Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Rosa Maria Assing
(1783-1840)



Andenken

Ich kann der süßen Hoffnung nicht entsagen,
Dich hier im Leben einmal noch zu sehen!
Wenn sich in Fernen Phantasie'n ergehen,
So wollen sie dich liebend zu mir tragen.

Und was in längst entflohnen Blüthentagen
So lange schon einst zwischen uns geschehen,
Bleibt mir wohl ewig im Gedächtniß stehen,
O nimmer möcht' ich dessen mich entschlagen!

Du ahntest nicht, daß ich in stillen Stunden
Mit der Erinnerung an dich mich labe,
Daß fest an dich mich knüpfet frommer Glaube.

Wo magst du weilen? Rauscht etwa, entschwunden
Der düstern Welt, auf deinem stillen Grabe
Der Herbstwind schon im abgefallnen Laube?
(S. 45-46)
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Sonett

O dürft' ich dir doch meine Sehnsucht sagen,
Mit welcher liebend ich mich zu dir wende!
Nein, sehnender schaut nicht die Sonnenwende
Nach Phöbus hin in glanzerfüllten Tagen.

Oft frage ich mich mit geheimem Zagen,
Ob ich dir wohl ein Liebeszeichen sende?
Dann quälen wieder Zweifel mich ohn' Ende,
Daß ich kaum Blick noch Händedruck mag wagen!

Sollt' auch mein Lieben deines nie gewinnen,
Vergebens seyn mein Thun, mein eifrig Streben,
Und blieb' dir auch stets unerkannt mein Trachten:

Doch werd' ich ewig dich nur einzig minnen,
In deinem Leben nur wird blühn mein Leben,
Und sollt' in Sehnsuchtsflammen ich verschmachten!
(S. 10-11)
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Aus: Rosa Maria's poetischer Nachlaß
Herausgegeben von D.A. Assing
Altona Verlag von Joh. Friedrich Hammerich 1841


 

 

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