Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Theodor Apel
(1811-1867)



Das Jahr der Liebe

Winter


Ich stand am See, mit harten Eiscrystallen
Hatt' ihn bedeckt des rauhen Winters Wüthen,
Schneeflocken, aufgeweht vom Winde, sprühten
Vom Baum und Strauch, auf die sie leicht gefallen.

Und all mein Blut fühlt' ich zum Herzen wallen,
Ich dachte sehnend an die Zeit der Blüthen,
Wo unter grünem Laub die Rosen glühten,
Und süß erklang das Lied der Nachtigallen.

Da naht ein holdes Kind mit Angst und Bangen,
Sie strauchelt, schwankt - das Eis hat kein Erbarmen -
Ich eile hin, sie schnell noch aufzufangen;

Wie fühl' ich gleich mein kaltes Herz erwarmen,
Schon ist gestillt mein Sehnen und Verlangen,
Die schönste Rose liegt in meinen Armen!
(S. 159)
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Wie reizend Dank und Schüchternheit sich paaren!
Die höchste Gluth ist auf der Wang' entglommen,
Und kaum vermag ihr Mund, von Angst beklommen,
Des Herzens Dankgefühl zu offenbaren.

Doch auf dem glatten Wege drohn Gefahren,
Mein Arm wird freundlich lächelnd angenommen,
Und bis wir an den sichern Ort gekommen,
Darf ich vor neuem Falle sie bewahren.

Wol mag ich nun des Winters Lob erheben -
Doch bald schon ist der böse Pfad geendet,
Gefahrlos liegt der Weg vor uns und eben.

Noch einen Blick den lächelnd sie mir sendet,
Und meine Rose seh' ich mir entschweben,
Mein Herz mit ihr, sie hat es mir entwendet.
(S. 160)
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Ich seh' ihr nach mit sehnsuchtvollen Blicken,
Indem ich emsig auszuspähen trachte,
Ob sie nicht einmal noch verstohlen, sachte
Wird einen Gruß an mich zurückeschicken.

Kann Liebe denn so schnell ein Herz umstricken?
Ich, der so oft die Schwärmer schon verlachte,
Ich steh' im strengsten Winterfrost und schmachte
Nach einem Blick, nach einem flüchtgen Nicken!

Dann bin ich still den Weg zurückgeschritten,
Hier war's, wo fest die Arme sie umschlangen,
Als auf dem Eis der Fuß ihr ausgeglitten;

Auf meinen Arm gestützt war sie gegangen,
Ich sehe noch die Spur von ihren Tritten -
O süße Thorheit, die mein Herz befangen!
(S. 161)
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Das holde Bild lebt tief in meinem Herzen,
Ich hinge gern ihm nach in süßen Träumen,
Doch ruft ein Ball; ich darf ihn nicht versäumen,
Könnt' ich auch leicht was er mir beut verschmerzen.

So geh' ich denn; da strahlen tausend Kerzen,
Der Freude volle Becher seh' ich schäumen,
Musik ertönt in reichverzierten Räumen,
Ich aber bleibe fern von Tanz und Scherzen.

Doch wie, will mich mein Auge nicht belügen,
So seh' ich dort das liebe Mädchen wieder,
Sie ist's, sie ist's, die Ahnung kann nicht trügen!

Jetzt blickt sie auf, und lächelnd dann hernieder;
Die Freude lebt in allen ihren Zügen,
Und Freude bebt durch alle meine Glieder!
(S. 162)
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Zu ihr nun such' ich eilend vorzudringen,
Und theile schnell der Herrn gedrängte Schaaren
Die sie umflattern gleich geschwätzgen Staaren,
Um einen Tanz von ihr sich zu erringen.

Kaum wag' ich meine Bitten anzubringen,
Doch freundlich blickt sie auf mit ihren klaren,
Glanzvollen Augen, und es offenbaren
Die Lippen meinem Wunsche das Gelingen.

Ihr schöner Arm ruht traulich in dem meinen,
So muß der Ball, wie kaum vor wenig Stunden
Der rauhe Winter, mich mit ihr vereinen.

Ich halte mit dem Arme sie umwunden,
Und drücke fest die Hand der lieben Kleinen,
Froh überrascht, daß ich sie hier gefunden.
(S. 163)
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Die Rose schläft verhüllt im grünen Moose,
Der Knospe Spitze kannst Du kaum erkennen;
Doch Dir verkündet gleich ihr dunkles Brennen:
Hier ruht die Blumenkönigin, die Rose.

Und wenn sich dann bei milder Luft Gekose
Die Knospendecken von der Blüthe trennen,
Wer möchte da der Reize Zahl benennen,
Die sich entfalten in dem zarten Schoose!

Ich sah Dich tief gehüllt in Winternacht,
Doch von den Augen, von dem lieben Munde
War gleich die Gluth in meiner Brust erwacht.

