Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Emanuel von Bodman
(1874-1946)



Sterbende Liebe

Der Marmor

Du warst die Wächterin an meinen Toren,
Indes ich mit dem Marmor mich vermählte
Und Bild um Bild aus hartem Steine schälte
Und meine Hände jenen Geist beschworen.

Ich glaubte einstens, als ich dich erwählte,
Du hättest für den Dienst dich selbst erkoren.
Nun saßest du vereinsamt und verloren,
Dein Finger ging, wie wenn er Stunden zählte.

Nun ich, von ganzem Herzen dir zu geben,
Was ich nach Siegen unsrer Liebe zollte,
Aus meiner Türe trat, mit dir zu leben,

Warst du gegangen, die mir heimlich grollte.
Einsam muß ich vor meinem Block verbeben,
Mit dem ich doch der Liebe opfern wollte.
(Band 3 S. 10)
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Der versiegte Brunnen

Dein Brunnen steht versiegt vor lauter Steinen,
Die meine blinde Hand hinunterrollte,
Bis es in seinen süßen Tiefen grollte
Und heimlich klang wie unterdrücktes Weinen.

Der liebste Spiegel auf der Erde wollte
Mein Bild nur noch zerrissen wiederscheinen.
Ich trüg's nicht lang, wenn's in der Einzigeinen
Nicht wieder ganz im Blicke zittern sollte.

O laß mich bald, und wenn die Hände bluten,
Dir Stein um Stein aus deinem Innern heben,
Damit die klaren Wasser wieder fluten,

In frischem Drange mir entgegenbeben,
Und wir, die lang in sich verödet ruhten,
Uns neu vereinigen zu vollem Leben!
(Band 3 S. 10-11)
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Einkehr

Ich will der Wahrheit in die Züge schauen,
Wenn es auch schmerzt, und alles, was gewesen,
Im blassen Antlitz unsrer Liebe lesen,
Aus dem nun schmerzerfüllte Augen blauen.

Nur wenn wir ruhig blicken und ihr Wesen
Sich stumm entfaltet und wir ohne Grauen
Uns wieder unsre Seelen anvertrauen,
Kann es geschehen, daß wir ganz genesen.

Und wissen wir im tiefsten Herzensgrunde,
Daß wir fortan die jähen Worte meiden,
Die wir beschwert von allzuengem Bunde

Aufwarfen, uns am wilden Trotz zu weiden,
Wird einmal unserm reingewordnen Munde
Süß sein, woran wir jetzt so bitter leiden.
(Band 3 S. 11)
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Fernweh

Ich lag von deinem schlanken Arm umschlungen,
Ich sah die Sehnsucht deiner bangen Brüste,
Und wenn mein Atem deinen Atem küßte,
Hat selig unser ganzes Haus geklungen.

Dann ging der hochgeschwungne Tag zur Rüste.
Ich hab mich zitternd von dir losgerungen,
Das warme Herz mit kühlem Blick bezwungen,
Wie wenn ich meine Sehnsucht suchen müßte.

Ich habe unsre Wonnen oft getötet,
Um frei zu sein von allzuengem Bande.
Indes die Glut die Wange dir gerötet,

Zog ich hinaus in sternbeglänzte Lande,
Wenn dunkle Ferne süß ihr Lied geflötet.
Nun steh ich frei an einem leeren Rande.
(Band 3 S. 12)
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Gemeinsamkeit

Das ist's, was meine Freude fast zerbricht:
Ich wußte nicht, wie du dafür gelitten.
Jedweden Schmerz, der über dich geglitten,
Durchwühle ich bewußt und zucke nicht,

Bis mir sein breiter Dorn ins Herz geschnitten.
Ich sehe dich mit weinendem Gesicht,
Indes ich in das warme Sonnenlicht
Allein, von unserm Glück erfüllt, geschritten.

Und dennoch, Weib: gab ich dir nicht genug,
Wenn heim ich kehrte aus den blauen Weiten,
Um übervoll in deinen leeren Krug

Den ganzen Glanz des Tages auszubreiten?
Gemeinsamkeit für immer ist ein Trug!
Wir können sie minutenlang bereiten.
(Band 3 S. 12-13)
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Missverständnis

Ich war von alter Leidenschaft gespalten,
Noch als ich in dein Heiligtum gedrungen.
In meinem Innern hat's nur voll geklungen,
Wenn beide Stimmen darin widerhallten.

Du lächeltest, doch hast du nachts gerungen.
Ich sah's und wollte deine Glut erhalten.
Ich fürchtete, sie möchte mir erkalten,
Und habe meinen fremden Wunsch bezwungen.

Ich wollte mich zur Einheit vorbereiten,
Daß ich den Liebeshimmel ganz erstiege,
Und lebte fortan dir zu allen Zeiten

Und fühlte Glück im Rauschen meiner Siege.
Du aber blätterst in Vergangenheiten
Und kannst nicht schauen, wie ich flog und fliege.
(Band 3 S. 13)
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Das Ideal

Mit jenem Bild, das ich im Innern trage,
Hab ich dich allzustreng und oft verglichen,
Was mir mißfiel, von dir hinweggestrichen,
So, wie die Zeit es tut mit einer Sage,

Manchmal geschah's, daß jenes Bild verblichen
Vor dem Gesichte deiner reinsten Tage.
Und oftmals standest du in stummer Klage
Und bist vor meinem Blicke ausgewichen.

Du littest mit, wenn ich an dir gelitten,
Und ließest dich von meinen Händen ballen.
Nach sieben Jahren bist du mir entglitten

Und läßt empört nun deine Maske fallen.
Weib, sieh mich jetzt zum ersten Male bitten:
Komm, wie du bist! Du bist mir lieb vor allen.
(Band 3 S. 14)
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Frevel

Mein Geist verstrickte sich im eignen Witze.
Er wähnte, auf den Weltengrund zu sehen,
Er wollte sich im Innersten ergehen
Und bohrte seinen Blick durch jede Ritze.

Die Blumen, die in bunten Farben stehen,
Erblaßten unter seinem jähen Blitze.
Ich scheute selbst auf ihrem goldnen Sitze
Die Liebe nicht und ihr verschämtes Flehen.

Ich wollte ihren letzten Schleier heben
Und fragte nach dem Duft auf ihrer Lippe.
Ich hielt sie fest, sie soll' mir Antwort geben,

Ihr Herz mir zeigen unter ihrer Rippe.
Da seufzte sie, als dürft' sie nimmer leben,
Und wies mir unterm Fleische das Gerippe.
(Band 3 S. 14-15)
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Der Kreis des Tages

Ich kann nicht leugnen, daß auch mir die Schauer
Erneuter Freiheit durch die Seele wehen,
Wie Morgenwind und Tage auferstehen,
Die lange schliefen, voll von offner, blauer

Sehnsucht, wie ich sie lange nicht gesehen
Im Garten der Erfüllung und der Trauer.
Ich stehe außerhalb von unsrer Mauer
Und sehe Wandrer in die Weiten gehen.

Allein ich will nicht in Unendlichkeiten
Wie unruhvolle Jugend untersinken.
Im festen Kreis will ich den Tag bereiten,

An dem die goldnen Zifferblätter blinken.
Hilf du mir, Weib, die bunten Wirklichkeiten
Im runden Glas der Stunden aufzutrinken!
(Band 3 S. 15)
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Hass

Ich lag die Nacht verkrampft mit meinem Haß:
Willst du noch immer nicht mir voll Vertrauen
In meine schmerzgestählten Augen schauen,
In denen schon das gnadenreiche Naß

Aufblinkt wie Tau von sommerlichen Auen?
Schon wich die Last, die auf der Brust mir saß,
Nun macht mich deine Furcht von neuem blaß,
Und vor dem Tier im Weibe packt mich Grauen.

Da spricht zu mir der aufgewachte Tag:
Solange deine Hände den nicht zwingen,
Der heute nacht auf deiner Schwelle lag,

Den eignen Panther mit den schwarzen Ringen,
Wirst du das Tier auf ihrem Blütenhag,
Das du herausgelockt, nicht niederringen!
(Band 3 S. 16)
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Schönheit

Nach letzter Schönheit bin ich stets vergangen.
Ich wollte immer ihre Blüten binden
Und mußte manche bittre Qual verwinden,
Blieb unerfüllt mein offenes Verlangen.

Oft warst du schön. Ich mußte Rosen winden
In deine Haare, zart wie deine Wangen.
Doch wenn die Morgenglocken still verklangen,
Ließ mich der Alltag deine Fehle finden.

Ich rang mich wund, daß unser Frühling bliebe.
Es wurde oftmals schwül in unserm Zimmer,
Der Sturm brach ein, daß unser Flor zerstiebe.

Die ersten süßen Stunden kamen nimmer.
Nun weiß ich: reife Schönheit ist die Liebe,
Die Mängel auch durchsonnt mit ihrem Schimmer.
(Band 3 S. 16-17)
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Gefährliches Spiel

Ich hab ein Maskenkleid vor dir getragen,
Auf dem sich alle meine Geister freuten.
Von manchen wußtest du, was sie bedeuten,
Doch andre schreckten dich mit dunklen Fragen.

Daß ihre Reigen immer sich erneuten,
Hast du dir selber eines umgeschlagen.
So glänzten wir, bestickt mit unsern Sagen,
Und wollten unsre Tiefen ganz erbeuten.

Nun warfst du's weg und flohst vor meinen Farben.
Die vielen wollten dir den Sinn verwirren.
Du hattest Furcht, daß wir daran verdarben.

Nun kann ich einsam in dem Kleide irren!
Die Könige in ihren Feldern starben,
Der Narr allein muß seine Weise girren.
(Band 3 S. 17)
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Opfer

Ich habe oft das Leben abgestoßen,
Um das Gesetz auf seinem Grund zu schauen,
Zerriß den Schleier, jenen sommerblauen,
Und blickte lang nach den verborgnen großen

Gestirnen, als ich über Gartenauen
Hinschreiten konnte zwischen offnen Rosen.
Ich war ein Taucher in dem Sonnenlosen
Und sah das Menschenschicksal ohne Grauen.

Wodan, der Gott der Sonne, gab ein Auge,
Um auch das Reich des Dunkels zu ergründen,
Damit sein blinder Blick dem hellen tauge.

Um mich mit jenen Mächten zu verbünden,
Gab ich mein halbes Herz, und frierend sauge
Ich mich ans Leben, Leben zu entzünden.
(Band 3 S. 18)
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Schmerz der Einsamkeit

Ist mir's versagt in dieser Maienzeit,
Wo alle Zweige offne Blüten tragen
Und die beglückten Lippen Frühling sagen,
Die Lust zu küssen, die von Angst befreit,

Und immer trunkener in ihrem Wagen
Ins Land zu fahren, wo es Wunder schneit,
Die wirklich sind, und heiß ihr Scharlachkleid
Um die beseligt blinde Brust zu schlagen,

So will ich lieber, als in meiner Qual
Mich mit den halben Lüsten zu verbünden,
In meiner Brust das altvertraute Mal

Versunknen Schmerzes wiederum entzünden
Und wachsend in dem klaren Feuerstrahl
In gleiche Höh'n wie Lustgetragne münden.
(Band 3 S. 18-19)
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Stimme des Schicksals

An meinen Schläfen klopft und wühlt die Glut.
Ich weidete mein Herz an Mordgedanken.
Wenn ich sie tötete, die dir zum Schwanken
Verhalf: die ganze Helfershelferbrut?

Weh allen, die dein armes Herz umranken!
Sie wissen nicht, wie weh es dir einst tut.
O lägen sie befleckt von ihrem Blut!
Ich träumte schon, wie sie zu Boden sanken.

Ich würgte sie mit Händen Stück für Stück.
Da rief's geheimnisvoll wie über Wogen:
Der Pfeil der Rache fliegt auf dich zurück,

Kaum, daß er deiner raschen Hand entflogen,
Und hakt sich ein in jedes reine Glück,
Das dir vielleicht noch blüht. Laß mir den Bogen!
(Band 3 S. 19)
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Mahnung

Scheu wie ein Tier bist du von mir gegangen.
Du warst zu schwach, ins Auge mir zu sehen.
Du stahlst dich heimlich fort auf feigen Zehen.
Das bleibt als Makel immer an dir hangen.

Daß du geflohen bist: soll ich's verstehen,
Weil dich mein schwer befriedigtes Verlangen
Ermüden ließ? Erblaßten deine Wangen?
O, ließ ich deine Sehnsucht einsam wehen?

Du achtest dich entsühnt für tiefe Male,
Die ich dir schlug. Nun ich aus meiner Wunde
Mit Blut mein Feuer kläre, daß es strahle,

Es neu entfache mit gereiftem Munde:
Kniest du jetzt gläubig nicht vor meiner Schale,
Begehst du Treubruch an dem treusten Bunde!
(Band 3 S. 20)
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Die Erbschaft

So jung du bist, dein Herz war oft so alt
Und gegen sich und alles matt gerichtet.
Da hätt' ich gerne unsern Bund vernichtet,
Trug schien mir deine blühende Gestalt.

In solchen Stunden hab ich Haß geschichtet
Und klagte meine Liebe an, eiskalt.
Mein Herz gefror, von einem Krampf umkrallt,
Und lange ging's, bis Mitleid ihn geschlichtet.

