooster Berg,
    Wo meine Flavie, der Schönheit Wunderwerck,
    In todte Thäler steigt, auf deinen Angstgebürgen
    Wird Kummer, Angst und Leid mich endlich noch erwürgen
    Und in die Erde ziehn. Dein grünes Sommerkleid
    Mehrt meine Hofnung nicht; des
    Todes Bitterkeit
    Vergällt mir alle Lust. Bey diesem Leichensteine,
    Der meiner Flavien geliebteste Gebeine
    Bedeckt, doch nicht beschwert, vergeht mein Paradies.

    Die, so im Leben schon mein ander Leben hies,
    Zieht endlich einen Theil von meiner treuen Seele
    Mit der Beständigkeit in ihre Grabeshöhle,
    Die meinen Schmerzen weis und meinen Kummer kennt,
    Die meine Klagen zwar gerecht und zärtlich nennt,
    Nicht aber widerlegt. Bringt Blumen und Violen,
    Last Narden und Jasmin aus fremden Ländern holen,
    Salbt den erblasten Leib, beräuchert Gruft und Sarg
    Mit Ambra und Zibeth, ja, zieht das beste Marck
    Aus Perlen, Gold und Stein, belebt die kalten Glieder
    Mit warmen Mumien, vielleicht erwacht sie wieder.
    Doch wer im
    Tode schläft, der schläft nicht eher aus,
    Bis ihn der Himmel weckt und sich das Sternenhaus
    Zu seinem Bette naht. Ach widriges Geschicke!
    Denckt mein betrübter Sinn an die beliebten Blicke,
    Die ich vor kurzer Zeit - - Schweig, die Erinnerung
    Der Lust vermehrt die Last. Drum sey es auch genung
    Bedacht, doch nicht beklagt, beweint, doch nicht vergeßen.
    Man darf die Trübsahl nicht nach vielen Thränen meßen,
    Weil oft das gröste Leid mit trocknen Dingen weint,
    Ja, oft ein Donner kommt, wenn gleich die Sonne scheint
    Und sich kein Regen regt. Doch ihr geweihten Hügel,
    Wo meine Klagen selbst der Morgenröthe Flügel
    Und Hesperus beklagt, straft meinen Vorsaz nicht,
    Der seiner Flavie die lezte Treu verspricht,
    Sich nun und nimmermehr von hinnen zu entfernen,
    Von dieser Gruft zu gehn, bis ihn der Rath der Sternen
    Zu seinem Sterne bringt, der nun verklärter strahlt
    Und in der Ewigkeit die Sternenzimmer mahlt.
    Du meines Lebens
    Tod und du mein todtes Leben,
    Erblaste Flavie, mein Sinn bleibt dir ergeben,
    Mein Wille dir geschenckt, mein Wollen zugethan;
    Ach, daß ich's, wie ich will, nicht gut besingen kan,
    Nicht recht beschreiben darf. Es soll gleichwohl indeßen
    Dein Grabmahl, deine Gruft, von Lorbeern und Cypreßen
    Erhöht und lustig stehn. Ein jährlich Trauerfest
    (Wer weis, ob mich der
    Tod gar lange trauen läst!)

    Soll dir gewidmet seyn. Ein Kranz von Myrthenzweigen,
    Den viele Tropfen Blut statt der Rubinen beugen,
    Soll um den morschen Schlaf ein traurig Merckmahl ziehn,
    Daß diese Blätter noch wie meine Liebe blühn,
    Wie meine Treu bestehn, wie meine Flammen dauren.
    Vielleichte rühret sich (der Wein kann nicht versauren,
    Den uns die Hofnung schenckt,) der aufgescharrte Sand
    Und macht den
    Todten auch mein Opferlied bekand.

    Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
    Der Schlag, der sie betäubt, muß mich auch selber
    tödten.
    Der Kindheit Morgen warf den Zunder in die Brust,
    Der nach und nach entglamm; die erste Liebeslust
    War Spiel und Dockenwerck. Ich war dir schon gewogen,
    Als aus den Wangen noch kein Haar die Milch gesogen.
    Wir waren schwach und klein, die Liebe starck und groß
    Und größer als wir selbst. Oft trug uns eine Schoos,
    Oft führt' uns eine Hand, noch öfter das Verlangen.
    Wie öfters hat uns nicht ein kindliches Umfangen
    Die Armen schwer und blau wie selbsten laß gemacht!
    Uns nahm die Wärterin, wir unsre Lust in Acht.
    Wir spielten in der Zeit, wir scherzten mit den Jahren,
    Sie aber auch mit uns. Ach Schmerz, den ich erfahren,
    Der mir nun Schmerz gebiehrt! Auch unser Unverstand
    Verstand die Liebe schon: Ein doppelt Wiegenband
    Verknüpfte mich und sie. Wo sind dieselben Tage ?
    Vergänglichkeit und
    Tod erörtert diese Frage
    Durch einen
    Todtenkopf. Ach Antwort ohne Wort,
    Obgleich nicht ohne Mund! Höchstangenehmer Ort,
    Höchstangenehmes Feld, wo meine Heerde gieng
    Und meine Ziegenschaar an jenen Klippen hing,
    Wo ich und Flavie das schöne Lustgefilde
    Bewundert und beschaut, wie von dem frechen Wild
    Die Wälder zitterten, wenn Erd und Luft erklang,
    Da meine Flavie in diese Flöthe sang.
    Hier trieben wir die Zucht der Lämmer oft zusammen,
    Dort sah ein Ulmenbaum die unentweihten Flammen,
    Hier warf der müde Schlaf mein Haupt ihr in die Schoos,
    Dort riß der Sommer uns die Oberkleider los.
    In diesem jungen Heu vermieden wir das Schwizen,
    Bey dieser Buche schlug ein unerhörtes Blizen
    Dir den Melampus
    todt, hier hub sich unser Bund
    Mit unsrer Jugend an, hier ward mein Leib verwundt
    Und auch dein Geist betrübt, als mir der Fuß entglitten;
    Hier half die Dämmerung mir deinen Sinn erbitten,
    Daß du den Hirtenstab an einen Baum gelehnt,
    Die Tasche abgeschält und dich mit mir gewöhnt,
    Auch ohne Federn uns ein Lager aufzubetten,
    Auf dem die Glieder Ruh, die Kräfte Stärckung hätten.
    Oft sah der Morgen uns und unsrer Liebe zu,
    Oft gab der Abend uns und unsrer Liebe Ruh.
    Bald überlegten wir die überlebten Zeiten,
    Bald die zukünftigen, auf die wir uns schon freuten.
    Bald schwazten wir uns viel von Hochzeitmachen vor,
    Bald von Beständitgkeit; bald hielt dein kluges Ohr
    An meiner Poesie, bald lechste mein Verlangen
    Nach deiner Gegenwart, die, wenn du mir entgangen,
    Den satten Schaafen wohl, mir aber bange that.
    Wer aber schaft vorjezt dem bloßen Wüntschen Rath?
    Die Zeiten sind entwischt, die Stunden sind verstrichen
    Und meine Flavie zwar mit der Zeit entwichen,
    Doch nicht zur Wiederkunft. Das ganz verstimmte Rohr
    Und der gedämpfte Thon bringt lauter Klagen vor.

    Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
    Der Schlag, der sie entrückt, muß mich auch selber
    tödten.
    Der Rosen Scharlach färbt die rothen Wangen bleich,
    Die Lilgen fallen hin, die Steine werden weich,
    Narcißus selber stirbt, es starret sein Gesichte,
    Das ich zuvor erhizt. Die wohlgestalte Fichte
    Zieht Kopf und Gipfel ein, der Hyacinth verdirbt,
    Da kaum ein halbes Ach! mit seiner Zunge stirbt.

    Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
    Der Schlag, der sie entrückt, muß mich auch selber
    tödten.
    Welch Schröcken, welche Pein, welch ungestümer Nord
    Reißt mein Vergnügen ein, reißt meine Hofnung fort,
    Die ferner nichts mehr hoft? Der Vögel süßes Singen
    Wird meiner Flavie kein Morgenlied mehr bringen.
    Der Sonne selber graut. Die werthe Nachtigall
    Besinget meinen Schmerz, beweinet deinen Fall,
    Mit dem mein Ancker fällt. Die Lüfte werden trübe,
    Weil sie der Untergang von meiner keuschen Liebe
    Mit Wolcken überdeckt, mit Nebel überzieht
    Und in der Blüthe schon mein Wohlergehn verblüht.

    Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
    Der Schlag, so sie verlezt, muß mich auch selber
    tödten.
    Klagt, lieben Vögel, klagt, weint, Blumen, Feld und Vieh,
    Schreyt, Hirten, Berg und Thal, weil ihr der
    Tod zu früh
    Und mir zu langsam kommt. Mein bangsames Gewinsel
    Vermehlet sich mit euch. Wer schaft mir Kiel und Pinsel
    Der meinen Schmerzen mahlt, der meine Sehnsucht trift,
    Die ohne den Kompaß und ohne Leitstern schift,
    Die ohne - - doch was soll ein großes Wortgepränge?
    Dem Schmerzen ist mein Herz und mir die Welt zu enge.
    Ich muß, doch aber nein. Ich werde, aber was?
    Ich kan, doch wie! Ich mag, wodurch? Ich will das Graß,
    Ach wollen, wenn man muß, mit Blut und Thränen nezen,
    Mich als ein lebend Grab zu deinem Grabe sezen,
    Wo mein Gelücke schläft, wo mein Betrübnüß wacht
    Und meiner Liebsten Sarg die Erde fruchtbahr macht.
    Hier soll ein Tränenbach auf die Gebeine schwimmen,
    In deren Asche noch die zarten Funken glimmen.
    Hier soll mein Herze selbst dein bester Leichenstein,
    Die Überschrift von Blut: Hier liegt mein Leben, seyn.

    Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
    Der Schlag, der sie erwürgt, muß mich auch selber
    tödten.
    Kan, schöne Flavie, dein felsenharter Sinn
    Auch ohne seinen Freund aus diesem Leben ziehn?
    Darf, sag ich noch einmal, dein voriges Vergnügen,
    Jezt dein Verlaßener, nicht in den Armen liegen,
    Die nun der
    Tod umarmt? Du weist, ich war bereit,
    Mit dir, Geliebteste, des Leibes Einigkeit
    Und der Gemüther Band in jener Welt zu suchen;
    Ich suchte diesen
    Tod und muß den Schluß verfluchen,
    Der mir das Leben schenckt, der mich zu
    Tode quält.
    Ach, daß uns nicht ein Sarg wie vor ein Sinn vermehlt!
    Kan, ohne dich zu sehn, dem Auge was gefallen,
    Da sich dein Auge schleust ? Kan ohne Furcht zu lallen
    Des Mundes naße Pflicht bey deiner Baare thun,
    Was ihm zu thun gebührt? Kan noch mein Schenckel ruhn,
    Da mir dein Fuß entwischt? Die blumenvollen Wiesen,
    Die ich zuvor gelobt, die ich zuvor gepriesen,
    Sind mir jezund verhast. Der edelste Geruch
    Riecht mir nach Überdruß. Das allerbeste Buch,
    Das meiner Seelen mehr als Zuckerbrodt gewesen,
    Läst mich den Leichentext aus allen Zeilen lesen:
    Mein Wohlseyn ist mit ihr und sie mit ihm vorbey.
    Was Wunder, wenn sich mir dein
    todtes Conterfey
    An allen Blättern weist, die sich vom Stamme rißen
    Und also uns versagt, den Schatten zu genießen,
    So daß noch jeder Ast der Liebe Bildnüß trägt,
    Das mir das Herze so wie ihn der Wind bewegt.
    Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
    Der Schlag, der sie entrückt, muß mich auch selber tödten.
    _____


    ALS ER SICH ÜBER IHREN
    TOD BEKLAGTE

    BETRÜGLICHES Glücke!
    Die stählerne Brücke
    Der Hofnung zerfällt;
    Der Becher der Freuden
    Wird mir durch dies Leiden
    Mit Wermuth vergällt.

    Die Sonne der Tugend,
    Die Blume der Jugend,
    Geht unter und ein;
    Der Himmel wird trübe,
    Die Flammen der Liebe
    Verlieren den Schein.

    Der Frühling der Jahre
    Erstirbt auf der Baare :
    Wer wird mir den Kuß
    Wie vormahls gewähren?
    Ach langes Entbehren!
    Ach kurzer Genuß!

    Erblaste Florette,
    Dein
    Tod reißt die Kette
    Der Eintracht entzwey;
    Dein Leichenbegängnüß
    Zeigt, wie das Verhängnüß
    Mein Henckersknecht sey.

    Bedeckt mich, ihr Berge,
    Umfast mich, ihr Särge,
    Versagt mir die Luft!
    Mein Geist mag zerfliegen,
    Des Leibes Vergnügen
    Ist Moder und Gruft.

    Ich sterbe vor Kummer,
    Der ewige Schlummer
    Entgeistert die Brust.
    Ich liebte von Herzen,
    Ich lebte mit Schmerzen,
    Ich sterbe mit Lust.
    _____


    EHER
    TODT ALS UNGETREU

    EHER
    todt als ungetreu!
    Dieser Leichentext soll zeigen,
    Daß ich, wenn die Wetter steigen,
    Gleichwohl Leonorens sey.

    Eher
    todt als ungetreu!
    Soll ich dich, mein Kind, nicht heben,
    Halt ich alle Lust im Leben
    Vor des Himmels Tyranney.

    Eher
    todt als ungetreu!
    Was gewinnt man auf der Erden?
    Hofnung, Kummer und Beschwerden
    Und zulezt nur späte Reu.

    Eher
    todt als ungetreu!
    Irrthum, Sehnsucht und Gedancken
    Reißen durch der Jugend Schrancken
    Unsre Freude bald vorbey.

    Eher
    todt als ungetreu!
    Treue Liebe läst die Plagen
    Böser Zeiten noch ertragen
    Und erquickt in Sclaverey.

    Eher
    todt als ungetreu!
    Du mein Schaz und ich dein Glücke,
    So verlachen wir die Stricke
    Der vergällten Heucheley.

    Eher
    todt als ungetreu!
    Neid und Pöbel kan nicht faßen,
    Wenn wir ihm die Güter laßen,
    Wie so wohl uns beiden sey.

    Eher
    todt als ungetreu!
    Tröste dich mit diesem Spruche,
    Neh ihn auf dem Leichentuche
    Neben unser Conterfey.

    Eher
    todt als ungetreu!
    Glaube das, du treue Seele,
    In der finstern Grabeshöhle
    Schläft mir auch dein Schatten bey.
    _____


    ALS ER DER PHILLIS EINEN RING MIT EINEM
    TODTENKOPFE ÜBERREICHTE

    ERSCHRICK nicht vor dem Liebeszeichen,
    Es träget unser künftig Bild,
    Vor dem nur die allein erbleichen,
    Bey welchen die Vernunft nichts gilt.
    Wie schickt sich aber Eiß und Flammen?
    Wie reimt sich Lieb und
    Tod zusammen?
    Es schickt und reimt sich gar zu schön,
    Denn beide sind von gleicher Stärcke
    Und spielen ihre Wunderwercke
    Mit allen, die auf Erden gehn.

    Ich gebe dir dies Pfand zur Lehre:
    Das Gold bedeutet feste Treu,
    Der Ring, daß uns die Zeit verehre,
    Die Täubchen, wie vergnügt man sey;
    Der Kopf erinnert dich des Lebens,
    Im Grab ist aller Wuntsch vergebens,
    Drum lieb und lebe, weil man kan,
    Wer weis, wie bald wir wandern müßen!
    Das Leben steckt im treuen Küßen,
    Ach, fang den Augenblick noch an!
    _____


     

  • Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)

    An **

    Das dich umgiebt, belebest du;
    Dein Auge gießt wie Saft der Reben
    In tote Adern Geist und Leben
    Und führt dem Herzen Feuer zu.

    Dem Kranken läuft das Blut geschwinder;
    Der alte Mann, die kleinen Kinder,
    Warm von dem ungewohnten Glück,
    Umhüpfen deinen frohen Blick.

    O Phillis, diesen Blick umgiebt
    All' alles, was man wünscht und liebt.
    Ich möchte sonst kein Glück erwerben,
    Als voll von diesem Blick zu sterben.

    Drum flieg' ich, Räubrin meiner Ruh!
    Daß mir dein Aug' den
    Tod soll geben,
    Dir täglich voller Sehnsucht zu,
    Und täglich - schenkt es mir das Leben.
    _____


    Wie mach ich es? wo heb ich Berge aus
    Mich ihr zu nähern? wer kommt mir zu Hülfe?
    O wär ich leicht wie Zephir, wie ein Sylphe,
    Ach oder dürft ich in ihr Haus
    Unmerkbar leise wie die Maus!
    O wär ein Zaubrer da, mich zu zerschneiden, spalten
    Mich tausendartig zu gestalten:
    Gönnt er mir nur das Glück, ihr Angesicht zu sehn,
    In tausend
    Tode wollt ich gehn.
    Die schwarzen Augen, deren süßes Feuer
    Zu Boden wirft, was ihnen naht, der Schleier
    Des unbezwungnen Geistes, der von jedermann
    Anbetung sich erzwingt, auch wer ihn hassen kann.
    Das holde Mündchen, das so fein empfindet,
    So zärtlich liebet, das schalkhafte Kinn
    Gebildt von einer Huldgöttin.
    _____


     


19./20. Jh.

 

  • Johanna Ambrosius (1854-1939)

    Dein Kuß

    Der Kuß, der auf dem Mund dir lag,
    Ich hab ihn mir genommen,
    Nun jauchz' ich wie ein Vöglein froh,
    Was kommen will, mag kommen!

    Wem Götter bieten einen Trunk,
    Der soll nicht lange zagen,
    Sie könnten sonst in heil'gem Grimm
    Des Glückes Glas zerschlagen.