An Dich nur dacht' ich seit der ersten Stunde;
Nun seh' ich Dich verklärt in höchster Pracht,
Und immer tiefer wird des Herzens Wunde.
(S. 164)
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Das Sprichwort sagt: wovon das Herz Dir voll,
Das wird von Deiner Lippe bald verkündet;
Vom süßen Rausch fühl' ich mein Herz entzündet,
Das hoch in Deiner lieben Nähe schwoll;

Daß mir das Blut so heiß zum Herzen quoll,
Das ist in Deinem holden Reiz begründet,
Ich fühle mich so innig Dir verbündet,
Doch weiß ich nicht, wie ich es sagen soll.

Du sahst mich an, und Deine Blicke riefen
In meiner Brust hervor die heißen Triebe,
Die dort in unbewußter Ruhe schliefen;

O, daß ein Gott mir auf die Lippen schriebe:
Hier strahlt Dein Bild in dieses Herzens Tiefen
So steh' ich stumm vor Dir in stummer Liebe.
(S. 165)
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Ich muß hinaus, mich will's nicht länger leiden,
Im Zimmer ist mir ängstlich und beklommen,
Sie wollte heute früh zur Eisbahn kommen,
Und hat es leise mir vertraut im Scheiden. -

Noch ist sie fern; soll ich sie lange meiden?
Doch ihren Namen hab ich ja vernommen,
So mag mir denn des Eises Fläche frommen,
Die theuren Züge zierlich einzuschneiden.

Doch halt! dort seh' ich plötzlich sie erscheinen.
Wie leicht und schnell hat sie die Bahn durchflogen,
Ein Gruß - und ihre Hand liegt in der meinen.

Da trifft ihr Blick die scharfgeschnittnen Bogen,
Sieht sie zu ihrem Namen sich vereinen,
Und flüchtge Gluth hat schnell sie überzogen.
(S. 166)
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An ihrer Hand darf ich sie nun begleiten,
Ihr Führer sein auf glatter Eisesbahn;
So sehn wir nicht, daß graue Wolken nahn,
Und schnell am blauen Himmel sich verbreiten.

Jetzt stürmt das Wetter los von allen Seiten,
Ein Schneegestöber ist der ganze Plan;
Da lächelt schützend uns ein Hüttchen an,
Nach dem geschwind wir unsre Schritte leiten.

Hier sitz' ich nun allein mit meiner Schönen,
Allein, allein, im fernen Gartenhause,
Wie Mancher wird mein schüchtern Herz verhöhnen!

Ich spreche wenig, Pause folgt auf Pause,
Und meine Worte, kaum gehört, vertönen,
Wie leises Lispeln in dem Sturmgebrause.
(S. 167)
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Es tönt vom Boden her ein leises Klingen,
Ein Kettchen ist's, das sie am Hals getragen;
Ich heb' es auf, und ängstlich hör' ich fragen:
"Wo ist das Kreuz, wie kam es von den Ringen?"

Nur mühsam kann sie sich zum Lächeln zwingen,
Schwer scheint sie das Verlorne zu beklagen,
Ich will sogleich durch Sturm und Wetter jagen,
Um es wo möglich wieder zu erringen.

Da fühl' ich mich am Arme fest gehalten -
Was ist das? darf ich meinen Augen trauen?
Aus Angst für mich erbleichten diese Augen?

Ich seh' die schönste Hoffnung sich entfalten;
In diesem Zittern, diesem zarten Grauen
Ist mir ein ganzer Himmel aufgegangen!
(S. 168)
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Ich eile fort, den Sturm und Schnee besiegend,
Mag auch mein Mädchen mir den Gang verpönen;
Und das Geschick will meine Mühe krönen,
Das Kreuz erblick' ich auf dem Eise liegend.

Ich trag' es schnell zurück zu meiner Schönen,
Es fern schon freudig in den Händen wiegend;
Wie läßt sie, sanft an meine Brust sich schmiegend,
Des heißen Dankes Worte nun ertönen.

Und ihre Hände schlägt sie dann zusammen
Um meine kalten, beugt mit warmem Hauchen
Den schönen Mund zu meinen Fingern nieder.

Und gleich beleben sich die starren wieder -
Du würdest doch ein einzig Wort nur brauchen,
Um mich zum höchsten Feuer zu entflammen!
(S. 169)
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"Wir sehn uns wieder," sagten wir beim Scheiden,
"Und bald, recht bald in den bestimmten Stunden."
Im voraus wird die Freude schon empfunden,
Mit der wir uns an schöner Aussicht weiden.

Doch bald schon soll der Trennung bittres Leiden
Mein frohes, freuderfülltes Herz verwunden,
Und sie, der ich so innig bin verbunden,
Sie soll ich bald, vielleicht auf immer meiden.

Ich kehre heim, ein Brief ist angekommen,
Die Aufschrift kenn' ich, schnell ist er erbrochen
Und trübe Botschaft les' ich angstbeklommen:

Er ruft mich fort auf jahrelange Wochen,
Fort, eh' Du noch ein Wort davon vernommen
Und Treue wir uns, ew'ge Treu versprochen.
(S. 170)
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Frühling


Die Thauluft weht aus südlich milder Zone
Belebend warm hinauf zum rauhen Norden;
Das alte Laub, das längst schon dürr geworden,
Verdrängt die Knospe von des Baumes Krone.