Ich sah zurück in deinen Ahnensaal.
Sie saßen bei herabgebrannten Kerzen.
Sie reichten sich den goldenen Pokal,

Als blieb' er ewig voll, zu ihren Scherzen;
Und ließen dir für unser Liebesmahl
Nicht allzuviel des roten Weins im Herzen.
(Band 3 S. 20-21)
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Der Garten der Liebe

Die wahre Liebe, ist sie nicht ein Garten,
Darin die Bäume blühen und verblühen,
Darin zwei Menschen nach dem weißen, frühen
Märzglück mit offner Hand die Frucht erwarten?

Und sollte sie im Sonnenbrand verglühen -
Den Treuen, die getrost im Leide harrten,
Nicht denen, die in blaue Leeren starrten,
Reift sie am bäldesten und letzt die Mühen.

Der unsre schien verdorrt. Anstatt zu fliehen,
Hätt'st du, den Wassereimer in den Händen,
Mir helfen können, neue aufzuziehen

An sturmgeschützten, weißen Mauerwänden.
Ist es so schwer, auf starken, frommen Knieen
Die Qual der Liebe in ein Glück zu wenden?
(Band 3 S. 21)
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In deinem Zimmer

Ich bin dir ähnlich, und du bist es mir.
Wie sollt es anders sein nach sieben Jahren,
Die wir in Lust und Leid zusammen waren!
Dein Wesen ist in mir und meins in dir.

Noch denk ich an den Glanz von deinen Haaren,
Sitz ich allein auf deinem Platze hier.
Da sagten wir so oft das Wörtlein: wir.
Da hast du das Geheimnis einst erfahren.

War unsre Liebe nur ein süßer Wahn,
Weil du entflohen bist nach ihren Stunden?
War sie der Stern nicht, den wir in ihr sahn?

Hast du die hohe Liebe nicht empfunden?
Wer bist du, Weib? Kehr um und sieh mich an!
Sind wir denn nicht urwesentlich verbunden?
(Band 3 S. 22)
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Das Kind

Mir träumte heute nacht von unserm Kinde.
Es war nicht tot, es saß im roten Kleide
Und streckte seine kleinen Hände beide
Froh in die Luft, im Schatten unsrer Linde.

Verklärt von lusterfülltem Mutterleide
Hieltst du die Wange an die rauhe Rinde
Und horchtest still dem sanften Abendwinde.
Ich kehrte von der Jagd aus Schilf und Heide.

Ja, wär das blonde Kleine uns geblieben,
Nie hätten deine Züge sich verbittert.
Ein warmer Glanz von unserm alten Lieben

Durch alle Sorgen hätt' er nachgezittert.
Die Mächte, die uns auseinandertrieben,
Sie schliefen eingemauert und vergittert.
(Band 3 S. 22-23)
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Das Fest des Einsamen

Wenn ich aus meiner schweren Tür getreten,
An Tagen, wo die Strahlen sich ergießen,
Um dich an meine warme Brust zu schließen,
Vor deinem lilienhaften Leib zu beten,

Da ließest du die Haare offen fließen.
Wenn dann die Sonnen sich im Wirbel drehten
Und deine Blicke in die meinen flehten
Und mir die Lust der Liebe rein verhießen:

Da hab ich jenes schwere Glück gewonnen,
Das den Versunknen, die aus Tiefen steigen,
Erglüht. Ich durfte strahlenüberronnen

Mich nackt vor dir in meiner Urkraft zeigen.
Wir tranken an einander Lebenswonnen.
Wie kommt's, daß mir jetzt deine Lippen schweigen?
(Band 3 S. 23)
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Das stumme Lied des Marmors

Ich bin sehr kühl. Ich nähre mich vom Blut
Herbsüßer Frauenseelen, die mich speisen.
So kühl ich bin, ich muß die Liebe preisen
Und zittre dennoch nicht in ihrer Glut.

Ich bin sehr kühl und muß das Leben weisen,
Das euch im nackten, keuschen Leibe ruht.
Ich zeige Lust und Trauer, Kampf und Wut
Und fühle nichts in meinen Adern kreisen.

Ich ziehe warmes Blut in mich hinein.
Auch meinem Schöpfer bleiche ich die Wangen,
Wenn er mich formt, und fühle keine Pein.

Ich stille wie ein Weib ihm sein Verlangen.
Ich bin der kühle, helle Marmorstein
Und schimmre, ist er in mich aufgegangen.
(Band 3 S. 24)
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Die letzte Einsamkeit

Nacht, stumme Nacht, nur über mir die Sterne,
Wie schläft sich's trostlos in verwaisten Kissen,
Vom tiefsten Hunger, den es gibt, gebissen!
Mein Herz ist wach und horcht in graue Ferne.

Kein Herz auf dieser ganzen Welt zu wissen,
An dem ich alle meine Qual verlerne!
Auch die sind einsam dort und messen gerne
Die lichte Bahn im dunkel Ungewissen.

So will ich einsam meine Hände falten,
Nur meiner Seele lauschen, die mit leisen
Flutwellen steigt, um nimmer zu erkalten.

Die Sterne rauschen ihre goldnen Weisen.
Ich will mein ganzes Innere entfalten
Und hell und warm in diesem Dunkel kreisen.
(Band 3 S. 24-25)
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Entsühnung

Nun habe ich genug mit mir gerungen,
Wie je zwei Stürme dort am Himmel rangen,
Ich bin vertiefsten Blicks in mich gegangen
Und habe meinen bittern Groll bezwungen.

Ein jeder Fehl, den ich an dir begangen
Und du an mir, ist eiternd aufgesprungen.
Vor mir entsühnt stieg ich aus Dämmerungen
Und öffne rein der Sonne mein Verlangen.

Nun ist's an dir, mit einem frischen, kühnen
Frühflug die schwere Seele zu erheben.
Hast du die Kraft, dich selber zu entsühnen

Und mich vor dir, der lange war dein Leben,
Und, wie die Blätter nach dem Regen grünen,
In Tränen ein verjüngtes Herz zu geben?
(Band 3 S. 25)
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Ausblick

Ein Mädchen reicht mir seine Blütenschale
Voll Morgentau. So hab ich nie gezittert.
Was ich im kühnsten Traume sah, vergittert,
Steht vor mir da im vollen Sonnenstrahle.

Du hast mein Herz bis auf den Grund verbittert.
So bebt' ich kaum, als ich zum ersten Male
Dir nahte, und in deinem kühlen Tale
Hat meine Sehnsucht niemals so gewittert.

Ich lösch ihn nicht, den Durst auf meinem Munde,
Kannst du geläutert deinen Haß begraben,
Weil noch in unserm jahrgeweihten Bunde

Das Flämmchen zuckt, dran wir die Seele laben,
Und weil wir ernst in sternenklarer Stunde
Den Schwur der Treue uns geschworen haben.
(Band 3 S. 26)
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Erwartung

Ich litt an dir: nicht voll, um froh zu lallen,
War dir der Mund. Allein ich darf nicht wähnen,
Ich fände tiefres Glück; wie Glanz von Schwänen
Und Lilien warst du schlank und keusch vor allen.

O komm zurück! Ich lasse meine Tränen
In meine Hände fluten und kristallen
Auf deine frühe Demut niederfallen,
Auf deinen Scheitel und auf deine Strähnen.

Du weißt es doch: nur vor der süßen Reine
Erbebt mein Knie in lautlos schwerem Glücke.
O komm zu mir im ersten Morgenscheine!

Wir treffen uns auf jener hellen Brücke
Über dem schwarzen Todesfluß, du Meine,
Daß ich aufs neu mit dir die Myrte pflücke.
(Band 3 S. 26-27)
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Irrung

Du hast mir nicht ins Herz hineingeschaut,
Sonst hätt'st du hinter seinem rauhen Schilde
Glanz aufgedeckt von einer süßen Milde,
Wie sie noch jetzt in mancher Stunde taut:

Den Glanz von einem wundersamen Bilde
Vom Himmel meines Glaubens tief umblaut,
Dem ich mein Fühlen kindlich anvertraut
Und das so oft das Seelenheimweh stillte.

Du sahst die Blume hinter Dornen nicht,
Die sich in meinem Innern dir entfaltet,
Sahst nicht darin dein heiligstes Gesicht,

Wie's meine Liebe Jahr um Jahr gestaltet.
Bring es nicht in Gefahr, daß es zerbricht,
Wenn du dem Wahn verfällst, sie sei erkaltet.
(Band 3 S. 27)
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Trübe Rückkehr

Du ließest gern dein Haus am trüben Teich
Und deine kühle, windebewegte Welle.
Ich nahm dich mit in meine Tageshelle:
Du wurdest in der Liebe schön und weich.

Ich baute uns mit Hammer und mit Kelle
Ein neues Haus. Dein Wuchs schien meinem gleich.
Schon blicktest du mit mir ins andre Reich
Und standest ahnungvoll an seiner Schwelle.

Da lockt dich aus dem klargebauten Haus
Die alte Flut mit trügerischem Blicke
In zitternde Unendlichkeit hinaus.

Nun kamst du mit zerbrochenem Geschicke.
Es stürzt das Dach des stillen Wunderbaus.
Ich möchte, daß es mich und dich ersticke.
(Band 3 S. 28)
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Das fremde Gesicht

Wo blieb dein morgenkeusches Angesicht,
Das mir die Seele bis ins Innre rührte,
Daß ich vom Himmel einen Hauch verspürte?
Ein Zug ist da, der mir den Glauben bricht.

Einst, als ich es beglückt zum Munde führte,
Weint ich vor Dank in deinem süßen Licht.
Und nun, seit du entflohen - ist es nicht,
Als ob dich eine fremde Hand berührte?

So blieb mir nur dein Bild aus alter Zeit.
Tief trag ich's in mir wie im Totenschreine.
Ich seh's nur an in meiner Einsamkeit,

Dann lebt es, überglänzt von mildem Scheine.
Ich halt es fern von deiner Wirklichkeit,
Daß unsre Liebe nicht darüber weine.
(Band 3 S. 28-29)
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Traumwandel

Ich konnte dich in manchen meiner Stunden
Mit jenem holden Frauenbild vertauschen,
Das ich geträumt, und deiner Stimme lauschen,
Als hätt ich den ersehnten Klang gefunden.

Zu andrer Zeit hört ich die Sehnsucht rauschen,
Ach, ihr Gefieder blutete von Wunden!
Dein Bildnis konnte sich nicht völlig runden,
Und ich begann, es in mir aufzubauschen.

So trug ich es in meiner innern Halle
Und konnte froh noch zu den Höhen streben.
Wahn half, daß es nicht aus dem Herzen falle,

Wollt ich damit in meinen Himmel schweben,
Da weckst du mich mit nüchtern kaltem Schalle
Aus meinem Traum und läßt mein Glück verbeben.
(Band 3 S. 29)
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Das Kreuz der Liebe

Es gilt, sein Kreuz mit treuen Händen tragen
Durch alle Kämpfe und durch alle Mühen;
Und wenn dir Tropfen auf der Stirne sprühen
Und deine Lippen stumm vor Schmerzen klagen:

An einem Tage werden Rosen blühen
So rot wie nie, süß werden Drosseln schlagen.
Am Abend steht es klein und ohne Fragen
An deinem Bett, und alle Sterne glühen.

Doch wirfst du's weg, weil deine Hände bluten,
Und willst du dir ein neues Glück erjagen
Und hebst du deine Füße, dich zu sputen,

Und greifst du's schon an wolkenlosen Tagen -
Dann siehst du's in den Abendsonnengluten
Auf einmal schwarz in deinen Himmel ragen.
(Band 3 S. 30)
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Bettler

Mein Vaterland ließ mich am Tore stehen,
Als ich ihm freudig meinen Marmor brachte,
Den ich behau'n, wenn ich mit Sternen wachte.
Es ließ mich Jahr um Jahr vergebens flehen,

Daß ich es reicher, es mich leichter machte,
Wenn es ihn nur mit Einem Blick besehen.
Ich mußte wie ein Bettler weitergehen,
Den Grimm in meinem Herzen - bis ich lachte.

Du lachtest nicht. Dir ging es nicht von Herzen,
Mit mir den Karr'n zu schieben und zu stauben.
Du ließest dir den Stern der Hoffnung schwärzen

Und hinterrücks all dein Vertrauen rauben.
Sonst strahltest du mit mir im Saal der Kerzen.
Ich aber danke, Weib, für solchen Glauben.
(Band 3 S. 30-31)
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Die Schlange

In eurem grauen Schlosse hat die Schlange
Von alters her den Wohnsitz aufgeschlagen.
Ich hörte schon als Knabe Mägde sagen,
Sie brüte dort Verrat im dumpfen Gange.

Ihr saht schon in den frühen Mädchentagen
Die Eltern mit ihr spielen. Gar nicht bange
Nahmt ihr sie selber wohl an eure Wange
Und durftet sie wie eine Puppe tragen.

Du wuchsest auf in deinem weißen Kleide
Und bist vor Grau'n an meine Brust entwichen.
Wir wurden eins in reinem Glück und Leide.

In unserm Haus war meine Furcht verblichen.
Dann bröckelte die Zeit am Glück voll Neide:
Da ist sie dir aus Treue nachgeschlichen.
(Band 3 S. 31)
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Mein Siegel

Du hast einmal in unsrer ersten Nacht
Von mir enthüllt in schauerndem Verlangen
Mein Bild in unserm Weihekuß empfangen,
Der lange dich zur meinigen gemacht.