    Und sollte auch der kalte
    Tod
    Sich neben mich nun legen,
    Die Lippe, die dein Mund berührt,
    Wird lächeln ihm entgegen.
    _____


    Memento mori

    O hätt' ich einmal dir noch können sehn
    Ins braune Aug', das gleich der ew'gen Flamme
    Die
    todesmüde Seele mir durchhaucht. -
    Aus ferner Kinderzeit
    Tönt noch in meinem Ohr
    Der süßen Stimme Laut,
    Mit der du oft gegrüßet
    Mich um die Dämmerzeit,
    Wenn mit geheimen Fäden
    Mein Sinnen und mein Träumen
    Zu dir zog.
    Wenn deine Hand so fest die meine
    Preßte ans ungestüme Herz,
    Wie zog in mir dann froh die Ahnung
    Auf von einem hohen künft'gen Glück.
    Da rief das Schicksal dich hinaus ins Leben;
    Du folgtest gern und sogst
    Es ein in vollen Zügen
    Und hattest in des Glückes gold'ner Fülle
    Nur gar zu bald vergessen,
    Was weinend mir beim Scheiden
    Du versprachst.
    Denn ach, gar bald zogst eine andere
    Blume du ans Herz,
    Und jubelnd sangst du ihr dieselben
    Lieder, die meine stille Kammer
    Zum heil'gen Tempel einst geweiht.
    Sie saß auf deinen Knie'n, aus weißer
    Stirn die schwarze Seidenlocke sanft dir streichelnd,
    Wie ich es oft gethan vor Jahren,
    Wenn deine Sorge du mir klagtest
    Und mir mit süßem Kuß
    Die Worte von den Lippen nahmest. -
    O hätt' ich einmal dich noch können sehn!
    Wie du vom Glück umflossen
    Auf der Höhe standest,
    Um jäh darauf in
    Todesnacht zu sinken.
    Im Arm der Liebe schliefst du ein auf ewig.
    So ungeahnt gleich einem Sieger,
    Der vor der Heimat Schwelle
    Rücklings erschlagen wird. -
    Mit wie viel Thränen man
    Auch deinen
    Tod beweinet,
    Wie dein verlassen Lieb trostlos die Hände rang,
    Ich kann das alles nicht.
    Ich kann nur beten, morgens, mittags, abends:
    O, hätt' ich einmal dir ins Aug' noch können sehn!
    _____


     

  • Achim von Arnim (1781-1831)

    Wie lebt der Kranke noch sein Leben
    Dem schon der
    Tod vorherverkündet,
    Sie reist von hier, ich bin dem
    Tod gegeben
    Ein Wurm sich so schon vor dem Tritte windet,
    So lauft ihr Ameisen eh sich der Feind genahet,
    Ihr fürchtet euch eh ihr Verwüstung sahet.
    _____


     

  • Elsa Asenijeff (1867-1941)

    DIE BLUME AN DEN FRÜHLING

    Seine Stimme ist eine tiefe Macht!
    Sein Blick ist weich wie die Frühlingsnacht . . .
    Sein Mund, der blutrot blüht,
    Hat in meinen
    Tod geglüht:
    Da bin ich auferstanden
    Ans frohe Licht! . .
    _____


    SEUFZER AN DEN EINZIG-GELIEBTEN

    Und ist der
    Tod mir da
    Fern – oder nah –
    Ich will ihn lächelnd grüssen
    Denn ich sterbe leicht –
    Mit deinem süssen, süssen
    Namen aus der Lippen
    Letzten Hauch
    Löscht mein schwaches Leben aus. – –
    _____


    HILFLOSER SCHMERZ

    Sein fernes Gedenken
    Hat sie verlassen –
    Sie irrt so planlos durch die dunklen Gassen,
    Von ratlosem Leide tief bedrängt –
    Zwei finstre Gesellen
    Lauern ihr auf
    Und wollen ihr Fuss stellen:
    Der Wahnsinn und der
    Tod!
    _____


     

  • Anna Behrens-Litzmann (1850-nach 1913)

    Aufschrei

    Du, meines Lebens Glück und Glanz und Zier,
    Du, die uns Werden und Vollenden schafft,
    Du, aller Schönheit Inbegriff und Kraft,
    Soll ich zugrunde gehen nun an dir?

    Soll jener Hunger, den nur mein Gebot,
    Mein Wille immer wieder neu bezwingt,
    Daß er nicht wie ein Schrei die Nacht durchdringt,
    Soll er mich schlimmer töten als der
    Tod?

    O Liebe du, nicht dieser Erde Kind,
    Willst du dich rächen, weil wir irdisch sind
    Und dennoch Erben deiner Seligkeit?
    Du hängtest über dich das Netz der Zeit,
    Gabst mir als Hüterin die Einsamkeit. —
    Die heil'ge Flamme haben wir bewacht.
    Wer hat im Sturm sie neu zur Glut entfacht?
    Du lebst — und außer dir ist
    Tod und Nacht.
    _____


     

  • Rudolf G. Binding (1867-1938)

    Die Herzen

    Tot lagen zwei Königskinde
    die sich zu sehr geliebt.
    Da weint Hof und Gesinde.
    Ein Grab man ihnen gibt.

    Der König in seinem Leide
    läßt hauen aus edlem Stein
    seiner liebsten Augenweide
    einen kühlen Totenschrein.

    Er will nicht daß sie wesen,
    beruft seiner Ärzte Kunst,
    läßt Öle und Narden erlesen
    für eine letzte Gunst:

    "
    Tod soll sie nicht versehren,
    ihr Blühen nicht vergehn." -
    Da sieht man mit Messern und Scheren
    sie über den Leichen stehn.

    Bereit sind Öle und Narden
    und Spezerei zu hauf.
    Es tun von langen zarten
    Schnitten die Leiber sich auf.

    Die Ärzte zu
    Tod erbleichen,
    zu stumm für einen Schrei:
    Kein Herz lag in seiner Leichen,
    in ihrer lagen zwei.
    _____


    Zweites Sonett der Louize Labé

    O braune Augen, Blicke abgewendet,
    O heiße Seufzer, o vergossene Tränen,
    O dunkle Nächte hingebracht in Sehnen,
    O lichte Tage nutzlos hinverschwendet;

    O Traurigkeit, o endloses Begehren,
    O Stunden die vertan, wehes Entsetzen,
    O tausend
    Tode rings in tausend Netzen,
    O schlimmer Qualen noch mich zu verzehren.

    O Lächeln, Stirn, Haar, Hände - mich verzückend;
    O Stimme, Laute, Geige - mich berückend:
    So viele Flammen für ein schmelzend Weib!

    Dich klag ich an, der du die Feuer fachtest,
    Mit Brand und Brand mir nach dem Herzen trachtest:
    Kein Funke fiel davon auf deinen Leib.
    _____


    Gleichung

    Soll ich dann nicht mehr sein
    wenn ich dir fern bin?
    wirst du dann Erde sein
    wenn ich ein Stern bin?

    Folgst du mir nicht mehr
    wenn ich entschwunden?
    wenn ich entfesselt schon
    bist du gebunden? -

    Leben und
    Tod ist nur
    gleiches Berauschen.
    Sterne und Erde sind
    nicht mehr zu tauschen.

    Sterb ich dir heute nicht
    sterb ich dir morgen:
    Schwebend im Gleich des All
    sind wir geborgen.
    _____


    Nordische Kalypso

    Wo sie die Liebe vergibt
    und sich vergibt daß sie liebt
    wird sich die Göttin ergeben -
    darf ich mein Stück für sie leben.

    In ihr verschwiegnes Bereich
    warf mich die Welle herauf
    um zu erfüllen mein Los:

    Tod und Liebe sind gleich.
    Tod und Liebe sind groß.
    Tod und Liebe stehn auf.
    Liebe gebietet dem
    Tod.
    _____


     

  • Ernst Blass (1890-1939)

    Mein
    Tod soll sanft um Innigkeiten beten
    Bei manchem Menschen, dem ich nahe stand.
    Nur sie wird meine Seele nie betreten.
    Und ewig höhnt mich ihre schmale Hand.

    Nur sie, um die ich starb, wird niemals wollen,
    Daß nur mein
    Tod ihr ein Erlebnis sei,
    Damit im Dumpfen unter Erdenschollen
    Ich noch verraten und verlassen sei.
    _____


     

  • Udo Brachvogel (1835-1913)

    Leb' wohl

    Leb' wohl! Im Herzen stockt das Blut,
    Die Brust durchwühlet
    Todesqual;
    Bald Eis auf Eis, bald Gluth auf Gluth
    Ruht Mund auf Mund - zum letzten Mal.
    Was ineinander sich gerafft,
    Reißt auseinander das Geschick;
    Die breite
    Todeswunde klafft,
    Drauf heilend fällt kein Engelsblick.

    Leb' wohl! Das ist das Grabgeläut,
    Das jedes Glück zum Kirchhof schleift.
    Jetzt lockt der
    Tod, der sonst gedräut,
    Zum Grabe bist Du schnell gereift.
    O Fluch, der auf der Liebe ruht,
    Das Märtyrkreuz ist Dein Symbol!
    Aufzuckt und zischt der Seele Gluth, -
    Und stirbt doch nicht im Lebewohl.

    Und stirbt doch nicht! Daß sie nicht stirbt
    Das ist der Fluch, das ist der Schmerz;
    Das schale Leben buhlt und wirbt
    Zumeist um ein gebroch'nes Herz.
    Doch färbt das Alter Dich auch weiß,
    Stets klingt ein Echo dumpf und hohl:
    "Du warst Dein ganzes Leben Greis
    Seit jenem einen Lebenwohl!"
    _____


    Einziges Geständniß

    Es ist umsonst, ich kann das Wort nicht sprechen!
    Ich sehe feindlich nur nach Dir hinüber,
    Gleichgiltig scheinend wandl' ich Dir vorüber,
    Mag Innen auch dabei die Seele brechen.

    Wenn Deine Lippen meine Gluth verlachten!
    Das ist es, was ich nimmer könnte tragen;
    Ich würde selbst mir in das Antlitz schlagen,
    Ich müßte selbst auf ewig mich verachten.

    So schweig' ich denn; in meines Lebens Neige
    Will ich des Eigenhasses Gift nicht träufen,
    Nicht will ich selbst mein
    Todtenmal mir häufen,
    Ich seh' Dich an und sterbe, - doch ich schweige.

    Die Nachtigall, die bald auf meinem Grabe
    Ihr Nest erbaut in holden Frühlingstagen,
    Und dies Gedicht, sie mögen Dir einst sagen,
    Ob ich und wie ich Dich geliebet habe.
    _____


    Ahasver

    Mir hat die Liebe sich in Fluch gewandt,
    Da das Geschick Dein Herz mir nicht vergönnte;
    Nun flehe ich mit mattgerung'ner Hand
    Nur noch um ein's: daß ich Dich hassen könnte.

    Wahnsinnig Fleh'n! Er lastet
    todesschwer,
    Und fort und fort schlepp' ich an diesem Fluche.
    So sucht den
    Tod der ew'ge Ahasver,
    Wie ich Dich oder - Dich zu hassen suche.
    _____


    Und wieder wankt mir unter'm Fuße
    Und biegt und bricht der schwanke Steg.
    O zeigt kein Engel mir, kein Gott denn
    Aus diesem Labyrinth den Weg?

    Schon glaubte ich das Ziel errungen,
    So schmerzlich es auch war, so schwer,
    Und doch jetzt stößt es mich auf's Neue
    Hinaus in's wüste Zweifel-Meer.

    Unsel'ges Herz, gieb Dich zur Ruhe
    Was schwelg'st Du denn in dieser Noth?
    Du kannst den Zweifel nicht ertragen,
    Doch die Gewißheit wird Dein
    Tod.
    _____


    Letzter Wille

    Was in Liebe ich begonnen,
    Lass' in Liebe mich vollenden;
    Sterbend will an Dich noch einmal
    Ich mein ganzes Herz verschwenden.
    Niemals fürchtete den
    Tod ich,
    Kann es doch nur ein Moment sein, -
    Nein, ich bebte nur vor Einem:
    Lebend je von Dir getrennt sein.

    Wisse, daß die reine Glocke,
    Schlägt sie auch ein Bub' in Scherben,
    Unter vollen Klängen springet,
    Und daß Schwäne singend sterben.
    Und so will ich hingeh'n, - lächelnd
    Streif' ich noch an Dein Gewand nur,
    Doch der
    Tod wird Wonnetaumel,
    Schließt mein Auge Deine Hand nur!
    _____


     

  • Helene Branco (Ps. Dilia Helena) (1816-1894)

    Alles in dir

    Du lehrest mich die Lieder singen,
    Du hauchest den Gesang mir ein,
    Du leihst der Seele höhre Schwingen;
    Wer giebt mir Lieder? du allein.

    In dir empfind' ich nur das Leben,
    Du rufst die Seele aus dem Nichts,
    Du giebst mir Glauben, giebst mir Streben,
    Trägst mich hinauf in's Reich des Lichts.

    O sage mir, mein hoher Meister,
    Was ich dir opfernd weihen mag!
    Im unermessnen Reich der Geister
    Zieht dir, nur dir mein Wesen nach.

    Befiehl, ich gehe in's Verderben,
    In Nacht und Graus und
    Tod hinein;
    Dir will ich tausend
    Tode sterben,
    Du giebst mir tausendfaches Sein.
    _____


     

  • Clemens Brentano (1778-1842)

    Die Liebe fing mich ein mit ihren Netzen,
    Und Hoffnung bietet mir die Freiheit an;
    Ich binde mich den heiligen Gesetzen,
    Und alle Pflicht erscheint ein leerer Wahn.
    Es stürzen bald des alten Glaubens Götzen,
    Zieht die Natur mich so mit Liebe an.
    O süßer
    Tod, in Liebe neu geboren,
    Bin ich der Welt, doch sie mir nicht verloren.
    _____


     

  • Karoline Bruch-Sinn (1853-1911)

    Ich möchte in heißem Glutverlangen

    An brennenden Lippen schauernd hangen,
    In lodernde Augen seh'n -
    In Augen, aus welchen die Liebe spricht,
    Die sehnend auch mir im Herzen glüht -
    In seligen Schauern vergeh'n!
    O Liebe, Du bist das Himmelreich

    Und auch die flammende Hölle zugleich -
    Bist Dämon und Gott allzumal -
    Bist blühendes Leben und grausiger
    Tod
    Und nächtliches Dunkel und Morgenrot
    Mit Deiner seligen Qual!
    _____


     

  • Carmen Sylva (1843-1916)

    Ueber die weiße Fläche
    Gleitet ein
    todtes Blatt,
    Das der Baum ließ fallen,
    Der Wind gejaget hat.

    So fällt ein
    todtes Herze
    Herab vom Weltenbaum,
    Willen- und planlos flatterts
    Allein durch weiten Raum.
    _____


     

  • Helmina von Chézy (1783-1856)

    Sehnsucht

    Ach! hätt ich nur Worte, zu singen
    Der Liebe unendliches Lied!
    Ach! könnt' ich mit Flügeln mich schwingen
    Zur Stelle, wo Wiedersehn blüht!

    Da schau ich so träumend ins Weite,
    Der Himmel ist wolkig und grau,
    Ach! wär mir der Liebste zur Seite
    Stünd Alles in Blüthe und Thau.

    In Blicken, da blühte die Minne,
    Auf Lippen, da blühte der Kuß -
    Ach! wie ich so träume und sinne,
    Und einsam stets einsam seyn muß!

    Doch so auch, im bangenden Triebe,
    Willkommen mir, himmlische Pein!
    Das Leben ist
    Tod ohne Liebe,
    Wie möcht' ich gelassen doch seyn?
    _____


    Ich kenn ein' Rose wundersüß,
    Die Rose ist das Paradies,
    Von zarten Lippen ist's ein Kuß,
    Nach dem ich ewig schmachten muß -
    Du, aller Huld und Schönheit reich,
    Gieb mir den Kuß, den
    Tod zugleich!
    _____


    Einsames Weh

    War Alles hin auf Erden,
    War Alles öd und still,
    Dacht' Weinen nur und Sterben,
    Da fand ich spät noch dich.

    An deinem Herzen weinen,
    War da mein seelig Weh.
    An deinem Busen sterben,
    War da mein Hoffnungstraum.

    Nun muß ich weinen, sterben,
    Doch nicht an deiner Brust,
    Nun ist die Thräne bitter,
    Nun ist der
    Tod ohne Lust!
    _____


    Märzen Sonne

    Zu bald der Frühling kam,
    Zu schnell ein Ende nahm.
    Ihr zarten Blümelein,
    Gelockt vom Sonnenschein,
    Sterbt hin, sterbt hin!
    Rasch kam der warme Hauch,
    Und rasch verging er auch
    Sterbt hin, sterbt hin!

    Wär ich solch Blümelein,
    Stürb ich am Herzen Dein,
    Und haucht' am süßen Ort
    Das leise Schmerzenswort:
    "Nun sterb ich hin! -
    Ist
    Todeslust so rein,
    Wie muß nicht Leben seyn,
    Am Herzen Dein!"
    _____


     

  • Ada Christen (1839-1901)

    »Heut haben wir schönes Wetter.«
    »O ja, recht schönes, mein Herr!«
    Das sind so unsre Gespräche,
    So kalt, so dumm, so leer.

    Du streichelst mir fragend die Wange,
    Du kennst das gewisse Roth;
    Für dich ist's nichts als Schminke -
    Für mich: in der Brust der
    Tod.
    _____


    Todte Liebe, - kalte Asche!
    Armer, längst zerstob'ner Traum -
    Wie ein geisterhaftes Mahnen
    Weht es durch den öden Raum!
    Oft ist mir, als müßt ich hüten
    Dich, wie einst, mein sterbend Kind -
    Doch ein Luftzug - und die Asche
    Fliegt hinaus in Nacht und Wind!
    _____


     

  • Peter Cornelius (1824-1874)

    Der Sehnsucht Träne mag ich stillen

    Der Sehnsucht Träne mag ich stillen,
    Im Herzen bleibt die Sehnsucht doch,
    Und hier im Lied, das sagt dir noch:
    Die Träne floß um deinetwillen!

    Ich armer Staub, ich hab' ein Sehnen
    Nach dir, dem andren Häuflein Staub,
    O dürft' ich einst, des
    Todes Raub,
    In einem Sarg mit dir mich dehnen.

    Ich hab' dich nicht - o welch Entbehren!
    Ich träum' dich wohl in meine Näh',
    Doch mehrt das nur des Herzens Weh,
    Das nach dir selber muß begehren!

    Wie mühsam, schleppend ist mein Singen,
    Wie halb das doch so schöne Wort,
    Nur die Gedanken stürmen fort
    In Liebeshast zu dir zu dringen.

    Die Hoffnung, wäre Gott ein Dichter,
    Wär' seine schönste Melodie,
    Der Sprache schönstes Wort ist sie,
    Wie Sterne hell und fast noch lichter.

    Die Hoffnung, dürft' ich die nicht hegen,
    Wenn böse Macht mir die entriß,
    Mir wär' der schnelle
    Tod gewiß,
    Und
    Tod wär' dann noch reicher Segen.

    Denn was der Blume Luft und Licht,
    Der Boden, dem sie kann entsprießen,
    Der Tau, der mild sich will ergießen,
    Soll sie vergehn und welken nicht,

    Das bist du mir, daher die Tränen,
    Die Hoffnung lächelnd mir gestillt;
    Doch lächelt Hoffnung noch so mild,
    Dein eigen Lachen ist mein Sehnen.
    _____


    Einmal noch in einem Liede singen

    Einmal noch in einem Liede singen
    Möcht' ich all die Herzenslust und Qual,
    Und dann sterben in des Lied's Verklingen
    Und noch denken: 's war das letzte Mal!
    Einmal noch an deinem Kuß mich weiden,
    Einmal noch an deines Auges Strahl,
    Und dem
    Tod, wenn sanft er trieb' zum Scheiden
    Lächelnd sagen: 's war zum letztenmal!
    _____


     

  • Max Dauthendey (1867-1918)

    Einst werden Sonn' und Sterne kalt

    Du liegst so gut in meinem Arm,
    So gut ruht nur in mir mein Herz.
    Wir schweben wie das Feuer fort
    Und leben nur der Küsse Leben.
    Einst werden Sonn' und Sterne kalt,
    Uns hat der
    Tod vergessen müssen,
    Und tausend, tausend Jahre alt
    Leben wir noch in jungen Küssen.
    _____


    Weiter fällt mir mein Traum nicht ein

    Du warst mir nah in meinem Traum,
    Deine Stirn war weißer als dein Kleid.
    Ein Kuß allein hatte zwischen uns Raum,
    Mein Herz fand kaum zum Schlagen Zeit.

    Ein Blick in deinen Wimpern stand,
    Wie auf dem Samt ein Messer liegt,
    So daß ich schön den
    Tod empfand,
    Der heiß mit deinen Augen siegt.

    Und noch ein Blick fiel in mein Blut,
    Wie eine Rose in den Wein. -
    Weiter fällt mir mein Traum nicht ein,
    Eh' nicht mein Mund auf deinem ruht.
    _____


    Im Grund deiner Augen

    Im Grund deiner Augen steht meine Welt auf dem Kopf,
    Dort lächle ich meinen Feinden zu und küsse dem
    Tod die Finger.
    Klopfe an mit dem warmen Hammer in deiner Brust,
    Es ist ein Schatz in meinem Meer. Täglich ging ich hinter dir her,
    Sammelte deine Worte und deine Gebärde, zog Gold darum
    Und versteckte sie unter roter Erde in einem roten Meer.
    _____


     

  • Edmund Dorer (1831-1890)

    Gleiches

    Es fliegt mit sehnendem Verlangen
    Der Falter in die Glut;
    Ob ihn die Flammen auch umfangen,
    Er stirbt mit frohem Mut.