Schon grüßen wieder mit bekanntem Tone
Die muntern Vöglein aus dem Sängerorden,
Bald jauchzt der Mai in hallenden Accorden,
Und Wald und Fluren dienen ihm zum Throne.

So weht auch ihr, betrübter Zeiten Reste,
Wie dürre Blätter fort, dem Wind zum Raube,
Was weilt ihr noch am frohen Frühlingsfeste?

Schon paart sich girrend hier die Turteltaube,
Die kleinen Sänger tragen dort zu Neste,
Und Freude sprießt empor im grünen Laube.
(S. 171)
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Der Lenz erwacht mit seinen Ungewittern,
Die uns zum Scheidegruß der Winter sendet:
Er läßt noch einmal, eh' er sich geendet
Vor seiner Macht den Wald, die Flur erzittern.

Mag nun des Winters Sturm die Eichen splittern,
Ist meine Reise doch mit ihm vollendet,
Und nicht mehr wird, der Heimath zugewendet,
Der Sehnsucht Schmerz das Leben mir verbittern.

Jetzt komm' ich an, auf heißer Sehnsucht Schwingen
Eil' ich entzückt nach der Geliebten Wohnung
Und lasse hell der Thüre Glocke klingen.

Der Schlüssel knarrt, ein Kerl schreit ohne Schonung:
"Niemand zu Haus!" und alle Riegel springen
In's Schloß zurück mit greulicher Betonung.
(S. 172)
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Die Veilchen duften, Primeln und Narzissen
Und Hyazinthen blühn im stolzen Glanze,
Ein jeder Garten wird zum Blumenkranze,
Die bunte Flur zum reichgestickten Kissen.

Geschäftig ist die Biene schon beflissen,
Wie sie den Honig in die Zellen schanze,
Und Schmetterlinge schwärmen, wie zum Tanze,
Die müßigen, die nichts von Arbeit wissen.

Die Fraun und Mädchen ziehn im bunten Drange
Hinaus, der Luft sich wieder zu versöhnen,
Die sie entbehrt so schmerzlich und so lange,

Und schwärmen nun, begrüßt von Jubeltönen,
Durch Wald und Flur im süßen Müßiggange,
Den Schmetterlingen gleich, den reizend schönen.
(S. 173)
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Zu Roß, zu Roß! die Räume muß ich meiden,
Wo überall Bekannte mir begegnen!
Der Sturmwind tobt, und graue Wolken regnen,
Doch können sie die Flucht mir nicht verleiden.

Ich will ja nichts, als nur von hinnen scheiden;
Die fernen Pfade wähl' ich, die entlegnen -
Wol Mancher sieht mir nach, dem wild Verwegnen,
Nicht ahnend, welche Wehn mein Herz zerschneiden.

Das Pferd geht ungeleitet seine Wege,
Mag es, wohin es immer will, mich tragen,
Nur soll es weiter, immer weiter gehn.

Fort trabt es über Äcker, Waldgehege
Und bleibt zuletzt, erschöpft vom langen Jagen,
In einem Dorf am Thor der Schenke stehn.
(S. 174)
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Die Stürme schweigen, milde Lüfte dringen
Mit sanften Hauchen an die Knospendecken,
Die Keime von dem Schlummer aufzuwecken,
Aus dem sie langsam erst empor sich ringen.

Wol manche Knospe wird noch heute springen,
Sie braucht nicht ängstlich mehr sich zu verstecken -
Und Bienen summen hin und her, und necken
Sich mit den ersten, bunten Schmetterlingen.

Und tief ergriffen schau' ich in das Leben,
Wie sich's bewegt und regt in reicher Blüthe;
O solch' ein Anblick muß das Herz erheben!

Und laut ertönt's im freudigen Gemüthe:
Viel Schönes hat der Himmel uns gegeben,
Ja groß, sehr groß ist des Allmächtgen Güte!
(S. 175)
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Im Grase liegend, an begrünter Weide
Schaut' ich hinunter auf die Silberwogen,
Wie murmelnd sie die bunte Flur durchzogen,
Die Blumen spendet ihnen zum Geschmeide.

Da rauscht der Busch, und sieh, im leichten Kleide
Naht, wie die Sonne schön am Himmelsbogen
Mein Mädchen, eilt an's Ufer, schnell, verwogen,
Und doch besorgt, daß sie Gefahr vermeide.

Und Blumen pflück' ich, weiße, rothe, blaue;
Ihr Boten, sprecht zu ihr mit lauten Zungen
Vor aus der Fluth, der ich euch anvertraue.

Jetzt sind die Blumen hin zu ihr gedrungen,
Sie sieht, wie sehnsuchtsvoll nach ihr ich schaue,
Ein Freudenruf - wir halten uns umschlungen!
(S. 176)
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Von heißem Rausch ist mein Gemüth befangen,
Nichts kann ich denken, als nur sie zu lieben,
Und alles Andre muß wie Staub zerstieben,
Sobald ihr liebes Bild mir aufgegangen.