Du bist wie eine Blume aufgegangen
Und hast mir dein Geheimnis dargebracht.
Wir haben hingegeben jener Macht,
Uns Jahr für Jahr in Lieb und Haß umfangen.

Nun raffst du matt zu neuem Tanz das Kleid
Und willst dein Herz in neue Hände geben.
Du träumst vom Glücke ohne Bitterkeit.

Gespalten wirst du sein, wie ich, fürs Leben.
Mein Spiegel aus der ersten süßen Zeit
Kann dir kein andrer aus dem Wesen heben.
(Band 3 S. 32)
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Der Glaube

O lebte noch in dir der lichte Funken,
Der unsre trübsten, bangverwachten Nächte
Durchleuchtet und geheimnisdunkle Mächte
So bannt, als wär ein Stern hereingesunken!

Zerteiltest du das wirre Wunschgeflechte,
Das dir aus Träumen wuchs, als wärst du trunken -
Ich hätte dich ins Haus zurückgewunken,
Wenn dir mein Glaube neuen Glauben brächte.

Ich fürchte, leben heißt dir jetzt genießen.
Mir munden nur nach Siegen blaue Trauben.
Weh, deine mattgewordnen Blicke ließen

Sich ihren letzten Sternenfunken rauben.
Du glaubst nicht mehr, daß uns die Brunnen fließen.
Wer hat in eurem Hause einen Glauben!
(Band 3 S. 32-33)
_____



Meine Lilie

Wie eine Lilie im dunklen Teich,
So wolltest du im Anfang erscheinen.
Mir war vor lauter Andacht oft ums Weinen,
Als ich zuerst dich küßte, liebeweich.

Ich nahm dich an dem schlanken Schaft, dem feinen,
Und setzte stolz dich in mein Wellenreich
Und war ein Mann, an einem Schatze reich:
Du strahltest wie die Reinste aller Reinen.

Jedoch in deinem Kelche war ein Keim
Von einer alten Alge mitgekommen:
Der wuchs und überzog mit seidnem Schleim

Dein Blütenherz, das noch so licht geschwommen,
Und überzog mein ganzes klares Heim
Und hat mir deinen Lilienglanz genommen.
(Band 3 S. 33)
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Weib!

Was man verloren hat, besitzt man klar,
Wie einen Toten, der von uns gegangen
Und dem die Freunde Sterbelieder sangen
Und der uns lieb, mitunter schwierig war.

Mit süßem Schmerz und trauerblassen Wangen
Denkst du an mich, als läg ich auf der Bahr,
Und knüpfst dabei dein tränennasses Haar
Bereits zu Tanz und neuem Glückverlangen.

So rächst du dich, entzückt von Grausamkeit,
Für Leiden, die ich ungewollt dir brachte,
Als ich am Berghang meiner Einsamkeit

Ein Höhenfeuer für die Welt entfachte.
Zu neuer Lust trinkst du Vergangenheit,
Indes ich bang um unsre Liebe wachte.
(Band 3 S. 34)
_____



Auf Trümmern

In deiner Nähe ist das Glück gediehen,
All meine bunten Kräfte zu entfalten,
Gestalten mit den Händen festzuhalten,
Die traumhaft durch die offne Halle ziehen.

Und wenn sie matt den strengen Stift umkrallten:
Dein Mutterblick hat Ruhe mir verliehen.
Von neuem lag ich trunken auf den Knieen
Und bannte sie, die flüchtigen Gestalten.

Nun gähnt mein Haus. Wo sind sie hingegangen?
Der Brunnen hallt im Hof, als wollt er weinen.
Wo zwischen stolzen Schritten Blüten sprangen,

Geh ich umher wie zwischen Leichensteinen.
Wo's purpurn glänzte, helle Worte klangen,
Sitz ich gebeugt und wühle in Gebeinen.
(Band 3 S. 34-35)
_____



Der schwerste Verlust

Was je ich liebte, liebte ich in dir,
Was je ich liebte, war mit dir verbunden,
Auch meine Träume aus den stillen Stunden
Der Einsamkeit gehörten nicht nur mir.

Ich schwieg aus Scham. So hast du nicht empfunden,
Was ich dir schenkte an geheimer Zier,
Und wähnst, ich küßte dich nur in Begier,
Hast deinen Schatz in mir nicht aufgefunden.

Nun du's zerrissen hast, das feste Band,
Steh ich verwaist mit allen meinen Schätzen.
Das bunte, bildertrunkene Gewand

Wird grau und grauer und zerfällt in Fetzen.
Was ich bei dir besaß, so Hand in Hand,
Versinkt, und niemand kann es mir ersetzen.
(Band 3 S. 35)
_____



Untreue

Untreu' gebiert Untreu'. Ich bin zu jung,
Um eingeblockt von kahlen Einsamkeiten
Allein mit deinem alten Bild zu schreiten
Im Garten unserer Erinnerung.

Ich muß mein Herz nach deinem Beispiel weiten,
Um nicht in angstbeladner Dämmerung
Die Sehnsucht mit verwirrtem Flügelschwung
Nach einer Ungetreuen auszubreiten.

So muß ich, treulos meinem treuen Leid,
Die Treue einer andern weitergeben,
Treulos zum Schmerze meiner frohen Zeit,

Was ich noch fühle, aus dem Innern heben,
Ausziehn die Liebe wie ein altes Kleid
Und schwer von Treue ihr ein neues weben.
(Band 3 S. 36)
_____



Gespalten

All das, woran ich mich von je erfreue,
Will sich in meinem Innern wieder regen.
Nun aber klopft dein Herz auf andern Wegen,
Und ich muß sehen, wie ich meins erneue.

Die Schätze, die mich so mit dir bewegen -
Ob ich sie einst vor andre Blicke streue?
Es geht mir gegen meine tiefste Treue,
Auf einen andern Scheitel sie zu legen.

So ist mein Herz bis auf den Grund gespalten,
Weil du im Schmerz das deine spalten ließest.
Die eine Hälfte kann dir nicht erkalten

Und fühlt's, wenn du Erinnerung genießest.
Die andre will dem Leben sich entfalten
Und leidet doch, daß du sie nicht erschließest.
(Band 3 S. 36-37)
_____



Hilfe!

Mein Herz ist krank wie ein verwaistes Kind:
Es greift umher, die Mutterhand zu pressen,
Wie einst, da du an seinem Bett gesessen,
Wenn ihm die Lider zugefallen sind.

Es kann die warme Nähe nicht vergessen
Und sucht nach Trost im liebelauten Wind,
Im dunklen Regen, der vom Dache rinnt,
Und rüstet sich, sich mit dem Leid zu messen.

Und langsam wachs ich auf im harten Leid
Zu jener starken, reifeschweren Liebe,
Die du vermißt hast in der kühlen Zeit,

Als ich allein entflammt war von dem Triebe,
Das Lot zu senken in die Ewigkeit.
O hülfst du, Schmerz, daß unser Bündnis bliebe!
(Band 3 S. 37)
_____



Qualen

Vor einem Jahre hielt ich's in den Händen:
Dein Herz mit einem tiefen Spalt inmitten,
Den deine jähe Gierde dir geschnitten.
Wir sahn uns an, wie wir die Qualen wenden.

Du fragtest mich mit scheu verhaltnen Bitten,
Mich drückte all der Kummer an den Wänden.
Auch ich sah Lippen, die bereit sich fänden,
Mir wohlzutun für das, was ich gelitten.

Da gingst du wieder und mit dir die Stunde,
Wo es noch Zeit war, daß ich Risse heile.
Bald wuchs die alte Liebe aus der Wunde.

Zu spät. Du hattest nach dem andern Eile.
Und weil mein Mund stumm blieb in der Sekunde,
Spiel ich mitunter Fangball mit dem Beile.
(Band 3 S. 38)
_____



Die Wage

Wer hat die meiste Schuld an unsern Qualen?
Komm her, du meine altvertraute Wage,
Daß mir dein goldnes Zünglein Antwort sage!
Hier werf ich meine, ihre in die Schalen.

Und hier der treuen Liebe treue Plage.
Jetzt all die Wörtlein, jene giftig fahlen
Von Freunden, die mir dein Vertrauen stahlen
Und die ich still vor ihrem Stuhl verklage.

Ich sehe die gefüllten Schalen wanken.
Mein Herz horcht anfangs mit geschwindern Schlägen.
Doch nun verstummt der Groll und die Gedanken,

Die mir bei Tag und Nacht das Hirn zersägen.
Und sollte auch die Zunge immer schwanken,
Das Schicksal kühlt die Hände, wenn sie wägen.
(Band 3 S. 38-39)
_____



Blick in die Wirklichkeit

Die Wirklichkeit enthüllt mir das Gesicht
Und weist mir ruhig ihre strengen Züge,
Damit ich ihren Anblick leichter trüge
Und wiederfände in mein Gleichgewicht

Und nicht mit Zweifeln mehr die Brust befrüge!
Sie sagt mir still, wie alles sich verflicht.
Auf diesem Antlitz ruht ein eignes Licht,
Und Spruch und Urteil wird zuletzt zur Lüge.

Vor ihrem unergründlich offnen Blick
Verblassen alte Qualen und entschweben.
Reif wird mir in der Seele mein Geschick.

Ich darf den Schlüssel zu den Tiefen heben.
Vor Mächten schaudernd beug ich das Genick,
Vor jetzt und einst, dem Quell in unserm Leben.
(Band 3 S. 39)
_____



Die Verzweiflung

Wer niemals gegen sich gerichtet war,
Kennt die Verzweiflung nicht und ihre Meute.
Du sitzt in dir verknäult als ihre Beute,
Von ihr gepeitscht mit schweißgenäßtem Haar.

Dein Herz, das nie bis in den Tod bereute
Und nach den Stürmen immer sonnenklar
Erschien, verkehrt sich, jeden Schimmers bar,
Und du begrübst dich ohne Grabgeläute.

Wer nie aus Herzensscham sich totbegehrt,
Selbstmörderisch Selbstmördern eng verbündet,
Kennt auch das Feuer nicht im eignen Herd,

Das neuer Glaube in dem Qualm entzündet.
Er kennt die Flamme nicht, die Schutt verzehrt,
Wenn steil dein Leben in das ihre mündet.
(Band 3 S. 40)
_____



Schrei in die Ferne

Dein Leib war mein Leib, mein Leib war der deine.
Drum hielt ich unbefleckt die fromme Mitte
Von fremdem Trost, damit dein Leib nicht litte,
Dein Auge nicht noch mehr der Tränen weine.

Denn stumm aus meinem Innern wuchs die Bitte,
Daß wir verklärt von neuem Kerzenscheine
Vom Brot der Liebe kosten und vom Weine,
Ward unser Herz gespalten auch durch Dritte.

In deinem Leib lebt immerdar der meine,
Solang du lebst. Rett ihn vor fremden Händen,
Die ihn betasten möchten, daß der meine

In dir nicht weint, bebst du in trüben Bränden!
O halte heilig deine letzte Reine,
Laß unsre Liebe nicht im Krampf verenden!
(Band 3 S. 40-41)
_____



Ohne Maske

Nun ist die zarte Maske abgefallen,
Die meine Liebe auf dein Antlitz drückte,
Und was mein Herz im Innersten beglückte,
Hör ich aus deinem nimmer widerhallen.

Wenn früher uns ein süßer Rausch entzückte,
Ich mußte immer wieder zu dir wallen
Wie vor ein Bild, fast in die Kniee fallen,
Bis dich ein frecher Ruf zur Lust berückte.

Einst warst du mir Geliebte und Madonne,
Ich durfte dankbar meine Stirne neigen.
Dann wollt ich mit dir in die klare Sonne

Der hohen Welt, wo Geister kämpfen, steigen.
Du nahmst die Maske weg und meine Wonne,
Und vor der Maskenlosen muß ich schweigen.
(Band 3 S. 41)
_____



Die vergiftete Liebe

Du hast der Liebe, die ich für dich hegte
Und nach der Trennung neu ins Herz geschlossen,
Zuguterletzt Gift in den Mund gegossen
Und zucktest nicht, als sich ihr Blick bewegte.

Du lächeltest, halb grausam, halb verdrossen,
Du, die sich meinem Wunsch zu Füßen legte,
Solang ich trunken dir das Blut erregte,
Und hast nun deine Rache ausgenossen.

Die Schaufel her! Ich will die trübe Leiche
Aus meinem Herzen graben und sein Wehe
Zerhacken, daß es nicht mit ihr verbleiche

Und nicht mit ihr in Fäulnis übergehe.
Versenken will ich sie im schwarzen Teiche,
Damit ich die Entstellte nimmer sehe.
(Band 3 S. 42)
_____



Schlangenblut

So  hattest du denn doch in dir die Schlange,
Die ich verachten muß! Um es zu wissen,
Hab ich dich oft aus deinem Schlaf gerissen
Und neckte dich mit einem Rütlein, bange,

Ich hätte einst dein Bild zu rein umrissen.
Du lagst in dir versteckt an deinem Hange
Und, statt zu warnen in erzürntem Drange,
Hast du mich hinten in den Fuß gebissen.

Ich hinkte lange mit gebrochnem Mute,
Und du, o Weib, du hast uns allen zweien
Geschadet. Mit dem Gift, das in dir ruhte,

Mußtest du Glück aus deinem Herzen speien.
Ich aber bade jetzt in deinem Blute,
Um mir die Haut zu hürnen und zu feien.
(Band 3 S. 42-43)
_____



Wandlung

Nun ändert sich auch die Vergangenheit
Und jeder Pfad, den ich mit dir gegangen.
Ich such nach frühen Gängen deiner Schlangen
Im Garten deiner Jugend weit und breit.