    Der Mensch begehrt mit gleichem Triebe
    Zu enden seine Not.
    Und seine Sehnsucht sucht dich, Liebe,
    O Liebe, süßer
    Tod!
    _____


     

  • Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857)

    Der Schiffer

    Du schönste Wunderblume süßer Frauen!
    Ein Meer bist Du, wo Flut und Himmel laden,
    Fröhlich zu binden von des Grüns Gestaden
    Der Wünsche blüh'nde Segel voll Vertrauen.

    So schiffend nun auf stillerblühten Auen
    In Lockennacht, wo Blicke zaubrisch laden,
    Des Mund's Korall'n in weißem Glanze baden,
    Wen füllt' mit süßem Schauer nicht solch Schauen!

    Viel hab' ich von Syrenen sagen hören,
    Stimmen die aus dem Abgrund lockend schallen
    Und Schiff und Schiffer ziehn zum kühlen
    Tode.

    Ich muß dem Zauber ew'ge Treue schwören,
    Und Ruder, Segel lass' ich gerne fallen,
    Denn schönres Leben blüht aus solchem
    Tode.
    _____


     

  • Gerrit Engelke (1890-1918)

    Tristan und Isolde

    Sie tranken Blut aus ihrer Schale - - -

    Der Feuerfunken in sie säte,
    Den sie als Herrin herbefahl,
    Der aufrecht sie mit Trotz verschmähte:
    Dem reichte sie den Giftpokal.

    Sie reichte ihm den schweren Becher,
    Er blickte kühl, blieb stumm und trank.
    Ihr Arm, der herrisch gab, ward schwächer,
    Als sie die Neige trank - er sank.

    Ein bittres Warten beide füllte -
    Sie standen atmend, blickgebannt - -
    Schwand nicht der Trotz, der ihn umhüllte?
    War diese Glut ihr
    Todesbrand?

    Sie tranken Blut aus ihrer Schale,
    Sie tranken rotes Liebesblut -
    Da quoll aus diesem
    Todpokale,
    Sie jäh durchströmend: Liebesflut!

    Sie fielen, Mund zu Mund gefunden,
    So in Umarmung ohne Wehr,
    Sie sanken hin, bedrückt, gebunden
    Von neuem Leben überschwer.

    Sie tranken Blut aus ihrer Schale.
    _____


     

  • Bruno Ertler (1889-1927)

    Liebesnacht

    Es gibt keine Welt —
    es gibt keinen
    Tod
    kein drängendes Irren mehr
    und kein Morgen-Erwarten.

    Reiner Bereitschaft zuckendes, großes "Ja!"
    hüllt uns in jauchzende Brände
    wollender Kraft —
    und der Rausch, der aus uns aufloht,
    reißt mit heilig frevelnder Gebärde
    den glühenden Schöpferstab
    aus der Hand Gottes
    und zieht einen funkelnden Bannkreis
    um unser Lager.

    Aufschäumende, du!
    Acker von Frühlingserde
    unter dem ersten Pflug!

    Sieh: Meines Denkens formender Wille
    ist ein schöpfendes Dich-Gestalten
    aus dem Anfang der Welt —
    der reißende Schlag meiner heißen Adern
    tönt das Urlied vom Garten Eden in meine Schläfen:

    "Zwei Menschen waren allein auf aller Erde
    und waren Form.
    Doch da Liebe sie überfiel,
    bäumte sich ihnen Lust und Schmerz
    in einem begehrend feindlich umschlingenden,
    in wilder Einheit endlos verklingenden
    einzigen Schrei —
    und sie lebten!"

    Es gibt keine Welt —
    kein Morgen mehr —
    keinen
    Tod
    keine Frage —
    nur tiefer Einheit volle Ewigkeit. —
    _____


     

  • Gisela Etzel (1880-1918)

    Seit ich dich liebe, habe ich ein Fühlen,
    Als trüge ich mein Herz in offnen Händen,
    In das nun alle Schmerzen niederfielen,
    Die sich nur je bei Liebe nahe fänden.

    Und tief befangen leb ich meine Tage
    Und blicke strahlend auf die Schmerzen nieder,
    Die ich um dich in meinem Herzen trage,
    Und küsse sie und singe ihnen Lieder

    Und fühle, daß ich sacht zu
    Tode gehe,
    Denn lange läßt sich solche Last nicht tragen:
    Zu viel des Glücks, daß ich nun vor mir sehe
    So ewige Lust von liebeseligen Tagen!

    Ich weiß gewiß, daß solches Zudirflammen,
    Wie ich jetzt fühle, nur noch Sterben kennt:
    So schweres Glück fällt tief mit Leid zusammen,
    Und
    Tod nur ist, der beides wieder trennt.
    _____


     

  • August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)

    Liebesglück

    In jedes Haus, wo Liebe wohnt,
    Da scheint hinein auch Sonn und Mond;
    Und ist es noch so ärmlich klein,
    So kommt der Frühling doch hinein.

    Der Frühling schmückt das kleinste Haus
    Mit frischem Grün und Blumen aus,
    Legt Freud in Schüssel, Schrank und Schrein,
    Gießt Freud in unsre Gläser ein.

    Und wenn im letzten Abendrot
    An unser Häuschen klopft der Tod,
    So reichen wir ihm gern die Hand,
    Er führt uns in ein bessres Land.
    _____


     

  • Karoline von Fidler (1801-1874)

    Liebe

    Die Lieb' ist Alles! Wer zu lieben weiß,
    Der kennt des Daseins einzig werthen Preis;
    In ihm ist Gott - er hat das Licht, die Kraft,
    Er hat den Glauben und die Wissenschaft!

    Wer liebt, der lebt, und giebt des Lebens Lust
    All' dem, was er umschließt mit warmer Brust;
    Er theilet aus - sieht seinen Schatz nicht an,
    Er weiß es, daß er endlos geben kann.

    Die Liebe hat nicht Zweifel, hat nicht Noth,
    Die Sünde kennt sie nicht, kennt nicht den
    Tod -
    Die Lieb' ist ewig! - und darum allein,
    Weil ich geliebt, werd' ich unsterblich sein!
    _____


     

  • Marie Laura Förster (1817-1856)

    Was wünsch' ich mir, wenn ich im Sterben liege
    Und weit die Welt vor meinem Blick entsinkt,
    Wenn ich der Hülle ahnend schon entfliege,
    Und schon mein Geist aus Himmelsquellen trinkt,
    O daß im
    Tod als Leben mir geblieben
    Die Macht zu lieben!
    _____


     

  • Maria Clementine François (1823-1844)

    Mein Herz

    Nicht immer war mein Herz so kalt und still;
    Einst schlug es freudig dieser Welt entgegen.
    Viel Blumen pflückte ich auf meinen Wegen;
    Die schönsten aber ließ die Liebe blühn.

    Und einen Göttertraum hab' ich durchträumet.
    Da plötzlich ward der heit're Himmel trübe:
    Verrath vergalt vertrauensvolle Liebe,
    Und alle Freudengenien sah ich fliehn.

    Und blutend starb die Liebe, Seufzer haben
    In meinem Herzen still sie eingegraben;
    Der
    Todtengruft nun gleicht seitdem mein Herz.

    Und ausgetobt nun hat der wilde Schmerz.
    Mit Wehmuth nur kann ich den Leichnam sehn -
    Der lebend so entzückend war, so schön!
    _____


    Der Frühling

    Was lockst du mich Frühling,
    Voll Wonne und Lust?
    Kannst doch mir nicht schmelzen
    Das Eis in der Brust?

    Was schauet ihr Blumen
    So still nach mir her?
    Eu'r Blühen und Duften
    Mich freut es nicht mehr.

    Was singet ihr, Vögel?
    Ihr mehrt meine Noth!
    Ihr singet von Liebe -
    Mein Liebchen ist
    todt.
    _____


     

  • Agnes Franz (1794-1843)

    Der Scheidende

    Du willst es, daß ich von Dir gehe,
    Und machst die Trennung mir zur Pflicht,
    Doch, - ob ich fern von Dir bestehe,
    Dies, Grausame, dies frägst Du nicht.

    Du droh'st dem Freund, und lächelst leise,
    Wenn düster er von Sterben spricht,
    Und beutst ihm tröstende Beweise,
    Daß Leid so leicht ein Herz nicht bricht.

    Was nennst Du
    Tod, was nennst Du Leben? -
    Schau' auf die Blume, wie beglückt
    Sich ihres Kelches Gluthen heben,
    Wenn sie in's Aug' der Sonne blickt.

    Zum Balsam wird des Thaues Zähre,
    Zum Glanz der Staub, der sie ernährt,
    Es hat die lichte Sonnensphäre
    Zum Göttertraum ihr Seyn verklärt.

    Da pflanzt - in ihres Glückes Fülle
    Des Gärtners Hand sie in ein Land,
    Wo zu der Felsen düst'rer Stille
    Kein Sonnenstrahl den Weg noch fand.

    Gewohnt, das süße Licht zu grüßen,
    Hebt suchend sie das Haupt empor,
    Doch muß sie bald den Irrthum büßen,
    Kein Sonnenantlitz tritt hervor.

    Kalt ist der Odem, den sie trinket,
    Kalt, wie in einer Grabesnacht.
    Es bleicht der Farben Glanz, es sinket
    Der Zweige Kraft, der Blätter Pracht.

    Nicht
    Tod, nur langsames Entfärben,
    Hinwelken ist's, was sie bedroht,
    Ihr Leben wird ein langes Sterben,
    Ein Loos, grausamer als der
    Tod.

    Sie lebt, - doch ohne Duft und Blüthe,
    Sie lebt, - doch ohne zu erfreu'n.
    Der Zweig, dem sonst die Ros' entglühte,
    Wird bald als Dorn dem Wand'rer dräu'n.

    Verstehst Du nun den Schmerz des Lebens,
    Dem man des Daseyns Licht geraubt?
    Du wehrest seiner Macht vergebens?
    Kein Trostwort hebt der Blume Haupt.

    Ich werde scheiden, - werde leben, -
    Doch wage nie, von diesem Seyn
    Den Schleier forschend aufzuheben!
    Laß Gram und Thränen mir allein!
    _____


     

  • Else Galen-Gube (1869-1922)

    Sonnenuntergang

    Abends wenn die Sonne untergeht,
    sitz ich trauernd, träumend in Gedanken
    an die Stunden, die in nichts versanken,
    bis die alte Zeit mir aufersteht.

    Schemenhaft naht mir vergangnes Glück,
    meinen Kummer täuschend zu besiegen.
    Mit der Dämmrung kommt es aufgestiegen,
    nur mein Liebstes bringt es nicht zurück.

    Ruhelos, verzweifelt irr ich dann
    durch die Zimmerflucht beim Abendscheine.
    Einen Tag wie alle Tag alleine -
    Komm, o komm doch, heißgeliebter Mann!

    Hilf der hoffnungslosen Liebe Not,
    du, mein Gott, reiß ab die Lebensstunden,
    heilt so leicht doch alle Herzenswunde
    handauflegend der Erlöser
    Tod.
    _____


    Aufschrei

    Du ließest hier zurück dein junges Weib,
    das einen Wunsch nur hatte hier auf Erden:
    Dein, dein zu sein mit Seele und mit Leib!

    Was soll aus mir Verzweifelten nun werden?
    Mit deinem
    Tod erstarb mein Liebesglück,
    und nur mein heißes Herz blieb hier zurück.

    Schwül naht die lange Nacht mit ihren Träumen,
    es weht ein Odem von Erinnrungsduft,
    doch zwischen dir und mir gähnt deine Gruft.

    Noch alles ist wie sonst in diesen Räumen;
    nur eins, mein Bestes und mein Liebstes fehlt,
    du, dem ich mich aus Leidenschaft vermählt. …

    Hier ruhte einst dein Kopf und dort die Hände,
    mein Antlitz neben dir, ganz dicht im Pfühl,
    umweht von deinem Atem wonnig-schwül.

    O, daß ich einmal noch dich wiederfände!
    Nicht wiedersehen, nein, dich wiederhaben
    und nach der Stunden Glück das Glück begraben.
    _____


    Zwei Nächte

    Hab ihn genommen an meine Brust,
    ihn zu erwecken zu neuer Lust ……
    Geküßt auf den kalten, bleichen Mund,
    geküßt, bis mir meine Lippen wund!
    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    In seiner letzten, der
    Todesnacht,
    hab jäh ich gedacht
    an eine andre, die erste Nacht.

    Heut kalt der Liebste und damals so heiß,
    im Haar trug ich Schleier und Myrtenreis,
    sie hüllten zwei selige Menschen ein,
    die wollten beide nur eins noch sein ……

    Warum hieltst du nicht Wort? Warum tauschtest du heut
    mit dem Hochzeitsgewand das Totenkleid?
    Und es kommt noch so manche, lange Nacht - -
    meine Liebe, die ist nun aufgewacht!
    Du hast sie mit deinen Küssen geweckt,
    du hast sie aus ihrer Ruhe geschreckt,
    du hast sie hungern und dürsten gemacht
    nach den Seligkeiten der Frühlingsnacht!

    Da liegst du – tot - -
    und in mir loht
    weiter und weiter der heischende Brand,
    und bald – dann kommt der Frühling ins Land,
    und kein Mund, der mir rot die Lippen küßt,
    wenn die spähende Sonne ging zur Rüst.

    Liebster, Geliebter! - -
    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    In deiner letzten, der
    Todesnacht,
    hab jäh ich gedacht
    an eine andre, die erste Nacht. - -
    _____


    Kein Vergessen

    Nie werd ich es vergessen,
    du heißgeliebter Mann,
    daß still mein ganzes Leben
    mit deinem
    Tod verrann.

    Nie mehr soll ich dir lauschen,
    nie deine Augen sehn,
    nie mehr wirst du mich küssen,
    mein wilder Frühlingsföhn.

    Nie mehr werd ich umschlingen
    dich reckenhafter Mann,
    der mir mit selgem Lachen
    den Gürtel abgewann …

    Was soll mir Jugendschönheit?
    Du liegst im Heidegrab,
    da werf die Lust zum Leben
    und Lieben ich hinab.
    _____


    Schmerzhafte Liebe

    Ob ich dich liebte hast du nie
    mit Worten mich gefragt,
    hab dirs wohl hundert-tausendfach
    mit meinem Blick gesagt.

    Daß ich dich liebte hast du einst
    in meinem Arm gefühlt,
    wenn ich im Kusse dich erstickt,
    dir wild dein Haar zerwühlt.

    Doch als der
    Tod das Auge brach,
    drin ich mein Glück gesehn,
    da lernt ich erst im wilden Schmerz
    die Liebe ganz verstehn.
    _____


    Gute Nacht, Liebster!

    Ruhig lagst du auf den weichen Kissen,
    als der
    Tod dich, Liebster, mir entrissen;
    um mich her ward plötzlich finstre Nacht.

    Blumen bracht ich dir und meine Tränen,
    und mit unermeßlich heißem Sehnen
    hielt ich dir die letzte Totenwacht.

    Küßte deine Lippen, deine kalten,
    hab in meinen Armen dich gehalten,
    bis die Sonne glühend aufgewacht.

    Ach, der Sonne noch so licht Gefunkel
    hellt nicht auf der Seele tiefes Dunkel -
    Gute Nacht, du Liebster, gute Nacht!
    _____


    Tod

    Wenn die Vergangenheit der Gruft entsteigt,
    allnächtlich sich an meinen Leib zu pressen,
    wenn deine Schönheit über mich sich neigt,
    so heiß, als hab das Grab dich nie besessen,
    dann stirbt der Einsamkeit qualvolle Not,
    dann bist du mein, wie du es warst im Leben,
    dann steht er machtlos da, der Schnitter
    Tod,
    dann ist mir Herrschaft über ihn gegeben.
    _____


    Abschied

    Weißt du wohl, daß jeder Abschied
    einer Sternstunde ähnlich?
    Wenn des
    Todes Hand uns streift,
    fällt die Blüte von den Bäumen;
    heute Nacht hats auf den Träumen
    meines Frühlingsglücks gereift.

    Aber wie ein Wind auch Lichter
    auslöscht, weil sie klein, erbärmlich,
    so entfacht der Sturm die Glut,
    bis zum hellen Brand zusammen
    schlagen himmelwärts die Flammen,
    sieghaft, purpurrot wie Blut.

    Bildnis deiner edlen Seele,
    meiner abgrundtiefen Liebe
    sind die Lichter sturmumloht.
    Trennungsweh soll uns nicht quälen,
    Liebende wie wir vermählen
    sich auf Leben oder
    Tod.
    _____


     

  • Amara George-Kaufmann (1835-1907)

    Was sprichst Du von Trennungsleiden?
    Was denkst Du an
    Tod und Gruft?
    Wer Düfte der Liebe sauget,
    Der athmet des Lebens Luft.

    Und könnte Dir sterblich dünken
    Wahrhaftiger Liebe Gluth,
    Sie, die so fremd dem Staube,
    Im Grunde der Gottheit ruht?

    Es drohe, wann sie wolle,
    Die dumpfe
    Todesnoth;
    Ein Sein, ein Leben giebt es,
    Das weiß von keinem
    Tod.
    _____


     

  • Theodor Robert Grosewsky (1823-1866)

    An ***

    Wenn ich Dich, liebes Kind,
    Irgendwo seh',
    Wird mir im Herzensgrund
    Immer so weh'!

    Wenn ich Dich, liebes Kind,
    An's Herze drück',
    Bin ich so traurig stets
    Ueber mein Glück!

    Und küss' ich Deinen Mund,
    Kirschblutigroth,
    Bin ich so selig - und
    Wünsche den
    Tod!

    Wünsch', daß ich sterben könnt'
    Am Busen Dein,
    Kannst ja mein Eigen für
    Immer nicht sein!

    Im weiten Parke steht
    Glänzend Dein Schloß,
    Im Wiesengrunde geht
    Weidend mein Roß!
    _____


     

  • Alfred Grünewald (1884-1942)

    Flüchtender Eros

    Ich trage
    Tod. Mein Leben brennt.
    Ihr fürchtet meine Feuer.
    Mein Lachen, das ihr gut erkennt,
    ist blutig wie das Firmament,
    wenn Nacht, das Ungeheuer,
    im Niederflug die Welt entflammt.
    Ich trage
    Tod und ziehe
    von Herz zu Herz. Ich bin verdammt.
    Ich bin die Qual, der ihr entstammt.
    Ich bin der Feind und fliehe.
    _____


     

  • Karoline von Günderrode (1780-1806)

    Die Bande der Liebe

    Ach! mein Geliebter ist
    tod! er wandelt im Lande der Schatten
    Sterne leuchten ihm nicht, ihm erglänzet kein Tag
    Und ihm schweigt die Geschichte; das Schicksal der Zeiten
    Gehet den mächtigen Gang, doch ihn erwecket es nicht;
    Alles starb ihm mit ihm, mir ist er doch nicht gestorben
    Denn ein ewiges Band eint mir noch immer den Freund.
    Liebe heißet dies Band, das an den Tag mir geknüpft
    Hat die erebische Nacht,
    Tod mit dem Leben vereint.
    Ja ich kenne ein Land, wo
    Todte zu Lebenden reden,
    Wo sie, dem Orkus entflohn, wieder sich freuen des Lichts,
    Wo von Erinn'rung erweckt, sie auferstehn von den
    Todten
    Wo ein irdisches Licht glühet im Leichengewand.
    Seliges Land der Träume! wo, mit Lebendigen,
    Todte
    Wandeln, im Dämmerschein, freuen des Daseyns sich noch.
    Dort, in dem glücklichen Land, begegnet mir wieder der Theure,
    Freuet, der Liebe, sich meiner Umarmungen noch;
    Und ich hauche die Kraft der Jugend dann in den Schatten,
    Daß ein lebendig Roth wieder die Wange ihm färbt,
    Daß die erstarreten Pulse vom warmen Hauche sich regen,
    Und der Liebe Gefühl wieder den Busen ihm hebt.
    Darum fraget nicht, Gespielen! was ich so bebe?
    Warum das rosigte Roth löscht ein ertödtendes Blaß?
    Theil ich mein Leben doch mit unterirdischen Schatten,
    Meiner Jugend Kraft schlürfen sie gierig mir aus.
    _____


    Adonis
    Tod


    1.
    Die Göttin sinkt in namenlosem Leide,
    Den Jäger traf des Thieres wilde Wuth;
    Die Rose trinkend von des Jünglings Blut,
    Glänzt ferner nicht im weißen Liljenkleide.