So werd' ich unter Hoffen, Sehnen, Bangen
Im ewgen Kreiseslauf umher getrieben,
Und nichts ist in der Seele mir geblieben,
Als nur nach ihr das glühendste Verlangen.

Der Tag ist hin, die Sonne sinket nieder,
Das Dunkel naht, die Strahlen werden trüber,
Und kühler Thau verkündet uns den Abend.

Da endlich seh' ich die Geliebte wieder,
Und weile stumm der Holden gegenüber,
Mein Herz an ihrer süßen Nähe labend.
(S. 177)
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Mit Dir durchwandelnd dichtbelaubte Hallen,
Seh' ich mit Schnee bedeckt die dunkeln Locken;
Die Blätter sind es von den Blüthenglocken
Des Äpfelbaums, die auf Dein Haupt gefallen.

Vom Wind umweht, auf harten Eiscrystallen
Sah ich Dich einst, umsprüht von weißen Flocken,
Langsamen Schrittes, schwankend und erschrocken,
Vom Fall bedroht, die glatte Bahn durchwallen.

Welch' hohe Gluth war auf Dich ausgegossen,
Als meinem Arm die Rettung war gelungen;
Ich sah in ihr mein schönstes Glück erblühen.

Nun hab ich fest Dich an das Herz geschlossen,
Doch hast Du selbst den Arm um mich geschlungen,
Und Liebe macht die Wange Dir erglühen.
(S. 178)
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Ein Röslein, das am Busen sie getragen,
Entriß sich seiner Haft am schönen Orte;
O sicher wäre, wenn es hier verdorrte,
Das ihr so lieb gewesen, zu beklagen.

Du fühltest dort des lieben Herzens Schlagen,
Du warst so nah der zarten Lebenspforte,
Glückselige Rose, hättest Du doch Worte,
Um, was du dort erlauschtest, mir zu sagen!

Ob schneller auch begann das Herz zu pochen,
Sobald ihr schönes Auge mich gewahrte,
Und wenn von mir der süße Mund gesprochen?

Ob jenes Glühen, das jungfräulich zarte,
Oft auch bei anderm Anlaß ausgebrochen?
Ob es vor mir allein sich offenbarte?
(S. 179)
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Der holden Wange liebliches Erröthen
Gewährte mir nur unbestimmte Kunde,
Mehr sprach Dein Lächeln, mit dem Blick im Bunde,
Daß Deine Lippen nicht mein Wort verböten.

Doch jeden Zweifel muß ich jetzt ertödten;
So töne denn das Wort aus Deinem Munde:
Ist mir genaht des Lebens schönste Stunde,
Soll ich vergehn in Schmerz und Liebesnöthen?

Du senkst erglühend stumm die Augenlieder,
Doch ruht die Hand geduldig in der meinen,
Und langsam hebt sich schon das Auge wieder.

Da beug' ich mich zu meiner lieben Kleinen,
Zu ihren lächelnd süßen Lippen nieder,
Im stummen Kuß uns ewig zu vereinen!
(S. 180)
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Vom Himmel strahlt in ungetrübter Reine
Der volle Mond durch laue Lüfte nieder,
Gewürzger Hauch entquillt Jasmin und Flieder,
Vermählend sich dem milden Silberscheine.

Die Vögel singen in dem dichten Haine
Dem kleinen Weibchen ihre Liebeslieder -
Und in der dunkeln Laube sitz' ich wieder
Mit Dir, mein Kind, im traulichen Vereine.

Du bist mir liebend an die Brust gesunken,
Und drücktest meine Hand Dir an die Wange,
Um die erhitzte langsam abzukühlen.

Ist es ein Wunder, wenn ich wonnetrunken
Nach keinem Wort aus Deinem Mund verlange,
Versunken ganz in seligen Gefühlen?
(S. 181)
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Der Sommer naht, mit glühend heißem Strahle
Des Frühlings Blüthenschöpfung zu versengen,
Daß sie, die früh die Knospe zu zersprengen
Gewagt, die Kühnheit mit dem Tod bezahle.

Und schon verstummt der Vögel Chor im Thale,
Die Schwüle muß die kleine Brust verengen,
Mag auch der Thau die matte Flur besprengen,
Der Frühling kehrt doch nicht zum zweiten Male.

Was kümmerts mich? ich habe Dich errungen!
Aus Deinen Augen les' ich Glück der Liebe,
Dein lieber Arm hält mich so fest umschlungen.

So welket nur, ihr zarten Frühlingstriebe!
Ist doch Dein holdes Ja zu mir gedrungen,
Daß ewger Frühling mir im Herzen bliebe!
(S. 182)
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Sommer


Die Rosen blühn, den Sommer zu verkünden,
Der Frühling will durch ihre Pracht uns zeigen,
Ihm sei der Blumen schönste noch zu eigen,
In ihr ein Angedenken sich zu gründen.