Wohl hätt ich selber gerne mein Verlangen
Gewechselt: deine Kühle war mir leid.
Da dachte ich an unsre erste Zeit
Und küßte Treue dir auf deine Wangen.

Was immer sich im Herzen mir geregt,
Ließ ich dich, wie ein Kind die Mutter, schauen
Und übersah dabei, was sie bewegt.

Ich gab dir in die Hände mein Vertrauen.
Doch als Verrat dein schweres Herz belegt,
Da kehrte sich der Tag des Glücks in Grauen.
(Band 3 S. 43)
_____



Rätsel

Ich kann die süßen Nächte nicht vergessen
Aus unsres Frühlings wunderlichen Zeiten.
Wir staunten in die ungemeßnen Weiten
Und freuten uns, wie sich die Sterne messen.

Stumm ließ ich dein Gewand zur Erden gleiten
Und mußte auf den Knieen dich umpressen.
Du gabst mir deine erste Frucht zu essen,
Und Sternen dankte ich, die das bereiten.

Furchtbare Sterne mit der klaren Pracht,
Mein armes Hirn will's immer noch nicht fassen,
Daß Liebe wie die unsre über Nacht

Umschlagen konnte in so bittres Hassen
Und daß die himmlisch rätselhafte Macht
Auf uns hat ihre Schlacke regnen lassen.
(Band 3 S. 44)
_____



Der steile Berg

Ich wollte steigen und dir Höhen zeigen,
Von denen sonngeklärte Winde wehen,
Und dann mit dir ins Land hinuntersehen
Und mich zur Blüte unsrer Liebe neigen.

Stets sah ich sie am Rand des Abgrunds stehen,
Stets wollte ich sie in Gefahr ersteigen,
Um dann in ihrem sanften Kuß zu schweigen.
O hätt'st du Kraft gehabt, mit mir zu gehen!

Du warst gewohnt, durch reiches Tal zu schreiten
Und jeder Flur den Blick zu überlassen.
Mich lockte es, die Aussicht zu erstreiten

Und nur auf Gipfeln nach dem Glück zu fassen.
Dir wurde bang in unsern Einsamkeiten,
Du flohst, um meinen steilen Berg zu hassen.
(Band 3 S. 44-45)
_____



Unmögliches Verlangen

O wärst du wieder, wie du in den Jahren
Der Liebe warst: ein Spiegel ohne Flecken!
Du brauchtest dich vor mir nicht zu verstecken
Und schimmertest im Glanz von deinen Haaren.

Mit beiden Händen wollt ich dich bedecken,
Mein Bild so rein in deinem großen, klaren
Aufblick erschaun und, die versunken waren,
Die Stunden frühen Glückes wieder wecken.

Ich möchte dich an deinen Händen fassen
Und an mich ziehn im alten, süßen Bangen
Uns müßte sie erkaltet sinken lassen:

Der Tau auf deinem Kranze ist vergangen.
Da, wo ich lieben möchte, muß ich hassen,
Und vor entweihtem Mund stirbt mein Verlangen.
(Band 3 S. 45)
_____



Entweiht

Wie gerne wollt ich dir ins Auge sehn,
Erinnerungen wecken, die verklangen,
Dir glätten deine tränennassen Wangen
Und heiß wie einst um deine Liebe flehn.

Wie gern wollt ich vergessen, was vergangen,
Mit dir verjüngt auf neuem Wege stehn,
Wie gerne wollt ich wieder mit dir gehn,
Aufküssen dein erstorbenes Verlangen.

Allein erblickt' ich deines Leibes Au,
Die lange unser reines Glück getragen
Und unsrer armen Liebe Morgentau,

Säh ich auf einmal einen Schatten ragen.
Ich sähe fremde Spuren sehr genau -
Und hätte Furcht, ich müßte dich erschlagen.
(Band 3 S. 46)
_____



Die Peitsche

Hätt ich anstatt, wo ich gefehlt, zu büßen,
Dich für Verrat die Peitsche fühlen lassen,
Und dann nach deinem zornigen Erblassen
Den Hieb mit neuen Küssen zu versüßen:

Du ließest wieder gerne dich umfassen,
Du säßest wieder gerne mir zu Füßen,
Um mich wie einst mit einem Blick zu grüßen,
Darin erloschen wäre kaltes Hassen.

Ich tat es nicht, weil ich das Weib verachte,
Das nach der Faust verlangt, die es geschlagen,
Wenn sie darnach ihr nur den Zucker brachte,

Antwort auf alle ihre vielen Fragen.
Ich tat es nicht, weil ich den Mann verlachte,
Der so das Kreuz der Liebe hülfe tragen.
(Band 3 S. 46-47)
_____



Dein Bild

Ich kann nur die mit ganzer Seele lieben,
Die ich mit ganzer Seel mir gleich erachte.
Daß meine Liebe mich so glücklich machte,
Geschah, weil ich dein Bildnis klar gerieben.

Sein stiller Glanz war's, der mir Freude brachte,
Und sah ich viele Träume auch zerstieben,
Dein erstes Bild ist tief in mir geblieben,
Weil ich es treu, auch gegen dich, bewachte.

Ich trag es noch in mir, allein es schwindet
In der Gestalt, in der ich's einst besessen,
Nun du, was Menschen bis zum Tod verbindet,

So von dir warfst, als hättest du's vergessen.
Kalt wird's in meiner Brust. Mein Auge findet
Die Grenze, wo sich Bild und Urbild messen.
(Band 3 S. 47)
_____



Das erste Bild

Du gabst mir einst mit deinen ersten Küssen
Dein erstes Bild. Es glänzte mir im Herzen,
Als stünde es im Kranz von süßen Kerzen.
Es bleibt, obwohl wir haben scheiden müssen.

Meins ließest du von fremder Gierde schwärzen.
Ertränken wolltest du's in wilden Flüssen.
Nun hältst du, aus Verrat und schwülen Güssen
Erwacht, in Nächten deine Hand auf Schmerzen.

Nimm einen Spiegel, Weib! Muß zwischen beiden
Hinschwankend dir dein Bild nicht bitter schmecken?
Zerrissen ist es von geheimen Leiden.

Dein reines kannst du noch in mir entdecken.
Nun aber suchst du meinen Blick zu meiden -
Du könntest bis ins Herz hinab erschrecken.
(Band 3 S. 48)
_____



Das verlorene Gesicht

Du hattest der Gesichter für mich viele,
Und manches, das dein stilles Antlitz faßte
Und mir als wunderlicher Spiegel paßte,
Hab ich dir aufgedrückt im süßen Spiele.

Und eines war so kalt, daß ich dich haßte,
Wie wenn ich in den leeren Abgrund fiele.
Denk ich daran, erfaßt mich Zorn - ich ziele
Noch jetzt darnach, daß es, durchschaut, verblaßte.

Und eines war von einer Demutreine,
Mir war, als ob mir diese Welt entschwinde.
Ich kniete wie vor dem Marienschreine;

Kein Lächeln machte mich wie deins zum Kinde.
Ich sah die Liebe mit dem Himmelsscheine -
Und schreie auf, daß ich es nimmer finde.
(Band 3 S. 48-49)
_____



Falsche Rechnung

Einst spielte ich mit dir. Du warst zu jung,
Mein Herz mit Höll und Himmel zu erfassen.
Ich wollte dich in Höllen schmachten lassen,
Damit du reiftest für den Himmelsschwung.

Und trieb ein Spiel mit Lieben und mit Hassen,
Ich drängte dich zur Glut als Musterung.
Da warfst du dich hinein mit einem Sprung.
Ich sah dich noch in kaltem Zorn erblassen.

Dann liefst du gleich so tief in sie hinein,
Daß ich dich nimmer fand vor Feuerwogen.
Ich suchte dich und brannte selbst vor Pein.

Mein Schalk hat dich in Höllentor gebogen.
Es ist zu spät fürs Himmelskämmerlein -
Ein Teufel kam und hat den Schluß gezogen.
(Band 3 S. 49)
_____



Der andre Marmor

Du hast den Stein, den Marmorstein mißachtet,
In den mein Meißel Bild um Bild geschrieben
Von unserm lust- und leidbewegten Lieben,
Hast ihn zuletzt mit kaltem Neid betrachtet,

Als wäre meine Liebe drin geblieben.
So war dein nimmersattes Herz umnachtet.
Der weiße Stein hat deinen Haß verachtet
Und über Nacht ein neues Bild getrieben.

Wohl ist es anders als in jenen Zeiten,
Da süße Freuden uns im Innern blühten.
Auch noch im Grausen will der Meißel gleiten

Und Qualen zwingen, die mich fast verglühten.
Und was die stillen Mächte mir bereiten,
Will ich vor der Vergänglichkeit behüten.
(Band 3 S. 50)
_____



Mein Spiegel

Mein Spiegel war so blank und blinkte weit:
Ich blickte gläubig durch die offne Pforte
Ins Leben, liebte alles ohne Worte
Und war zur hohen Liebe wohl bereit.

Es funkelte in meinem tiefen Horte.
Ich nahm und schenkte froh im Widerstreit.
Dann hat die Liebe mich mit mir entzweit,
Verriet sich selber, und mein Glück verdorrte.

Nun blicke ich verzerrt ins Morgenlicht,
Muß mich in Qualen auf dem Bette winden;
Mein Spiegel zeigt ein bitteres Gesicht.

Muß ich den Haß in solchem Glase finden?
Geh, dunkler Gast, bedroh ihn länger nicht,
Sonst wird er mir am Ende noch erblinden.
(Band 3 S. 50-51)
_____



Zwiefache Liebe

Das Wort der Liebe scheint mir ohne Sinn,
Soll ich es einer andern weitersagen,
Wo dein Herz mir bei seinem Klang geschlagen
Und ich für eine doch geschaffen bin.

Du aber gingst zu einem andern klagen,
Als trüg ich Schuld, wenn deine Freuden fliehn,
So muß ich denn mit schwer geprüften Knien
Zwiefache Liebe in der Seele tragen.

Du schienst mir lange Zeit wie Tau so klar,
Ich durfte heilig dich Maria nennen.
Ich wähnte froh, du bliebst es immerdar.

Nun muß ich wund in neuer Sehnsucht brennen.
Allein mir schwankt die Welt, die blumig war,
In ihrem tiefen Grund, wenn wir uns trennen.
(Band 3 S. 52)
_____



Kampf

Ich kann mein junges Blut kaum niederringen,
Erscheinen unsre ersten süßen Nächte,
Als ich auflöste deine blonde Flechte,
Um mit dir das Geheimnis zu vollbringen.

O, wenn ich oft an unsre Wonnen dächte,
Könnte mir in der Brust die Ader springen.
Dein schlanker Leib entband mir meine Schwingen,
Allein dein Inneres barg morsche Schächte.

Fühl ich auch altes Heimweh in mir pochen,
Wenn meine Hände sich vor Mordlust ballten,
Und muß es noch in meinen Pulsen kochen,

Will ich doch mein Verlangen niederhalten.
Dein Zauber, ach dein Zauber ist gebrochen!
Nur reinem Herzen mag ich mich entfalten.
(Band 3 S. 52-53)
_____



Spuk

Mich narrt ein Spuk in meiner Einsamkeit:
Weil ich seit langem dich nicht mehr gesehen,
Willst du in meinem Herzen auferstehen,
Betaut vom Glanze unsrer ersten Zeit.

Ich sehe deine Augen wieder flehen,
Ich öffne meine Tür, zum Glück bereit.
Die Ferne nimmt von dir, was uns entzweit.
Ich meine noch, ich könnte mit dir gehen.

Du stehst wie einst vor meiner Seele da,
Wenn ich nach deinem alten Fenster spähe.
Ein Bild aus einem Traume ist mir nah,

Drum möchte ich, daß ich dich vor mir sähe.
Dann könnt ich frei sein, fühlen, was geschah:
Lauter und unerbittlich spricht die Nähe.
(Band 3 S. 53)
_____



Die Befreierin

Wie einer Schlange, die vor Gift und Wut
Sich blind in ihren eignen Leib gebissen,
Ging's deiner Freundin, die dich fortgerissen
Von mir, der mit dir teilte Herz und Blut.

Zu blöd, um keuschen Mannesstolz zu wissen,
Der hinter Stacheln birgt sein liebstes Gut,
Half sie entfachen deinen freveln Mut
Und dachte nicht an mein verwaistes Kissen.

Mitleidig ließ sie ihres Gatten Hand
Trost spenden deinem sturmzerzausten Haare.
Sie ahnte nicht, wie rasch auf dich ein Brand

Bei dem Geschäft aus seinen Fingern fahre.
Nun hat sie, da ihr ins gelobte Land
Fortzieht, das Nachsehn für die späten Jahre.
(Band 3 S. 54)
_____



Der schlaue Freund

In Freundesmaske, einer meisterlichen,
Gabst du Gehör dem Klagen meiner Kranken,
Die schon im jähen Mutterleib zu schwanken
Geboren war. Ach, als sie mir entwichen,

Gab ich sie frei, in Angst, sie könnte wanken.
Du lauertest, bis eine Zeit verstrichen,
Hast Trennungsweh dann mit Verrat umschlichen.
Hätt ich's gewußt, lägst du mit starren Flanken.