    Das Abendroth der kurzen Liebesfreude
    Blickt traurig aus der Blume dunklen Gluth;
    Adonis
    todt im Arm der Göttin ruht;
    Das Schönste wird des kargen Hades Beute.

    Verhaßt ist ihr des langen Lebens Dauer,
    Das Götterlos wird ihrer Seele Trauer,
    Die sehnsuchtskrank den süßen Gatten sucht.

    Und still erblühet heißer Thränen Frucht;
    Den stummen Schmerz verkünden Anemonen,
    Den ew'gen Wunsch im Schattenreich zu wohnen.


    2.
    Den Liljenleib des Purpurs dunkler Schleier
    Dem irren Blick der Göttin halb entzieht;
    Der Trauer Bild, die Anemone, blüht
    So weiß als roth zur stillen
    Todtenfeyer.

    Erloschen ist in Ihm des Lebens Feuer,
    Sein
    todtes Aug' die Blume nimmer sieht. -
    Doch plötzlich schmilzt der Göttin Leid im Lied,
    Die Klage tönt, die Seele fühlt sich freier.

    Ein Kranker, der des Liedes Sinn empfunden,
    Durch Ihrer Töne Zauber soll gefunden. -
    Der Andacht gerne Liebe sich vertraut.

    Und glaubig einen Tempel er sich baut,
    Auf daß er pflege in dem Heiligthume
    Der Sehnsucht Kind die süße Wunderblume.


    3.
    Adonis Todtenfeyer
    Wehe! daß der Gott auf Erden
    Sterblich mußt gebohren werden!
    Alles Dasein, alles Leben
    Ist mit ihm dem
    Tod gegeben.
    Alles wandelt und vergehet,
    Morgen sinkt was heute stehet;
    Was jetzt schön und herrlich steiget,
    Bald sich hin zum Staube neiget;
    Dauer ist nicht zu erwerben,
    Wandeln ist unsterblich Sterben.
    Wehe! daß der Gott auf Erden
    Sterblich mußt gebohren werden!
    Alle sind dem
    Tod verfallen,
    Sterben ist das Loos von allen.
    Viele doch sind die nicht wissen,
    Wie der Gott hat sterben müssen;
    Blinde sind es, die nicht sehen,
    Nicht den tiefen Schmerz verstehen,
    Nicht der Göttin Klag und Sehnen,
    Ihre ungezählten Thränen,
    Daß der süße Leib des Schönen
    Muß dem kargen
    Tode fröhnen.

    Laßt die Klage uns erneuern!
    Rufet zu geheimen Feyern,
    Die Adonis heilig nennen,
    Seine Gottheit anerkennen,
    Die die Weihen sich erworben,
    Denen auch der Gott gestorben.

    Brecht die dunkle Anemone,
    Sie, die ihre Blätterkrone
    Sinnend still herunter beuget,
    Leise sich zur Tiefe neiget,
    Forschend ob der Gott auf Erden
    Wieder soll gebohren werden!

    Brechet Rosen; jede Blume
    Sei verehrt im Heiligthume,
    Forscht in ihren Kindermienen,
    Denn es schläft der Gott in ihnen;
    Uns ist er durch sie erstanden
    Aus des dumpfen Grabes Banden.
    Wie sie leis hervor sich drängen,
    Und des Hügels Decke sprengen,
    Ringet aus des Grabes Engen
    Sich empor verschloßnes Leben;
    Tod den Raub muß wiedergeben,
    Leben wiederkehrt zum Leben.
    Also ist der Gott erstanden
    Aus des dumpfen Grabes Banden.
    _____


    Überall Liebe

    Kann ich im Herzen heiße Wünsche tragen?
    Dabei des Lebens Blüthenkränze sehn,
    Und unbekränzt daran vorüber gehn
    Und muß ich traurend nicht in mir verzagen?

    Soll frevelnd ich dem liebsten Wunsch entsagen?
    Soll muthig ich zum Schattenreiche gehn?
    Um andre Freuden andre Götter flehn,
    Nach neuen Wonnen bei den
    Todten fragen?

    Ich stieg hinab, doch auch in Plutons Reichen,
    Im Schooß der Nächte, brennt der Liebe Glut
    Daß sehnend Schatten sich zu Schatten neigen.

    Verlohren ist wen Liebe nicht beglücket,
    Und stieg er auch hinab zur styg'schen Flut,
    Im Glanz der Himmel blieb er unentzücket.
    _____


    Liebe

    O reiche Armuth! Gebend, seliges Empfangen!
    In Zagheit Muth! in Freiheit doch gefangen.
    In Stummheit Sprache,
    Schüchtern bei Tage,
    Siegend mit zaghaftem Bangen.

    Lebendiger
    Tod, im Einen sel'ges Leben
    Schwelgend in Noth, im Widerstand ergeben,
    Genießend schmachten,
    Nie satt betrachten
    Leben im Traum und doppelt Leben.
    _____


    Die Malabarischen Witwen

    Zum
    Flammentode gehn an Indusstranden
    Mit dem Gemahl, in Jugendherrlichkeit,
    Die Frauen, ohne Zagen, ohne Leid,
    Geschmücket festlich, wie in Brautgewanden.

    Die Sitte hat der Liebe Sinn verstanden,
    Sie von der Trennung harter Schmach befreit
    Zu ihrem Priester selbst den
    Tod geweiht,
    Unsterblichkeit gegeben ihren Banden.

    Nicht Trennung ferner solchem Bunde droht,
    Denn die vorhin entzweiten Liebesflammen
    In einer schlagen brünstig sie zusammen.

    Zur süßen Liebesfeyer wird der
    Tod,
    Vereinet die getrennten Elemente,
    Zum Lebensgipfel wird des Daseins Ende.
    _____


     

  • Robert Hamerling (1830-1889)

    Trost

    Ich will mit Liedestönen
    Mein sehnend Herz erheitern,
    Ich will im ewig Schönen
    Mein enges Sein erweitern.

    Zum Trotz den
    Todesgluten
    Der Liebe will ich leben,
    Will auf des Lebens Fluten
    Wie Schwäne selig schweben.

    Kann ich auch nie vergessen
    Die süßen Sternenaugen,
    Was sollen mir Cypressen
    Statt Ros' und Lorbeer taugen?

    Ich will im ewig Schönen
    Mein enges Sein erweitern,
    Ich will mit Liedestönen
    Mein sehnend Herz erheitern.
    _____


     

  • Heinrich Heine (1797-1856)

    Durch den Wald, im Mondenscheine,
    Sah ich jüngst die Elfen reuten;
    Ihre Hörner hört ich klingen,
    Ihre Glöckchen hört ich läuten.

    Ihre weißen Rößlein trugen
    Güldnes Hirschgeweih und flogen
    Rasch dahin, wie wilde Schwäne
    Kam es durch die Luft gezogen.

    Lächelnd nickte mir die Köngin,
    Lächelnd, im Vorüberreuten.
    Galt das meiner neuen Liebe,
    Oder soll es
    Tod bedeuten?
    _____


     

  • Max Herrmann-Neiße (1886-1941)

    Einer Liebe
    Tod

    Aus rohen Worten eine Dornenkrone
    war alles, was ihm seine Liebe ließ;
    der einst der Glücklichste den Menschen hieß,
    verbarg sich einsam nun vor ihrem Hohne
    und grübelte: "Wie konnte das geschehen,
    und warum trifft dies Niegeglaubte ihn,
    daß Freuden, deren Frühling ewig schien,
    mit einem Male rettungslos vergehen?
    Wo waren jene Stunden der Vertrautheit,
    die gegen alle nur sie zwei verband,
    wenn ihrer Lust stilles Geheimnisland
    war Insel auf dem Meer herzloser Lautheit?"
    Sie hatte plötzlich starr vor ihm gestanden
    mit einem Blicke, so unnahbar kalt,
    da war auch das Vergangne ungestalt
    und Jahr um Jahr der Gnade ganz abhanden.
    Was er noch sprach, versank vor ihrer fernen
    Unheimlichkeit und klang ihm selbst nicht wahr.
    O daß vor dieser tödlichsten Gefahr
    er keine Warnung las in seinen Sternen!
    Was straften sie ihn so! Er schwieg betroffen. -
    Dann sah er auf und war wie sie allein
    und wußte, dieses würde ewig sein
    und keine neue Liebe zu erhoffen.
    Da blieb Erinnerung verfallnen Glanzes
    nur das, was er mit wunden Händen hielt.
    Er hockt im Dunkel, hilflos stumm, und spielt
    mit den Trophäen seines Dornenkranzes.
    _____


    Verlangen nach Liebe

    Laß mich noch einmal die Liebe erleben,
    die meine welkenden Jahre verjüngt,
    daß wir uns wieder dem Schwärmen ergeben,
    einer im andern sich zärtlich verjüngt,
    daß wir den Frühling im Blut uns erwecken,
    uns verwandeln im Liebesgespräch,
    taumelnd in Küssen die Ewigkeit schmecken,
    sterbend vereint sind im Abschiedsgespräch,
    wieder am Morgen zum Leben erwachen,
    wieder zur Liebe, zum frühen
    Tod,
    einem
    Tode in kindlichem Lachen,
    der nur ein Spiel ist vom wirklichen
    Tod,
    der uns den Glanz und die Stille wird geben,
    die unsre furchtsame Unrast verneint.
    Laß mich noch einmal die Liebe erleben,
    die meine welkenden Jahre verneint!
    _____


    Gebet um Bürgerlichkeit

    Guter Gott, laß mich geborgen sein,
    ohne Spott und ohne Sorgen sein,
    guten Muts in schönen Stuben ruhn!
    Gib mir Lampenschein und Bücherreihn
    und Kamine und ein Gärtchen klein
    und am Tage ein ersprießlich Tun!

    Unrast, Abenteuer-Not und Neid,
    Rache, Sehnsucht nach besterntem Kleid
    laß wie Blendwerk, guter Gott, vergehn!
    Vor den Augen der Geliebten sei
    Zwist und Zweifel im Entstehn entzwei
    und ihr Mund Im-Himmel-Wiedersehn!

    Gib uns beiden, guter Gott, dies Glück:
    daß bescheiden uns das letzte Stück
    meines Weges sanft wird, kummerlos!
    Und ihr Herz sei mir bis in den
    Tod
    Heimat, Zärtlichkeit und Zebaoth!
    Und mein Sterben leicht in ihrem Schoß!
    _____


     

  • Georg Heym (1887-1912)

    Stirb, und ich will dir folgen ...

    Stirb, und ich will dir folgen
    Ins Grab noch diese Stund,
    Atmend in langem Kusse
    Den
    Tod an deinem Mund.
    _____


    Brennt eine Flamme ...

    Brennt eine Flamme wohl in dem Gefäße,
    Daraus die Luft man zog, und mögen Früchte reifen,
    Wo Winters Stürme Nacht und Tage streifen?
    Wer ist, der dies zu glauben sich vermäße?

    Doch Liebe soll in Einsamkeiten blühen?
    Und sich an Totenhäuser trauernd lehnen?
    Die leben muß, sie kann sich
    Tod nicht sehnen.
    Die Fackel darf nicht wünschen, zu verglühen.

    Die Ferne wär ihr
    Tod. Ob ich schon zwänge
    In Haft sie ein, und mit Erinnerungen
    Sie fristen wollte, wär sie nicht entsprungen,
    Eh noch ein Band um ihren Fuß sich schlänge?
    _____


     

  • Joseph Emanuel Hilscher (1806-1837)

    Ihre Schönheit

    Vergebens hab' ich Worte ausgewählt,
    Um deiner Schönheit Allgewalt zu singen:
    Dem frommen Eifer will es nicht gelingen,
    Ich fühle, daß es mir an Ausdruck fehlt.

    Denn alle Anmuth, so die Erde zählt,
    Seh' ich in dir um Oberherrschaft ringen;
    Und alle Reize, welche dich umschlingen,
    Sind ganz von deinem schönen Geist beseelt.

    O! diese Schönheit hegt des Feuers Macht:
    Sie glänzet, sie erwärmet, und verzehrt
    Die Schlacken jeder Seele, die ihr naht.

    Nie wird sie von der Hand der Zeit zerstört,
    Nie wird sie schwinden in des
    Todes Nacht,
    Weil sie die Quelle in dem Geiste hat.
    _____


     

  • Edmund Hoefer (1819-1882)

    In Liebeslust verlangen
    Glückselig nach dem
    Tod,
    Wenn deine Lippen hangen
    An Lippen lebensroth.
    Wenn deine Augen sinken
    In Augen tief und licht -
    In solcher Lust nur trinken
    Den
    Tod - das kann ich nicht.

    Den
    Tod laß ich den Tröpfen,
    Die seufzend rings ich seh',
    Ich will das Leben schöpfen
    Aus deiner Liebe See!
    Es rauscht in meinen Adern
    Mit stürmisch heißem Drang,
    Ich will mit ihm nicht hadern,
    Und währt' es noch so lang!

    Ich will das Leben haben,
    Das Leben voll und ganz!
    Es soll mich selig laben
    Sein reichster Blüthenkranz.
    Ich will in deinen Armen
    Nicht ruhen
    todt und stumm,
    Die Arme schling, die warmen
    Ich fest um dich herum.

    Ich will dein Lachen hören
    Und jauchzen selbst darein,
    Ich will dich lieben lehren
    Und selbst dein Schüler sein.
    Ich will dir sein ergeben,
    Dich halten tief bewußt,
    Und leben mit dir, leben!
    Das heiß ich Liebeslust.
    _____


     

  • Mia Holm (1845-1912)

    Totenklage

    Das war der
    Tod, mit scharfem Schnitte
    Hat er dich jäh von mir getrennt.
    O wäre unser jene Sitte,
    Die mit dem Mann das Weib verbrennt!

    Mir graut, dich in den Sarg zu stecken
    Und in der Erde dunklen Schoss,
    Ich weiss, du willst die Glieder strecken
    Auch noch im
    Tode fessellos.

    Du glaubtest nicht an Höll' und Sünden,
    Du warst wie Feuer heiss und rein,
    Könnt ich den Holzstoss dir entzünden
    Und auch im
    Tode bei dir sein!
    _____


     

  • Felix Hübel (1874-1922)

    NICHTS ist die Liebe, nichts als jener
    Tod,
    das große Sterben, das in jäher Glut
    im Herbste aufflammt, gelb und purpurrot.
    Lieben heißt reif sein, reif sein aber gut
    zum Sterben, denn so will's der Schöpferwille.
    Wenn unsre Kräfte strömend überfließen
    und alle unsre Brünste sich ergießen,
    sind gleich der Flamme wir, die rauschend loht
    wir glühen, strahlen, flackern — und sind tot,
    verzehrt von unsrer eigenen Überfülle.
    _____


     

  • Maria Janitschek (1859-1927)

    Geburtstagsgruß

    Heut war dein
    Todestag. Ich konnt nicht beten,
    ich konnt nicht weinen; müde schwieg mein Herz.
    Zur Nachtzeit war ich in den Wald getreten;
    starr lag er da, wie eine Welt von Erz.

    Schläfst du denn, Leben? Will sich gar nichts regen?
    Mich dünkt, ich selber wär vor Leid versteint.
    Es meidet mich der Thränen linder Segen,
    und dieser Nacht bleibt selbst ihr Thau verneint.

    So still, so ernst, so bleiern! Mitternacht!
    Wohin hat sich das Leben denn verkrochen?
    Als ob der
    Tod mit seiner schwarzen Pracht
    erdrückt des Erdenherzschlags lautes Pochen.

    Da ... nein, das .. ist ... o Gott, das ist ja Traum,
    das muß ja Traum sein, denn die Wirklichkeit
    erdichtet solche Wunderthaten kaum ...

    Ein Vogel singt, um Mitternacht! .. ganz leise,
    als flüstern liebe Lippen, singt er; schauernd
    beugt sich mein Knie der wunderbaren Weise.

    Das ist kein Vogel, was da oben singt,
    das ist die fleischgewordene Erbarmung
    der ewigen Liebe, die den
    Tod bezwingt
    und Starres weckt zu seliger Erwarmung.

    Und plötzlich dünkt der Wald mich ganz erhellt,
    in weißen Kränzen seh ich Wesen gleiten,
    die lichten Söhne einer andern Welt,
    die nach der Schwester ihre Arme breiten.

    Heut ist dein
    Todestag! Nun kann ich beten,
    nun kann ich weinen ... Freudenthränen weinen ...
    _____


     

  • Justinus Kerner (1786-1862)

    Liegt dein Herz gedrückt an meines,
    Kann ich wahrlich niemals sagen:
    Sind's die Wellen meines, deines,
    Die in solcher Liebe schlagen?

    Wollte nur, ich könnte legen
    In dein Herz mein Herz, zu fühlen
    Schmerz und Lust in gleichen Schlägen,
    Gleiches Lieben, gleiches Zielen,

    Daß, wenn Frieden meines fände,
    Frieden dann auch fände deines,
    Daß, wenn deins im
    Tode stände,
    Dann auch ständ' im
    Tode meines.
    _____


    Würdest sterben du vor mir,
    Würd' dein
    Tod den Tod mir geben,
    Denn wie könnt' ich, ach! noch hier
    Mit zerteiltem Herzen leben?

    Wäre wie der alte Baum,
    Den der wilde Sturm gespalten
    Bis zur Wurzel, daß er kaum
    Kann sich überm Abgrund halten.

    Sinken muß er in die Kluft,
    Der zerrißne, blätterlose. -
    Sänke bald in deine Gruft,
    Daß uns deckten gleiche Moose.
    _____


    In der Krankheit
    An Sie

    Du blickst mich an so trüb!
    Was hat es denn gegeben?
    Ich hatte ja so lieb
    Dich durch mein ganzes Leben!

    Siehst wohl den
    Tod mir an,
    Ach! er ist nicht mein Wille,
    Ist meines Gottes Plan,
    Dem muß ich folgen stille.

    Muß lassen deine Hand,
    Dem
    Tod die meine reichen,
    Der führt den Leib ins Land
    Vorangegangner Leichen.

    Doch meine Liebe nicht!
    Zur Leiche wird nicht Liebe,
    Sie bricht, ein ew'ges Licht,
    Aus aller Gräber Trübe.
    _____


    An Sie, nach Ihrem
    Tode

    1.
    Fort, fort sind meine Rosen.

    Fort, fort sind meine Rosen,
    Fort ist mein schöner Traum.
    Die wildsten Stürme tosen
    In meines Gartens Raum.

    Die Freunde kommen, sehen,
    Wie Nacht mein Herz, mein Haus,
    Und gern sie wieder gehen
    Aus dieser Nacht hinaus.