Da wird es still in Wald und Felsenschlünden,
Der Nachtigallen holde Lieder schweigen -
Doch bald wird früher auch der Tag sich neigen,
Mich meinem Mädchen früher zu verbünden.

Drum fort mit trüben, wehmuthsvollen Klagen!
Es blühn ja, süße Düfte zu verbreiten,
Die Rosen auch in heißen Sommertagen.

Und, freundlich durch das Leben uns zu leiten,
Erblühn, wenn warm und treu die Herzen schlagen,
Der Liebe Rosen uns in allen Zeiten.
(S. 183)
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Die dunkle Nacht mit ihrer sanften Kühle
Ist auf die matte Flur herabgesunken,
Und dürstend wird der feuchte Thau getrunken
Von welken Blättern nach des Tages Schwüle.

Eintönig hallt aus sumpfgem Wiesenpfühle
Der Frösche Schrein und Klageruf der Unken,
Und durch die Blumen ziehn, wie Feuerfunken
Glühwürmchen hin im lustigen Gewühle.

Da fängt sich eines in den dunkeln Haaren;
Mein Mädchen lacht - ich muß mich schnell bemühen,
Viel andre Sternchen noch hinzuzufügen.

Nun läuft sie an den Bach, den ruhig klaren,
Sie sieht ihr Haupt im Strahlenkranze glühen,
Und jubelt auf vor innigem Vergnügen.
(S. 184)
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"Brich mir die Rose dort, daß ihre süßen,
Bedeutungsvollen Düfte mich entzücken;
Oft werd' ich sie an meinen Busen drücken,
Muß ich entfernt von Dir die Zeit verbüßen."

Wer hört nicht gern von solchem Wort sich grüßen?
Ich eile fort, die Rose schnell zu pflücken;
Doch kaum erfaßt, beim ersten leisen Rücken
Fällt auch entblättert schon sie mir zu Füßen.

Ist's so gemeint - beginn ich nun wie schmollend -
Ist das der Liebe Gleichniß bei den Schönen,
Ein öder Stiel, im Staub die Blüthe rollend?

Ha - ruft sie bös - so willst Du mich verhöhnen!
Und wendet sich ob meiner Rede grollend,
Und zürnt und trotzt und will sich nicht versöhnen.
(S. 185)
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Das Mädchen:
"Gieb mir die Hand, ich will die Linien schauen,
Die, Deinen Sinn verrathend, hier sich winden,
Ob auch Dein Herz die Schmeichelreden binden,
Und ob ich darf auf Deine Worte bauen.

Da seh' ich langes Leben, Gunst der Frauen,
Und Reichthum, Glanz, doch - müßt' ich auch erblinden -
Von Treue nicht die kleinste Spur zu finden,
Nun sage selbst, kann ich Dir noch vertrauen?"

Der Jüngling:
"Indeß Du hier verfolgt der Hände Falten,
Las ich in Deines Angesichtes Zügen,
Wie sie so schön, so reizend sich gestalten:

Da sah ich denn mit wonnigem Vergnügen,
Daß sie nur Liebe, reine Lieb' enthalten -
Nun sage Du, ob diese Zeichen trügen?"
(S. 186)
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Ich stand mit ihr im Schatten alter Rüstern;
Des Mondes Licht war hell und rein entglommen,
So müssen denn Gebüsch und Bäume frommen,
Und uns mit ihrer Blätter Nacht umdüstern.

Da hör' ich jetzt mein Mädchen ängstlich flüstern:
"Siehst Du, Geliebter, dort die Leute kommen?
Wir sind verloren, wenn sie uns vernommen,
Denn Alles ist nach Klätschereien lüstern."

Stumm bin ich nun; doch, wie es Mädchen eigen,
Ist einmal nur der Rede Strom im Fließen,
Dann bringt man nimmer wieder sie zum Schweigen.

Und weil sie nimmer sonst vom Reden ließen,
Muß ich den Mund auf ihre Lippen neigen,
Um fest das Plaudermäulchen ihr zu schließen.
(S. 187)
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Das Mädchen:
"Ich wollte Dir die schönste Rose geben,
Die lang gepflegt in meinem Garten glühte;
Da sah ich in der kaum erschloßnen Blüthe
Des Morgenthaues helle Tropfen schweben.

Und meine Brust durchzog ein leises Beben,
Und Ahnung sprach: o wahre Dein Gemüthe,
Nur Thränen giebt für alle Lieb' und Güte
Zurücke Dir das undankbare Leben!

Was soll't ich thun? ich hatte doch die Rose
Gepflegt, um als Geschenk sie Dir zu reichen;
Nun les' ich trüben Sinn in ihrem Schoose.

So mache, wenn Du kannst, dies Bild entweichen,
Und deute mir der frohen Zukunft Loose
Aus dieser Blüthe warnungsvollem Zeichen."
(S. 188)
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Der Jüngling:
"So dachtest Du, als Du die Rose pflücktest,
Den Thau in ihr der Thräne zu vergleichen?
Und wolltest doch sie Deinem Freunde reichen,
Daß Du sein Herz durch Dein Geschenk entzücktest!

