Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Anonyme Barockdichter
(aus der Neukirch-Sammlung)


Sonnet
Uber Calistens bildniß

Es hat des künstlers hand allhier zu frey gethan /
Ich tadle seine kunst / und schelte sein beginnen /
Ein mensch der kan ja nur auff etwas menschlichs sinnen /
Wie fängt die blöde faust bey einer göttin an?

Was GOtt und die natur aus allen kräfften kan /
Das wird kein schlechtes blat mit weiß und roth gewinnen /
Sein vorsatz wird auch noch bey dieser glut zerrinnen /
Denn wer das feuer scheut, der trete nicht heran.

Der sie aus wachs gemacht, dem ist die kunst gelungen /
Daß er den hefft'gen reiz nur halb und halb gezwungen /
Sonst müst es vor sich selbst wenns ähnlich wär / zergehn.

Die sonne kan sich nur in schlechtes wasser mahlen /
Verlangt man einen riß von dieser schönheit strahlen /
So muß ihr bild von glut in herz und seelen stehn.
(Teil 1 S. 61)
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Er entsaget ihrer liebe

Entbrich der fessel dich und fleuch den falschen wahn /
Daß Roselinda sey vor göttlich mehr zu schätzen /
Nicht laß dich ihren kuß / so wie vorhin / ergötzen /
Es ist nunmehr um sie und ihren ruhm gethan /

Weil auch ein sclave selbst sich ihr gebrauchen kan /
Und seinen schlechten mund an ihre lippen setzen:
Du must sie warlich ietzt aus seel und geiste ätzen /
In dem ihr schnöder fuß betrit die laster-bahn.

Es weicht der purpur selbst von den bekandten lippen /
Es flieht der marmel weg der doppelt runden klippen /
Schau wie sich noth und spott ihr zur gefärtin macht!

Die tuber-rosen sind von wespen angestochen;
Es ist der siegel-ring der keuschheit ihr zerbrochen.
Mit einem wort: sie hat ein kind zur welt gebracht.
(Theil 2 S. 309)
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An seine augen

Ihr augen / seht forthin nicht Lisimenen an.
Ihr augen / die ich euch mir nur zur marter trage /
Ich schwere / daß ich euch bey Cypris thron verklage /
So euer blitz mich nicht erretten kan /

Ihr habet alzuviel mir itzt schon angethan /
Ihr augen / daß ichs euch aus grund des herzens sage /
Ihr schaft mir wenig lust / nur lauter angst und plage.
Ich trete nur durch euch auf diese marter-bahn.

Wie ist es / kan ich euch ihr augen nicht bezwingen?
Ach nein! ich kan nicht mehr / hemt ich gleich euren blitz /
Es würde Lisimen sich dennoch in euch dringen /

Wo sie nicht allbereit schon in dem herzen sitzt.
Rächt / rächt ihr augen euch / kan sie sich in euch spielen /
So lasset Lisimen auch gleiche schmerzen fühlen.
(Theil 2 S. 18)
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Er entsaget ihrer liebe

1.
Schaff endlich deiner lieb und deinem rasen rath;
Laß diesen fremden gast nicht lange bey dir liegen /
Du siehst wie Marmorill ist listig zu betrügen /
Und daß ihr mund den scherz zu einem bürger hat.

Verwundre nicht den stern von ihrer süssen gnad /
Es ist ein irrwisch-licht / das in die lufft wird fliegen /
Ein hochbeherzter muth muß solchen tand besiegen /
Der tugend von sich stöst und liebet missethat.

Du als ein freyer sinn wilst dich so knechtisch schmiegen.
Vor der / die geilheit pfropfft / und eine unglücks-saat
Dem herzen einverleibt. Wer ist je hoch gestiegen?

Der liebe / wein und weib zu seinem beystand bat.
Laß das verhängnis dir nach seinem willen fügen /
Und folge wie du solst der edlen tugend pfad.

2.
Sol denn ein hulder kuß dein einger nordstern seyn
Wornach der brunst compaß mit allem fleiß will springen?
Soll er dein wohlfahrts-schiff in sichern hafen bringen?
Nein / nein du irrest weit / das bilde dir nicht ein /

Halt flack und seegel auf / es ist ein irrlichts-schein.
Gedencke / daß es auch pflegt andern zu gelingen /
Daß sie umb ihren hals die warmen armen schwingen /
Und küssen in der brunst ihr klares helffen-bein.

Und ob dein schwaches herz zwar glimt von solchen dingen /
Die in der flamm und glut vermehren deine pein /
So lescht sie doch ihr schnee und kalter kieselstein /

Indem ein frembder wird dein himmel-brodt verschlingen /
Und saugen von dem mund den süssen götter-wein /
Weil das / was du geneust / auch andern ist gemein.
(Theil 3 S. 29)
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Als sie sich vor dem blitz entsetzte
Sonnet

Dein auge / das nur steckt voll list und voll gefahr /
Das mit geschwinder glut mein dürres herz bezwinget /
Und ohne rettung mich fast zur verzweiflung bringet /
Lacht meiner doch darzu ganz frey und offenbar.

Ach? aber nim bey dir es selber einmahl wahr /
Wann blitz und heißes feur dir ins gesichte dringet /
Ob du nicht wirst mit angst und bleicher furcht umbringet /
Und deine sicherheit bald suchest hier / bald dar;

So wisse dann vielmehr / daß ich noch schwerer leid /
Und daß der blitz / der dir aus schwarzen wolcken dräut /
Nur sey ein blosses nichts / das in der lufft verschwindet;

Hingegen dieser / der aus deinen augen fährt /
Ist ein durchdringend feur / das marck und blut verzehrt /
Und durch verborgne krafft die Seele selbst entzündet.
(Theil 3 S. 30)
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Aus: Benjamin Neukirchs Anthologie
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer
Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Theile 1-7
Tübingen Niemeyer 1961-1991
(Neudrucke deutscher Literaturwerke)



 

 

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