    Wohl möcht' ich vieles sagen,
    Doch stumm, stumm muß ich sein!
    Wehlaute und ihr Klagen,
    Schließt fest ins Herz euch ein!

    Verhalte, Aug'! die Tränen,
    Verstumme, bleicher Mund!
    Sprächst du, sie würden wähnen,
    Dein Kopf sei nicht gesund.


    2.
    Klage.
    Keine Muse hab' ich mehr!
    Seit sie ist von mir gegangen,
    Meiner Leier Saiten sprangen,
    Hab' ich keine Muse mehr.

    Keinen Himmel hab' ich mehr!
    Seit das Auge sie geschlossen,
    Draus ein Himmel mir geflossen,
    Hab' ich keinen Himmel mehr,

    Hab' ich keine Erde mehr,
    Irr' ich, wie vom Sturm verschlagen
    Eine Möwe irrt voll Klagen
    Überm bodenlosen Meer;

    Über einem Meer voll Nacht,
    Über einem Meer voll Kummer,
    Wo nicht Ruhe ist, nicht Schlummer,
    Kalte Wirklichkeit nur wacht.

    Ew'ge Liebe! führe du
    Fort mich aus dem Meer, dem trüben,
    Auf zum Lichte meiner Lieben
    Oder ew'gem Schlummer zu!


    3.
    Wüßt' ich, wüßt' ich, wo sie wär'!
    Wüßt' ich, wüßt' ich, wo sie wär'!
    Wär' sie in den fernsten Landen,
    Löst' ich mich von allen Banden,
    Schifft ich durch das weite Meer.

    Wüßt' ich, wüßt' ich, wo sie wär'!
    Wäre sie auf Gletschers Höhen,
    Würd' ich durch die Wolken gehen,
    Wieder sie zu holen her.

    Wüßt' ich, wüßt' ich, wo sie wär'!
    Wäre sie in Meereshallen,
    In den Gärten von Korallen,
    Holt' ich sie aus tiefem Meer.

    Tot, o! tot kann sie nicht sein!
    Immer fühl' ich ihre Nähe;
    Doch wo ist sie? sagt's! ich flehe. –
    Wo sie ist, weiß Gott allein.


    4.
    Keine Heimat mehr!
    O daß du mich verlassen,
    Du liebe, treue Hand!
    Den Wanderstab zu fassen,
    Bin ich nicht mehr imstand.
    Nur durch die Zimmer geh' ich
    Mit Füßen müd und schwer,
    Die alten Wände seh' ich,
    Doch keine Heimat mehr.
    Geh' durch des Gartens Räume
    Im Sonn- und Mondenlicht,
    Seh' wohl die alten Bäume,
    Die alte Heimat nicht.
    Die sank, seit du verschieden,
    Ins tiefe, tiefe Meer,
    Hab' keinen, keinen Frieden,
    Hab' keine Heimat mehr!


    5.
    In der Nacht.
    Gern wollt' ich ja am Tage Schmerzen leiden,
    Verdorren sehen meines Lebens Baum,
    O! käme nachts von meinen alten Freuden
    Zu mir nur einmal noch ein schöner Traum.
    Doch schlaflos blick' ich stets nach jener Stelle,
    Von der mir nachts oft ihre Stimme klang,
    Und war es auch nur ihres Atems Welle,
    Hat mir's getönt wie leiser Engelsang.
    Doch schlaflos muß ich nachts zur Stelle blicken.
    Von der mir bald kein süßer Laut mehr kam,
    An der ich, sie zum letztenmal zu drücken,
    Die kalte Hand in meine heiße nahm.
    Was hab' ich noch? Ein Auge müd und trübe,
    Das dennoch sich nicht schließen kann zur Ruh',
    Ein Herz, weit offen für den Schmerz der Liebe.
    Komm, lieber
    Tod! schließ mir die beiden zu!


    6.
    Verlassensein.
    Wie oft hab' ich mein Herz geleget,
    Als ich noch jung war, an ihr Herz,
    Als noch kein Schmerz mein Herz beweget,
    Nur Liebe, Freude, muntrer Scherz.

    Jetzt, wo mein Alter ist voll Kummer,
    Sie tot ist, ich noch lebend bin,
    Wo in den Nächten ohne Schlummer
    Soll legen ich mein Herz noch hin?

    Hin, wo kein Herz mir schlägt entgegen,
    In tiefer Waldnacht ganz allein
    Will ich mein heißes Herz nur legen
    An einen kalten stummen Stein!


    7.
    Wie bin ich alt!
    Lang lebte sie, doch wurde sie nicht alt,
    Jung blieb sie stets an Geist mir, an Gestalt,
    Und jung auch ich; jung, jung mein Herze schlug,
    Das ich bald siebzig Jahr' lang in mir trug,
    Doch als der
    Tod sie plötzlich von mir nahm,
    Da fühlt' ich erst, woher die Kraft mir kam;
    Von ihr kam mir der Jugend langer Halt,
    Sie ging – und o mein Gott! – wie bin ich alt!


    8.
    Daß du von mir gegangen.
    Daß du von mir gegangen,
    Du liebes, treues Herz!
    Das war nicht dein Verlangen,
    Mein Schmerz war auch dein Schmerz.
    Natur hat dich gerissen
    Aus meinen Armen fort.
    Warum? – wird diese wissen,
    Hier hat der Mensch kein Wort.


    9.
    Die Hälfte.
    Füglich nannt' ich meine Hälfte sie, mein gutes, liebes Weib,
    Fünfzig Jahre lang verwachsen mit mir ganz mit Seel' und Leib.
    Nun da sie von mir gerissen, bin ich eine Halbheit nur,
    Denk' nur halb, fühl' nur halb noch, lieb' nur halb noch die Natur.
    Schmerzlich zieht mich's nach der Hälfte! –
    Tod, end' dieser Halbheit Pein!
    Führ' mich hin, hin wo ich wieder mit ihr darf ein Ganzes sein!


    10.
    Sie starb.
    Sie starb, mit ihr bin ich gestorben,
    Doch war mein
    Tod ein Scheintod nur.
    Sie aber starb und hat erworben
    Sich eine schönere Natur;
    Doch ich, ich lebe, wie der lebet,
    Der, vom
    Scheintode aufgewacht,
    Vergebens aus dem Grabe strebet
    Aus einem Herzen voll von Nacht.


    11.
    Wie dir so mir.
    Wie dir geschah, so soll's auch mir geschehn,
    Nur wo du hinkamst, will auch ich hingehn:
    Ich will ins Licht nur, wirst im Licht du sein,
    Bist du in Nacht, so will ich in die Nacht,
    Bist du in Pein, so will ich in die Pein.
    Von dir getrennt hab' ich mich nie gedacht,
    Zu dir, zu dir will ich allein, allein!


    12.
    Wunsch.
    Daß du vor mir gestorben,
    O Herz! geschah wohl nur,
    Weil du dir früh erworben
    Hast himmlische Natur.

    Ich aber, der voll Erde,
    Muß noch auf Erden sein,
    Bis daß wie du ich werde
    Zum Licht der Himmel rein.

    Send' mir ein Zeichen nieder,
    Daß ich mich täusche nicht,
    Daß ich zu dir komm' wieder,
    Bin licht ich wie du licht.

    Doch kann mir's nicht gelingen,
    Daß je dein Licht mir lacht,
    Bitt' Gott: er woll' mich bringen
    Doch in die stillste Nacht.


    13.
    Wohin ist sie gekommen?
    Wohin ist sie gekommen?
    Wer hat sie mir genommen?
    Der
    Tod? – wohl zum Verwesen
    Der ird'schen Hülle nur?
    Im Buche der Natur
    Ist solches nicht zu lesen.

    Drum Buch! drum Wort! gegeben
    Von Gott dem Erdenleben,
    Laß einzig dich mich fassen,
    In dich mich gläubig sehn,
    Ich fühl's in meinen Wehn:
    Wer dich läßt – ist verlassen.


    14.
    Sie in mir.
    Oft, wenn ich etwas sprechen will,
    Spricht's erst ihr Geist in mir ganz still,
    Dann sprech' ich's nach mit frohem Mut,
    Denn was sie sprach – war recht und gut.


    15.
    Recht! Recht!
    "Nur recht! nur recht!" war oft dein liebes Wort,
    Recht, recht hast du gesorget immerfort,
    Recht mitgeteilt, geliebet recht und echt!
    O bleib in mir so lang, bis ich bin tot recht, recht!


    16.
    Ihr Todestag.
    Kann euch nicht den Tag benennen, dran dem Tode sie erlag;
    Denn es ist seitdem mir jeder, jeder Tag ist
    Todestag.


    17.
    Des Herzens Stillstand.
    Als dein Leben mit dem meinen
    Noch zerfloß, du gutes Weib!
    Wie hat da mein Herz geschlagen
    Jung selbst noch im alten Leib!
    Seit dein Leben floh aus meinem,
    O, wie schlägt mein Herz so matt!
    Als wär' von ihm fortgerissen,
    Was es sonst beweget hat.
    Als der alten Uhr ich lauschte
    Heute nächtlich an der Wand,
    Leise ging sie, immer leiser,
    Bis sie endlich stillestand.
    Nach der Kette wollt' ich greifen,
    Sie zu ziehen wieder auf,
    Doch das Hauptrad war zersprungen
    Und zu Ende so ihr Lauf.
    _____


     

  • Alma Johanna Koenig (1887-1942)

    Alle Tag

    Alle Tag, alle Tag sterb ich tausendfaltig
    gekreuzigte
    Tode um dich.
    Alle Nacht, alle Nacht küßt du zaubergewaltig
    erneutes Leben in mich ...

    Alle Tag, alle Tag möcht ich Meere durchqueren
    damit ich erlöst von dir wär.
    Alle Nacht, alle Nacht müßt ich wiederkehren
    auch über das weiteste Meer ...

    Alle Tag, alle Tag muß ich fröstelnd denken:
    "Im
    Tod, da gehört er nur mir."
    Alle Nacht, alle Nacht möcht ich Länder verschenken
    für ein liebes Wort von dir ...
    _____


    Willst du mir
    Tod, - vergiftet, Stich um Stich
    langsamer Nadeln, die ins Fleisch mir dringen?
    Nicht ziemt dies dir, dem Erben klarer Klingen,
    nicht dem, den Männerkrieg verschont, wie dich!

    Willst du mir
    Tod? - Du sollst ihn offen bringen,
    Flamberg in Händen, ehrlich, ritterlich.
    Die Brust, an der du ruhtest, biete ich,
    als kämst du, mich wie einst zur Lust zu zwingen.

    Willst du mir
    Tod, - was heuchelst du und lügst,
    statt zu verfügen, was ich nur ersehne?
    Das Schwert, mir wär es Fackel, wenn du's trügst!

    Willst du mir
    Tod, ich stürb ihn ohne Träne,
    wenn du mich dann in deinen Mantel schlügst,
    mich küssend, - noch - eh ich die Flügel dehne!
    _____


     

  • Nikolaus Lenau (1802-1850)

    An der Bahre der Geliebten

    Blaß und auf immer stumm, auf immer! liegst du
    Hingestreckt, o Geliebte, auf der Bahre!
    Deine Reize lockten den
    Tod, er kam, er
    Hält dich umarmet!

    Einst in der Kühlung leiser Abendwinde
    Saßen wir am Gemurmel eines Baches,
    Und ich sprach aus zitternder Seele dir: "ich
    "Liebe dich ewig!"

    Aber du neigtest sinnend nach den Wellen,
    Nach den flüchtigen, tief dein schönes Antlitz,
    Wie ergriffen von dem Geflüster dunkler
    Stimmen der Zukunft.

    Schmerzlich berührt von deinem Schweigen, frug ich,
    Ob vernommen das Wort du meiner Seele,
    Und du nicktest hold; doch es dünkte mir dein
    Nicken zu wenig. -

    Glühende Thränen stürzen mir vom Auge,
    Und sie pochen an deine kalte Stirne,
    Ach, von der geflohen dahin das stille
    Sinnen der Liebe.

    Meine gebrochne Stimme ruft dir bange
    Nach: "ich liebe dich ewig!" o wie selig
    Wär' ich nun, antwortete meinem Schmerz dein
    Leisestes Nicken!
    _____


    Der schwere Abend

    Die dunklen Wolken hingen
    Herab so bang und schwer,
    Wir beide traurig gingen
    Im Garten hin und her.

    So heiß und stumm, so trübe
    Und sternlos war die Nacht,
    So ganz wie unsre Liebe
    Zu Thränen nur gemacht.

    Und als ich mußte scheiden
    Und gute Nacht dir bot,
    Wünscht' ich bekümmert beiden
    Im Herzen uns den
    Tod.
    _____


    Jugend und Liebe

    Die Jugend folgt, ein Rosenblatt, den Winden.
    Wenn, jung getrennt, sich wiedersehn die Alten,
    Sie meinen doch, in ihren ernsten Falten
    Den Strahl der süßen Jugend noch zu finden.

    Des Dauerns Wahn, wer läßt ihn gerne schwinden?
    Mag auch ein Herz, das uns geliebt, erkalten,
    Wir suchen immer noch den Traum zu halten,
    Nur stiller sei geworden sein Empfinden.

    Die Jugend folgt, ein Rosenblatt, den Lüften;
    Noch leichter als die Jugend flieht die Liebe,
    Die nur des Blattes wonnereiches Düften.

    Und dennoch an den herben
    Tod des Schönen,
    Im treuen Wahn, als ob es ihm noch bliebe,
    Kann sich das Herz auch sterbend nicht gewöhnen.
    _____


    Nächtliche Wanderung

    Die Nacht ist finster, schwül und bang,
    Der Wind im Walde tost;
    Ich wandre fort die Nacht entlang,
    Und finde keinen Trost.

    Und mir zur Seite, engelmild,
    Und, ach, so schmerzlich traut,
    Zieht mein Geleite hin, das Bild
    Von meiner
    todten Braut.

    Ihr bleiches Antlitz bittet mich,
    Was mich ihr süßer Mund
    So zärtlich bat und feierlich
    In ihrer Sterbestund':

    "Bezwinge fromm die
    Todeslust,
    "Die dir im Auge starrt,
    "Wenn man mich bald von deiner Brust
    "Fortreisset und verscharrt!"

    Da unten braust der wilde Bach,
    Führt reichen, frischen
    Tod,
    Die Wogen rufen laut mir nach:
    "Komm, komm, und trinke
    Tod!"

    Das klingt so lieblich wie Musik,
    Wird wo ein Paar getraut;
    Doch zieht vom Sprunge mich zurück
    Das Wort der
    todten Braut.

    Stets finstrer wird der Wolkendrang,
    Der Sturm im Walde brüllt,
    Und ferne hebt sich Donnerklang,
    Der immer stärker schwillt.

    O schlängle dich, du Wetterstrahl,
    Herab, ein Faden mir,
    Der aus dem Labyrinth der Qual
    Hinaus mich führt zu ihr!
    _____


    Das dürre Blatt

    Durchs Fenster kommt ein dürres Blatt,
    Vom Wind hereingetrieben;
    Dies leichte, off'ne Brieflein hat
    Der
    Tod an mich geschrieben.

    Das dürre Blatt bewahr ich mir,
    Will's in die Blätter breiten,
    Die ich empfangen einst von Ihr;
    Es waren schöne Zeiten!

    Da draußen steht der Baum so leer;
    Wie er sein Blatt im Fluge,
    Kennt sie vielleicht ihr Blatt nicht mehr,
    Trotz ihrem Namenszuge.

    Der
    todten Liebe Worte flehn,
    Daß ich auch sie vernichte,
    Wie festgehaltne Lügner stehn
    Sie mir im Angesichte.

    Doch will ich nicht dem holden Wahn
    Den Wurf in's Feuer gönnen;
    Die Worte sehn mich traurig an,
    Daß sie nicht sterben können.

    Ich halte fest, zu bittrer Lust,
    Was all mein Glück gewesen,
    In meinen schmerzlichen Verlust
    Will ich zurück mich lesen.

    Das dürre Blatt leg ich dazu,
    Des
    Todes milde Kunde,
    Daß jedes Leiden findet Ruh,
    Und Heilung jede Wunde.
    _____


    Tod und Trennung

    Gottes Milde mocht' es fügen,
    Liegt ein Mensch in letzten Zügen,
    Stehn am Sterbepfühl die Seinen,
    Daß sie müssen weinen, weinen;

    Daß sie nicht vor Thränen schauen
    Das unnennbar bange Grauen,
    Wie der Geist verläßt die Hülle,
    Letztes Zucken, tiefe Stille.

    Weh dem Thränenlosen, wehe,
    Der sich wagt in Sterbens Nähe,
    Denn ihm kann durchs ganze Leben
    Jenes Grauen heimlich beben.

    Doch ein Anblick tiefrer Trauer,
    Bänger als des Sterbens Schauer,
    Wär' es, könnt' ein Aug es fassen,
    Wie zwei Herzen sich verlassen.
    _____


    Laß mich ziehn!

    Ich bin kein Freund von Sterbensehen;
    Wenn deine Liebe soll vergehen,
    So sterbe sie allein, ich will
    Mit meiner seyn allein und still.

    Gedächtniß weiß getreu von Jahren
    Die Liebeszeichen zu bewahren;
    Wenn eins dir nach dem andern weicht,
    Seh' ich, wie
    Tod dein Herz beschleicht.

    Du merkst es nicht, viel ist geblieben;
    O Gott! es war ein reiches Lieben;
    Viel hat der
    Tod zu knicken doch,
    Bis Alles aus; er knickt es noch.

    Du merkst es nicht; mein sind die Schmerzen;
    Doch leichter wird es deinem Herzen,
    Da du von mir dich scheidest los,
    Denn Lieben ist ein banges Los.

    Wie
    Tod sich mag mit Liebe messen,
    Bei dir, die ich nicht kann vergessen,
    Will ich's nicht schau'n, wenn ich's auch seh'
    Im Schmerze, daß allein ich steh'.

    Gut ist's vor's Aug' die Hände schlagen.
    Ist nicht ein Anblick zu ertragen;
    O könnte so das Herz dem Licht
    Entfliehn beim Anblick, der es bricht!

    Ich glaub' es nicht, daß deiner Seele,
    Der schönsten, ew'ge Liebe fehle;
    Doch traur' ich, bis die Gruft mich deckt,
    Daß meine Lieb' sie nicht geweckt.
    _____


    Das
    todte Glück

    Leis' umrauscht von Himmelsquellen,
    Süße Sehnsucht in der Brust
    Saß ich einst die mondeshellen
    Nächte da in stiller Lust.

    Jene Zeit wird nimmer kommen,
    Himmelsquellen sind versiegt,
    All mein Sehnen ist verglommen,
    Und mein Glück im Grabe liegt.

    Weib, du riefst in böser Stunde
    Mit dem zauberischen Blick,
    Mit dem wonnevollen Munde
    Schmeichelnd hin zu dir mein Glück.

    Und es kam ein Kind und schmiegte,
    Flehend sich in deinen Arm,
    Der es mild umschlang und wiegte,
    Als ein weicher Mutterarm.

    Nun das Kind in Traumeswonnen
    Hingeschlummert, sich verlor;
    Nahmst du still und kaltbesonnen
    Deinen
    Todesdolch hervor.

    Scharf geschliffen am Gesteine
    Deines Herzens war der Stahl,
    Und das Kind, um das ich weine,
    Athmete zum letztenmal.

    Und du stießest leicht und munter
    Wie ein Steinchen in den Bach,
    In das Grab mein Glück hinunter,
    Sahst ihm ruhig, lächelnd nach.
    _____


    Mein Stern

    Um meine wunde Brust geschlagen
    Den Mantel der Melancholei,
    Flog ich, vom Lebenssturm getragen,
    An dir, du Herrliche, vorbei.