Und als Du sie an Deinen Busen drücktest,
Da mußte schnell der feuchte Thau entweichen;
Wie bliebe wol bei ihr der Thräne Zeichen,
Wenn Du mit solcher Nähe sie beglücktest?

So konnt' ich oft, wenn ich an Dich gedacht,
Den bittern Schmerz in meiner Brust beschwören,
Wie Tageslicht vertreibt die dunkle Nacht.

Nun willst Du mir für immer angehören!
Und so, geschützt durch Deiner Liebe Macht,
Kann nichts im Leben je mein Glück zerstören."
(S. 189)
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Der Jüngling:
"Ob ich Dich liebe? ob mein Herz für Dich,
Wie sonst, so glühend noch im Busen schlage?
Wie, Mädchen, kämest Du zu dieser Frage,
Wenn nicht die Lieb' aus Deiner Brust entwich?

Wann fandest Du mein Herz veränderlich?
Ich war Dir treu seit jenem ersten Tage;
Und gab ich Anlaß Dir zu einer Klage,
Dann treffe schwer des Himmels Rache mich ..."


Das Mädchen:
"Halt ein, halt ein! wozu dies wilde Tosen?
Willst Du nicht eine Frage mir erlauben,
Und darf ich nur mit süßen Worten kosen?

Wie kann ein Wort nur Deinen Frieden rauben,
Wie Dich der kleine Scherz so sehr erbosen?
Ich will ja gerne, was Du willst, Dir glauben."
(S. 190)
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Das Mädchen:
"Jetzt halte still den Kopf und wanke nicht,
Ich möchte tief Dir in die Augen sehen,
Ob meine Züge Dir im Herzen stehen,
Wie oft Dein Mund betheuernd zu mir spricht.

Da seh' ich wol mein eigen Angesicht,
Doch ach, so klein! wie kann es da geschehen,
Daß dieses Bildchen, ohne zu vergehen,
Die Bahn sich tief zu Deinem Herzen bricht?"

Der Jüngling:
"Wie magst Du nur die armen Augen schelten,
Als ob die Schuld an ihrem Willen läge,
Das sie Dein liebes Bild zum Zwerg entstellten!

Die Hand an's Herz, hier fühlst Du warme Schläge,
Sie mögen Dir als heilge Bürgen gelten,
Daß fest Dein Bild sich in die Brust mit präge!"
(S. 191)
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Es schwillt der Strom, doch schützt mit sichern Schranken
Ein fester Damm die Flur vor Wuth der Wellen,
Du siehst sie schäumend sich an ihm zerschellen,
Und kraftlos dann zum Strom zurückeschwanken.

Doch brachten sie nur einen Ort zu Wanken,
Dann werden bald sie weit und weiter schwellen,
Es dringt der Strom aus tausend neuen Quellen,
Bis Damm und Flur in trübe Fluth versanken.

So seh' ich meine Liebe nun verblühen,
Und unaufhaltsam all mein Glück zerrinnen,
Seitdem in mir die düstern Zweifel walten.

Ich fühl' es wol, umsonst ist alles Mühen,
Vertraun und Frieden wieder zu gewinnen,
Den Strom der Eifersucht zurückzuhalten.
(S. 192)
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Du sprichst von Liebe mir und ew'ger Treue,
Die nimmermehr Dein reiner Sinn gebrochen,
Und doch verschwindet nicht des Herzens Pochen,
Es glückt mir nicht, daß ich die Furcht zerstreue.

So duster, wie nach böser That die Reue,
Liegt jedes Wort auf mir, das Du gesprochen;
Unmöglich ist's, daß, wie vor wenig Wochen,
Ich sorglos Deiner Liebe noch mich freue.

Da sagtest Du noch nichts von heißem Lieben,
Doch ward es mir durch jede That verkündet,
Ein Blinder hätte Dich verstehen müssen.

Ich zweifle jetzt bei Deinen heißen Küssen,
Wol wird mein Herz durch Deine Gluth entzündet,
Doch weiß ich nicht ob Du mir treu geblieben.
(S. 193)
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Es wächst die Nacht und streift mit dunkler Schwinge
Vom Thron des Tags die goldnen Feuerrosen,
Der Morgen zaudert, ob den liederlosen,
Vergilbten Au'n er seine Grüße bringe.

Die Sonne rollt in täglich kleinerm Ringe,
Wie müde schon, mit Flur und Wald zu kosen,
Und frostig mahnt oft rauher Stürme Tosen,
Daß bald der Reif die weiße Fahne schwinge.

Du, Sommergott, zerstörst im Fliehn die Blüthe,
Die liebend erst Dein warmer Strahl entfaltet,
Eh' frostberührt ihr Lebenshauch verglühte.