Nun sitzt an deinem Tisch ein stummer Schatten
Und wird dir die gestohlne Freude töten,
Gehst du die Freundschaft hinterrücks bestatten,

Wirst du unsicher in der Brust erröten.
Dir folgt mein Blick und wird dein Herz abmatten.
Aufstöhnen wirst du noch in Todesnöten.
(Band 3 S. 54-55)
_____



Der zersprungene Spiegel

Daß ich dich nun verlor, soll ich's noch klagen?
Die ich in dir geliebt, hast du verlassen,
Dein trübes Herz im Rausche zu verprassen,
Anstatt mit mir das Leid des Glücks zu tragen.

Die ich geliebt, die hast du fallen lassen.
Nicht kann ich mehr zu dir Madonne sagen,
Wie einst an unsern blauen Sommertagen.
Nur die, die ich gehaßt, kann ich noch hassen.

Nicht kann ich mehr in deinen Armen singen,
Von Sonn und Regentropfen und vom Winde.
Nicht kann ich mehr in froher Liebe klingen.

Furcht hab ich, daß mir Lust am Leben schwinde.
Dein Spiegelantlitz mußte so zerspringen,
Daß ich mich selber nimmer darin finde.
(Band 3 S. 55)
_____



Sterbende Liebe

Dein schlanker Leib war schöner als dein Herz.
Denk ich zurück an unsre Liebeszeiten,
Vermischt sich Sehnsucht mit den Bitterkeiten
Enttäuschten Glaubens, und mich spaltet Schmerz.

Um deine Lippen spielten Häßlichkeiten.
Zog je dein Sehnen mit mir sonnenwärts?
Als ich's erkannte, wurde ich zu Erz
Und ließ dich, bis zum Tode wund, entgleiten.

Dein süßer Leib, der war einmal mein Glück.
Dein Inneres vermorschte unter Flecken.
Ich mag ins alte Leben nicht zurück,

Kann nicht mit Traum mehr Klüfte überdecken.
Zum Bild des Weibes gabst du nur ein Stück.
Nach anderem muß ich die Hände strecken.
(Band 3 S. 56)
_____



Alte Qual

Mir zuckt das Herz von einer alten Wunde,
Die mir Verrat mit frechem Mund geschlagen.
Wie mich's empörte, kann ich niemand klagen,
Keins fühlt ins Glück und Leid von anderm Bunde.

Ich träumte manche Stunde vom Erschlagen,
Die Schmach zu werfen aus dem Herzensgrunde -
Und sah in einer heiligstummen Runde
Auf einem Berg ein Kreuz zum Himmel ragen.

Ich opferte der Stimme dort die Rache
Und frage doch: war's nicht mein Seelenschaden?
Und horche oft, ob ich nicht irre lache,

Weil ich es unterließ, mich zu entladen.
Ja, Tage gibt's, wo ich in Qual erwache,
Anstatt durch einen Mord mich frei zu baden.
(Band 3 S. 56-57)
_____



Der Tod der Liebe

Ich hasse dich, weil du vom ersten Bilde,
Das ich von dir in meiner Brust getragen,
Dich so entferntest, daß ich um mich schlagen
Und dich zertreten könnte im Gefilde.

Solang du treu warst, konnte ich's ertragen,
Daß du auch Züge hattest, launisch wilde
Und höhnisch kalte, die auf deiner Milde,
Die mich gebannt, wie leichte Flecken lagen.

Nun du Verrat begingst, weint mein Verlangen.
Noch muß ich in der Nacht die Hände strecken
Nach deinen einst ach so geliebten Wangen,

Als könnte ich die alte Zeit erwecken -
Und seh's auf unsrer Liebe bläulich prangen,
Kalt weht mich's an: das sind die Leichenflecken.
(Band 3 S. 57)
_____



Flüchtige Begegnung

Wohl kann ich dich nach allem, was geschah,
O Weib, auf Erden nimmermehr begehren.
Ich mußte mich zu einer andern kehren,
Treu will ich die, in der ich mich ersah.

Eins aber muß ich innig an dir ehren:
Dein Lächeln. Heute standest du mir nah,
Und hinter Leiden war es wieder da,
Und dieser Liebe brauch ich nicht zu wehren.

Dein Auge sprach: ich büßte bitterlich!
Und Glück von ehmals lag auf deinem Munde.
Still fühlte jedes nur: verwandle dich!

Das Tor zum Himmel schmolz in unsrer Wunde.
In Tränen schwebten beide über sich.
Stumm leuchtete der Blutkelch durch die Stunde.
(Band 3 S. 58)
_____



Hilfe!

Mein Herz ist krank wie ein verwaistes Kind:
Es greift umher, die Mutterhand zu pressen,
Wie einst, da du an seinem Bett gesessen,
Wenn ihm die Lider zugefallen sind.

Es kann die warme Nähe nicht vergessen
Und sucht nach Trost im liebelauten Wind,
Im dunklen Regen, der vom Dache rinnt,
Und rüstet sich, sich mit dem Leid zu messen.

Und langsam wachs ich auf im harten Leid
Zu jener starken, reifeschweren Liebe,
Die du vermißt hast in der kühlen Zeit,

Als ich allein entflammt war von dem Triebe,
Das Lot zu senken in die Ewigkeit.
O hülfst du, Schmerz, daß unser Bündnis bliebe!
(Band 3 S. 37)
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Qualen

Vor einem Jahre hielt ich's in den Händen:
Dein Herz mit einem tiefen Spalt inmitten,
Den deine jähe Gierde dir geschnitten.
Wir sahn uns an, wie wir die Qualen wenden.

Du fragtest mich mit scheu verhaltnen Bitten,
Mich drückte all der Kummer an den Wänden.
Auch ich sah Lippen, die bereit sich fänden,
Mir wohlzutun für das, was ich gelitten.

Da gingst du wieder und mit dir die Stunde,
Wo es noch Zeit war, daß ich Risse heile.
Bald wuchs die alte Liebe aus der Wunde.

Zu spät. Du hattest nach dem andern Eile.
Und weil mein Mund stumm blieb in der Sekunde,
Spiel ich mitunter Fangball mit dem Beile.
(Band 3 S. 38)
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Die Wage

Wer hat die meiste Schuld an unsern Qualen?
Komm her, du meine altvertraute Wage,
Daß mir dein goldnes Zünglein Antwort sage!
Hier werf ich meine, ihre in die Schalen.

Und hier der treuen Liebe treue Plage.
Jetzt all die Wörtlein, jene giftig fahlen
Von Freunden, die mir dein Vertrauen stahlen
Und die ich still vor ihrem Stuhl verklage.

Ich sehe die gefüllten Schalen wanken.
Mein Herz horcht anfangs mit geschwindern Schlägen.
Doch nun verstummt der Groll und die Gedanken,

Die mir bei Tag und Nacht das Hirn zersägen.
Und sollte auch die Zunge immer schwanken,
Das Schicksal kühlt die Hände, wenn sie wägen.
(Band 3 S. 38-39)
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Blick in die Wirklichkeit

Die Wirklichkeit enthüllt mir das Gesicht
Und weist mir ruhig ihre strengen Züge,
Damit ich ihren Anblick leichter trüge
Und wiederfände in mein Gleichgewicht

Und nicht mit Zweifeln mehr die Brust befrüge!
Sie sagt mir still, wie alles sich verflicht.
Auf diesem Antlitz ruht ein eignes Licht,
Und Spruch und Urteil wird zuletzt zur Lüge.

Vor ihrem unergründlich offnen Blick
Verblassen alte Qualen und entschweben.
Reif wird mir in der Seele mein Geschick.

Ich darf den Schlüssel zu den Tiefen heben.
Vor Mächten schaudernd beug ich das Genick,
Vor jetzt und einst, dem Quell in unserm Leben.
(Band 3 S. 39)
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Die Verzweiflung

Wer niemals gegen sich gerichtet war,
Kennt die Verzweiflung nicht und ihre Meute.
Du sitzt in dir verknäult als ihre Beute,
Von ihr gepeitscht mit schweißgenäßtem Haar.

Dein Herz, das nie bis in den Tod bereute
Und nach den Stürmen immer sonnenklar
Erschien, verkehrt sich, jeden Schimmers bar,
Und du begrübst dich ohne Grabgeläute.

Wer nie aus Herzensscham sich totbegehrt,
Selbstmörderisch Selbstmördern eng verbündet,
Kennt auch das Feuer nicht im eignen Herd,

Das neuer Glaube in dem Qualm entzündet.
Er kennt die Flamme nicht, die Schutt verzehrt,
Wenn steil dein Leben in das ihre mündet.
(Band 3 S. 40)
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Schrei in die Ferne

Dein Leib war mein Leib, mein Leib war der deine.
Drum hielt ich unbefleckt die fromme Mitte
Von fremdem Trost, damit dein Leib nicht litte,
Dein Auge nicht noch mehr der Tränen weine.

Denn stumm aus meinem Innern wuchs die Bitte,
Daß wir verklärt von neuem Kerzenscheine
Vom Brot der Liebe kosten und vom Weine,
Ward unser Herz gespalten auch durch Dritte.

In deinem Leib lebt immerdar der meine,
Solang du lebst. Rett ihn vor fremden Händen,
Die ihn betasten möchten, daß der meine

In dir nicht weint, bebst du in trüben Bränden!
O halte heilig deine letzte Reine,
Laß unsre Liebe nicht im Krampf verenden!
(Band 3 S. 40-41)
_____



Ohne Maske

Nun ist die zarte Maske abgefallen,
Die meine Liebe auf dein Antlitz drückte,
Und was mein Herz im Innersten beglückte,
Hör ich aus deinem nimmer widerhallen.

Wenn früher uns ein süßer Rausch entzückte,
Ich mußte immer wieder zu dir wallen
Wie vor ein Bild, fast in die Kniee fallen,
Bis dich ein frecher Ruf zur Lust berückte.

Einst warst du mir Geliebte und Madonne,
Ich durfte dankbar meine Stirne neigen.
Dann wollt ich mit dir in die klare Sonne

Der hohen Welt, wo Geister kämpfen, steigen.
Du nahmst die Maske weg und meine Wonne,
Und vor der Maskenlosen muß ich schweigen.
(Band 3 S. 41)
_____



Die vergiftete Liebe

Du hast der Liebe, die ich für dich hegte
Und nach der Trennung neu ins Herz geschlossen,
Zuguterletzt Gift in den Mund gegossen
Und zucktest nicht, als sich ihr Blick bewegte.

Du lächeltest, halb grausam, halb verdrossen,
Du, die sich meinem Wunsch zu Füßen legte,
Solang ich trunken dir das Blut erregte,
Und hast nun deine Rache ausgenossen.

Die Schaufel her! Ich will die trübe Leiche
Aus meinem Herzen graben und sein Wehe
Zerhacken, daß es nicht mit ihr verbleiche

Und nicht mit ihr in Fäulnis übergehe.
Versenken will ich sie im schwarzen Teiche,
Damit ich die Entstellte nimmer sehe.
(Band 3 S. 42)
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Schlangenblut

So  hattest du denn doch in dir die Schlange,
Die ich verachten muß! Um es zu wissen,
Hab ich dich oft aus deinem Schlaf gerissen
Und neckte dich mit einem Rütlein, bange,

Ich hätte einst dein Bild zu rein umrissen.
Du lagst in dir versteckt an deinem Hange
Und, statt zu warnen in erzürntem Drange,
Hast du mich hinten in den Fuß gebissen.

Ich hinkte lange mit gebrochnem Mute,
Und du, o Weib, du hast uns allen zweien
Geschadet. Mit dem Gift, das in dir ruhte,

Mußtest du Glück aus deinem Herzen speien.
Ich aber bade jetzt in deinem Blute,
Um mir die Haut zu hürnen und zu feien.
(Band 3 S. 42-43)
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Wandlung

Nun ändert sich auch die Vergangenheit
Und jeder Pfad, den ich mit dir gegangen.
Ich such nach frühen Gängen deiner Schlangen
Im Garten deiner Jugend weit und breit.

Wohl hätt ich selber gerne mein Verlangen
Gewechselt: deine Kühle war mir leid.
Da dachte ich an unsre erste Zeit
Und küßte Treue dir auf deine Wangen.

Was immer sich im Herzen mir geregt,
Ließ ich dich, wie ein Kind die Mutter, schauen
Und übersah dabei, was sie bewegt.

Ich gab dir in die Hände mein Vertrauen.
Doch als Verrat dein schweres Herz belegt,
Da kehrte sich der Tag des Glücks in Grauen.
(Band 3 S. 43)
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Rätsel

Ich kann die süßen Nächte nicht vergessen
Aus unsres Frühlings wunderlichen Zeiten.
Wir staunten in die ungemeßnen Weiten
Und freuten uns, wie sich die Sterne messen.

Stumm ließ ich dein Gewand zur Erden gleiten
Und mußte auf den Knieen dich umpressen.
Du gabst mir deine erste Frucht zu essen,
Und Sternen dankte ich, die das bereiten.

Furchtbare Sterne mit der klaren Pracht,
Mein armes Hirn will's immer noch nicht fassen,
Daß Liebe wie die unsre über Nacht

Umschlagen konnte in so bittres Hassen
Und daß die himmlisch rätselhafte Macht
Auf uns hat ihre Schlacke regnen lassen.
(Band 3 S. 44)
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Der steile Berg

Ich wollte steigen und dir Höhen zeigen,
Von denen sonngeklärte Winde wehen,
Und dann mit dir ins Land hinuntersehen
Und mich zur Blüte unsrer Liebe neigen.