    Vom Himmel deiner Augen stiegen
    Wie Engel Thränen niederwärts
    An deinen holdgerührten Zügen,
    Und priesen mir dein gutes Herz.

    Und alle Welten um mich schwanden,
    Mein Leben starrt' in seinem Lauf,
    Im süßempörten Busen standen
    Die alten Götter wieder auf.

    Da riß der Sturm von dir mich wieder
    Hinaus in seine wüste Nacht,
    Doch strahlt nun Frieden auf mich nieder
    Ein Stern mit ewig heller Pracht.

    Denn wie, vom
    Tode schon umfangen,
    Der Jüngling nach der holden Braut
    Die Arme streckt mit Glutverlangen,
    Und sterbend ihr ins Auge schaut:

    So griff nach deinem holden Bilde
    Die Seele, schaut es ewig an,
    Sieht nichts vom trüben Erdgefilde,
    Fühlt nicht die Dornen ihrer Bahn.

    Entriss' auch einst der
    Tod mir strenge,
    Was mir das Leben Liebes gab;
    Er nehm' es hin! doch Eines ränge -
    Ich ränge kühn dein Bild ihm ab.
    _____


    Frage nicht

    Wie sehr ich dein, soll ich dir sagen?
    Ich weiß es nicht, und will nicht fragen;
    Mein Herz behalte seine Kunde,
    Wie tief es dein im Grunde.

    O still! ich möchte sonst erschrecken,
    Könnt' ich die Stelle nicht entdecken,
    Die unzerstört für Gott verbliebe
    Beim
    Tode deiner Liebe.
    _____


     

  • Karoline Leonhardt (1811-1899)

    Das
    todte Herz

    Mein Herz das ist begraben
    Tief und gar weit von hier!
    Altes Lied

    Ich höre tausend Freuden,
    Ich seh' wohl tiefen Schmerz;
    Fühl' selbst nicht Glück noch Leiden,
    Hab' in der Brust kein Herz.
    Es bot wohl süße Gaben
    Das Leben einst auch mir.
    Jetzt? – Ist mein Herz begraben
    Tief und gar weit von hier!

    Ich wollt' es einst verschenken
    Und tauschen für mein Glück.
    Gab Dir mein Seyn und Denken,
    Doch gab'st Du mir's zurück.
    Da wollt' ich's nicht mehr haben,
    Und weil's nicht ist bei Dir,
    So hab' ich es begraben
    Tief und gar weit von hier.
    _____


     

  • Thekla Lingen (1866-1931)

    An den
    Tod

    Nun komm, du Einziger,
    Grosser, Stiller -
    Ich liebe dich!

    Ich bange nach dir
    In langen schweren,
    In thränenfeuchten,
    Durchweinten Nächten -
    Komm, küsse mich!

    Du bist der Eine,
    Der mir geblieben
    Von allen Wünschen,
    Von allen Küssen,
    Von allen schweren
    Brennenden Leiden -
    Komm, liebe mich!

    Du bist der Eine,
    Den ich ersehne -
    Sieh, wie ich harre,
    In bangen Schmerzen
    Mich weinend winde -
    Komm, küsse mich!

    Komm, neig dein schönes,
    Dein schwarzgelocktes,
    Dein stilles Haupt.
    Ich will dich umschlingen
    Mit weissen Armen,
    Ich will mich bergen
    An deine Brust,
    Ich will dir alles
    Und alles geben -
    Komm, liebe mich!

    Nimm meinen jungen,
    Von tausend Wünschen
    So heiss begehrten,
    Nimm meinen Leib! ...
    Nimm meines Herzens
    Zehrendes Sehnen,
    All meine Thränen,
    All mein Ringen,
    All meine grosse
    Unüberwundene
    Lodernde Lust -
    Komm, liebe mich!

    Sieh, wie ich kniee
    Vor deinem Willen!
    Sieh, wie ich weine
    In brünstigem Flehn! ...
    Neige dich, neige dich,
    Grosser, Stiller, -
    Lass mich in deinem
    Kusse vergehn! ...
    _____


    Sieh mich nicht an -

    Sieh mich nicht an mit diesen Augen,
    Sie dringen mir bis an das Mark,
    Sieh mich nicht an mit diesen Augen,
    Du siehst es doch, ich bin nicht stark.

    Umschling mich nicht mit diesen Blicken,
    Sie sind viel stärker als dein Arm,
    Umschling mich nicht mit diesen Blicken,
    Sie ziehn mich an dein Herz so warm.

    Sprich nicht zu mir mit diesen Lippen,
    Wie Wein so süss, so heiss, so rot,
    Sprich nicht zu mir mit diesen Lippen,
    Ich küss' dich dann, und wär's mein
    Tod.
    _____


     

  • Otto Heinrich Graf von Loeben (1786-1825)

    Zwei Gegner waren wider uns im Bunde,
    Und dachten unsre Liebe zu vernichten;
    Erst kam die Zeit, und hieß mich schnell verzichten
    Auf jeden Kuß von deinem lieben Munde.

    Doch als die Trennung eine tiefre Wunde
    Als erst dein Aug' in mir schien anzurichten,
    Da kam der
    Tod dem Feinde beizupflichten,
    Damit ich dich vergesse und gesunde.

    Vereint euch nur, unmöglich mir zu machen
    Die Wiederkehr in jene treuen Arme,
    Wo ich die Zeit, wo ich den
    Tod vergessen.

    Was Zeit, was
    Tod, das lehrt ihr mich ermessen;
    Doch daß die Genien der Liebe wachen,
    Lehrt mich ein Gott in meines Herzens Harme.
    _____


     

  • Hermann von Loeper (1820-1884)

    Die
    todte Liebe

    Wenn ich voll Gram um Mitternacht
    Noch wach' in meinem Kämmerlein,
    Dann öffnet sich die Thüre sacht,
    Die
    todte Liebe tritt herein.

    Sie schlägt zurück den weißen Flor,
    Der ihr verhüllt das Angesicht,
    Wie wenn aus dem Gewölk hervor
    Sich schimmernd drängt des Mondes Licht.

    Das Auge glänzt, die Wange blüht,
    Zur Schulter wallt das Lockenhaar,
    Der Busen wallt, die Lippe glüht,
    Wie damals, als ich glücklich war.

    Sie reicht mir ihre weiße Hand,
    Sie lächelt hold, sie flüstert leis,
    Und ach! wie einst, bin ich gebannt
    In ihren süßen Zauberkreis.

    Ich schließe sie in meinen Arm
    Und küsse sie in trunkner Lust;
    Ich hab' vergessen meinen Harm
    Und schlummre ein an ihrer Brust.

    Doch lange dauert nicht die Ruh;
    Ich höre einen bangen Schrei,
    Und seufzend flüstert sie mir zu:
    Es ist vorbei! Es ist vorbei!

    Des Blutes warmer Strom entquillt,
    Und es erlischt der Wange Gluth;
    Ein blasses kaltes Marmorbild
    Verstummt an meinem Herzen ruht.
    _____


     

  • Feodor Löwe (1816-1890)

    Du bist nicht
    todt, ruhst du im Grabe auch,
    Du lebst für mich - mir bist du nicht geschieden;
    Du schwebst um mich als duft'ger Frühlingshauch,
    Und singst als Nachtigall der Seele Frieden.

    Als schöner Stern, als flüchtig Traumgebild,
    In jeder Blume blühst du mir entgegen;
    Du klingst im Bache, rauschest im Gefild -
    Ich fühle dich und deiner Liebe Segen.

    Wir waren eins, wie Baum und Wurzel sind,
    Wir sind auch eins nach deinem
    Tod geblieben;
    Du tief im Grabe - mich durchbraust der Wind, -
    Und daß ich blühe, dank' ich deinem Lieben.
    _____


    Wer noch nie ein treues Herz gebrochen,
    Hat die Liebe noch nicht ganz empfunden,
    Kennet nicht das ruhelose Pochen
    Und das Strömen ew'ger
    Todeswunden.

    Einen Abschied für das ganze Leben -
    Wer ihn nie mit bleichem Mund gesprochen,
    Ist der Qual noch nicht dahin gegeben,
    Daß ein treues Herz für ihn gebrochen.

    Der allein kann Herzen nur verstehen,
    Der das seine konnte unterjochen;
    Der mit trock'nen Augen stumm gesehen,
    Wie ein treues Herz für ihn gebrochen.
    _____


     

  • Alfred Meißner (1822-1885)

    Die
    todte Geliebte

    Die Geister alter schöner Zeit beschwören
    In meiner Brust die Herrlichste der
    Todten,
    Und wie gewohnt im Trotze gen Despoten,
    Fühl' ich mein Herz sich gegen Gott empören:

    Und ihm zuruf' ich's, daß er's möge hören:
    Von den Gedanken, die im Geist dir lohten,
    War sie der schönste! Uns war sie geboten,
    Wie durftest du das holde Bild zerstören?

    Ob Sterben das Gesetz des Weltenrundes -
    Was kümmert's mich! Mir bringt es nicht Versöhnung,
    Ich werd' um sie doch ewig mit dir streiten.

    Schon daß der kleinste Schönheitszug des Mundes
    Verloren ging, ist gräßliche Verhöhnung,
    Denn was so schön, ist werth Unsterblichkeiten.

    _____


    Der Seelenkranke

    Ich träumte lang und war der Schmerzen Beute
    Ich bin erwacht und fühle mich genesen,
    Ich harre dein – wann kommst du süßes Wesen?
    Schon hallt von Dom das stille Nachtgeläute.

    Sieh wie mein Stübchen prangt! heut Morgens streute
    Ich Bänder bunt und Blumen auserlesen
    Hin auf mein Bett, wie ich gewohnt gewesen,
    Wenn du verschämt versprachst: ich komme heute.

    Du kommst heut nicht, und ich, ich soll dich hassen!
    Du gingst von mir, weil ich ein Sohn der Noth,
    Weil meine Wangen täglich mehr erblassen.

    Du hast dich zwischen Spät- und Morgenroth
    Von einem andern Buhlen küssen lassen
    Die fremden Menschen nennen ihn: den
    Tod.
    _____


    Das Gespenst im Herzen

    Unselig ist, wer liebt und nie besessen,
    Unsel'ger noch, wer Liebe nie empfunden,
    Den aber hält das ärgste Weh umwunden,
    Wer nicht mehr liebt und doch nicht kann vergessen.

    Mit altem Glück und Wonnen unermessen
    Vorhöhnen ihn die Geister alter Stunden,
    Und er, an der Erinn'rung Rad gebunden
    Muß an's verwaiste Herz die Hände pressen.

    Beim Festgelag, im Lenz, bei frohem Mahle
    Tritt wie ein Geist vor ihm die
    todte Liebe,
    Und klirrend fällt aus seiner Hand die Schale.

    Er wankt hinaus ein starrer Mann der Schmerzen,
    Kein Ort so grün, daß er dort heimisch bliebe -
    Ach
    todte Lieb' ist ein Gespenst im Herzen.
    _____


     

  • Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)

    Die
    tote Liebe

    Entgegen wandeln wir
    Dem Dorf im Sonnenkuß,
    Fast wie das Jüngerpaar
    Nach Emmaus,
    Dazwischen leise
    Redend schritt
    Der Meister, dem sie folgten,
    Und der den
    Tod erlitt.
    So wandelt zwischen uns
    Im Abendlicht
    Unsre tote Liebe,
    Die leise spricht.
    Sie weiß für das Geheimnis
    Ein heimlich Wort,
    Sie kennt der Seelen
    Allertiefsten Hort.
    Sie deutet und erläutert
    Uns jedes Ding,
    Sie sagt: So ist's gekommen.
    Daß ich am Holze hing.
    Ihr habet mich verleugnet
    Und schlimm verhöhnt,
    Ich saß im Purpur,
    Blutig, dorngekrönt,
    Ich habe
    Tod erlitten,
    Den
    Tod bezwang ich bald,
    Und geh in eurer Mitten
    Als himmlische Gestalt -
    Da ward die Weggesellin
    Von uns erkannt,
    Da hat uns wie den Jüngern
    Das Herz gebrannt.
    _____


     

  • Eduard Mörike (1804-1875)

    Der Spiegel dieser treuen, braunen Augen
    Ist wie von innerm Gold ein Widerschein;
    Tief aus dem Busen scheint ers anzusaugen,
    Dort mag solch Gold in heilgem Gram gedeihn.
    In diese Nacht des Blickes mich zu tauchen,
    Unwissend Kind, du selber lädst mich ein -
    Willst, ich soll kecklich mich und dich entzünden,
    Reichst lächelnd mir den
    Tod im Kelch der Sünden!
    _____


    Leben und
    Tod

    Sucht das Leben wohl den
    Tod?
    Oder sucht der
    Tod das Leben?
    Können Morgenröte und das Abendrot
    Sich auf halbem Weg die Hände geben?

    Die stille Nacht tritt mitten ein,
    Die sich der Liebenden erbarme!
    Sie winkt: es flüstert: »Amen!« - Mein und dein!
    Da fallen sie sich zitternd in die Arme.
    _____


     

  • Albert Möser (1835-1900)

    Wie oft rief ich den
    Tod schon an mit Beben,
    Mich zu befrein aus dieses Daseins Banden,
    Wenn öd' und leer die Tage mir entschwanden
    Und fruchtlos blieb des Busens bestes Streben.

    Doch nun preis' ich auf's Neu die Lust, zu leben,
    Seit dich entzückt die durstgen Blicke fanden,
    Und schlimmre Pein nicht gäb's in irdschen Landen,
    Als: sterbend jetzt in's Reich der Nacht entschweben.

    Dein Reiz knüpft mich an's Sein mit tausend Ketten,
    Und Glück heißt mir: in all der Zukunft Tagen
    Mich stumm zu deinen Füßen hinzubetten,

    Dich anzuschaun mit seligem Behagen
    Und trunknen Sinns in klingenden Sonetten
    Dir huldgend stets, wie schön du bist, zu sagen.
    _____


    Es gleicht mein Herz dem schlummernden Vulcane,
    Tief in sich birgt es dumpfverhaltne Glut;
    Wenn lang' mein Blick auf deinen Zügen ruht,
    Dann glüh' ich heiß, ob's auch dein Sinn nicht ahne.

    Ich hab' entsagt jedwedem Thorenwahne,
    Kein irdisch Ziel erregt mir Muth und Bluth;
    Gefaßt seh' ich des Schwarmes gierge Wuth,
    Zu tiefst verzehrt von bittren Unmuths Zahne.

    Und wollt' ich reden, würd' ich frei dir sagen:
    Die arge Welt dünkt schlechter mich als Koth,
    Und schreckhaft ist's, des Lebens Last zu tragen.

    Die Liebe nur nenn' ich des Lebens Brod,
    Dein Bild ist Leitstern meinen Erdentagen,
    Doch ohne dich ist Eins nur gut: Der
    Tod.
    _____


     

  • Wolfgang Müller von Königswinter (1816-1873)

    Zerronnen

    Was half die Glut, was half der Duft
    Der Rosen und der Nelken? -
    Sie mußten in der Winterlust
    Verwelken, ach, verwelken! -
    Was half in Lust und Strauch und Baum
    Der Vögel süßes Singen?
    Die Liebe mußt' ein duft'ger Traum
    Verklingen, ach, verklingen! -
    Der Schönheit droht
    Der
    Tod, der Tod, -
    Ach, alles wird er zwingen!

    Was halfen nun der jungen Brust
    Der Liebe helle Wonnen? -
    Längst ist der Blick' und Küsse Lust
    Zerronnen, ach, zerronnen! -
    Was half der Wort' und Schwüre Schaum
    In seligem Umschlingen?
    Die Liebe mußt', ein duft'ger Traum,
    Verklingen, ach, verklingen! -
    Der Schönheit droht
    Der
    Tod, der Tod, -
    Ach, alles wird er zwingen!
    _____


    Todt ist mir das Glück

    Herrlich, hohe Sommerzeit,
    Kamst du letztes Jahr,
    Da ich voller Seligkeit
    Liebestrunken war.

    O wie hat der Lindenduft
    Süß mein Herz berauscht,
    Als wir durch die Abendluft
    Schwur und Kuß getauscht!

    Stilles keusches Mondeslicht,
    Sang der Nachtigall -
    Doch ich sah und hörte nicht -
    Sie - sie war mein All! -

    Ach, es ging so zauberschwül
    Ueber Teich und Land -
    Herz und Herz - doch ein Gefühl -
    Flammend wilder Brand!

    Das ist noch der Park, der See,
    All die alte Pracht,
    Oed' die schöne Welt, o weh!
    Und das Licht ist Nacht!

    Herrlich, hohe Sommernacht,
    Kehrtest du zurück;
    Aber kalt ward mir die Maid,
    Todt ist mir das Glück!
    _____


     

  • Anton Noder (Ps. A. de Nora) (1864-1936)

    Der
    Tod und der Frühling

    Es kann nichts Schlimmres geben
    Von allen Schicksalsgaben
    Als, wenn sich kraftgeschwellt
    Ringsum erneut das Leben,
    Im Frühling zu begraben
    Sein Liebstes auf der Welt.

    Auf grünem Rasenkissen
    Das übersät die bunte
    Jungfrische Frühlingspracht,
    Klafft gähnend aufgerissen
    Wie eine schwere Wunde
    Der schwarze Grabesschacht.

    Da senken sie hinunter
    Die Truhe, die Dein Lieben,
    Dein ganzes Lieben barg;
    Dir ist als ob sie drunter
    Für immer auch begruben
    Den Frühling mit dem Sarg.

    Mit jeder Schaufel Erden
    Wird ja hinabgenommen
    Ein ganzes Blumenheer -
    - Ach nächsten Frühling werden
    Die Blumen wiederkommen . . .
    Nie, nie Dein Liebes mehr!
    _____


     

  • Hermann Oelschläger (1839-1908)

    Der Liebe Band

    Das ist der Liebe Band,
    Das uns umflicht:
    Ein Kuß, ein Druck der Hand
    Und dann Verzicht.

    Ein Flammen und Erglüh'n
    Wie Morgenpracht -
    Dann plötzliches Versprüh'n
    Und tiefe Nacht.

    Ein Jauchzen himmelauf,
    Dann Schmerz und Noth -
    Wonne und Elend drauf
    Und dann der
    Tod.
    _____


    Nichts will ich mehr von dir verlangen,
    Entsagen lernte früh mein Herz;
    Das holde Band, das uns umfangen,
    Zerbrachst du lächelnd, ohne Schmerz.
    Du hast das Elend kaum ermessen,
    Das deine Hand mir spielend bot;
    So wag' ich's denn, dich zu vergessen:
    Für mich sei
    todt.

    Es muß. Du würdest mir den Glauben
    Selbst an der Sonne holden Schein,
    An Luft und Licht, an Alles rauben -
    Vergessen sei! Es muß so sein.
    Betrog mich nicht dein frommes Blicken?
    Dann trügt auch Stern und Morgenroth;
    Vergessen sei! Es muß sich schicken:
    Für mich sei
    todt.

    Oft wohl besuchst du mich in Träumen,
    Dein süßer Klang bestrickt mein Ohr,
    Doch fort! du darfst bei mir nicht säumen,
    Elender wär' ich, denn zuvor.
    Drum schone mein; das süße Sehnen
    Zeugt neuen Kummer nur und Noth;
    Genug ist's wahrlich nur der Thränen:
    Für mich sei
    todt.