Noch ist der Liebe Flamme nicht erkaltet.
So tödte sie, die deinem Blick entsprühte,
Eh' sie versiegt, eh' langsam sie veraltet.
(S. 194)
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Herbst


Die Flur ist leer, des Waldes Lieder starben,
Der Garten prangt, doch prangt er ohne Düfte,
Der Landmann birgt vor Wuth der rauhen Lüfte
In sichre Scheuern seine schweren Garben.

Doch läßt Natur nicht unser Auge darben,
Sie schmückt mit Reiz der eignen Schönheit Grüfte,
Und strahlen siehst Du Wald und Felsenklüfte
In wunderbarer, reicher Pracht der Farben.

O hätt' auch ich in sichre Hut genommen
Der Liebe Rosen, die mir jetzt entweichen,
Ich stände nicht betrübt in diesen Räumen!

Jetzt mag ich, nur von meinem Schmerz beklommen,
Des Herbstes reiche Farbenpracht vergleichen
Mit der Erinnrung traurig süßen Träumen.
(S. 195)
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Was nützt es, länger noch hinauszuschieben,
Was Du mir doch einmal gestehen mußt;
Ich sah es längst, Du bist Dir schuldbewußt,
Auf Deinem Antlitz steht es klar geschrieben.

Aus Deinem Herzen hast Du mich vertrieben,
Es schlägt für mich nicht mehr in Deiner Brust -
Du schweigst? - nun denn, ich trage den Verlust,
Seh' ich die liebste Hoffnung auch zerstieben!

Das Feuer, das aus Deinem Angesicht
Mein Herz, mein Auge liebeselig tranken -
Ich seh' es wol, es war ein flatternd Licht.

Doch nicht in Zweifeln ließest Du mich schwanken -
So will ich denn, ob auch das Herz mir bricht,
Für die Gewißheit wenigstens Dir danken.
(S. 196)
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Die Frucht verläßt den Ast, der sie getragen,
Kann er doch fürder nicht ihr Nahrung reichen;
Die Raupe wird von kahler Pflanze weichen,
Um andre, blätterreiche zu benagen;

Die Vögel fliehn nach warmen Sommertagen,
Ein mildres Land in Eile zu erreichen -
Wer sieht darin des schnöden Undanks Zeichen,
Wer möchte der Verlaßnen Loos beklagen?

Ich seh' die Früchte fallen, wenn sie reifen,
Die Raupe suchen, was ihr Nahrung spendet,
In warmes Land die muntern Vögel schweifen -

Und, daß mein Mädchen sich von mir gewendet,
Kann es so schmerzlich mein Gemüth ergreifen,
Da ich es weiß, daß Alles einmal endet?
(S. 197)
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Auf, raffe Dich empor aus düstern Träumen,
Das Leben ruft, das Dich schon oft erfreute!
Wie sonst, so reizend lacht es Dir noch heute,
Was willst Du hier den schönen Tag versäumen?

Komm, folge mir zu freien Waldes Räumen,
Hier wirst Du noch des Grames sichre Beute;
Der Wald, der Dir im Frühling Blumen streute,
Giebt Lust Dir auch bei herbstentlaubten Bäumen.

Der Jagdruf tönt, fort, nimm das Feuerrohr,
Durch Wald und Flur dem Wilde nachzujagen,
Schon wartet Dein der Freude lauter Chor.

Was Dich bedrängt, das mußt Du niederschlagen;
Dem muthgen Kämpfer strahlt die Freude vor,
Sei stark - und neu wird ihre Sonne tagen.
(S. 198)
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Du klagst, wenn Dir ein lieber Freund geschieden,
Und hüllst Dich ein in Flor und schwarze Tracht,
Sank ein Verwandter in des Grabes Nacht,
Ward er im Leben auch von Dir gemieden;

Und trauerst Du, läßt Jeder Dich in Frieden -
Und mich, der um sein Liebstes ward gebracht,
Mich ruft zur Freude man und scherzt und lacht -
So seltsam ist der Menschen Brauch hienieden!

Ich weiß es wol, es trocknen alle Zähren,
Und jedes Leid ist endlich zu verschmerzen,
Auch mir wird wieder sich das Glück verklären.

Doch wohnt die Trauer noch in meinem Herzen,
Drum wolle Zeit und Ruhe mir gewähren,
Und laß allein mich, fern von Lust und Scherzen.
(S. 199)
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Ich denke ruhig jetzt an Dich zurücke,
Und dann erscheint, so freundlich und so mild,
Dein theures, ach, noch jetzt geliebtes Bild,
Wie mir es einst erschien in meinem Glücke.

Dann mahnt mich plötzlich meines Herzens Lücke;
Ich fliehe fort, durchstürme schnell und wild
Die welken Fluren, Wälder und Gefilde,
Ob mich die Flucht dem bittern Gram entrücke.

