Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Hugo Ball
(1886-1927)



Baleys Liebeslied für Euphemia

O Phemie: uns ist der Mond ein großes gelbes Tulpenbeet
(Es wälzen keuchend sich vom Horizonte Hollands taube Strahlen).
Vermischt sich Apfelmusgehirn mit Loderherz; kommt Eros viel zu spät
Und wir befinden uns weitaus am wohlsten in der Vertikalen.

Kioske öffneten sich rasch und Illustrierte schrillen.
Wir treiben Wucher mit dem Kinofilmband!
Wir liebten kilometerweise! Nach des Regisseures Willen!
Und jedes Pfundstück war uns neuer Akte Unterpfand.

Und Euphémie, wenn sentiment nicht mehr aktuell ist ...
Dann fliehen wir nach Monte, Phemié: ich habe drei Systeme!
Du hast nur eins: du bringst die Kavaliere heeme.

Dann erbst du wohl das Doppelte, weil du so sexuell bist;
Ein Auto blüht uns, und ein Landhaus: Abbazzia.
O Phemié: halt die Fleppen blank! Denk an die nächste Razzia!
(S. 44)
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Entrückt und nah

Entrückt und nah, belebend und doch Schein,
So seh ich, Liebste, Dich vor mir errichtet.
Ein Umriß, der vor meinen Blicken flüchtet
Und dem es doch bestimmt ist, Bild zu sein.

Die Hände haben längst darauf verzichtet,
Zu fassen nach Gestalt von Fleisch und Bein.
Genug zu wissen, daß Du Brot und Wein
Und zartes Feuer bist, das mich belichtet.

Die Augen werden einst in Moder fallen.
Was war ich ohne Dich? Ein irres Lallen,
Ein Dunkel und ein Rausch der Bitternisse.

Laß wehen durch mein Wort die lichten Küsse.
Laß sinken in mein dämmerndes Gedicht
Vom Brunnenrande her Dein Angesicht.
(S. 132)
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Noch Eines, Emmy ...

Wenn je ich still und ganz mich zu dir kehre
Dann mußt du groß und schweigend mich empfangen
Aus irrer Dunkelheit kam ich gegangen
Besorgt, daß ich dein lichtes Bild verzehre.

Wenn ich zu forschen lächelnd dir verwehre
Nach Lust und Leid, die doch auch mir erklangen,
Nach Stern und Freund, die mir am Wege sangen,
So wisse, daß ich tiefer dir gehöre.

Nur eines wars, das mich bewegte,
Hervorzugehn aus vielem Ungemach,
Das eine nur, das fiebernd mich erregte,

Und das mich schützte, daß ich nicht erlag:
Den Kindesglanz in deinem Seelengrunde:
Ihn laß mich trinken mit berauschtem Munde ...
(S. 147)
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Aus: Hugo Ball Sämtliche Werke und Briefe
Herausgegeben von der Hugo-Ball-Gesellschaft Pirmasens
Band 1: Gedichte
Herausgegeben von Eckhard Faul Wallstein Verlag




 

 

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