    Stets soll die Schönheit dich umfließen,
    Die einst entzückt mein Auge trank,
    Und alles Glück sollst du genießen,
    Das mir mit deinem Bild versank.
    Reich wie ich arm soll nie dich kränken
    Ein Schmerz, wie mir dein Falsch ihn bot -
    Dieß sei mein letztes Deingedenken:
    Für mich sei
    todt.
    _____


     

  • Louise Otto (1819-1895)

    Totenklage

    I. Auf den Grabstein meines Bräutigams
    In meinem Herzen steht dein Bild,
    Dein Name klingt durch meine Lieder
    Trotz
    Tod und Trennung nah ich mild
    Zu deinem Grab mich liebend wieder:
    Denn zweier Seelen reine Harmonie
    Trennt selbst des
    Todes schriller Mißton nie.


    II. Gebet am Grabe
    Du gabst ihn mir - du hast ihn mir genommen,
    Du ew'ger Gott, der unser Schicksal lenkt,
    Mit ihm ward mir das höchste Glück geschenkt
    Und nun ist mir das tiefste Leid gekommen.

    Ich frage wohl: wie soll ich noch ertragen
    Das Leben, das nun öde vor mir liegt
    Seit ihn des
    Todes dunkle Macht besiegt
    Und all umsonst mein Sehnen und mein Klagen?

    Und doch - ob alle Hoffnungen versanken
    Erinn'rung bleibt mir an die Seligkeit,
    Die nur der Liebe süße Macht verleiht -
    Und dafür muß ich selbst in Thränen danken.
    _____


     

  • Betty Paoli (1814-1894)

    Die beste Spende

    Im kühnen Drang', den Himmel zu erzwingen,
    Schwingt sich mein Herz zu dir, dem einzig Einen!
    Heiß dürstet es nach ewigem Vereinen
    Und weiß doch: nimmer wird es dich erringen.

    O, selbst wenn deine Arme mich umschlingen,
    Und uns're Augen Freudenthränen weinen,
    Seh' plötzlich ich die Flammenschrift erscheinen:
    »Den
    Tod nur wird dir diese Liebe bringen!« -

    Den
    Tod? den Tod? o selige Verheißung!
    So wird der tiefe Liebesbund nur enden
    Mit dieses Daseins fröhlicher Zerreißung? -

    Den
    Tod, den Tod von meiner Liebe Händen!
    Was hat das Leben Schön'res zu erwerben,
    Als solch ein herrlich und verklärend Sterben! -
    _____


     

  • August Graf von Platen (1796-1835)

    Tristan

    Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
    Ist dem
    Tode schon anheimgegeben,
    Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,
    Und doch wird er vor dem
    Tode beben,
    Wer die Schönheit angeschaut mit Augen!

    Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,
    Denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen,
    Zu genügen einem solchen Triebe:
    Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,
    Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!

    Ach, er möchte wie ein Quell versiechen,
    Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen,
    Und den
    Tod aus jeder Blume riechen:
    Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
    Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!
    _____


     

  • Hermione von Preuschen (1854-1918)

    Mein Herz schreit laut

    Ein liebeleeres Leben ist der
    Tod,
    mich aber treibts zum zuckend heißen Leben,
    da fand ich dich – in tiefster Seelennot
    und hab die ganze Seele dir gegeben.

    In ihrer Heimat, neu erwacht zum Glück,
    ruht endlich sie, von deinem Arm umschlossen,
    und nimmer, nimmer kann sie mehr zurück,
    nachdem des Lebens Fülle sie genossen:

    ein ander Sein, dem Leidenschaft kein Spott,
    und das noch lieben kann und kann noch hassen.

    Mein Herz schreit laut nach einem Menschengott,
    mein Arm will ewig, ewig ihn umfassen.
    _____


    In Deinen Armen

    Nicht weiss ich, soll ich's Liebe nennen,
    Was ich in Deinen Armen jäh empfinde.
    Ein Chaos von der schwersten Stumpfheit treibt
    Es mich empor zu höchster Lust Entzücken.
    Nur eines bleibt, und immer fühl' ich's gleich,
    Ganz gleich, beherrschend all' mein tiefstes Sein:

    Könnt' ich die Lebensfülle, die sich jetzt
    So heiss durch alle Adern mir ergiesst,
    Könnt' ich sie nur in Dich hinüberströmen,
    Gesundheitfülle Deinen Gliedern gebend
    Mit meinem Athem, meiner Kraft und Jugend!
    Und dann in Deinem Kusse langsam sterben,

    Es wär' ein seliger
    Tod!
    _____


    Wie ein abgestorbener Geist

    Wie ein abgestorbener Geist, so schau ich
    auf der Erde einziges Glück – die Liebe.
    Kann sie nicht mit starkem Arm umfassen
    und die Flammen meines Herzens müssen
    ungenutzt verlöschen und verenden.
    Hätten Weltenbrände schüren können,
    Götterglück dem einen Manne geben,
    der im
    Tod versank und dessen Seele
    bis zum letzten Hauch ich weiter suche,
    denn des Lebens Leben ist die Liebe!

    Wie ein abgeschiedener Geist verzehr ich
    mich nach Lebensblut und Erdenwonnen!
    _____


    Eine hohe schimmernde Frau

    Zur Nacht hatt ich einen Traum:
    Eine hohe, schimmernde Frau
    in goldenem Peplum,
    das Strahlendiadem
    auf rötlichen Locken,
    nahte sich meinem Lager.
    Sie hob meine Lider,
    Sah mir in die Augen,
    tief, tief!
    Dann strich sie mir übers Herz,
    flüsterte: »Armes Kind!«
    und verschwand. - -

    Sappho, warst du's?
    Kamst du herüber
    vom levkischen Felsen,
    den mir die Morgensonne umstrahlt,
    von dem du den
    Todessprung wagtest,
    um der Liebe willen!
    Sappho - warst du's?
    _____


     

  • Robert Prutz (1816-1872)

    Liebesmacht

    O wundervolle Liebesmacht,
    Die alten Flammen neu entfacht,
    Daß aus der Asche stumm und kalt
    Dir neue Glut entgegenwallt!

    Fühllos war meine Brust, wie Erz,
    Gestorben wähnt ich längst mein Herz,
    Einförmig rann der Tage Fluß,
    Ich lebte, weil ich leben muß.

    Da, wie aus Wolken dumpf und schwer
    Herniederflammt ein Feuermeer,
    So in die Seele mir hinein
    Brach deines Auges Flammenschein.

    Und wie im Lenz der Sonne Strahl
    Das Leben weckt in Berg und Thal,
    So sproßt aus meines Herzens Schacht
    Ein neuer Mai in Blütenpracht.

    Schon zittert leise durch die Brust
    Ein Widerschein mir künft'ger Lust,
    Schon tönen Lieder aus und ein;
    Ich fühl's, noch kann ich glücklich sein.

    Doch weißt du auch, daß auf den Mai
    Der Sommer immer kommt herbei?
    Doch ahnst du auch, o ahnst du schon,
    Was diese Flammen noch uns drohn?!

    Sei's - ! Ob zu Asche brennt dies Herz,
    Gesegnet dennoch, süßer Schmerz!
    Ja wenn die Glut mich tödten soll,
    Auch solch ein
    Tod ist wonnevoll!
    _____


    Liebe übers Grab

    Ob kalt und stumm, sie leben doch,
    Die wir ins stille Grab versenkt,
    So lang' Ein Herz auf Erden noch
    In Liebe ihrer treu gedenkt;

    So lang' ihr liebes bleiches Bild
    Nur Einem Auge noch erscheint,
    So lang' in Sehnsucht, ungestillt,
    Noch Eine Thräne um sie weint.

    Wie aus der Erde finsterm Schacht
    Der Lenz die Blumen lockt hervor,
    So schwingt sich aus des Grabes Nacht
    Der Liebe Fittig kühn empor.

    Und jeder Gruß und jedes Wort,
    Das der geliebte Mund einst sprach,
    Wie Engelstimmen, fort und fort,
    Im tiefsten Herzen tönt es nach;

    Und weht uns an, so süß, so still,
    Gleich wie der Rose Duft im Mai,
    Und wenn der Muth uns sinken will,
    Die lieben
    Todten stehn uns bei. –

    Drum lindre, Liebe, deinen Schmerz!
    Die wir ins stille Grab versenkt,
    Sie sind nicht
    todt, so lang' ein Herz
    In Liebe ihrer treu gedenkt:

    So lang' ihr liebes bleiches Bild
    Nur Einem Auge noch erscheint,
    So lang' in Sehnsucht, ungestillt,
    Noch Eine Thräne um sie weint.
    _____


     

  • Anna Ritter (1865-1921)

    Todtes Glück

    Als unsre Liebe noch blühend war,
    Haben wir unter den Zweigen gesessen,
    Hand in Hand, und die Sonne lag
    Wie eine Krone über dem Tag.

    Welk ist die Liebe – der Wintersturm
    Pfeift mir ein trotziges Lied vom Vergessen.
    Meine weinende Seele spricht:
    Leiden will ich – vergessen nicht!
    _____


    Erstorben

    Da ich an deinem Halse hing,
    An dein Gesicht das meine drängte,
    Dein Athem sich mit meinem mengte
    Und schmerzhaft mich dein Arm umfing,

    Da Mund auf Mund, und Brust an Brust
    Wir mit dem eignen Blut gerungen
    Und endlich uns den Sieg errungen,
    War höchste Qual auch höchste Lust.

    Doch nun, da jener Stunde Noth,
    Und Lust verrauscht, erstickt das Sehnen,
    Da endlos sich die Tage dehnen,
    Nun ist mir oft, als wär ich
    todt.

    Nur wenn dein Schatten mich umschwebt,
    Kann ich mich mühsam drauf besinnen,
    Daß statt des starren Steins da drinnen
    Einst sonnenfroh ein Herz gelebt.
    _____


    Du und ich

    Du und ich … und über uns Beiden die Nacht!
    Neige die Stirn, damit ich dich küssend umfange.
    Neige das Ohr – ich raune dir Süßes hinein,
    Wonne und Weh, so wie's mir emporblüht im Herzen. -
    Du und ich … Es ward uns nichts Andres bescheert
    Als dieses Glück, das wir der Sonne verbergen.
    Sieh, schon senkt sich abwärts der einsame Pfad -
    Selige Lust steht lächelnd im Thale des
    Todes.
    _____


    Lichtbild

    Ein lichtes Wölkchen segelt noch im Blau,
    Ein friedevoller, leuchtender Gedanke,
    Der in dem Kampf des Tages Sieger blieb.

    So wandelst du, da mir der Abend sinkt,
    In deiner Jugend ew'gem Glanz vorüber
    Und schaust mich lächelnd an, mein
    todtes Lieb.
    _____


    Das tiefe Kämmerlein

    Es grub der
    Tod ein Kämmerlein,
    Grub's in die Erde tief,
    Gar weit von Schmerz und Sonnenschein -
    Mein schöner Liebster schlich hinein
    Und schlief.

    Ich kniee draußen ganz allein
    Und klopfe an die Thür:
    "Wenn du mich liebst, erbarm' dich mein
    Und tritt aus deinem Kämmerlein
    Herfür!"

    Nichts regt sich! Nur des Käuzchens Schrein
    Irrt durch die Luft so hohl!
    Ein Schauer rinnt durch mein Gebein -
    Wie schwarz die Nacht, wie kalt der Stein ..
    "Leb wohl …"
    _____


    Ein Stündchen lang

    Ich hab' an seiner Brust geruht,
    In seinen Armen schlief ich ein,
    Und kreuzt er nimmer meinen Weg -
    Er war doch eine Stunde mein!

    Und wenn ich dieser Stunde Glück
    Mit meinem Leben zahlen müßt',
    Ich ginge lächelnd in den
    Tod -
    Er hat mich einmal doch geküßt!
    _____


    Schlimme Zeichen

    Im Walde, da flüstern
    Die Bäume so bang
    Und der Wind streicht so scheu
    An den Hängen entlang,
    Und die Sonne am Himmel,
    Die leuchtet so roth -
    O weh meiner Seele,
    Mein Liebster ist
    todt.
    _____


    Herbstgedanken

    Nun hat sich Alles, was den Lenz durchstürmte,
    Zu schöner, milder Ruhe abgeklärt,
    Zum gold'nen Trunke ist der Saft geworden,
    Der feurig in der Rebe einst gegährt.

    Und wie er vor mir in dem Glase funkelt,
    Kommt der Gedanke schattend über mich,
    Daß Alles bald die große Nacht umdunkelt,
    Und in der
    Todesahnung such' ich – dich!

    Der du mir Licht und Glanz des Tag's gewesen
    Und dann verblichen, eh' der Abend kam,
    Der du mein Blühen mit in's Grab genommen,
    Lang, eh' der Herbst mit roher Faust es nahm.

    Schläfst du, Geliebter? Sprengen die Posaunen
    Des jüngsten Tages erst dein stilles Haus,
    Schaust du schon jetzt aus sonnigen Gefilden
    Nach deines Weibes Heimwegschritten aus?

    Mir ist so oft, als glitte durch die Nächte
    Dein heiliger, geliebter Schatten hin,
    Und erst der Morgenstrahl auf meinem Kissen
    Nimmt mir den Wahn, dass ich noch bei dir bin!
    _____


    Ich aber denke …

    Sie sagen mir, du sei's geborgen nun
    Vor allem Leid, ein friedvolles Ruh'n,
    Ein Sonnentraum sei über dich gekommen,
    Seit dir der
    Tod die Bürde abgenommen,
    Die Leben heißt. Du führtest, sagen sie,
    Ein neues Dasein voller Harmonie,
    Du wandeltest in wunderbaren Hallen,
    Darin die Lieder der Erlösten schallen.
    So sagen sie, und ach, viel Schön'res noch.
    Ich aber denke heimlich, heimlich doch,
    Daß aller Glanz, der jene Wände deckt,
    Dir nicht die Erde und dein Weib versteckt,
    Dein Weib, das draußen steht! Mit ihrem Trauern
    Die Hallen füllt und an die ew'gen Mauern,
    Die zwischen
    Tod und Leben sind gethürmt,
    Mit dem Verzweiflungsmuth der Sehnsucht stürmt.
    _____


    Todeswege

    Ueber meinem Haupte deine Hände,
    Deine Liebe über meinen Wegen -
    Und doch führen sie der Nacht entgegen,
    Und ein Grab ist unsres Wanderns Ende!

    Laß uns, Liebster, in die Sonne schauen,
    Goldnes Licht und Lust und Freiheit trinken
    Und dann selgen Augs hinüber winken
    Zu den stillen, sonnenlosen Auen.

    Daß, wenn wir vom Lichte scheiden müssen,
    Noch ein Traum die lange Nacht durchglühe,
    Und Erinnerung das Grab umblühe
    Mit dem Rosenflor von deinen Küssen.
    _____


    Einem
    Todten

    Wie dunkel ist's! Nur wenn der Sturmgott droben
    Sein leuchtend Schwert nach Wolkenriesen zückt,
    Erhellt sich mir der Pfad, dann schreit' ich eilend,
    Ein Büchlein zitternd an die Brust gedrückt.

    Gedichte sind's! Der Sehnsucht irres Stammeln,
    Der Schrei der Noth, ein blasser Traum von Glück,
    Gedanken, aus der Einsamkeit geboren …
    In ihre Heimath trag' ich sie zurück.

    Ein Garten lockt im fahlen Licht der Blitze,
    Am düstern Thor das Schweigen Wache hält,
    Dort opf're ich im Schatten der Cypressen,
    Ein Lebender im Bann der
    Todtenwelt.

    Da liegt das Grab! Ein Kreuz ist drauf gebettet,
    Die Lippen preß ich auf den kalten Stein
    Und suche einen halbverwischten Namen -
    Ach der ihn trug, vor Jahren war er mein.

    Wie dunkel ist's! Nur von den Lilien windet
    Ein seltsam feierlicher Glanz sich los,
    Den Epheu bieg' ich schweigend auseinander
    Und leg' das Buch in seinen dunk'len Schoß.

    Gedichte sind's! Ein Buch wie viele and're,
    Mir aber zittert jede Zeile nach,
    Gedichte sind's, in banger Zeit gesungen
    Von einer Seele, die in Sehnsucht brach.
    _____


    Waldtragödie

    Zwei Bäume standen im Wald,
    Umsponnen von träumendem Schweigen,
    Und strebten sehnend sich zu
    Mit knospenden, schwankenden Zweigen.

    Sie rauschten leis in der Nacht,
    Sie winkten mit blühenden Büschen
    Und kamen nie doch sich nah -
    Der Hohlweg lag trennend dazwischen.

    Ich hab' so oft, ach, so oft,
    Im Wald vor den Bäumen gestanden
    Und habe der Seelen gedacht,
    Die suchend, sich nimmer doch fanden.

    Nun brach ein zuckender Strahl
    Dem einen die schwellenden Glieder,
    Da riß er kraftvoll im
    Tod
    Den glücklos Geliebten mit nieder.

    Wie ruh'n so stille die Zwei,
    Verschlungen im dämmernden Grunde -
    Ein selig, hochzeitlich Lied
    Klingt leis durch die blühende Runde.
    _____


     

  • Friedrich von Sallet (1812-1843)

    Holdes Grab

    Ich bin begraben, ach!
    In süßer
    Todeslust;
    Mein holdes Grabgemach
    Ist meines Liebchens Brust.
    Und wie auf Gräbern blühen
    Mairöslein, früh entsprossen,
    So hat ein rosig Glühen
    Die Wangen ihr umflossen.

    Es keimt dies holde Blüh'n
    In meines Herzens Grund,
    Die Seufzer, die da glüh'n,
    Hauch' ich aus ihrem Mund.
    Es weht um ihre Glieder
    Ein Singen und ein Klingen -
    Das sind die leisen Lieder,
    Die mir in ihr entspringen.
    _____


     

  • Adolf Friedrich von Schack (1815-1894)

    Wunsch

    Wenn uns von zitternder Wimper
    Die Wonnezähre tropft,
    Wenn bebend Lippe an Lippe hängt
    Und Ader an Ader klopft,
    Was kann uns die Erde noch bieten fortan,
    Das matt nicht erbleichen muß?
    Sind Ewigkeit und Himmel
    Doch unser in jedem Kuß!

    Nicht uns, o Herr, nach erloschner Gluth
    Ein Leben öde und schaal!
    Hernieder auf unser vollstes Glück
    Laß zucken den Wetterstrahl,
    Daß, wenn der Küsse heißester noch
    Uns brennt auf der Lippen Roth,
    Wir, Seele in Seele zerrinnend,
    Eins werden im flammenden
    Tod!
    _____


     

  • Max Schaffrath (1813-1877)

    Trennung

    Von dir entfernt, wie mag ich da noch leben
    Im Trennungsschmerz, der meine Brust umnachtet
    Und unbesiegbar jeden Trost verachtet,
    Den ihm Natur, den Freundeswort ihm geben!

    Doch nein, ich lebe nicht! - Ist das ein Leben,
    Wenn man das Herz, das tief im Grame schmachtet
    Und kalt und fühllos nicht mehr ringt und trachtet,
    Kaum noch gewahrt an seines Schlages Beben?

    Wohl starb ich schon! Das war mein
    Todesstreit,
    Als ich mich blutend deinem Kuß entwand,
    Und Leib und Seele sind seitdem geschieden.

    Den Leib nur schleppt' ich fort in bittrem Leid,
    Die Seele blieb an deinen Blick gebannt
    Und sonnt sich still in deinem Himmelsfrieden!
    _____


    Lieb' im Grabe

    Mir träumt: ich lag im Grabe
    Gar einsam manches Jahr,
    Und um mich her im Kreise
    Lag eine fremde Schaar.

    Und dort in ferner Ecke,
    Dort ruht' auch schon ihr Mann,
    Der ihren süßen Leib nur
    Für kurze Lust gewann.