Stets sah ich sie am Rand des Abgrunds stehen,
Stets wollte ich sie in Gefahr ersteigen,
Um dann in ihrem sanften Kuß zu schweigen.
O hätt'st du Kraft gehabt, mit mir zu gehen!

Du warst gewohnt, durch reiches Tal zu schreiten
Und jeder Flur den Blick zu überlassen.
Mich lockte es, die Aussicht zu erstreiten

Und nur auf Gipfeln nach dem Glück zu fassen.
Dir wurde bang in unsern Einsamkeiten,
Du flohst, um meinen steilen Berg zu hassen.
(Band 3 S. 44-45)
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Unmögliches Verlangen

O wärst du wieder, wie du in den Jahren
Der Liebe warst: ein Spiegel ohne Flecken!
Du brauchtest dich vor mir nicht zu verstecken
Und schimmertest im Glanz von deinen Haaren.

Mit beiden Händen wollt ich dich bedecken,
Mein Bild so rein in deinem großen, klaren
Aufblick erschaun und, die versunken waren,
Die Stunden frühen Glückes wieder wecken.

Ich möchte dich an deinen Händen fassen
Und an mich ziehn im alten, süßen Bangen
Uns müßte sie erkaltet sinken lassen:

Der Tau auf deinem Kranze ist vergangen.
Da, wo ich lieben möchte, muß ich hassen,
Und vor entweihtem Mund stirbt mein Verlangen.
(Band 3 S. 45)
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Entweiht

Wie gerne wollt ich dir ins Auge sehn,
Erinnerungen wecken, die verklangen,
Dir glätten deine tränennassen Wangen
Und heiß wie einst um deine Liebe flehn.

Wie gern wollt ich vergessen, was vergangen,
Mit dir verjüngt auf neuem Wege stehn,
Wie gerne wollt ich wieder mit dir gehn,
Aufküssen dein erstorbenes Verlangen.

Allein erblickt' ich deines Leibes Au,
Die lange unser reines Glück getragen
Und unsrer armen Liebe Morgentau,

Säh ich auf einmal einen Schatten ragen.
Ich sähe fremde Spuren sehr genau -
Und hätte Furcht, ich müßte dich erschlagen.
(Band 3 S. 46)
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Die Peitsche

Hätt ich anstatt, wo ich gefehlt, zu büßen,
Dich für Verrat die Peitsche fühlen lassen,
Und dann nach deinem zornigen Erblassen
Den Hieb mit neuen Küssen zu versüßen:

Du ließest wieder gerne dich umfassen,
Du säßest wieder gerne mir zu Füßen,
Um mich wie einst mit einem Blick zu grüßen,
Darin erloschen wäre kaltes Hassen.

Ich tat es nicht, weil ich das Weib verachte,
Das nach der Faust verlangt, die es geschlagen,
Wenn sie darnach ihr nur den Zucker brachte,

Antwort auf alle ihre vielen Fragen.
Ich tat es nicht, weil ich den Mann verlachte,
Der so das Kreuz der Liebe hülfe tragen.
(Band 3 S. 46-47)
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Dein Bild

Ich kann nur die mit ganzer Seele lieben,
Die ich mit ganzer Seel mir gleich erachte.
Daß meine Liebe mich so glücklich machte,
Geschah, weil ich dein Bildnis klar gerieben.

Sein stiller Glanz war's, der mir Freude brachte,
Und sah ich viele Träume auch zerstieben,
Dein erstes Bild ist tief in mir geblieben,
Weil ich es treu, auch gegen dich, bewachte.

Ich trag es noch in mir, allein es schwindet
In der Gestalt, in der ich's einst besessen,
Nun du, was Menschen bis zum Tod verbindet,

So von dir warfst, als hättest du's vergessen.
Kalt wird's in meiner Brust. Mein Auge findet
Die Grenze, wo sich Bild und Urbild messen.
(Band 3 S. 47)
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Das erste Bild

Du gabst mir einst mit deinen ersten Küssen
Dein erstes Bild. Es glänzte mir im Herzen,
Als stünde es im Kranz von süßen Kerzen.
Es bleibt, obwohl wir haben scheiden müssen.

Meins ließest du von fremder Gierde schwärzen.
Ertränken wolltest du's in wilden Flüssen.
Nun hältst du, aus Verrat und schwülen Güssen
Erwacht, in Nächten deine Hand auf Schmerzen.

Nimm einen Spiegel, Weib! Muß zwischen beiden
Hinschwankend dir dein Bild nicht bitter schmecken?
Zerrissen ist es von geheimen Leiden.

Dein reines kannst du noch in mir entdecken.
Nun aber suchst du meinen Blick zu meiden -
Du könntest bis ins Herz hinab erschrecken.
(Band 3 S. 48)
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Das verlorene Gesicht

Du hattest der Gesichter für mich viele,
Und manches, das dein stilles Antlitz faßte
Und mir als wunderlicher Spiegel paßte,
Hab ich dir aufgedrückt im süßen Spiele.

Und eines war so kalt, daß ich dich haßte,
Wie wenn ich in den leeren Abgrund fiele.
Denk ich daran, erfaßt mich Zorn - ich ziele
Noch jetzt darnach, daß es, durchschaut, verblaßte.

Und eines war von einer Demutreine,
Mir war, als ob mir diese Welt entschwinde.
Ich kniete wie vor dem Marienschreine;

Kein Lächeln machte mich wie deins zum Kinde.
Ich sah die Liebe mit dem Himmelsscheine -
Und schreie auf, daß ich es nimmer finde.
(Band 3 S. 48-49)
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Falsche Rechnung

Einst spielte ich mit dir. Du warst zu jung,
Mein Herz mit Höll und Himmel zu erfassen.
Ich wollte dich in Höllen schmachten lassen,
Damit du reiftest für den Himmelsschwung.

Und trieb ein Spiel mit Lieben und mit Hassen,
Ich drängte dich zur Glut als Musterung.
Da warfst du dich hinein mit einem Sprung.
Ich sah dich noch in kaltem Zorn erblassen.

Dann liefst du gleich so tief in sie hinein,
Daß ich dich nimmer fand vor Feuerwogen.
Ich suchte dich und brannte selbst vor Pein.

Mein Schalk hat dich in Höllentor gebogen.
Es ist zu spät fürs Himmelskämmerlein -
Ein Teufel kam und hat den Schluß gezogen.
(Band 3 S. 49)
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Der andre Marmor

Du hast den Stein, den Marmorstein mißachtet,
In den mein Meißel Bild um Bild geschrieben
Von unserm lust- und leidbewegten Lieben,
Hast ihn zuletzt mit kaltem Neid betrachtet,

Als wäre meine Liebe drin geblieben.
So war dein nimmersattes Herz umnachtet.
Der weiße Stein hat deinen Haß verachtet
Und über Nacht ein neues Bild getrieben.

Wohl ist es anders als in jenen Zeiten,
Da süße Freuden uns im Innern blühten.
Auch noch im Grausen will der Meißel gleiten

Und Qualen zwingen, die mich fast verglühten.
Und was die stillen Mächte mir bereiten,
Will ich vor der Vergänglichkeit behüten.
(Band 3 S. 50)
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Mein Spiegel

Mein Spiegel war so blank und blinkte weit:
Ich blickte gläubig durch die offne Pforte
Ins Leben, liebte alles ohne Worte
Und war zur hohen Liebe wohl bereit.

Es funkelte in meinem tiefen Horte.
Ich nahm und schenkte froh im Widerstreit.
Dann hat die Liebe mich mit mir entzweit,
Verriet sich selber, und mein Glück verdorrte.

Nun blicke ich verzerrt ins Morgenlicht,
Muß mich in Qualen auf dem Bette winden;
Mein Spiegel zeigt ein bitteres Gesicht.

Muß ich den Haß in solchem Glase finden?
Geh, dunkler Gast, bedroh ihn länger nicht,
Sonst wird er mir am Ende noch erblinden.
(Band 3 S. 50-51)
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Zwiefache Liebe

Das Wort der Liebe scheint mir ohne Sinn,
Soll ich es einer andern weitersagen,
Wo dein Herz mir bei seinem Klang geschlagen
Und ich für eine doch geschaffen bin.

Du aber gingst zu einem andern klagen,
Als trüg ich Schuld, wenn deine Freuden fliehn,
So muß ich denn mit schwer geprüften Knien
Zwiefache Liebe in der Seele tragen.

Du schienst mir lange Zeit wie Tau so klar,
Ich durfte heilig dich Maria nennen.
Ich wähnte froh, du bliebst es immerdar.

Nun muß ich wund in neuer Sehnsucht brennen.
Allein mir schwankt die Welt, die blumig war,
In ihrem tiefen Grund, wenn wir uns trennen.
(Band 3 S. 52)
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Kampf

Ich kann mein junges Blut kaum niederringen,
Erscheinen unsre ersten süßen Nächte,
Als ich auflöste deine blonde Flechte,
Um mit dir das Geheimnis zu vollbringen.

O, wenn ich oft an unsre Wonnen dächte,
Könnte mir in der Brust die Ader springen.
Dein schlanker Leib entband mir meine Schwingen,
Allein dein Inneres barg morsche Schächte.

Fühl ich auch altes Heimweh in mir pochen,
Wenn meine Hände sich vor Mordlust ballten,
Und muß es noch in meinen Pulsen kochen,

Will ich doch mein Verlangen niederhalten.
Dein Zauber, ach dein Zauber ist gebrochen!
Nur reinem Herzen mag ich mich entfalten.
(Band 3 S. 52-53)
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Spuk

Mich narrt ein Spuk in meiner Einsamkeit:
Weil ich seit langem dich nicht mehr gesehen,
Willst du in meinem Herzen auferstehen,
Betaut vom Glanze unsrer ersten Zeit.

Ich sehe deine Augen wieder flehen,
Ich öffne meine Tür, zum Glück bereit.
Die Ferne nimmt von dir, was uns entzweit.
Ich meine noch, ich könnte mit dir gehen.

Du stehst wie einst vor meiner Seele da,
Wenn ich nach deinem alten Fenster spähe.
Ein Bild aus einem Traume ist mir nah,

Drum möchte ich, daß ich dich vor mir sähe.
Dann könnt ich frei sein, fühlen, was geschah:
Lauter und unerbittlich spricht die Nähe.
(Band 3 S. 53)
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Die Befreierin

Wie einer Schlange, die vor Gift und Wut
Sich blind in ihren eignen Leib gebissen,
Ging's deiner Freundin, die dich fortgerissen
Von mir, der mit dir teilte Herz und Blut.

Zu blöd, um keuschen Mannesstolz zu wissen,
Der hinter Stacheln birgt sein liebstes Gut,
Half sie entfachen deinen freveln Mut
Und dachte nicht an mein verwaistes Kissen.

Mitleidig ließ sie ihres Gatten Hand
Trost spenden deinem sturmzerzausten Haare.
Sie ahnte nicht, wie rasch auf dich ein Brand

Bei dem Geschäft aus seinen Fingern fahre.
Nun hat sie, da ihr ins gelobte Land
Fortzieht, das Nachsehn für die späten Jahre.
(Band 3 S. 54)
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Der schlaue Freund

In Freundesmaske, einer meisterlichen,
Gabst du Gehör dem Klagen meiner Kranken,
Die schon im jähen Mutterleib zu schwanken
Geboren war. Ach, als sie mir entwichen,

Gab ich sie frei, in Angst, sie könnte wanken.
Du lauertest, bis eine Zeit verstrichen,
Hast Trennungsweh dann mit Verrat umschlichen.
Hätt ich's gewußt, lägst du mit starren Flanken.

Nun sitzt an deinem Tisch ein stummer Schatten
Und wird dir die gestohlne Freude töten,
Gehst du die Freundschaft hinterrücks bestatten,

Wirst du unsicher in der Brust erröten.
Dir folgt mein Blick und wird dein Herz abmatten.
Aufstöhnen wirst du noch in Todesnöten.
(Band 3 S. 54-55)
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Der zersprungene Spiegel

Daß ich dich nun verlor, soll ich's noch klagen?
Die ich in dir geliebt, hast du verlassen,
Dein trübes Herz im Rausche zu verprassen,
Anstatt mit mir das Leid des Glücks zu tragen.

Die ich geliebt, die hast du fallen lassen.
Nicht kann ich mehr zu dir Madonne sagen,
Wie einst an unsern blauen Sommertagen.
Nur die, die ich gehaßt, kann ich noch hassen.

Nicht kann ich mehr in deinen Armen singen,
Von Sonn und Regentropfen und vom Winde.
Nicht kann ich mehr in froher Liebe klingen.

Furcht hab ich, daß mir Lust am Leben schwinde.
Dein Spiegelantlitz mußte so zerspringen,
Daß ich mich selber nimmer darin finde.
(Band 3 S. 55)
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Sterbende Liebe

Dein schlanker Leib war schöner als dein Herz.
Denk ich zurück an unsre Liebeszeiten,
Vermischt sich Sehnsucht mit den Bitterkeiten
Enttäuschten Glaubens, und mich spaltet Schmerz.