Und bin ich dann erschöpft zurückgekehrt,
Sink' ich ermüdet auf das Ruhebette,
Bis Schlummer mir vielleicht die Schmerzen wehrt;

Dann naht Dein Bildniß in der Träume Kette,
Und weckt mich auf - von neuem Leid versehrt
Späh' ich umsonst, wie ich vor ihm mich rette.
(S. 200)
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Du liebst, wenn harter Winterfrost begonnen,
Zu weilen in des Blumenhauses Räumen,
Die Sommertage Dir zurückzuträumen,
Und Dich im Geist am warmen Strahl zu sonnen.

Und hast Du Dir das holde Bild gewonnen,
So magst Du gern im grünen Hause säumen -
Da rauscht der Sturm in den beschneiten Bäumen
Und schnell ist Dir der schöne Traum zerronnen.

So mögen oft im Traume mir sich zeigen
Die hingeschwundnen, schönen Sommertage,
Wo mir Dein ganzes Herz noch war zu eigen.

Und wenn ich leise Deinen Namen sage,
Dann fahr' ich auf - doch meine Lippen schweigen,
Und stumm ertönt im Herzen meine Klage.
(S. 201)
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Ich sah Dich krank und Deine Wang' erbleichen;
Es war im Traume nur, doch auch erwacht
Bedrängte mich der Sorge düstre Macht,
Und wollte nicht aus meinem Busen weichen.

Es treibt mich fort, Dir nahe mich zu schleichen;
Und es gelingt; ich lausche still und sacht -
Da stehst Du in der Jugendblüthe Pracht,
An Reiz und Anmuth Keiner zu vergleichen.

Wol ist die Angst aus meiner Brust entschwunden,
Vom Zauber Deiner Gegenwart beschworen,
Doch neuer Schmerz wird nun von mir empfunden.

Ich sehe Dich, die einst mein Herz erkoren,
Der ich mit ganzer Seele war verbunden,
Und ewig, ewig bist Du mir verloren!
(S. 202)
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Bekannte Räume grüß' ich seufzend wieder,
In denen einst mein Glück sich mir entfaltet,
Im stillen Haine, traurig umgestaltet,
Blickt Baum und Strauch betrübt zur Erde nieder.

Hier tönten einst der Nachtigallen Lieder,
Jetzt rauscht der Blätter Fülle welk, veraltet,
Und wo der Liebe Blüthenreich gewaltet,
Dringt Winterfrost an meine starren Glieder.

Es treibt mich fort mit ungestümem Drange,
Doch muß ich hier am Ort des Leids verweilen,
Wie festgebannt von eines Dämons Zwange.

So strebt umsonst der Vogel fortzueilen,
Gefesselt durch den Feuerblick der Schlange,
Muß er sich selbst das Todesloos ertheilen.
(S. 203)
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In schöner Zeit, da froh die Knospen sprangen
Und Nacht und Tag den neuen Glanz ergossen,
Thautropfen warm den keuschen Kelch umflossen,
Da sprachst Du ernst mit hocherglühten Wangen:

Wann erst im Herbst vorbei der Blüthen Prangen,
Wird mir und Dir ein neuer Frühling sprossen,
Dann ist der Herzen heilger Bund geschlossen,
Der Liebe Stern für's Leben aufgegangen!

Der Herbst ist da, die dürren Blätter knarren,
Wild reißt der Sturm sie los vom Mutterbaume,
Bis Zweig' und Äste kahl in's Weite starren.

Thor, ruft der Sturm, wach' auf aus tollem Traume,
Du willst auf ihres Schwur's Erfüllung harren,
Willst Schlösser baun aus luftig, lockerm Schaume?
(S. 204)
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Der Wandrer, der von dunkler Nacht betrogen,
Umsonst nach sicherm Weg den Wald durchschreitet,
Steht endlich still; von neuem irrgeleitet
Fühlt er die Hoffnung seiner Brust entzogen.

Da glänzt das Morgenroth am Himmelsbogen,
Schnell hat es sich am Horizont verbreitet;
Wie fühlt der Arme gleich die Brust erweitet,
Und glaubt das Schicksal wieder sich gewogen!

Fest ist der Tag dem Morgenroth verbündet,
Die Sonne naht, das Dunkel zu verjagen,
Ward einmal nur der erste Strahl entzündet.

Und soll auch ich die kühne Hoffnung wagen,
Es werde mir ein neues Glück verkündet,
Und wolle wieder mir entgegen tagen?
(S. 205)
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Ich stand am See, mit harten Eiscrystallen
Hatt' ihn bedeckt des rauhen Winters Wüthen;
Schneeflocken, aufgeweht vom Winde, sprühten
Vom Baum und Strauch, auf die sie leicht gefallen.

Es schützte Schnee der Erde dunkle Hallen,
Daß unverletzt die Keime zarter Blüthen
Zu neuem Leben wieder einst erglühten,
Geweckt vom süßen Lied der Nachtigallen.

So mag auch mir im Herzen Ruhe walten,
Das treulos Glück und Liebe jetzt verließen,
Bis freundlicher die Tage sich gestalten.

Nicht ewig wird das Glück sich mir verschließen,
Und wird es einst sich wieder mir entfalten,
Dann mögen neu der Liebe Rosen sprießen!
(S. 206)

Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848
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