    Da bringt man neuen
    Todten:
    Ach Gott, wer mag das sein?
    Dort in der fernen Ecke
    Senkt man ihn weinend ein.

    Der Grabgesang verstummte,
    Die Schaufel hat vollbracht;
    Ringsum ein tiefes Schweigen
    Bis spät um Mitternacht.

    Da horch! ein dumpfes Schollern
    Um mitternächt'ge Stund'!
    Es wühlet, wie der Maulwurf,
    Tief durch der Erde Grund.

    Es gräbt sich immer näher,
    Es dringt zu mir heran -
    Mich herzen weiche Arme,
    Es schmiegt sich an mich an.

    "Gottlob, mein Schatz, du süßer!
    Nun bin ich dir vereint,
    Um den ich manche Thräne
    In stiller Nacht geweint!

    Und jene harten Herzen,
    Die dies mir angethan,
    Den stillen Bund im Grabe,
    Den tasten sie nicht an.

    Und jener Schwur der Treue,
    Den ich dem Andern gab,
    Sein Zwang ist nun gebrochen;
    Die Ehe löst das Grab.

    Gottlob, mein Schatz, du süßer,
    So bin ich endlich dein!
    Was streng das Leben wehrte,
    Mir soll's der
    Tod verleihn!"

    Ein heiß und innig Minnen
    In tiefer Gruft begann;
    Kuß schmolz zu neuem Kusse,
    Und Thrän' in Thräne rann.

    Sie hielt mich liebumfangen,
    Sie schmeichelte so lind;
    Ich lag an ihrem Busen
    Und weinte wie ein Kind.

    Wohl schwebten alle
    Todten
    Empor zum Mondenglanz,
    Und tanzten auf den Gräbern
    Den lust'gen Geistertanz.

    Wir aber blieben liegen
    In süßer Liebeslust;
    Wir lagen Lipp' an Lippe,
    Wir lagen Brust an Brust.
    _____


     

  • Leopold Schefer (1784-1862)

    Friederike

    Dich anschaun, ist Leben! dich missen,
    todt sein!
    Ach, doch wer ertrüge der Augen Schmelz, dem
    Blick nicht wehrend! schauderte nicht vor deinem
    Schmachtenden Munde!

    Und mich reißt, mich reißt es an dich allmächtig!
    Aber denk ich's nur: wie ich deine Lippen
    Küßte, du mich schlängest an deinen Busen —
    Hülfe ihr Götter!

    Nein! drum will ich nimmer begehren, was mein
    Herz ja doch nicht trüg'! O dein Aug' — entseelend —
    Wend' es! deine Lippen entzieh' von meinen!
    Winde die Arme

    Los! denn wie an Schlangen, gebunden starr' ich!
    Nur zu deinen Füßen erduld' ich's! — läg' ich
    Einst in deinem Schooß — o da läg' ich selig,
    Aber gestorben.
    _____


    Die
    todte Geliebte

    Scheinst du heut auch nur zu schlummern,
    Wie, als ich dich leis beschlichen
    Jüngst im schönen Maienabend-Zwielicht
    Und dein lächelnd Antlitz
    Mit Orangenblüthen dir bestreute,
    Plötzlich deine regen Arme
    Mich, den liebend über dir Gebeugten,
    Fest umschlangen, ach,
    Zu dir niederzogen!

    Wie du, urheiliger Donner,
    In ewiger Majestät
    Die Wolken durchrollst!
    Daß in der Schlafenden
    Bekränztem Haar die Rosen schüttern!
    Daß die Seele mir schaudert!

    Ach, mit welchem Geist
    Bin ich umgangen
    So vertraut!

    Zurück gewandter Arme
    Steh' ich schüchternen Auges
    Vor dem ruhenden Gebild,
    Wie um das gefallene Meteor
    Kinder stehn in scheuer Ferne.

    Wie sie so schön liegt, wie im Schlaf,
    Nur wie im Frühtraum — ach, das hold
    Schimmernde Wangenroth
    Ist nur der glänzende Abschein von Rosen im Haar;
    Ruhig lieget sie da, schön und
    todt!
    Was dem liebenden Sinn
    Ewig unmöglich erschien,
    Was ich nimmer versteh, glauben nicht kann, nicht mag —
    Durch glühende Thränen
    Seh' ich's, das Traumbild, und in Worten
    Unverstanden und hohl dröhnt's vor dem Ohr:
    Sie ist
    todt!
    Vater, warum,
    Was du mir gabst, nimmst du's zurück?
    Vater? — ich kann, wenn du es bist,
    Dich nicht lieben; du bist schrecklich,
    Ich schaudre vor dir!
    Ach so vergieb fehlendem Wort,
    Denn es verwirrt folternde Angst
    Ja nur um das, dem du so schön,
    So klagwürdig zu sein selber gabst,
    Dumpf mir den Sinn!
    Was du mir gabst, nimmst du zurück!
    Schweigend und unabwehrlich geschieht
    Auf Erden, was dein himmlischer Will' allen verhing;
    Nimmer begehr' ich es von fern aus zu spähn!
    Walte du dort, Heiliger, von deinen Höhen,
    Walte du dort über uns, über mich! —
    Hienieden nur
    An die sterbliche, mitleidende Brust
    Will ich mich schmiegen, sanft an ihr weinen
    Geschlossenen Aug's und so ertragen
    Dein vorüberbrausend Geschick!
    Aber die einzige mir noch übrige Brust, wo ich es litt
    Gern all' dein vorüberbrausend Geschick —
    Hier liegt sie mir kalt!
    Und es schlägt in ihr kein Herz
    Mehr für mich!
    Fern ist der treu liebende Geist, fern entflohn,
    Schwergeschlossen das sanft blinkende Aug',
    Und die einst mich so süß tröstende Lippe
    Schweigt so tief! grausam, so lang! —
    Ach, ist dir nun deines Geliebten
    Unsäglichster Schmerz
    Gleichgültig so bald, so ganz!
    Vertilgt aus der Brust jegliches auch noch so leise
    Zagen um das erschrecklichste Geschick deines Geschlechts,
    Treulose, seit dich des
    Tod kaum umschlang!

    Schwermüthiger, schweig!
    Ehrt auch dein Herz nicht den Gehorsam der
    Todten!
    Darann erkenn's — daß sie dich nicht
    Tröstet, daß sie kein Wort,
    Keine Thräne für dich hat, den sie so
    Liebte — daran, daran erkenn's:
    Ja, sie ist
    todt! ja, sie gehört jetzo dem Gott!
    Hörst du ihn hoch donnern? Er ist's!
    Ach, ich entsag' ihr, ich entsage!
    Senkt sie ihm hin!
    Segen und Heil! Fried' und Ruh über ihr!
    Still, sie ist sein!
    Lieben nur will ich sie noch auch bei ihm!
    Wohl mir, und wohl, schlafendes Ohr, auch dir,
    Daß du dies Liebe-schwerlästernde Wort nicht vernahmst,
    Die du gefolgt, selige Jungfrau, bist dem himmlischen Beruf,
    Frommen unschuldigen Gangs!
    O daß ich nun ganz Einsamer auch
    Durch des Lebens Unglücks-Labyrinth
    Schuldlos und rein trüge mein Herz!
    Bis das wohlthätige Grab —
    Jeglichen gern bergend, der keinen Trost,
    Keinen Rath für die Leiden mehr
    Hat, die das Leben bringt —
    Meinen Schmerz bald auch verbirgt,
    Und mich.
    _____


     

  • Georg Scheurlin (1802-1872)

    Seliger
    Tod

    In deinen Augen möcht' ich sterben,
    Im Herzen dir begraben sein;
    Dir gäb' ich Leib und Seel' zu erben,
    Und nur die Treue bliebe mein,
    Und nur das tief gehegte Wissen,
    Nichts mehr zu haben für und für,
    Und mein - das selige Vermissen
    Der Ruhe, die versenkt in dir,
    Und mein zuletzt der Blume Schmerzen,
    Die still um dein Verlangen wirbt,
    Und - wenn gebrochen - dir am Herzen
    Den süßen
    Tod der Treue stirbt.
    _____


    Lieb' und Leid

    Was wäre Liebe sonder Leid?
    Was - ohne Nacht - der Sterne Heer!
    Und ohne Thränen manche Zeit,
    Wie stünd' ein Auge still und leer!

    Die lichte Perle nährt den
    Tod,
    Das Gold im Feuer wird bewährt,
    Und wenn die Liebe geht in Noth,
    Das ist der Schmuck, der sie verklärt.

    Und wenn ein Herz in Liebe bricht,
    Dann küßt ein Engel tief verhüllt -
    Der stille
    Tod - es auf und spricht:
    So wird ein göttlich Wort erfüllt!
    _____


     

  • Franz Stelzhamer (1802-1874)

    Einst schritt der
    Todesengel -
    Ich war entfernt von Ihr -
    Mit hohem Ernst vorüber
    Und blickte scharf nach mir.

    Von seinem Aug' verwundet
    Erlag ich Stund und Tag,
    Wie Jeder, der's erfahren,
    Wohlweislich wissen mag.

    Doch Stund und Tag verrannen,
    Des Blickes Mal verging,
    Es zog der Baum des Lebens
    Den frischen Jahresring -

    Und hin zur Liebsten eilte
    Ich voller Jubel dann
    In Hoffnung, daß Sie juble,
    Nun hört, was Sie begann!

    Zu
    Tod' erblassend rief Sie:
    Mein Gott, Du lebest noch?
    Ich hörte, daß du
    todt bist,
    Ach, Liebster, sei es doch!

    Dann weint Sie wieder freudig
    Sich beide Augen roth
    Und offenbaret schluchzend
    Mir Ihre Liebesnoth:

    "Ich liebe dich, du wanderst
    Nach Lust zu Nord und Süd;
    Ich traure still und harre,
    Wann du des Wanderns müd'?

    Doch da ist all vergebens,
    Die Wolga und der Nil,
    Nicht ich und meine Ruhe,
    Sind deines Trachtens Ziel.

    Prairien und Savannen,
    Gar californisch Erz
    Und dürrer Sand der Wüste
    Gilt mehr dir als ein Herz.

    Ach, wärst du doch gestorben
    Und lebtest still bei Gott,
    Dich lieben und nicht haben -
    Dein Leben ist - mein
    Tod!"
    _____


     

  • Theodor Storm (1817-1888)

    Wer je gelebt in Liebesarmen

    Wer je gelebt in Liebesarmen,
    Der kann im Leben nie verarmen;
    Und müßt er sterben fern, allein,
    Er fühlte noch die sel'ge Stunde,
    Wo er gelebt an ihrem Munde,
    Und noch im
    Tode ist sie sein.
    _____


     

  • Adolf Strodtmann (1828-1879)

    Das war eine trübe Nacht,
    Und ein Schlummer
    bang und schwer!
    Wie ein Kranker bin ich vom Schlaf erwacht ...
    Rings sonnige Pracht! und die Erde lacht -
    Doch mein Herz ist öd' und leer!

    Im Garten die Nelken blühn,
    Und im Feld der duftige Klee;
    Die Wälder prangen in jungem Grün ...
    Was schiert mich das Blühn, das Duften und Glühn?
    Mein Herz ist so krank und weh!

    Das macht, mein Liebchen ist
    todt;
    Sie starb in Jammer und Leid!
    Nun sing' ich vom Früh- bis zum Abendroth:
    Mein Liebchen ist
    todt! - ach, schlimmer als todt,
    Verloren in Ewigkeit!

    Sie nahm einen falschen Mann,
    Sich selber brach sie die Treu'!
    Ist Liebe Das? O nein, hör an:
    In der Sünde Bann ein Traum - und dann
    Ein Wachen voll Schimpf und Reu'!

    Ist Liebe Das? O nein!
    So schwarz ist Liebe nicht!
    Mag von Schuld der Erdball umfinstert sein:
    Zu der Sterne Schein doch hebt sie rein
    Ihr göttliches Angesicht!

    Mich aber fasst ein Graun,
    Und die Hände ball' ich vor Schmerz.
    Mein weißes Reh in des Jägers Klaun!
    Diese Ranke vom Zaun ist stärker, traun,
    Als dein thörichtes Mädchenherz!

    Fahrwohl, verlorenes Lieb -
    Der Giftkelch ist geleert!
    Keinen Seufzer, kein Wort, keinen Gruß mir gieb!
    Bist ja
    todt, mein Lieb! - Was übrig blieb,
    Ist keiner Thräne werth!
    _____


     

  • Julius Sturm (1816-1896)

    Liebe

    Die Liebe ist der stolzeste der Triebe,
    Sie kehrt den Rücken dem, der Gold ihr bot;
    Und aller Triebe freister ist die Liebe,
    Sie lächelt nur, wenn ihr mit Ketten droht.

    Die Liebe ist der treu'ste aller Triebe,
    Sie harret aus in jeder Erdennoth;
    Und aller Triebe stärkster ist die Liebe,
    Denn Liebe überwindet selbst den
    Tod.
    _____


     

  • Ludwig Uhland (1787-1862)

    Seliger
    Tod

    Gestorben war ich
    Vor Liebeswonne:
    Begraben lag ich
    In ihren Armen;
    Erwecket ward ich
    Von ihren Küssen;
    Den Himmel sah ich
    In ihren Augen.
    _____


     

  • Paul Wertheimer (1874-1937)

    Traum vom
    Tode

    Und meine Augen fallen zu.
    Die Seele irrt am Strande -
    Und stört die Schatten aus der Ruh,
    Im bleichen Nebellande.

    Da ... schwer hintastend durch das Grau,
    Fühl ich ein mildes Scheinen.
    Das sind die Augen dein, o Frau,
    Sie leuchten und sie weinen.

    O Augen, die mir Tröster sind
    In diesen Dunkelheiten,
    Ich laß mich, ein verirrtes Kind,
    Von euerm Schimmer leiten.

    Sie folgten mir. Sie grüßen mich
    In lächelndem Erbarmen. - -
    Noch jauchzt mein Tag! Wie lieb' ich dich!
    Du lebst in meinen Armen.
    _____


     

  • Ernst von Wildenbruch (1845-1909)

    Liebe

    Das ist ein glückseliges Leben
    Wenn Liebe bei Liebe wohnt,
    Und reicheres kann es nicht geben,
    Als Liebe von Liebe belohnt.

    Doch gibt es auch einsame Tränen
    Von keinem gesehn und gezählt
    Und heißer brennet kein Sehnen,
    Als Liebe, wenn Liebe ihr fehlt.

    Sie ist wie das Feuer, das große,
    Das herab aus der Sonne loht:
    Alles Leben trägt sie im Schoße,
    Doch daneben den glühenden
    Tod.
    _____


     

  • August Wolf (1816-1861)

    Liebeslied

    Wär' ich der
    Tod, dann würd' ich sanft Dich küssen,
    Die Seele müßt' ein holder Schlaf Dir ketten,
    In Träumen würdest Du entschlummern müssen,
    Und wie die Liebe würd' ich süß Dich betten.

    Was Dir das Leben giebt, ich kann es wissen,
    Was willst Du hier mit Deinem schönen Herzen?
    Es wird Dir hunderttausendfach zerrissen
    Von eig'nem tiefen Leid und And'rer Schmerzen.

    Und was der
    Tod Dir bringt, wir wissen's nimmer.
    Ob er ein bess'res Sein vermag zu geben,
    Ob zur Vernichtung er Dich führt auf immer,
    Ob nur zu neuem, leiddurchflocht'nem Leben?

    Hier ist's gewiß und dort im Ungewissen;
    Ich möchte Dich von
    Tod und Leben retten:
    Ich wollt', ich wär' der
    Tod, ich würd' Dich küssen
    Und wie die Liebe sanft und süß Dich betten.
    _____


    "Würdest, Theuere, Geliebte -"

    Würdest, Theuere, Geliebte,
    Du mir durch den
    Tod entzogen,
    Wär' ich selber nur ein
    Todter,
    Dem die Seele schon entflogen!

    Oder ach, ich wär' ein Denkstein,
    Der von Dir zurückgeblieben,
    Wo, wie schön Du einst gewesen,
    Noch zu lesen ständ' geschrieben.
    _____


     

  • Heinrich Zirndorf (1829-1893)

    Dein Herz hat, ein Magnet,
    Mich mächtig angezogen,
    Mein Geist hat Lust und Leid
    Aus deinem Blick gesogen,
    Daß er besiegt gesteht:
    Dein Herz ist ein Magnet.

    Doch ob er auch besiegt,
    Er will sich nicht ergeben
    Und aus den Banden sich
    Zu neuem Kampf erheben.
    Doch jeder Pulsschlag fleht:
    Dein Herz ist ein Magnet.

    In jedem Pulse pocht
    Der Zauber deiner Augen,
    Sie bergen Glück und
    Tod,
    Ich darf den
    Tod nur saugen;
    Und in mir glüht's und weht:
    Dein Herz ist ein Magnet.

    Wie schön ist selbst der
    Tod,
    Von deiner Hand geboten;
    Gibst du mir Liebe nicht,
    So wirf mich zu den
    Todten.
    Mein brechend Herz gesteht:
    Dein Herz ist ein Magnet.

    Wie ein Magnetberg hast
    Mein Leben du zerschellt,
    Daß ohne Kiel und Mast
    Mein Lebensschiff zerfällt,
    Und laut die Sage geht:
    Dein Herz ist ein Magnet.
    _____


     

  • Kathinka Zitz-Halein (1801-1877)

    Das
    todte Herz

    Was ist für den, der sich um Lieb' bewarb,
    Das Leben noch, wenn ihm die Liebe starb?
    Was ist das Herz, in stummer Brust erstarrt,
    Das hinterlistig hingemordet ward,
    In dessen Wunden eine Frevlerhand,
    Den Dolch mit Wollust noch herumgewandt,
    An dessen Windungen im
    Todeskampf,
    An dessen Zuckungen im Schmerzenskrampf,
    Ein Auge sich in wilder Lust ergötzt,
    Ein and'res Herz gelabt sich und geletzt? -
    Es ist ein Leichnam in dem Grab der Brust,
    In dem es still verweset und vermodert,
    Doch bleibt es seines Schmerzes sich bewußt,
    Der selbst im
    Tod noch in ihm glüht und lodert.
    Es gleicht auch einem unerlösten Geist,
    Der nächtlich seufzend um die Stätten kreist,
    Wo's ihm erlaubt war, glücklich einst zu sein,
    Und die es jetzt gespensterhaft durchschreitet,
    Bis es dann wieder der Verdammung Pein
    In grauser Höllenfeuerglut erleidet,
    Durch alle Ewigkeiten fort und fort. -

    Doch könnt' es wiederkehren von dem Ort,
    Wo es erträgt so namenlose Plagen,
    Könnt' aus dem Grab es wieder aufersteh'n,
    So würd' es doch kein Friedenshauch umweh'n,
    Denn alle Wundenmale würd' es tragen,
    Die ihm die Hand geschlagen,
    Aus welcher einst sein sehnendes Verlangen
    Gehofft, des Lebens Segen zu empfangen.
    Und wär' es auch erlöst aus Höllenpein,
    So würd' es ja doch nie mehr fähig sein,
    Noch einmal Glück im Leben zu empfinden -
    Denn solche Wunden sind nicht zu verbinden,
    Kein Wundenbalsam heilet je sie aus,
    Drum laß das Herz in seinem stillen Haus
    Gestorben sein, gestorben und begraben.
    Es sollte ja hienieden,
    Statt Glück und Frieden,
    Nur Schmerz und Leiden haben.
    Nun ruht es unter'm Leichenstein,
    Der ist ein ruhig lächelndes Gesicht,
    Und wer es sieht, der ahnet nicht,
    Was es bedeckt an Schmerz und Pein.
    _____


     



 

 

 

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