Um deine Lippen spielten Häßlichkeiten.
Zog je dein Sehnen mit mir sonnenwärts?
Als ich's erkannte, wurde ich zu Erz
Und ließ dich, bis zum Tode wund, entgleiten.

Dein süßer Leib, der war einmal mein Glück.
Dein Inneres vermorschte unter Flecken.
Ich mag ins alte Leben nicht zurück,

Kann nicht mit Traum mehr Klüfte überdecken.
Zum Bild des Weibes gabst du nur ein Stück.
Nach anderem muß ich die Hände strecken.
(Band 3 S. 56)
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Alte Qual

Mir zuckt das Herz von einer alten Wunde,
Die mir Verrat mit frechem Mund geschlagen.
Wie mich's empörte, kann ich niemand klagen,
Keins fühlt ins Glück und Leid von anderm Bunde.

Ich träumte manche Stunde vom Erschlagen,
Die Schmach zu werfen aus dem Herzensgrunde -
Und sah in einer heiligstummen Runde
Auf einem Berg ein Kreuz zum Himmel ragen.

Ich opferte der Stimme dort die Rache
Und frage doch: war's nicht mein Seelenschaden?
Und horche oft, ob ich nicht irre lache,

Weil ich es unterließ, mich zu entladen.
Ja, Tage gibt's, wo ich in Qual erwache,
Anstatt durch einen Mord mich frei zu baden.
(Band 3 S. 56-57)
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Der Tod der Liebe

Ich hasse dich, weil du vom ersten Bilde,
Das ich von dir in meiner Brust getragen,
Dich so entferntest, daß ich um mich schlagen
Und dich zertreten könnte im Gefilde.

Solang du treu warst, konnte ich's ertragen,
Daß du auch Züge hattest, launisch wilde
Und höhnisch kalte, die auf deiner Milde,
Die mich gebannt, wie leichte Flecken lagen.

Nun du Verrat begingst, weint mein Verlangen.
Noch muß ich in der Nacht die Hände strecken
Nach deinen einst ach so geliebten Wangen,

Als könnte ich die alte Zeit erwecken -
Und seh's auf unsrer Liebe bläulich prangen,
Kalt weht mich's an: das sind die Leichenflecken.
(Band 3 S. 57)
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Flüchtige Begegnung

Wohl kann ich dich nach allem, was geschah,
O Weib, auf Erden nimmermehr begehren.
Ich mußte mich zu einer andern kehren,
Treu will ich die, in der ich mich ersah.

Eins aber muß ich innig an dir ehren:
Dein Lächeln. Heute standest du mir nah,
Und hinter Leiden war es wieder da,
Und dieser Liebe brauch ich nicht zu wehren.

Dein Auge sprach: ich büßte bitterlich!
Und Glück von ehmals lag auf deinem Munde.
Still fühlte jedes nur: verwandle dich!

Das Tor zum Himmel schmolz in unsrer Wunde.
In Tränen schwebten beide über sich.
Stumm leuchtete der Blutkelch durch die Stunde.
(Band 3 S. 58)
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Der Bildner

Mein ist das Bild, das reine Bild der Welt.
Kampf tobt in mir drum, daß ich ihre Dinge,
Die mich beschweren wollen, niederringe
Und so mein Herz nicht aus dem Schauen fällt.

Kampf tobt, daß ich die Leidenschaft bezwinge,
Die mich in Glut und Qual im Banne hält,
Und wenn auch Schrei aus meiner Brust aufgellt -
Aufschweben will ich mit gelöster Schwinge.

So steh ich mit der Liebe auch im Streit,
Wenn ich mich ihrem Sein zu eng verbinde.
Ich bin zum höchsten Schwunge nur bereit,

Wenn ich mich aller Dinglichkeit entwinde
Und selig von der Last der Welt befreit
Ihr Bild im Innern zu den Himmeln finde.
(Band 3 S. 94-95)
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Minne und ein fernes Mädchen

Heimliche Bewunderung

Du birgst ein Rätsel, scheue Mädchenblüte,
Das ich am Ende zu erraten wüßte,
Wenn du befehlen solltest, daß ich's müßte,
Und ich um seinen Sinn mich tief bemühte.

Doch daß du bist, vom Leben Ungeküßte,
In alter Zucht und schlankem Schritt Erglühte,
Das bleibt ein Rätsel, das ich schweigsam hüte,
Weil dein Gesicht mir manchen Tag versüßte.

Ich möchte deine Sehnsucht nicht entzünden
Um deines ersten Morgenhimmels willen,
Dafür darf ich in meinen Anfang münden.

Ich hör den Bach im Paradiese quillen.
Komm, laß dich liebrein anschaun und verkünden
Und so ein Heimweh meiner Seele stillen.
(Band 3 S. 98)
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Der Anblick

Was du mir bist, kann ich dich's wissen lassen?
Du stehst noch bang als Jungfrau vor dem Leben
Und sehnst dich heimlich, dich ihm hinzugeben,
Und weißt nicht, daß erfüllte Sehnsucht Hassen

Und Glück im gleichen Glase läßt erbeben,
Daß wir's manchmal vor Traurigkeit nicht fassen!
Ich sah schon Liebe jubeln und erblassen;
Ich darf den schweren Schatz der Nähe heben.

Schau ich dich an, dann wollen Wundertore
Unwirklich wirklich nach den Auen springen -
Ich stehe stumm vor taugefülltem Flore.

Schau ich dich an, dann fang ich an zu klingen,
Ich darf in einem knabenhaften Chore
Mit Lippen, die wie deine schlummern, singen.
(Band 3 S. 98-99)
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Junge Madonne

In deinem süße Anblick schweigt die Wunde,
Die ich einmal vor langer Zeit empfangen.
Nach solchem Lächeln mußt ich heimverlangen
Und find es reiner nun auf deinem Munde.

Der Riß ist mir zutiefst ins Herz gegangen,
Daß ich bei aller Freude schwer gesunde.
Und immer wieder naht mir jene Stunde,
Wo Arme der Verzweiflung nach mir langen.

Nun ich zu deinem wundersamen Bilde
In Zeiten der Zerrissenheit hinfliehe,
Ist mir, als ob vor deiner frühen Milde

Mir endlich Ruhe in das Innre ziehe.
Vor deinem unbetretenen Gefilde
Naht mir das Heiligtum, vor dem ich kniee.
(Band 3 S. 99)
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Die letzte Schönheit

Erfüllte Liebe kann mir auf die Dauer
Im Tageslicht der Nähe nicht genügen.
Ich lernte es am Mund von offnen Krügen,
Daß Trunkenheit leicht übergeht in Trauer.

Die Schönheit mit den nieberührten Zügen
Schenkt seliger als Leidenschaft den Schauer.
Zu Zeiten blick ich durch die Gittermauer,
Wie wenn mich Schwingen in die Ferne trügen.

Mich überkommt's, daß ich die ewig Eine,
Die mir erschien auf manchem Angesichte,
Bisweilen einer Ungeküßten eine,

Die mild mich anblickt wie im Sternenlichte,
Darin ich selbst entrückt und ewig scheine.
Sie lächelt ewig schön nur im Verzichte.
(Band 3 S. 100)
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Zauber

Zu einer andern Liebe als Verlangen,
Rausch, Zärtlichkeit und den gewitternassen
Ernüchterungen, wissendem Umfassen,
Ist dir mein Herz in Strahlen aufgegangen.

Nie schlägt mein Lieben um in jähes Hassen.
Fühl ich mich hin an deine süßen Wangen,
Darf ich dein ungetrübtes Bild empfangen:
Wenn meine Wünsche es im Spiegel lassen.

Und wie der Springbrunn seine Silberwellen
Selig zurücktrinkt in sein rundes Becken,
In flutenden Gesängen aufzuschnellen,

Hör ich entzückt mit heiligem Erschrecken
Aus meiner Brust die Stimme überquellen,
Um deine Füße Blüten aufzuwecken.
(Band 3 S. 100-101)
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Das erste Bild

Du stehst noch fremd vor diesem Leben da.
Ich hab es längst an meine Brust geschlossen
Und all sein Glück, all seine Qual genossen.
Schau ich dich an, ist erste Liebe nah.

Du bist von deinen Strähnen leicht umflossen,
So lieblich, daß ein Wunder mir geschah.
Hat meine Mutter, die ich niemals sah,
Auf dich den Tau der Jugend ausgegossen?

Wenn du einmal wie ich im Leben stehst
Und manchmal auch hinausdrängst aus dem Leben,
Wenn du vor Glück aufstöhnst, vor Qual vergehst,

Fühlst du vielleicht mit heimlichem Erbeben,
Was ich jetzt fühle, wo du schweigsam flehst,
Und wirst mein Bild wie ich das deine heben.
(Band 3 S. 101)
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Süsser Verzicht

Ich saß einmal ganz in mein Schaun versunken
Dir gegenüber selig vollgeronnen,
Als blickte ich in fernen Wunderbronnen,
Daraus mir widerglänzten lichte Funken.

Nie konnt ich auf gemeißelte Madonnen,
Nie auf gemalte meine Blicke tunken
So wie auf dich, von letzter Schönheit trunken,
Als hätt ich neu das Paradies gewonnen.

Da mußtest du das ziere Antlitz neigen
In süßer Wehmut, Liebe zu entbehren,
Die aufgekommen war im ersten Schweigen,

Und lächeltest so mild in deinen schweren
Goldflechten, und da fühlt ich Liebe steigen,
Zu rein, vor diesem Bild Glück zu begehren.
(Band 3 S. 102)
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Der zauberhafte Augenblick

Als ich das letzte Mal dich lächeln sah,
War mir, als müßte ich inbrünstig flehen:
O bleib mir immer so vor Augen stehen!
Du saßest wie der erste Frühling da.

Nie möcht ich dein Gesicht ernüchtert sehen.
Und hauchst du jemals fremder Bitte: Ja -
Mir bleibst du wie in dieser Stunde nah.
Du bist zu schön, am Leben zu vergehen.

Nun bleibst du so - doch nicht, wie ich's gedacht:
Fern in der Fremde ist der Tod gekommen
Und hat dich rasch in seine dunkle Nacht

Uns allen, die dich lieben, fortgenommen.
War er's, der mir dein schönstes Bild gebracht?
Du glänztest auf, und dann bist du verglommen.
(Band 3 S. 102-103)
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Erscheinung

Im Traum der Nacht erschien mir die Gestalt
Des schönsten Mädchens, das ich einst gesehen,
Im sanften Blicke jenes süße Flehen,
Um ihre Lippen sehnende Gewalt.

So deutlich sah ich sie vor Augen stehen,
Ein Wunder, das aus Himmeln überwallt.
Mein Herz, vom Leben oft getrübt und kalt,
Es wollt' im Zauberanblick fast vergehen.

Verstummt vor Inbrunst lag ich auf den Knien,
Erfüllt von dieser ewigen Sekunde.
Dann mußte sie die Lippen mild verziehn:

Wehmut lag auf dem nie berührten Munde.
Sie sah mich an, dann schwand der Glanz dahin -
Ihr Grab rief sie zurück im dunklen Grunde.
(Band 3 S. 103)
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Stern der Liebe

Aufstieg

Was wissen die, die ihre Leidenschaft,
Das tiefe Gut, aus blindem Leib vergießen,
Von Sonnenströmen, wie sie die durchfließen,
Die Leidenschaft umsetzen in die Kraft!

Die ohne Zucht vom Lebensquell genießen,
Schwächen den Willen, der da strahlt und schafft.
Allein auch die verglühn in enger Haft,
Die sich aus Geiz nur in sich selbst verschließen.

Weib, hüten wir die Flamme in der Brust
Und laß uns dorthin, wo die Götter winken,
Aufsteigen quer durchs heiße Tal der Lust

Und über seiner Qual mit Flügeln blinken!
Laß uns nur auf den Gipfeln lichtbewußt
Zu hoher Zeit vom Schaum der Liebe trinken!
(Band 3 S. 130)
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Der Dienst

Du bist mein Weib, du stehst mir bei im Streit
Wider die Sorgen, die mir Fesseln weben.
Ich muß den Block aus meiner Tiefe heben,
Der unerlöst nach einem Leibe schreit.

Du bist mein Weib, und deine Lippen beben
Zur großen Liebe in den Tod bereit.
Ich küsse dich, hab ich den Stein befreit.
Schenk ich mich ihm, muß ich dir widerstreben.

Nie blickst du auf den weißen Block mit Neid,
Fühlst du auch fernes Antlitz mich umschweben
Und schon entrückt aus seinem Erdenkleid

Mir sanfte Glut zum strengen Dienste geben.
Du bist mein Weib und lachst von Stolz geweiht,
Wenn alle meine Marmorbilder leben.
(Band 3 S. 130-131)
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Die Bändigung

Nun folgt sie endlich: unsre kleine Schlange.
Nach hartem Kampfe hab ich sie bezwungen.
Zu eigenwillig ist sie aufgesprungen
Und züngelte an deine weiche Wange.

Ich habe sie in bunten Traum gesungen.
Ungiftig zwar, macht sie zu Zeiten bange.
Nun liegt sie viel bei unsrer Tür im Gange,
Und wie die Kinder sitzen wir umschlungen.

Das Schlänglein, das ich oft im Zorn geschlagen,
Wollt es mir Zauberkraft vom Herzen saugen,
Hilft uns die Mühen nun des Lebens tragen

Und kann uns zu verschiednen Diensten taugen:
Schenkt Jugend uns und schenkt mir kühnes Wagen
Und leichte Weisheit mit den goldnen Augen.
(Band 3 S. 131)
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Die Schau

Noch immer glüht dein Mund wie eine Frucht,
Von einem goldnen Messer zart gespalten.
Ich kann den meinigen daran entfalten:
Du hast den Mund, den ich so lang gesucht.

Nun meine Hände dich für immer halten,
Bin ich vor ihm mitunter auf der Flucht,
Damit sein Rot mich nicht so viel versucht,
Sehnsüchte im Genusse nicht erkalten.

Ich schaue dich erfüllt wie hinter Glas,
Und feine Kräfte, angefeuert, rinnen
Mit einem Dufte wie von Sommergras

Mit tief geheimnisvoller Glut nach innen.
Ich darf ein Bild, an dem die Zeit genas
Und das durch ihr Verfließen glänzt, gewinnen.
(Band 3 S. 132)
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Nähe und Ferne

Der Alltag trübt das Bild der Liebe. Zug
Um Zug stört auch im reinsten, daß ich leide
Und oft den Blick daran zum Toben schneide:
Gehemmt ist dann mein froher Sonnenflug.

Was mir zu Zeiten süße Augenweide,
Verliert an Zauberbann, als wär's ein Trug.
Ergründung lähmt die Sehnsucht, und mit Fug
Geschieht's, daß oft ich deine Nähe meide.

Laß Nähe Ferne, Ferne Nähe sein,
Dann blickst du, frühes Lächeln auf dem Munde,
Mir wie im Anfang ins Gesicht hinein,

Erscheinung auf dem unbekannten Grunde.
Dann schwebst du über Durst, Erkenntnis, Pein,
Und füllst mein Herz wie in der ersten Stunde.
(Band 3 S. 132-133)
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Licht und Schatten

Ach, über dich hinaus, o Weib, ist keine.
Du hast die lautre Liebe mir gespendet,
Die erst im Tod, vielleicht auch dann nicht, endet,
Verbleichen auf dem Friedhof die Gebeine.

Einst fragt ich, ob mich Glut nicht auch verblendet,
Wie in den Frühlingsstürmen mehr als eine.
Wenn ich mich deinem Herzen nun vereine,
Hat Liebe sich zum reinen Glück vollendet.

Das höchste Glück wirft auch den längsten Schatten:
Furcht vor Verlust starrt wissend in die Schlünde.
Dann möchte Schwermut Sonnenlust ermatten,

Und keine lebt, die Fernen mir entzünde.
Nur Freundschaft hilft mir Traum zurückerstatten,
Den Flug in Weiten, die ich nie ergründe.
(Band 3 S. 133)
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Wandlung

Die Jahre eilen, mit der Zeit vernarben
In meiner Brust die ungezählten Wunden,
Die Liebe schlug, die ich nicht so gefunden
Wie jenes Bild, um das die Wünsche warben.

Süß tönt und traurig Tropfenfall der Stunden.
Die Fluren blühten, und die Fluren starben.
Nun leuchtet mir die Welt in neuen Farben;
Oft gleichst du jener, die ich vorempfunden.

Aus deinen wundernd quellbachhellen Blicken
Glänzt mir auf meinen vielverschlungnen Wegen,
Um mich im Lebenskampfe zu erquicken,

Ein Herz, vom Tau der Treue voll, entgegen.
Wenn wir uns Grüße aus der Seele schicken,
Schenkt langerprobte Liebe Glut und Regen.
(Band 3 S. 134)
_____



Leben der Liebe

Im Anfang unsrer Liebe stand dein Bild.
Mit einem Schauer hab ich es empfunden.
Es leuchtete durch unsre frühen Stunden
Frisch wie die Rose auf dem Taugefild.

Ich nahte, von Verlangen überwunden,
Und hab an deinem Mund den Durst gestillt:
So sind wir beide lust- und leidgewillt
In einer nahen Innigkeit verbunden.

Ach, nach Vereinigung und trunknem Kuß,
Wenn Seelen wieder auseinanderfallen,
Da horcht das Herz mitunter jenem Fluß,

Der alles mitreißt, wie die Wellen wallen.
Doch hinter Glück und Trübung, Überdruß
Lächelt das Bild von einst, als wär's kristallen.
(Band 3 S. 134-135)
_____



Erfüllte Sehnsucht

Die ich im Traum erblickte, die ich nicht
Ganz, wie ich sie ersehnte, je gefunden,
Saß bei mir in der frohesten der Stunden,
Umspielt von hellem Mittagssonnenlicht,

Und ließ Erfüllung meiner Sehnsucht munden.
Die Ewge, die ein volles Glück verspricht,
Erschien der Liebsten festlich im Gesicht,
Wie meine Ahnung sie von je empfunden.

Du saßest da, ein schönes Frauenbild,
Vor mir in deiner jungen Sommerblüte.
Den Wundermund umspielte Sonne mild

Und glänzte dir im Blick aus dem Geblüte;
Mein Auge trank, in Ewigkeit gestillt,
Indes ein süßer Rausch mein Herz durchglühte.
(Band 3 S. 135)
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Die Gezeiten

Du nahmst mein Herz mit deiner Liebe ein,
Du frohes Weib, mag ich's auch nicht gestehen.
Wenn deine blauen Kinderaugen flehen,
Dann ströme ich ins Leben voll hinein.

Doch weil wir täglich unsre Straße gehen,
Schlägt auch das Wetter um und droht zu schnein.
Nicht immer glänzt der Himmel wolkenrein.
Von allem Glück muß ich den Schatten sehen.

Du hast mein leiderfahrnes Herz erfreut
Mit Lippen, die mir immer fromm erglühten;
An deiner Seite hab ich mich erneut.

Du schenkst mir Schlaf, wenn sich die Hände mühten,
Und wenn ein Sturm auch manchmal Schloßen streut,
Der Zauberbaum trägt immer wieder Blüten.
(Band 3 S. 136)
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Wendung

Aus Unglück wurde Glück. Ich sag's nicht laut.
Ich hatte mich an Glück schon satt getrunken,
Bis ich ernüchtert aus dem Rausch gesunken.
Leicht wird es bitter, daß dem Munde graut.

Nun haben Augen innig mir gewunken,
Aus denen süß ein reiner Himmel blaut
Und noch nach Jahren wie im Anfang taut,
Und mir im Blute perlt der gleiche Funken.

Nach Täuschung, einem nie versiegten Leid,
Nach einem Traum, der mir das Herz geblendet,
Gibt mir die Liebe treueres Geleit.

Ein altes Mißgeschick hat sich gewendet.
Nun lodre, Flamme, in die Ewigkeit,
Daß sich die Glut zu klarem Licht vollendet.
(Band 3 S. 136-137)
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Nachglanz

Du hast in jener ersten süßen Nacht,
Als weiße Kerzen vollen Glanz gespendet,
In einem Kuß, der nie im Leben endet,
In Demut mir dein Erstes dargebracht.

Und immer, wenn der Himmel Glanz verschwendet,
Stern an geliebtem Sterne sich entfacht,
Erschauern wir der rätselhaften Macht,
Die Herzverwandte zu einander sendet.

Und immer, wenn wir in der hohen Zeit,
Entrückt dem Tage, ganz zusammenfinden
Und fern von seiner Lust und seinem Leid

Das Heiligtum der Liebe neu empfinden,
Erglüht im Innern wieder glanzbereit
Die erste Nacht, um Blut an Blut zu binden.
(Band 3 S. 137)
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Liebe und ihr Schatten

Unendlich glüht mir Glück an deiner Brust
Im Rausch des Frühlings, Traum der Winternächte.
Daß Liebe solche hellen Freuden brächte
Wie Sonne, war zuvor mir kaum bewußt.

Dank ist das Opfer an die Himmelsmächte,
Die unser Schicksal brauen, Leid und Lust,
Wie wir es tief im Inneren gemußt.
Doch nah ist auch der Rand der dunklen Schächte:

Das Glück der Liebe ist von Angst bedroht
Vor jener Stunde, die zwei Herzen scheidet.
Denn einmal taucht empor der strenge Tod,

Der Leben unvermerkt von Leben schneidet,
Daß stumm das Überlebende die Not
Der bitteren Verlassenheit erleidet.
(Band 3 S. 138)
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Dauer der Liebe

Soll Leidenschaft ein langes Leben dauern,
Braucht sie die stille Freundschaft zum Genossen,
Daß sie nicht übersättigt und verdrossen
In ihrer Glut verlodert und wir trauern.

Ihr süßes Bild, vom Herzensschrein umschlossen,
Erzittert stetig unter leisen Schauern:
Die dunklen Mächte in den Tiefen lauern
Darauf, das Glück dem Abgrund zuzustoßen.

Du schenkst auch Freundschaft. Deine Sonne brachte
Glanz in den Werktag. Bunte Blumen blühen.
Mir, der so oft enttäuscht aus ihr erwachte,

Gibt Liebe Trost in Schrecken und in Mühen.
Da ich dich auch als meine Freundin achte,
Erfüllt die Stunde tiefer, wo wir glühen.
(Band 3 S. 138-139)
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Venus Maria

Bisweilen, wenn an deinem jungen Munde,
Dem roterblühten, meine glutgewillte
Sehnsucht verhaltenes Verlangen stillte,
Rührte mich Heimweh an in stiller Stunde -

Heimweh nach einem wundersanften Bilde
Auf unergründlich himmelblauem Grunde.
Nun reift auch dir in unserm Liebesbunde
Ein Zug und Hauch marienhafter Milde.

Vom Schicksal durft ich dieses Glück empfangen -
Ich fühle Dank im Strahle seiner Sonne.
Ein alter Spalt ist leise zugegangen.

An deinem Herzen blüht mir reine Wonne.
Rausch, süße Heimat konnte ich erlangen:
Du bist mir Venus bald und bald Madonne.
(Band 3 S. 139)
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Neues Bild

Du hast von eurem spielenden Geschlechte
Nicht jenen Blick der aufgeschnellten Schlange,
Mich traf ihr Gift ins Herz. Ich fragte lange,
Ob neue Liebe mir die Heilung brächte.

Du reichtest sie mit zart erglühter Wange.
Ich trank und wurde nicht zu ihrem Knechte,
Wie einst ein Weib gewünscht, das ihre Flechte
Verräterisch gelöst in eitlem Drange.

Dein tiefes Bild, das süße, keusche, herbe,
Enttäuschte nicht und wurde mir zum Spiegel
Des eignen, reinsten. Daß es nie verfärbe,

Verwahr ich's vor dem Tag wie unterm Siegel.
Und wenn ich einmal sterbe, dann vererbe
Ich's an den Gott zurück für seinen Tiegel.
(Band 3 S. 140)
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Zauber der Schönheit

Ach, wer die Schönheit liebt, der liebt ihr Bild,
Wie es zum ersten Mal sein Blick getrunken,
Das Glänzen ihrer Augen ihm gewunken.
Hinknien möchte er vor Gnade mild.

Als wäre sie aus andrer Welt gesunken,
Schaut er, wie für die Ewigkeit gestillt.
Sich selbst zu opfern ist sein Herz gewillt,
Heilig entzündet sich darin der Funken.

Ach, wer die Schönheit liebt, der liebt den Tod;
Auf seinem Dunkel hat er sie empfunden.
So, wie der erste Augenblick sie bot,

Sieht er sie nie mehr im Gefäll der Stunden.
Heimweh erfaßt ihn nach dem Himmelsbrot.
Wie sie erschienen, ist sie ihm entschwunden.
(Band 3 S. 153)
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Ewige Sehnsucht

Unsäglich ist, was ich für dich empfinde.
Wie könnte sich auch das mit Namen nennen,
Was in der Seele glüht, die wir nicht kennen,
Und was ich stumm in deinen Blicken finde.

Kein Raum der Erde kann uns wieder trennen,
Nun ich geliebt mich deinem Sein verbinde,
Sei's auch, daß eins dem andern lang entschwinde.
Nur der Gedanke macht mich manchmal brennen.

Ich müßte immer nach dir heimverlangen,
Wenn uns das Leben, draus die Schmerzen stammen,
Je trennen möchte. Tod mit dir zusammen

Löschte den letzten Rest von leisem Bangen.
O fänden einst gemeinsam unsre Flammen
Zurück zur Ewigkeit, der sie entsprangen!
(Band 3 S. 154)
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Macht der Liebe

In Nächten, wenn der Sternenschimmer fällt,
Darfst du, o süßes Weib, in meinen Armen
Und ich in deinen bebenden erwarmen,
Von Ewigkeit der Liebe überhellt.

Doch könnt ich durch die Liebe auch verarmen,
Wenn Glück mich allzubang gefangen hält.
Mein Herz ist groß und klopft der ganzen Welt
In Überschwang und Leid und Allerbarmen.

Oft hilft mir Liebe zu der Himmelslust,
Die ganze große Welt ans Herz zu halten
Und ihre Mächte in der eignen Brust

Zu schaun, wie sie mit Lust und Grauen walten.
In der bestrahlten Zeit darf ich bewußt,
Als wär's ein Spiel, den Kampf der Welt gestalten.
(Band 3 S. 158-159)
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Aus: Emanuel von Bodman
Die Gesamten Werke Band 3
Im Auftrage von Clara von Bodman
Herausgegeben von Karl Preisendanz
Philipp Reclam jun. Stuttgart 1960



 

 

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